2.1 Rahmenbedingungen
Während der Jahrhunderttausende langen Altsteinzeit, dem sogenannten Paläolithikum (ca. 2.400.000–19.000 v. Chr.), hatten die Menschen ihren Lebensunterhalt durch die Jagd auf Wildtiere und das Sammeln von Pflanzen bestritten. Verschiedene ökologische und logistische Faktoren dieser Subsistenzstrategie zwangen sie zu einer mobilen Lebensweise in relativ kleinen sozialen Gemeinschaften von nicht mehr als 25 bis 50 Personen.1 Diese auf Großfamilien- oder Clanebene organisierten Gruppen lebten in nur saisonal genutzten Camps, je nach Jahreszeit in Höhlen, in kleinen Zelten und leichten vegetabilen Bauten oder unter freiem Himmel.2
Abb. 2.1: Chronologietabelle prähistorischer Kulturen in Vorderasien
Abb. 2.2: Vorderasien
Der Wechsel der Subsistenzstrategie von der Nahrungsaneignung zur Nahrungsproduktion gilt als ein wesentliches Kriterium für die Definition neolithischer Kulturen und vollzog sich in Vorderasien
Abb. 2.3: Der prähistorische Fundort Tell es-Sultan
Bereits am Ende des Pleistozän, während des sogenannten Epipaläolithikums (ca. 19.000–9.600 v. Chr.), und am Übergang zum Holozän lebten noch auf der Jagd basierende Gemeinschaften in wohl schon permanenten Siedlungen wie ‘Ain Mallaha
Abb. 2.4: Der frühneolithische Fundort Çayönü
Spätestens ab 9.500 v. Chr. entstanden Orte mit größeren Gemeinschaften, neuen gesellschaftlichen Organisationsformen und vielfältigen neuen
Für eine ‚Wissensgeschichte der Architektur‘ liegt ein besonderer Wert der Untersuchung des neolithischen Bauens in Vorderasien
Abb. 2.5: Der frühneolithische Fundort Göbekli Tepe
2.2 Inhalte des Wissens
Da aus der Epoche des Neolithikums keine Textquellen und nur wenige bildliche Darstellungen vorliegen, bildet der bei archäologischen Ausgrabungen freigelegte materielle Befund die wesentliche Quelle für jedwede Forschung. Bezüglich der Architektur und des Wissens über das Bauen sind dies vor allem die erhaltenen Baureste selbst, aber auch Hinterlassenschaften wie Werkzeuge und andere Artefakte. Durch genaue, grabungsbegleitende Untersuchungen und Dokumentationen der Baureste und ihrer Fundumstände können aussagefähige Informationen über Bauprozesse
Naturgemäß ist der materielle Befund am aussagefähigsten bezüglich der verwendeten Baumaterialien und angewandten
2.2.1 Das handwerkliche Wissen: Baumaterialien, Bautechniken
und technische Verfahrensweisen
Eine systematische Arbeit über frühes Bauen in Vorderasien
Die folgende Zusammenstellung des bautechnischen Wissens im Neolithikum Vorderasiens
Bauen mit Naturstein
Abb. 2.6: Tell es-Sultan
Allerdings wurden im obermesopotamischen Nevalı Çori
Abb. 2.7: Göbekli Tepe
Abb. 2.8: Göbekli Tepe
Bislang ist aus dem vorderasiatischen Neolithikum kein Fall bekannt, der einen Langstreckentransport von Steinen als Baumaterial belegen würde, wie dies zum Beispiel für die westeuropäischen Megalithkulturen des 5. bis 2. Jahrtausends v. Chr. bezüglich möglicher Transporte über mehr als 6 km diskutiert wird.22 Spätestens seit dem Epipaläolithikum wurden Feldsteine
Ein bislang singulärer Bau ist der sogenannte Turm von Jericho
Manche Bauten verfügen über freistehende Binnenwände, die zunächst nur einreihig ausgeführt wurden und wahrscheinlich keine tragende Funktion hatten. Aus einigen Fundorten sind auch Häuser mit einreihig gemauerten und freistehenden Außenwänden belegt. Offenbar erkannten die neolithischen Bauleute bald die konstruktiven Schwächen der einreihigen Mauern. In Obermesopotamien treten schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrtausends zweischalige Bruchsteinmauern auf, deren Verbreitung in der zweiten Hälfte des 9. Jahrtausends zunimmt (Abb. 2.7). Diese zweischaligen Bruchsteinmauern sind meist etwa 60 cm bis 1,0 m breit und die Mauerschalen sind meist aus etwas größeren Steinen gefügt, die teilweise in das Mauerinnere eingreifen, während die Mauerfüllungen tendenziell aus kleineren Steinen bestehen. Die qualitativen Unterschiede zwischen Mauerschalen und Mauerfüllungen sind oft aber nur graduell und eine systematische Anordnung von regelrechten Bindern ist nicht nachweisbar. Einige Mauern des 9. Jahrtausends zeigen aber schon eine besondere Sorgfalt bezüglich des Erzielens geschlossener Oberflächen, indem die Zwischenräume der größeren Bruchsteine mit kleinen Füllsteinen ‚ausgezwickt‘ wurden (Abb. 2.8). Im Verlauf des 9. Jahrtausends erfolgt in den meisten Regionen Vorderasiens
Abb. 2.9: Göbekli Tepe
Abb. 2.10: Göbekli Tepe
Eine spezielle Bauweise, die wahrscheinlich mit der Suche nach einer konstruktiven Lösung dieses Eckproblems in Verbindung steht, findet sich in einigen kleinen Räumen der PPNB-zeitlichen Schicht II des Göbekli Tepe
Auch wenn diese eigenartige ‚Ecklösung‘ für die weitere Baugeschichte ohne Folgen blieb, ist dieser Befund aus wissensgeschichtlicher Sicht gerade deshalb von beträchtlichem Wert, da es sich um eine selten greifbare Momentaufnahme aus einem konstruktiven Entwicklungsprozess handelt.25 Der materielle Befund gewährt uns hier einen Einblick in den Lernprozess der neolithischen Bauleute. Diese suchten offenbar auf empirischem Wege nach einer tauglichen Lösung für eine neue Aufgabe, für die noch kein erfahrungsbasiertes Praktikerwissen etabliert war.
Abb. 2.11: Göbekli Tepe
Die unterschiedlichen Qualitäten der Mauerwerksstrukturen und insbesondere die oft mangelhaften Eckverbände und Wandaussteifungen zeugen von einem zunächst noch ‚naiven konstruktiven Verständnis‘ der Erbauer, welches erst sukzessive zunahm.26 Ab dem späten 9. und dem 8. Jahrtausend sind dann vermehrt sorgfältig gefügte Steinmauern belegt, die denen späterer Kulturen qualitativ nicht nachstehen. Ab der gleichen Zeit wurden die Mauern an manchen Orten auch mit aus Bruchsteinen gemauerten Wandvorlagen ausgestattet, welche einerseits als Auflager für Deckenhölzer gedient haben können, andererseits aber auch zur Aussteifung der Mauern beitrugen.27
Abb. 2.12: Göbekli Tepe
Die Ausgrabungen in den obermesopotamischen Fundorten Nevalı Çori
Die megalithischen Bauteile wurden nicht etwa aus großen Findlingen hergestellt, sondern in regelrechten Steinbrüchen gewonnen, die im Fall des Göbekli Tepe
Abb. 2.13: Göbekli Tepe
Abb. 2.14: Göbekli Tepe
Fordert die Leistung der Herstellung eines solchen Megalithen schon großen Respekt, so beeindruckt erst recht der Gedanke an dessen Transport und kontrollierte Aufrichtung.33 Bei dem zuvor beschriebenen Stück beträgt die Entfernung von der Steinbruchstelle zu den Bauten, in denen die Pfeiler aufgestellt wurden, mindestens 300 Meter, und auf dieser Strecke war eine Höhendifferenz von mehr als 11 Metern zu überwinden. Bei der Einschätzung der zum Transport erforderlichen Arbeitsleistung ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die frühneolithischen Bauleute am Göbekli Tepe
Ob für das Gelingen eines solchen Transports nicht nur auf die eigenen Kräfte und technischen Möglichkeiten vertraut, sondern auch an andere Mächte appelliert wurde, wie dies für rezente Megalithkulturen dokumentiert ist, kann natürlich nur vermutet werden.36
Bauen mit Erde, Lehm und Ton
Schon im Neolithikum wurde die Erde
Bei einfachen Rundhütten des Epipaläolithikums sowie des frühesten Neolithikums bestanden die Tragstrukturen teilweise aus ineinander geflochtenen Ästen und Zweigen und ein darauf aufgebrachter Lehmbewurf
Abb. 2.15: Lehmziegelherstellung im heutigen Ägypten
Abb. 2.16: Çafer Höyük
Die früheste Massivlehmbauweise bestand wohl in der freihändigen Modellierung noch feuchten Lehmmaterials zu schichtweise aufgeführten Wänden (‚Tauf‘ oder leicht missverständlich auch ‚Pisé modelé‘).39 Ein Nachteil der ‚Tauf‘-Bautechnik
Bei der bis heute in einigen Regionen der Erde praktizierten, eigentlichen ‚Pisé-‘ oder Stampflehmbauweise (auch ‚Pisé moulé‘) wird das feucht-plastische Material zwischen hölzernen Schalungen eingebracht und schichtweise komprimiert. Diese Technik gestattet einen kontinuierlicheren Bauablauf, erfordert im Vergleich zur ‚Tauf‘-Technik aber ein höheres Maß an bautechnischem Know-how und gestalterischer wie organisatorischer Vorausplanung.42 Die Anwendung dieser ‚echten Pisé-Bauweise‘ im neolithischen Bauen Vorderasiens
Schon im 9. und 8. Jahrtausend v. Chr. entstanden auch Mauern aus handgeformten und luftgetrockneten Lehmziegeln (Abb. 2.15; 2.16).44 Die Formen und Größen dieser Ziegel variieren in den verschiedenen Regionen Vorderasiens und so werden sie teilweise als brotlaibförmig, cigar-shaped oder plano-convex beschrieben.45 Gemeinsam ist ihnen, dass sie ohne spezielle Werkzeuge mit bloßen Händen geformt wurden und dass die daraus resultierenden Lehmziegel mehr oder weniger rundlich ausfielen. Die abgerundeten Formen waren konstruktiv allerdings nicht besonders günstig, mussten durch große Mengen von Fugenmörtel ausgeglichen werden und erschwerten die Errichtung von Mauerwerksstrukturen mit regelrechten Ziegelverbänden. Der große Vorteil gegenüber der ‚Tauf-‘ oder der ‚Pisé-Bauweise‘ bestand aber darin, dass durch die Vorfertigung mit anschließender Trocknungsphase die Materialbeschaffung zeitlich vom eigentlichen Bauprozess getrennt wurde. Dies ermöglichte einen zügigeren Bauablauf unter Mitwirkung größerer Personenzahlen.46 Zugleich erforderte das Bauen mit vorfabrizierten Lehmziegeln eine vorausplanende Schätzung der erforderlichen Materialmenge, die nicht ohne eine zumindest rudimentäre Entscheidung über die Gebäudegestalt erfolgen konnte.47
Ab dem 8. Jahrtausend v. Chr. wurden an einzelnen Orten Lehmziegel wohl in Modeln geformt. Die quaderförmigen Lehmziegel eines Hauses im südosttürkischen Çafer Höyük
Die Standardisierung der einzelnen Bauteile wirkte sich regulierend auf die erzielten Bauformen aus. Vor allem die Einhaltung annähernd rechter Winkel wurde durch die Verwendung der quaderförmigen Ziegel begünstigt. Zugleich ermöglichten sie eine statisch günstige Verlegung in systematischen Ziegelverbänden mit überdeckten Stoßfugen.
Die Formate der Lehmziegel anderer Fundorte differieren noch stärker und erreichen vor allem noch größere absolute Längenmaße von zum Teil mehr als einem Meter. In Çayönü
Neben den genannten Lehmbautechniken
Die genannten Beispiele zeigen, dass im Neolithikum schon ein weites Spektrum von Lehmbautechniken eingesetzt wurde, was Folgerungen bezüglich sowohl baukonstruktiver, materialtechnischer wie auch logistischer Wissensimplikationen erlaubt. Einzig die Errungenschaft des gebrannten Ziegels blieb späteren Epochen der Baugeschichte vorbehalten. Nach heutigem Kenntnisstand wurden im Neolithikum Vorderasiens
Bauen mit Kalk und Gips
Abb. 2.17: Göbekli Tepe
Die vielleicht erstaunlichste materialtechnische Leistung der neolithischen Bauleute ist ihr versierter Umgang mit den Materialien Kalk und Gips, die schon im mittleren Epipaläolithikum (um 15.000 v. Chr.) als Bindemittel zur ‚Klebung‘ von Kompositwerkzeugen verwendet wurden.56 Ab dem späten Epipaläolithikum wurde Kalk vereinzelt als Baumaterial verwendet (z. B. um 12.000 v. Chr. in ‘Ain Mallaha
Abb. 2.18: Ablauf der Herstellung von Kalkestrichen mit chemischem Hintergrund der Branntkalkproduktion (Abb. D. Kurapkat).
Die höchste aus dem Neolithikum bekannte Estrichqualität erreicht ein Fußboden im sogenannten Terrazzogebäude von Çayönü
Abb. 2.19: Çayönü
Abb. 2.20: Çayönü
In der südlichen Levante
Die Tatsache, dass die frühneolithischen Bauleute das aufwändige Verfahren des
In anderen Regionen mit unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten wurde
Die Technologien des Kalk- und Gipsbrennens und der Estrichherstellung blieben im Neolithikum nicht nur über viele Jahrhunderte lang lebendig, sondern wurden auch ständig verfeinert und modifiziert.65 Das technologische Wissen
Darüber hinaus gibt die Beherrschung der komplexen Prozesse der Estrichherstellung sowohl Hinweise auf mögliche Arbeitsspezialisierungen67 sowie auf die möglicherweise dahinter stehenden Wissensarten.68
Bauen mit Holz
Die als Bauholz
Abb. 2.21: Göbekli Tepe
Im frühneolithischen Mureybet
Grundsätzlich ist anzunehmen, dass die neolithischen ‚Zimmerleute‘ bei der Bearbeitung der Hölzer von einem reichen Erfahrungsschatz profitierten, den bereits ihre Vorfahren durch den Jahrtausende langen Umgang mit dem Werkstoff Holz
Das Fällen der Bäume und die weitere Zurichtung der Hölzer musste wie bei der Steinbearbeitung mit Steinwerkzeugen erfolgen, was im Falle der
Von einigen Ausgrabungen wurde nicht nur von runden, sondern auch von rechtwinklig zugehauenen Balken berichtet.82 Die Verwendung von Kanthölzern bietet gegenüber Rundhölzern konstruktive Vorteile und erleichtert vor allem die geometrische Ausbildung der Anschlusspunkte verschiedener Bauteile. Dies würde für eine schon sehr weit entwickelte Zimmermannstechnik sprechen, was aufgrund der spärlichen Hinweise aber äußerst vorsichtig eingeschätzt werden sollte. Insbesondere der Umstand, dass auch in den rezenten ländlichen Bauten Vorderasiens
Abb. 2.22: Koy Sanjaq
Die konstruktive Verwendung hölzerner Bauteile war mannigfaltig. Wie in späteren Epochen dienten
Ungewöhnlicher als die Verwendung für Dachkonstruktionen erscheint der Einbau von Hölzern in massive Wände aus Naturstein
Im Unterschied zu den
Bauen mit Schilf, Reisig und anderen pflanzlichen Rohstoffen
Die Fußböden in Häusern des frühneolithischen Jericho
Abb. 2.23: Südirak
Sowohl im Wandaufbau einfacher Hütten wie auch im mehrschichtigen Aufbau von Flachdächern wurden vegetabile Materialien wie Schilf- oder Reisigeinlagen verwendet, was mitunter durch entsprechende Abdrücke in den aufgebrachten Lehmschichten belegt ist.95
Aus pflanzlichen Fasern – wohl vor allem aus Flachs – wurden im Neolithikum spätestens ab dem 7. Jahrtausend v. Chr. Textilien gewoben, die hauptsächlich durch Abdrücke in anderen Materialien dokumentiert sind. Diese Stoffe zeigen variantenreiche Webmuster und sind Beleg eines erstaunlich entwickelten textilhandwerklichen Könnens.96 Es ist daher recht wahrscheinlich, dass aus Pflanzenfasern auch Schnüre und Seile geflochten wurden.97 Letztere könnten im Bauwesen als Verbindungsmittel für Holzkonstruktionen und vor allem als Zugseile beim Materialtransport von Bedeutung gewesen sein.
Ob im Neolithikum Vorderasiens
Bauen mit Knochen, Häuten und anderen tierischen Materialien
Vermutlich wurden tierische Fasern, Sehnen oder Lederstreifen auch zu Schnüren und Seilen verarbeitet. Wegen ihrer großen Elastizität erscheinen diese für Anwendungen im Bauwesen aber eher ungeeignet und dürften hier gegenüber solchen aus Pflanzenfasern von untergeordneter Bedeutung gewesen sein.101 Die Verwendung solcher Produkte im Frühneolithikum ist indirekt durch ösenartige Lochungen in Steinartefakten belegt, die wohl nur zur Durchführung von Schnüren gedient haben können.102 Die Verarbeitung von Schafswolle zu Textilien wird mit der Domestikation im 9. oder 8. Jahrtausends v. Chr. in Verbindung gebracht.103
Farben und Pigmente im Bauwesen
Abb. 2.24: Umzeichnung einer neolithischen Wandmalerei aus Çatal Höyük
Schon im akeramischen Neolithikum waren besondere Bauten, die auch als Gemeinschafts- oder Kultgebäude bezeichnet werden, farblich gefasst. Im 8. Jahrtausend v. Chr. wurde der bereits erwähnte Fußbodenestrich des ‚Terrazzogebäudes‘ im obermesopotamischen Çayönü
Metalle
Schon im Neolithikum wurde das Kupfer nicht nur zu Schmuckgegenständen sondern auch zu Werkzeugen wie Ahlen und Haken sowie zu Blechen und sogar Draht verarbeitet. Allerdings sind entsprechende materielle Belege sehr selten und eine Verwendung als Baumaterial kann für das Neolithikum wohl als unwahrscheinlich gelten. Wirkliche Bedeutung in der materiellen Kultur erlangten Metalle
2.2.2 Das Planungswissen: Entwurf, Planung, Baukonstruktion und Bauleitung
(inkl. Aufschnürungstechniken etc.)
Abb. 2.25: Erbil
Eine Diskussion möglicher Planungsvorgänge für das neolithische Bauwesen erfordert vorausgehend eine kurze Definition der Begriffe ‚Bauplanung‘, ‚Aufschnürung‘ und ‚Absteckung. Sicherlich dürfen wir für das Neolithikum zwar nicht von einer zeichnerisch fixierten Planung mittels Grundrissplänen, Ansichten und Schnitten ausgehen, obwohl die dazu erforderlichen kognitiven Fähigkeiten bereits entwickelt waren und geeignete Darstellungstechniken durchaus beherrscht wurden (s. u.). Aber auch vor dem eigentlichen Baubeginn im Kopf getroffene Entscheidungen über Gebäudegröße, Ausrichtung, Grundrissgestalt und zu verwendende Materialien stellen Formen von Planung dar und es kann gezeigt werden, dass in diesem Sinne schon im Neolithikum geplant wurde. Der auf die Bauplanung unmittelbar folgende Schritt eines
Die umfassendste Arbeit zur Frage des möglichen Nachweises neolithischer Bauplanungs-, Aufschnürungs- und Absteckungstechniken
Planungs- und Entwurfstechniken, Zeichnungen und Modelle
Auch im Neolithikum überwogen zunächst Tierdarstellungen, allmählich ergänzt durch Menschendarstellungen, gelegentlich auch begleitet von piktogrammartigen Bildern. Es darf daher gefragt werden, ob Zeichnungen auch schon als Planungsmedien in Bauplanungs- oder Entwurfsprozessen verwendet wurden.
Ein sogar vorneolithischer Fundort ist die in der späten Altsteinzeit genutzte Höhle von Font-de-Gaume
Aus dem zentralanatolischen Çatal Höyük
Die Fragmente einer aus dem ebenfalls zentralanatolischen Hacilar
Im östlichen Jordanien
Abb. 2.26: Tepe Gawra
Die frühesten bislang bekannt gewordenen Architekturmodelle der Menschheitsgeschichte stammen aus der Subphase VI des obermesopotamischen Fundortes Çayönü
Alle bislang genannten Beispiele lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass im Neolithikum zwar schon ein ganzes Spektrum von zwei- und dreidimensionalen Architekturdarstellungen existierte. Diese gaben aber wohl ausschließlich bereits bestehende Bauten wieder und dienten nicht etwa als Planungsmedien für bevorstehende Bauprozesse.
Anders ist ein chalkolithischer Befund aus einer Grabung im irakischen Teil Nordmesopotamiens
Der Umstand, dass die Modellziegel, im Gegensatz zu den realen Bauziegeln, sogar gebrannt wurden, deutet darauf hin, dass sie zur mehrmaligen Verwendung konzipiert waren. Außerdem stellt die Aufbewahrung in einem ‚öffentlichen Gebäude‘ auch ein Indiz für eine geordnete Verwaltung dieses Planungswissens
Das Wissen um Umweltbedingungen als Faktor für Planung
Abb. 2.27: Jordanien
Grundsätzlich kann für das Neolithikum von einem extrem stark ausgeprägten Wissen um Umweltbedingungen
Gerade ab dem Neolithikum wurde dieses Wissen aber vermehrt auch aktiv angewandt und begonnen, gestaltend in die Umwelt einzugreifen. Der Mensch „machte sich die Erde untertan“, begann das Wachstum der Wildpflanzen zu beeinflussen sowie die Wanderungsbewegungen der Wildtiere einzuschränken und gelangte damit sukzessive zur Domestikation erster Pflanzen- und Tierarten.126
Besondere bauliche Zeugnisse des menschlichen Eingriffs in die Natur sind die schon genannten ‚desert kites‘ im östlichen Syrien
Die sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter des mittleren und späten PPNB (8. Jt. v. Chr.) begegneten auch den nachteiligen Umweltfaktoren ihrer Siedlungsplätze durch Baumaßnahmen. So errichteten die Bewohner des PPNB-zeitlichen Beidha
Auch einzelne Gebäude belegen ein Wissen um Umweltfaktoren und zugleich die bauliche Begegnung auf entsprechende Herausforderungen: In verschiedenen Regionen Vorderasiens wurden PPNB-zeitliche Bauten auf durchlüfteten, streifenförmigen Substruktionen errichtet, welche die darüber liegenden Räume von der Bodenfeuchte abhoben und auch eventuell dort gelagerte Nahrungsmittel vor dem Zugriff von Tieren schützten. Als Beispiel genannt seien die ‚Grill-Plan-Bauten‘ im obermesopotamischen Çayönü
Planungsqualifikation, Planungstiefe und Planungshorizont
Die Frage nach der erreichten Planungstiefe zielt auf den qualitativen Grad der im Voraus getroffenen Entscheidungen: Wie weit gingen diese ins Detail? Blieben sie auf der Ebene ‚siedlungsplanerischer Richtlinien‘, bzw. existierten solche überhaupt? Gab es ‚Entwurfsplanungen‘ bezüglich der Grundrisse und allgemeinen Gestalt bestimmter Gebäude oder Gebäudetypen oder ‚Ausführungs- und Detailplanungen‘ mit dezidierten Festlegungen für die baukonstruktive Realisierung?
Abb. 2.28: Çayönü
Konkret stellt sich die Frage, ob jeder Bauherr sein ‚Projekt‘ komplett in Eigenleistung realisierte (und zuvor plante!) oder ob es schon spezialisierte ‚Bauhandwerker‘ oder gar diesen übergeordnete und gerade auch bezüglich der Planung besonders qualifizierte
Die geordneten Siedlungsgrundrisse mit parallel ausgerichteten Einzelbauten an Orten wie Çayönü
Die ‚Corridor-Buildings‘ in Beidha
Abb. 2.29: Beidha
Die weitgehend standardisierten Hausgrundrisse einiger Siedlungen geben aber wichtige Hinweise auf die Notwendigkeiten und Spielräume für individuelle Gebäudeplanungen auf der Ebene von Entwurfsplanung: Im bereits mehrfach erwähnten Çayönü
Diese Typisierung erlaubte die Errichtung neuer Bauten, ohne dass hierbei jeweils eine individuelle Entwurfsplanung erforderlich gewesen wäre. Dennoch sind die einzelnen Bauten eines Typs nicht exakt identisch und unterscheiden sich zumindest bezüglich der Grundrissproportionen und absoluten Maße. Die Aufgabe der Adaption eines verbindlichen Gebäudetyps an die persönlichen Bedürfnisse eines Bauherrn und die besonderen Bedingungen des Bauplatzes könnte auch im Neolithikum schon durch erfahrene Baupraktiker – und nicht unbedingt durch den Bauherrn selbst – erfolgt sein, wie dies auch aus jüngeren Epochen des ländlichen Bauens überliefert ist.142 Darüber hinaus bleibt die Frage offen, wie und durch wen diese Plantypengrundrisse erstmals entwickelt wurden, bevor sie dann reproduziert und variiert werden konnten. Eine Auffassung besagt, dass die Herausbildung eines Haustyps das Ergebnis eines viele Generationen dauernden Prozesses sei, an dem viele Menschen, Bauleute und Bewohner gleichermaßen, beteiligt seien.143 Die trotz der deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Plantypen in Çayönü
Abb. 2.30: Umm Dabaghiyah
Im Gegensatz zu den Plantypenbauten, bei denen eine Grundrissform vielfach wiederholt wird, besteht die spätneolithische Bebauung von Umm Dabaghiyah
Verschiedentlich wurde auch versucht, die Grundrisse prähistorischer Bauten nach proportionalen und metrologischen Kriterien zu untersuchen, um damit einerseits mögliche Planungs- und Absteckungsprozesse zu rekonstruieren und andererseits angewandte Maßeinheiten nachzuweisen.146
Trotz der Relevanz der Fragestellungen und teilweise auch interessanter Einzelaspekte lassen die bei den meisten dieser Arbeiten auftretenden methodischen Grenzen vielfach erhebliche Zweifel an den Ergebnissen zu.147 Unter Hinweis auf diese Einschränkungen kommt Ricardo Eichmann zu dem Schluss, dass häufig vorkommende, einfache Grundriss-Seitenverhältnisse mit kleinen Proportionszahlen wie 1:1, 1:2, 2:3 oder 3:4 die mündliche Kommunikation der Planung erleichtert haben und demzufolge ein Indiz für eine nicht gezeichnete, sondern gedachte Grundrissplanung darstellen.148 Außerdem folgert er, dass die Existenz standardisierter Maßeinheiten für das Neolithikum Vorderasiens wohl auszuschließen, die Anwendung der „natürlichen Längenmasse Fuß und Elle“ mit lokal variierenden Werten für das neolithische Bauwesen aber sehr wahrscheinlich sei.149
Eine regelrechte Ausführungs oder Detailplanung ist für das eigentliche Neolithikum äußerst unwahrscheinlich. Eine solche wird erstmals im 5. Jahrtausend mit den chalkolithischen ‚Miniatur-Modell-Ziegeln‘ vom Tepe Gawra
Verwandt mit Fragen der Planungstiefe sind solche nach dem jeweiligen Planungshorizont. Hier liegt die Betonung nicht auf dem qualitativen Detaillierungsgrad sondern auf der zeitlichen Reichweite mit der eine Planung ihrer Realisierung vorausgeht. Hierzu geben wiederum die Sondergebäude auf dem Göbekli Tepe
In kleinerem Maßstab erforderte auch die Einführung des luftgetrockneten Lehmziegels eine zeitliche Vorausplanung, zumindest der groben Dimensionen des zu errichtenden Gebäudes, damit die dazu erforderliche Menge von Lehmziegeln rechtzeitig hergestellt und getrocknet werden konnte. 153 Im rezenten ländlichen Bauen Vorderasiens wird für eben diese quantitative Materialplanung ein erfahrener Bauexperte hinzugezogen und es kann vermutet werden, dass ähnliches auch für die neolithische Lehmziegelbauweise galt.154 Allerdings ist nicht bekannt, wie lange neolithische Lehmziegel getrocknet wurden. Es bleibt demnach offen, in welchem Zeitabstand vor dem eigentlichen Baubeginn die Entscheidung über die Materialmenge getroffen werden musste. In historischen Epochen reichte diese Spanne von einem Tag bis zu zwei Monaten.155
Baukonstruktion und Statik im Planungsprozess
Es muss zumindest Erfahrungswissen vorgelegen haben, das z. B. vorgab, welche Raumspannweiten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu überdachen sind und an welchen Stellen des Grundrisses daher ggf. Zwischenunterstützungen vorzusehen sind. Die wohl bewusste Wahl besonderer Stein- und Holzqualitäten für die Hauptunterstützungen der Bauten in Nevalı Çori
Aufschnürungs- und Messtechniken im Bauprozess
Eine echte ‚Aufschnürung‘ eines Grundrissplanes ist für das Neolithikum nicht nachgewiesen.159 Aus den zuvor erläuterten Gründen kommen hauptsächlich die beiden letzten Vorgehensweisen in Betracht. Die Übertragung einer erdachten und durch Maßproportionen definierten Planung erfolgte am wahrscheinlichsten durch das Auslegen des Grundrisses mit Ziegeln oder durch das Abstecken von Fluchtlinienplänen.160 Bei der Absteckung eines Fluchtlinienplans müssen die einzelnen Grundrisslinien nicht durch Schnüre definiert werden, sondern können auch durch Peilen von einem Fluchtpunkt zum anderen als virtuelle Linien entstehen. Auch ist es, zumindest bei einfachen Grundrissen, nicht unbedingt erforderlich, dass die einzelnen Fluchtpunkte durch spezielle Markierungsmittel wie eingeschlagene Pflöcke materialisiert sind. Sie können auch durch die Standorte der am Bauprozess Beteiligten sehr kurzfristig definiert worden sein. Ob darüber hinaus im Neolithikum Vorderasiens
Ein deutlicher Hinweis für den Gebrauch von Schnüren oder Richtlatten kann allerdings in der Fußbodengestaltung des Terrazzogebäudes in Çayönü
Auch im weiteren Verlauf des Bauvorgangs empfiehlt es sich zu kontrollieren, ob z. B. beim Aufmauern von Wänden die Vertikalität eingehalten wird oder die Niveaus von Bauteiloberkanten übereinstimmen. Für die Errichtung der megalithischen Pfeiler von Stonehenge im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. wurde für solche Zwecke die Verwendung von Loten und Wasserwaagen-artigen Gerätschaften postuliert.163 Vergleichbares ist für das vorderasiatische Neolithikum bislang nicht nachgewiesen. So würden etwa die megalithischen T-Pfeiler auf dem Göbekli Tepe
Es lässt sich zusammenfassen, dass im neolithischen Bauen qualitative Kontrolltechniken mittels Fluchtstäben und Schnüren eingesetzt worden sein könnten und wahrscheinlich auch natürliche Maße wie Fuß und Elle bei der Übertragung von Proportionsverhältnissen eine Rolle gespielt haben. Genaue quantitative Messtechniken mittels standardisierter Maßeinheiten wurden aber wohl noch nicht eingesetzt.
Entwurfsleitende Motive
Allerdings wurden einige der als Wohnbauten interpretierten Bauten mit Ausstattungsmerkmalen und Dekorationen versehen, die nicht allein funktional-pragmatisch zu erklären sind.165 Trevor Watkins sieht hierin Indizien für einen Bedeutungswandel der betreffenden Bauten von bloßen Behausungen hin zu Häusern, die von ihren Bewohnern auch in einem ideellen Sinn als ‚Heim‘ angesehen wurden.166 Eine solche, aufgrund des archäologischen Befunds gefolgerte, soziale Bedeutungsaufladung der Wohnbauten wäre damit umgekehrt auch als ein ursprüngliches Motiv für ihre entsprechende Gestaltung zu interpretieren.
Neben Wohn- und Wirtschaftsgebäuden existierten im Neolithikum Vorderasiens
2.2.3 Das organisatorische Wissen
‚Bauverwaltung‘
Eine wichtige Frage lautet: Wer gab den Impuls zur Errichtung eines Gebäudes (den ‚Bauauftrag‘)? Für die einzelne Behausung war dies im Frühneolithikum wie bis in unsere Zeit sicherlich meist der private Bauherr und spätere Bewohner selbst. Da die Ausführung wohl zu weiten Teilen in den Händen des Bauherrn und seiner Familien- oder Clanmitglieder lag, handelte es sich daher um eine ‚Anweisung‘ an direkt abhängige Personen.
Gemeinschaftlich errichtete Bauten wie zentrale Speicherbauten, Terrassierungen, Dorfumfassungsmauern, der ‚Turm von Jericho
Die Einbringung individueller Arbeitsleistungen kann dabei grundsätzlich nach Regulationsmechanismen erfolgt sein, wie sie schon in egalitären Gesellschaften des Paläolithikums, z. B. bei der gemeinschaftlichen Jagd, praktiziert wurden. Ähnliches gilt für die Bereitstellung der Baumaterialien. Da ein monetäres Austauschsystem nicht existierte, bemaß sich auch der ‚Wert‘ der Baumaterialien letztlich in der Arbeitszeit, die zu ihrer Gewinnung und ihrem Transport zur Baustelle aufgebracht werden mussten. Zur Organisation dieser Materialversorgung könnte auf bestehende Gesellschaftsstrukturen wie Familien und Clanverbände zurückgegriffen worden sein. Hierfür mag ein ethnografisches Beispiel als Illustration dienen: Beim Bau gemeinschaftlicher Versammlungshäuser (‚mudif‘) im südlichen Mesopotamien
Ein deutliches Indiz für eine organisierte Verwaltung im Bauwesen Vorderasiens ist wiederum erst mit den chalkolithischen Miniatur-Modellziegeln aus Tepe Gawra verbunden (vgl. Abb. 2.26; Ende 5. Jt. v. Chr.).170 Die konzentrierte Fundsituation dieser Kollektion von 99 Einzelobjekten im Kontext eines besonderen Gebäudes, dem sogenannten Eastern Shrine, spricht sehr dafür, dass diese Planungswerkzeuge hier zumindest geordnet aufbewahrt und vermutlich auch nicht für jedermann zugänglich verwaltet wurden.
Materialtransport und Baustellenlogistik
Der Transport der bis zu 40 Tonnen schweren Monolithe auf dem Göbekli Tepe
Aus bildlichen Darstellungen bronzezeitlicher ,Schwertransporte‘ in Mesopotamien
Für die egalitären, segmentären oder frühen komplexen Gesellschaftsformen, die für die neolithischen Kulturen Vorderasiens
In welchen Formen die weiteren Arbeitsabläufe auf neolithischen Baustellen organisiert waren, ist aus den materiellen Befunden nur begrenzt abzuleiten. So ist einer Bruchsteinmauer kaum anzusehen, ob sie innerhalb kurzer Zeit von vielen, oder über eine längere Zeitspanne von wenigen Arbeitern errichtet wurde. Auch muss leider weitgehend offen bleiben, wie der Materialfluss organisiert war und ob es etwa eine Differenzierung in ‚Maurer‘ und diesen zuarbeitende ‚Handlanger‘ gab.
Gewisse Rückschlüsse auf Entwicklungen der Baustellenlogistik
2.2.4 Bauleute und Bauprozess: Das Zusammenwirken der
Praxisbereiche des Bauens
Es scheint daher durchaus möglich, und in einigen Praxisbereichen sogar wahrscheinlich, dass es schon im neolithischen Bauen zur Herausbildung eines ‚Teilzeitspezialistentums‘ kam.
Für den privaten Hausbau könnte sich dies in Form einer Beratung des Bauherrn durch einen bauerfahrenen ‚Meister‘ dargestellt haben, der seinen Lebensunterhalt aber weiterhin wohl größtenteils aus anderen Tätigkeiten erwirtschaftete. Eine solche Bauberatung könnte besonders der Festlegung der Grundrissdisposition, der Grundrissabsteckung und der Lösung wichtiger Konstruktionsdetails gegolten haben, also Praxisbereiche betroffen haben, mit denen der Bauherr in seinem sonstigen Leben wenig eigene Erfahrung sammeln konnte.182 Die eigentliche Bauausführung lag aber sehr wahrscheinlich in den Händen von Laien, nämlich des Bauherren und seines Familienverbandes, eventuell unter Mithilfe von Nachbarn. Eine solche Nachbarschaftshilfe wäre durch die Erwartung, bei einem in Zukunft anstehenden eigenen Hausbau die gleiche Hilfe als Gegenleistung zu erhalten, motiviert gewesen. Der zeitlich offene Austausch von Arbeit gegen Arbeit wäre also nach dem Prinzip der ‚aufgeschobenen Reziprozität‘ erfolgt.183 Die wiederholte Mitwirkung vieler Menschen bei privaten Bauprojekten im Zuge von Nachbarschaftshilfe hätte zugleich dafür gesorgt, dass grundlegende bauhandwerkliche Fähigkeiten quasi permanent in der Siedlungsgemeinschaft weiter gegeben wurden, ohne dass dafür spezielle Ausbildungs- oder Transferstrukturen erforderlich gewesen wären.184 Auch die zuvor genannten mutmaßlichen ‚Meister‘ hätten sich aufgrund besonderen individuellen Interesses und überdurchschnittlicher handwerklich-technischer Begabung aus solchen Prozessen heraus entwickeln können.185
An spät-PPNB-zeitlichen Bauten des südlevantinischen Fundortes Ba‘ja
Einige Bereiche des neolithischen Bauens kamen aber mit einer solchen Seltenheit zur Anwendung und erforderten zugleich ein solch hohes Maß an verfahrenstechnischem Wissen oder handwerklichem Geschick, dass ausgeschlossen werden kann, dass alle Gemeinschaftsmitglieder die entsprechenden Arbeiten hätten verrichten können. Als Beispiele hierfür können die aufwändigen Herstellungsprozesse von Kalkestrichfußböden187 oder die kunstvollen Reliefdarstellungen an den T-Pfeilern auf dem Göbekli Tepe
2.3 Arten und Formen des Wissens und ihre Entwicklung
Fragen nach der epistemologischen Dimension neolithischer Wissensbestände scheinen zunächst aufgrund der Quellenlage von vornherein kaum zu beantworten zu sein. Um so mehr mag die Sichtweise von Gordon Childe überraschen, der selbst altsteinzeitlichen Jägern und Sammlern die Ausbildung einer ‚wissenschaftlichen Tradition‘ zugeschrieben hat.191 Besonders die technologischen Errungenschaften des Neolithikums, wie weiterentwickelte Werkzeugtechnologien und das Aufkommen gebrannter Gebrauchskeramik, wurden von Childe mit den Anfängen von ‚Wissenschaft‘ in Verbindung gebracht.192 Auch Richard Atkinson hat einen Aufsatz mit dem viel versprechenden Titel Neolithic Science and Technology überschrieben, in dem er vor allem die bautechnologischen Innovationen
2.3.1 Grundlegende Quellen des Wissens (‚Wissensarten‘)
‚Intuitives‘ Alltagswissen
Erfahrungsbasiertes Praktikerwissen
Auch die differenzierte Verwendung bestimmter Gesteinsqualitäten und Holzarten,200 die sogar schon für das 9. Jahrtausend belegt ist, stellt einen Nachweis für bewusst erfahrungsbasierte Wissensbestände dar. Die Kenntnis unterschiedlicher Eigenschaften spezieller Materialien innerhalb einer Materialgruppe und daraus abgeleitete Einschätzungen ihrer bautechnischen Eignung setzt ein dermaßen gezieltes Beobachten voraus, das die Möglichkeiten eines intuitiven Erfassens bei Weitem übersteigt, und daher nur als bewusst erfahrungsbasiertes Wissen erklärt werden kann.
Ein sehr aussagekräftiges Beispiel für erfahrungsbasiertes Wissen besteht in der Beherrschung der komplexen Herstellungsverfahren von Estrichböden inklusive des Prozesses des Kalkbrennens (vgl. Abb. 2.18).201 Unabhängig davon, ob die Initial gebende Erkenntnis über die Möglichkeiten der Branntkalkherstellung durch eine Zufallsbeobachtung ausgelöst wurde, ist die wiederholte Anwendung dieses Prozesses nur durch eine gezielte Reproduktion dieser Erfahrung zu erklären. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Technik erforderte zudem die Einhaltung sehr kontrollierter Abläufe, unter anderem bezüglich der Brenntemperatur und der Dauer des Brennvorgangs. Die Nichteinhaltung dieser Regeln hätte in Schwach- oder Überbränden resultiert, die chemisch untaugliches Baumaterial und damit minderwertige Fußböden zur Folge gehabt hätten. Stattdessen nahmen die erzielten Estrichqualitäten vom frühen 9. bis zum späten 8. Jahrtausend immer weiter zu, bis sie letztlich in einem zu Recht als ‚Terrazzo‘ bezeichneten Fußboden in Çayönü
Theoriebasiertes Wissen und irrationale Erklärungsmodelle
Auch hierzu bietet das Wissen um die Notwendigkeit der Einhaltung prozessualer Regeln bei der Kalkestrichherstellung den wohl stichhaltigsten Ansatzpunkt.203 Die Komplexität dieser Regeln führt nahezu zwangsläufig zu der Frage, warum der Erfolg eines Verfahrens von ihrer Einhaltung abhängig ist – gerade weil die Zusammenhänge nicht offensichtlich und damit ‚intuitiv‘ erklärbar sind. Obwohl natürlich auszuschließen ist, dass die neolithischen Kalkbrenner über eine korrekte Vorstellung der chemischen Hintergründe ihres Handelns verfügten, so gibt die grundsätzlich wissbegierige Natur des Menschen doch Anlass zu der Vermutung, dass sie zumindest nach einer Kausalerklärung suchten. Da eine im naturwissenschaftlichen Sinn zutreffende oder gar beweisbare Theorie ausgeschlossen werden kann, scheint es gut möglich, dass die explanatorische Funktion ersatzweise durch ein metaphorisches Erklärungsmodell geleistet wurde, das eventuell auch Vorstellungen vom Wirken jenseitiger oder göttlicher Kräfte beinhaltete. Gerade der Prozess der Kalkestrichherstellung birgt ein besonderes Potential für eine irrationale Bedeutungsaufladung. Alleine der Umstand, dass ein so sprichwörtlich dauerhaftes Material wie Stein durch Einwirken der Elemente Feuer und Wasser zu einer formbaren Masse transformiert werden kann, die schließlich erhärtet und damit wieder zu Stein wird, muss die neolithischen Menschen sehr beeindruckt haben. Zudem wird beim Löschen des Branntkalks Hitze freigesetzt, sodass ein Teil des aufgebrachten Wassers unter dramatischem Zischen als Wasserdampf aufsteigt. Diese Vorgänge könnten Assoziationen an einen ‚göttlichen Schöpfungsakt‘ provoziert und Erklärungen durch die Mitwirkung ‚höherer Mächte‘ nahe gelegt haben.204 Folglich könnte das prozessuale Wissen über komplexe Fertigungsabläufe wie dem der Kalkestrichherstellung in magische Rituale transformiert und in dieser Gestalt auch tradiert worden sein, ohne dass die naturwissenschaftlichen Grundlagen eines solchen Prozesses auch nur ansatzweise verstanden worden wären.205 Diese These wird aufgrund des Fehlens schriftlicher Quellen wohl niemals zu belegen sein, kann aber veranschaulichen, welche Wissensarten im Spannungsfeld zwischen kausaltheoretischem Verständnis und irrationalen Ersatzerklärungen grundsätzlich in Betracht gezogen werden müssen. Darüber hinaus hängt es von der Definition des Theoriebegriffs ab, ob solche, möglicherweise einst vorhandenen, irrationalen Erklärungsmodelle selbst im weitesten Sinn als Theorien bezeichnet werden können, oder ob auch dafür nicht eher der Begriff ‚mentale Modelle‘ vorzuziehen ist.206
Auch wenn sich die oben geschilderte Erklärungsweise nicht für die Branntkalkherstellung belegen lässt, so gibt es doch andere Hinweise auf das grundsätzliche Vorhandensein irrationaler Vorstellungen im neolithischen Bauwesen. Als Indiz hierfür können Bauopfer und Gründungsdeponierungen angesehen werden. Entsprechend wird zum Beispiel ein Befund des keramischen Neolithikums am nordsyrischen Tell‘Ain el-Kerkh
Diese Beispiele sollen auch verdeutlichen, dass die für uns so selbstverständliche Trennung zwischen dem die reale Welt beherrschenden ‚Wissen‘ und dem zunehmend auf religiöse Bereiche begrenzten ‚Glauben‘ in der Gedankenwelt der neolithischen Menschen wahrscheinlich gar nicht ausgeprägt war. Ein uns heute irrational anmutender Erklärungsansatz kann also gleichwertig neben der Kenntnis eines Naturgesetzes wie zum Beispiel dem Hebelgesetz gestanden haben und eine strenge begriffliche Unterscheidung beider Kategorien ist für das Verständnis der neolithischen Wissensarten nur bedingt hilfreich.
Zusammenfassung der Wissensarten im neolithischen Bauen
Schon im Frühneolithikum des 10. und 9. Jahrtausends war das Wissen über Materialeigenschaften und die handwerkliche Bearbeitung einzelner Werkstücke erstaunlich ausgeprägt und kann weitestgehend als erfahrungsbasiertes Wissen klassifiziert werden. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, da die neolithischen Menschen im praktischen Umgang mit Materialien wie Stein und Holz auf eine viele Jahrtausende lange Tradition ihrer altsteinzeitlichen Ahnen zurückblicken konnten. Obwohl die altsteinzeitlichen Menschen keine substantielle Architektur geschaffen hatten, brachte die Herstellung verschiedener Gerätschaften und Waffen eine Vielzahl von materialbezogenen und prozessualen Erfahrungen hervor, von welchen die neolithischen Menschen bei der Errichtung ihrer ersten Bauten profitierten. Aus dieser Sicht ist es etwas weniger verwunderlich, dass schon im frühen 9. Jahrtausend begonnen wurde, tonnenschwere monolithische Pfeiler aus Steinbrüchen zu gewinnen und mit kunstvollen Reliefs zu versehen. Die Bearbeitung eines Steins war letztlich nichts Neues. Was sich jedoch änderte war der Maßstab und damit vor allem die logistischen und technischen Herausforderungen des Transports.
Gänzlich anders wirkt das Bild bezüglich des baukonstruktiven Wissens. Hier dominierte offenbar zunächst das ‚intuitive‘ Wissen und wurde erst allmählich durch bewusst erfahrungsbasiertes Wissen ergänzt. Auch dies lässt sich durch einen Blick auf größere Zusammenhänge gut erklären: Die altsteinzeitliche, mobile Lebensweise hatte keinen Bedarf an der Errichtung komplexer Konstruktionen architektonischen Ausmaßes. Demzufolge mussten die neolithischen Baumeister in diesem Bereich weitgehend ‚bei Null anfangen‘ und lernten erst während der folgenden Generationen allmählich hinzu. Als Folge sind an neolithischen Bauten zwar zum Teil sehr qualitätvoll gefertigte einzelne Bauteile zu beobachten, die aber oft in technisch unzulänglicher Weise aneinander gefügt wurden. Das Wissen zur Herstellung des Einzelobjekts (auf der Ebene von handwerklichem Wissen) war also früh gut ausgeprägt, während das Wissen zum korrekten Zusammenfügen vieler Einzelobjekte zu einem Bauwerk (im Sinne von ‚Konstruktionswissen‘) erst allmählich gewonnen werden musste. Ein Höhepunkt dieser Entwicklung ist durch die chalkolithischen Modellziegel von Tepe Gawra
Inwieweit darüber hinaus im Neolithikum auch Ansätze zu theoriebasierten Wissensarten oder diese ersetzende irrationale Erklärungsmodelle existierten, bleibt aufgrund der Quellenlage eine offene Frage. Ihrer Beantwortung kann sich nur durch die kritische Diskussion von Hypothesen genähert werden.
2.3.2 Existenzformen des Wissens und Tradierung (‚Wissensformen‘)
Eng verknüpft mit dieser Fragestellung ist auch die Frage, wie und in welchem Maße die Wissensbestände innerhalb der Gesellschaften tradiert wurden.
Personales Wissen („Wissen in Köpfen“)
Diese personale Tradierung muss durch praktische Teilnahme am Bauprozess erfolgt sein (‚training on the job‘), wobei unerfahrene Arbeitskräfte von erfahrenen Praktikern lernten (Abb. 2.31). Praktische Unterweisungen können durch mündliche Erläuterungen begleitet gewesen sein (‚oral transmission‘). Die Beobachtung, dass sich konstruktive Verbesserungen wie verzahnt gemauerte Eckverbände vor allem im Frühneolithikum nicht schlagartig durchsetzten, sondern selbst am gleichen Ort schlechte und überlegene Bauweisen eine Zeit lang parallel ausgeführt wurden, spricht aber dafür, dass die Weitergabe des praktischen Bauwissens nicht besonders organisiert war. Vielmehr sieht es so aus, als ob die unterschiedlichen Lösungen eine Zeit lang individuell weitergegeben wurden, ohne dass eine qualitätsorientierte Selektion gezielt angestrebt worden wäre. Erst allmählich setzten sich die tauglicheren Konstruktionsdetails durch.
Abb. 2.31:
Der Umstand, dass wahrscheinlich alle Mitglieder einer Gemeinschaft oder zumindest einer Alters- oder Geschlechtsgruppe im Zuge von Nachbarschaftshilfe oder der Mitwirkung an gemeinschaftlichen Bauprojekten wiederkehrend an der Ausführung von Bauaktivitäten beteiligt waren,210 stellte die Verbreitung des Bauwissens zugleich auf eine breite gesellschaftliche Basis. Durch die Verteilung des Wissens auf viele Köpfe war auch ohne schriftliche Tradierung
Neben erwachsenen Männern sind hier auch heranwachsende Jungen an den Arbeiten beteiligt und erlernen dadurch die technischen und formalen Regeln des Hausbaus. Darüber hinaus wurden am gleichen Ort auch Kinder beim spielerischen Errichten kleiner Grashütten beobachtet, wodurch die Tätigkeiten der Erwachsenen nachgeahmt und zugleich die örtlichen Hausbautechniken
Einige baubezogene Wissensbestände stellen aber wahrscheinlich Ausnahmen einer solchen gesamtgesellschaftlichen Verankerung dar: Die bauplastischen Artefakte an Orten wie Göbekli Tepe
Einen weiteren Sonderfall stellen wahrscheinlich die Wissensbestände bezüglich der prozessualen Regeln des Kalkbrennens und der Kalkestrichherstellung dar.213 Diese sind dermaßen komplex und ihre Anwendung blieb an den meisten Orten auf so wenige Bauten beschränkt, dass kaum vorstellbar ist, dass alle Mitglieder einer Siedlungsgemeinschaft Gelegenheit hatten dieses Wissen zu erwerben.
Solches Spezialwissen dürfte demnach nur bei einer begrenzten Gruppe von Experten vorgelegen haben und muss daher in besonderer Weise tradiert
In beiden Fällen muss allerdings fraglich bleiben, ob diese Expertenkreise bauspezifisch definiert waren und es sich dabei um teilzeitspezialisierte Handwerker oder ‚Baumeister‘ handelte. Denkbar ist auch, dass dieses Fachwissen zusammen mit anderem, nicht baubezogenem Spezialwissen bei Mitgliedern besonderer Gesellschaftsgruppen – zum Beispiel ‚Priesterkasten‘ – verortet war und exklusiv in deren Reihen weitergegeben wurde. Wenn diese Hypothese zutreffen sollte, könnten darin sowohl die Anfänge einer Elitenbildung als auch einer Institutionalisierung
Objektiviertes Wissen („Wissen in Sachen“)
Wenngleich eine explizite Vergegenständlichung von Bauwissen zum Zwecke seiner Tradierung
Dies geschah z. B. in Form von Werkzeugen. Die lithische Industrie der Jungsteinzeit ist stark differenziert und kennt neben den mehr multifunktionalen Werkzeugen der Altsteinzeit auch viele besondere Klingen, Spitzen, ‚Bohrer‘, ‚Klopfsteine‘, Beile und ähnliches. Auch wenn die jeweiligen Verwendungszwecke dieser Artefakte nicht so eindeutig nachgewiesen sind wie die verwendeten Bezeichnungen es implizieren, so kann doch davon ausgegangen werden, dass sie für die neolithischen Menschen klar definiert waren und die Beschaffenheit der Werkzeuge für sie deutlich lesbare Informationen zu deren Anwendung enthielt. So wurde zum Beispiel allein durch die Existenz von Steinbeilen ein prozessuales Wissen über das Fällen von Bäumen und das Bearbeiten von Holz in objektivierter Form tradiert.
Auch die verschiedenen Zeugnisse bildlicher und modellhafter Architekturdarstellungen enthalten materialisiertes Bauwissen, unabhängig davon ob dies in ihrer Herstellung intendiert war oder ganz unbewusst geschah.215
Letztlich stellten auch im Neolithikum – wie wohl in allen Zeiten – die Bauwerke selbst das nachhaltigste Medium einer zwar nur impliziten aber eindeutig objektivierten Tradierung von Bauwissen
2.3.3 Entwicklung und Ausbreitung des Wissens
Ein kräftiger Impuls für die Entwicklung von Bauwissen ging natürlich von der während des Neolithikums erfolgenden Sesshaftwerdung und den damit verbundenen Ansprüchen an zweckdienliche und dauerhafte Behausungen aus. Neben reinen Wohnbauten wurden auch Wirtschafts- und Speichergebäude entwickelt und viele bautechnische Lösungen sind als direkte Reaktion auf durch die Lebensweise vorgegebene Bedingungen zu verstehen. Allerdings zeichnet sich durch die Forschungen der letzten Jahre ab, dass auch möglicherweise nicht vollsesshafte Jäger- und Sammlergesellschaften des Epipaläolithikums und vor allem des Frühneolithikums schon substantielle Bauten errichteten und dabei ein nicht zu unterschätzendes Bauwissen entwickelten. Besonders die Sondergebäude am Göbekli Tepe
Ein nicht unerheblicher Teil der baubezogenen Wissensinnovation
Eine wichtige Frage für zukünftige Forschungen wäre, ob die geographische Ausbreitung bestimmter Bauweisen primär durch Wanderungsbewegungen neolithischer Bevölkerungsgruppen – also in Form von Migration und Kolonisation – erfolgte, oder auch durch interkulturellen Wissens- und Technologietransfer – also als Akkulturationsprozess – vonstatten ging.219 Darüber hinaus ist zu hinterfragen, in wie weit die Verbreitung von neolithischem Bauwissen überhaupt diffusionistisch zu erklären ist, oder ob es sich zum Teil nicht um autochthone Parallelentwicklungen handelte.220 Abgesehen von einigen nur regional belegten Bauweisen wie der obermesopotamischen Megalithpfeilerbauweise treten andere Merkmale neolithischen Bauens wie die Lehmziegel- und die Kalkestrichtechnik, mit regionalen Variationen, in der gesamten vorder- und kleinasiatischen Neolithisierungskernzone auf. Es liegt nahe, hieraus auf einen regen Austausch von Wissen und Technologien über Distanzen von mehreren tausend Kilometern zu schließen.221 Andererseits unterscheiden sich die neolithischen Kalkestrichböden verschiedener Regionen Vorderasiens
Grundsätzlich ist die Möglichkeit nicht außer Acht zu lassen, dass weitgehend gleiche soziale und ökonomische Entwicklungen in verschiedenen Teilregionen der Neolithisierungskernzone unter ebenfalls vergleichbaren naturräumlichen Rahmenbedingungen
Unabhängig von der ungelösten Frage nach den Tradierungswegen
Speziell für die Großbauten der Megalith-Kulturen in West- und Südwesteuropa sowie auf Malta
Aber auch innerhalb der vorderasiatischen Kernregionen rissen Bautraditionen noch während des Neolithikums ab und zuvor erworbenes Bauwissen ging offenbar wieder verloren. Ein entscheidender Einschnitt scheint mit dem Ende des akeramischen Frühneolithikums im 8. und 7. Jahrtausend verbunden zu sein.229 Für die repräsentativen Sondergebäude des 9. und 8. Jahrtausends scheinen die ‚bäuerlichen‘ Gesellschaften des keramischen Spätneolithikums keinen Bedarf mehr gehabt zu haben.230 Mit diesen Bauten ging offenbar auch das Wissen um entwickelte Bautechniken wie die Herstellung hochwertiger Kalkestrichböden und megalithischer Pfeiler verloren und es vergingen mehrere Jahrtausende bis die bronzezeitlichen Kulturen Vorderasiens
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Fußnoten
Siehe für eine vergleichende Studie verschiedener Organisationsformen menschlicher Gesellschaften aufgrund archäologischer und ethnologischer Quellen Johnson and Earle 1987; siehe insb. bezüglich Jäger- und Sammlergesellschaften Johnson and Earle 1987, 54–61.
Siehe bezüglich paläolithischer Grubenbauten und Hütten Wright 2000, 4–16; bezüglich verschiedenster Zeltkonstruktionen Faegre 1980.
Vgl. für Übersichtsdarstellungen und unterschiedliche Erklärungsmodelle des Neolithisierungsprozesses in Vorderasien z. B. Henry 1989; Cauvin 1997; Cauvin 2000; Aurenche and Kozłowski 1999.
Bezüglich der Datierungen archäologischer Befunde ist zu beachten, dass in der Literatur sowohl unkalibrierte ‚Radiokohlenstoffjahre‘ (meist: ‚bp‘ = before present = vor 1950 unkalibriert; teilweise aber auch: ‚bc‘ = before Christ = v. Chr. unkalibriert) als auch kalibrierte Sonnenjahre angegeben werden (‚cal BC‘ = calibrated before Christ = kalibriert v. Chr.). Die absolute Differenz zwischen unkalibrierten und kalibrierten Werten kann bezüglich der Zeitspanne des Neolithikums bis zu 1000 Jahre betragen. Alle in diesem Text genannten Zeitangaben „v. Chr.“ sind als kalibrierte Sonnenjahre zu verstehen.
Siehe bzgl. der chronologischen Terminologie Aurenche and Kozłowski 1999, 36; Gebel 1984, 7.
Siehe für eine regional differenzierte Chronologietabelle Cauvin 2000, xvii; für eine internetbasierte Chronologiedatenbank zur Prähistorie Vorderasiens Böhner und Schyle: http://context-database.uni-koeln.de/.
Siehe bezüglich der Natufien-Kultur in der Levante Cauvin 2000, 15–21; Belfer-Cohen and Bar-Yosef 2000; für den Rekonstruktionsversuch eines Bauwerks in ‘Ain Mallaha Valla 1988, 286. Andere Autoren gehen für das Natufien von nur saisonal genutzten Siedlungen aus z. B. Nissen 1999, 21. Siehe bezüglich der protoneolithischen Siedlung Hallan Çemi im östlichen Obermesopotamien Rosenberg and Redding 2000.
Siehe zum Begriff der „Hilly Flanks of the Fertile Crescent“ und der besonderen Bedeutung dieser Regionen für den Neolithisierungsprozess Braidwood 1952, 11; zur Domestikation von Pflanzen Zohary and Hopf 1988; Willcox 1996; Lev-Yadun et.al. 2000; zur Domestikation von Tieren Peters et.al. 1999.
Durch die persönliche Mitarbeit des Autors an den Ausgrabungsarbeiten auf dem Göbekli Tepe (Gemeinschaftsprojekt des Museums in Şanlıurfa und des Deutschen Archäologischen Instituts unter der Leitung von Klaus Schmidt) können die Befunde dieses Ortes hier besonders intensiv für die Darstellung neolithischen Bauwissens berücksichtigt werden, wofür der Autor dem Deutschen Archäologischen Institut zu Dank verpflichtet ist. Der Druck einer ausführlichen Vorlage der Baubefunde des Göbekli Tepe sowie einer Untersuchung des Phänomens frühneolithischer Sondergebäude ist in Vorbereitung.
Siehe für eine Zusammenschau von Fragestellungen, Forschungsperspektiven und bestehenden Vorarbeiten bezüglich des Bauwesens im Alten Orient, welche auch Beispiele aus dem Neolithikum einbezieht, Sievertsen 1999.
Diese einzigartige Originalität neolithischen Bauens betont auch der Titel des Aufsatzes From Huts to Houses: ‚Firsts‘ in Architecture (Özdoğan 1996), in dem eine Reihe bautechnischer Innovationen des Neolithikums am Beispiel der Grabung im südosttürkischen Çayönü vorgestellt werden.
Siehe zu den Möglichkeiten und Grenzen ethnoarchäologischer Ansätze z. B. Gould 1980; Bernbeck 1997, 104–108; für Beispiele baubezogener ethnologischer Studien in Vorderasien Nippa 1991. Über den Zweck der Ergänzung archäologischer Quellen hinaus könnte eine systematische Auswertung ethnologischer Untersuchungen von Bauprozessen verschiedenster rezenter Kulturen für eine ‚Wissensgeschichte der Architektur‘ auch per se von Interesse sein.
Vgl. auch das mehrsprachige Wörterbuch zur Architektur des Alten Vorderen Orients, Aurenche 1977.
Siehe für eine tabellarische Präsentation frühneolithischer Bauformen und Bauweisen Vorderasiens Gebel 1984. Außerdem sind zum Bauen in Teilregionen Vorderasiens einzelne Übersichtsarbeiten erschienen, die mit dem Neolithikum beginnen: Siehe für das Gebiet der heutigen Türkei, allerdings noch ohne Berücksichtigung des Großteils der relevanten neolithischen Fundplätze, Naumann 1971; für das südliche Syrien Wright 1985; für Zypern Wright 1992; für eine aktuellere, aber knappe Zusammenstellung frühneolithischer Baumaterialien und Bautechniken in ganz Vorderasien Bıçakçı 2003; für eine Vergleichsdarstellung neolithischen Bauens in Vorderasien, der Mittelmeerregion und Westeuropa anhand ausgewählter Beispiele Wright 2000, 17–39 (wobei hier weniger Bautechniken als Bauformen im Mittelpunkt stehen).
Siehe z. B. für Jericho Kenyon 1981; für Beidha Byrd 2005; für die Subphasen 5 und 6 von Çayönü Bıçakçı 2001; für die Subphase 2 von Çayönü Sicker-Akman 2007; für Basta Gebel 2006; für Shkarat Msaied und Ba‘ja: Kinzel 2013.
Für die Definition eines Langstreckentransportes gilt in der Forschung zur europäischen Prähistorie eine Entfernung von mehr als 6 km als Konsens (vgl. Atkinson 1956; Atkinson 1961; Thorpe and Williams-Thorpe 1991; Kalb 1996).
Kenyon 1981, 18–33, Tafeln 5, 9–11, 203, 206, 244. Siehe für eine Zusammenschau bisheriger Funktionsinterpretationen des Turmes und einer diesbezüglich neuen These Barkai and Liran 2008.
Die Details dieses wichtigen bautypologischen Wechsels sowie die dafür verantwortlichen Ursachen können an dieser Stelle nicht erläutert werden. Siehe für diesbezügliche Literatur z. B. Sicker-Akman 1999.
Siehe zu den geringen Chancen Spuren solcher Erfindungs- und Schöpfungsprozesse, insb. von kurzlebigen Lösungsansätzen, in prähistorischen Befunden beobachten zu können Lüning 2003, 26, 56.
Vgl. Gebel 2002b, 16; Gebel 2004, 51.
DAI 1997, 551–552. Dies revidiert den zuvor gültigen Forschungsstand, dass der gezielte Abbau von Bauteilen in Steinbrüchen erst in der Bronzezeit eingesetzt hätte (vgl. Waelkens 1992).
Siehe für die spätere Anwendung ähnlicher Steinbruchtechniken zur Gewinnung von Kalksteinblöcken im ägyptischen Tura Klemm and Klemm 1993, 68.
Das Volumen des Bauteils beträgt etwa 16,5 m3. Für die Dichte von Kalkstein wird ein Wert von 2600 kg/m3 angesetzt (vgl. Neufert 1992, 522).
Siehe bezüglich ethnografisch überlieferter und experimentell ermittelter Transportmethoden sowie daraus abgeleiteter Arbeiterzahlen in Relation zum Gewicht sowie der damit verbundenen physikalischen Grundlagen Röder 1944; Atkinson 1956, 98–117; Atkinson 1961, 296–298; Naumann 1971, 34–37; Mohen 1980; Bakker 1999, 151–155; Cotterell and Kamminga 1990, 23–29, 216–233; vgl. für Folgerungen bezüglich des Pfeilertransports am Göbekli Tepe auch Schmidt 1998, 44.
Transportvorhaben unter Beteiligung solch großer Menschenmengen implizieren auch die Frage nach den dazu erforderlichen Organisationsformen. Siehe dazu Abschnitt 2.2.3, S.
So wird aus Südostasien die rituelle Ansprache an einen zum Abtransport bestimmten Megalithen mit folgenden Worten wiedergegeben: „Your place is not here. We have made another for you. You must go to that which we have made for you. Go lightly and go quickly!“ (Hutton 1922, 246).
Aurenche 1981, 51–53; Aurenche 1993, 80; Bıçakçı 2003, 394f.; vgl. Moorey 1999, 305.
Siehe zur Definition der Begriffe ‚Tauf‘ und ‚Pisé‘ sowie für genauere Beschreibungen der jeweiligen Bautechniken Aurenche 1977, 138–139; Aurenche 1981, 54–59; Kubba 1987, 165f.. Wörtlich abgeschrieben bei: Braidwood and Howe 1960, 40; vgl. Moorey 1999, 303f.. Teilweise werden die Begriffe ‚Pisé‘ und ‚Tauf‘ auch synonym verwendet, ohne zwischen Bauweisen mit und ohne Schalung zu differenzieren (z. B. Wulff 1966, 108f.; Leick 1988, 165). Die oft undifferenzierte Verwendung beider Begriffe ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass auch im Bewusstsein der technischen Unterschiede beider Bauweisen ihre Scheidung in den jeweiligen Grabungsbefunden sehr schwierig ist.
Vgl. Bernbeck 1994, 250–251 mit weiterführender Literatur.
Vgl. Özdoğan 1996, 27–29; Bıçakçı 2001, 144; siehe für weitere neolithische Beispiele Aurenche 1981, 56–57.
Siehe für eine detaillierte Beschreibung der technischen und organisatorischen Implikationen eines ‚Pisé‘-Bauprojekts im ländlichen Indien des frühen 20. Jahrhunderts Read 1940.
Vgl. für eine Zusammenstellung und Diskussion möglicher Belege neolithischer ‚Pisé moulé‘-Bauweisen Aurenche 1981, 57–59. Bei den hier beschriebenen Beispielen handelt es sich m. E. aber eher um möglicherweise auf den Mauern (‚in situ‘) geformte und ungewöhnlich große ‚Proto-Lehmziegel‘, denn um Stampflehmmauern. Die separate Herstellung einzelner Lehmblöcke und ihre Verbindung durch Fugenmörtel stehen geradezu im Gegensatz zum fugenlos homogenen Charakter einer Stampflehmmauer. Vielmehr könnten diese Belege m. E. Zwischenschritte einer direkten Entwicklung von der ‚Tauf‘- zur Lehmziegelbauweise darstellen, für die Aurenche (vgl. 1981, 55) selbst an anderer Stelle weitere Beispiele anführt .
Die Bezeichnung plankonvex sollte für diese handgeformten neolithischen Lehmziegel aber vermieden werden, da dieser Begriff für einen in Modeln geformten und nur an seiner Oberseite gebauchten, bronzezeitlichen Ziegeltyp in Mesopotamien lange eingeführt ist.
Vgl. Abschnitt 2.2.3, S.
Aurenche 1993, 80–81. Siehe für eine kritische Sichtweise bezüglich des Nachweises frühester in Modeln geformter Ziegel Moorey 1999, 303f..
Stevanivic 2006. Es kann daher vermutet werden, dass auch diese ‚Lehmziegel‘ teilweise nicht vorgefertigt, sondern in situ auf den Mauerkronen hergestellt wurden: „manufactured in place on the wall“ (Stevanivic 2006, 159). Sie wären damit den mit ‚Tauf-‘ und ‚Pisé-Bauweise‘ verwandten ‚Proto-Lehmziegeln‘ zuzurechnen.
Siehe bezüglich Aşıklı Höyük Erhan Bıçakçı, in: Esin et.al. 1991, 136; bezüglich Ilıpınar und Menteşe Roodenberg 1999, 195–196. Auch die ‚mud-slab‘-Bauweise birgt Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Identifikation im Grabungsbefund (vgl. Moorey 1999, 394) und es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie tatsächlich verbreiteter war als die derzeitige Publikationslage widerspiegelt. Möglicherweise besteht auch ein entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhang zu den auf den Mauern geformten oder in noch feucht-flexiblem Zustand verlegten ‚Proto-Lehmziegeln‘. Aus einigen diesbezüglichen Publikationen ist auch nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob es sich jeweils um naturbelassenes oder um durch Magerung aufbereitetes Lehmmaterial handelt.
Gebrannte Lehmziegel sind erst ab der ‚Uruk–Zeit‘ (4. Jt. v. Chr.) belegt, siehe den Beitrag von Uwe Sievertsen im vorliegenden Band. Eine Ausnahme bilden die gebrannten ‚Miniatur-Modell-Ziegel‘ aus der Ubaid-zeitlichen Schicht XIII von Tepe Gawra (5. Jt. v. Chr.), die im Zusammenhang mit Planungswissen und Planungstiefe behandelt werden, vgl. Abschnitt 2.2.2, S.
Siehe zur frühesten Keramikproduktion in Nordsyrien und Kleinasien Thissen 2007.
So z. B. in Lagama Nord 8, einem Fundort des geometrischen Kebarien im Norden der Halbinsel Sinai (Kingery et.al. 1988, 220, 226–227).
Vgl. für naturwissenschaftliche Materialuntersuchungen, die genaueren chemischen Zusammenhänge und die Diskussion möglicher Herstellungstechniken im Neolithikum Frierman 1971; Gourdin and Kingery 1975; Kingery et.al. 1988; Goren and Goldberg 1991; Reller et.al. 1992; Thaís Crepaldi Affonso 1997; Hauptmann and Yalçin 2000; Thaís Crepaldi Affonso and Pernicka 2001.
Es wurde daher auch diskutiert, in wie weit das Beherrschen der technologischen Prozesse des Brennens von Kalk eine wichtige Grundlage für das spätere Brennen von Keramik gebildet hat (Frierman 1971).
Als der deutlichste und zugleich früheste entsprechende Beleg gilt eine Struktur in der natoufienzeitlichen Hayonim Höhle in der Levante (Kingery et.al. 1988, 223; Bar-Yosef 1991, 89). Siehe für weitere Beispiele Garfinkel 1987.
Vgl. Aurenche 1981, 73f.; Moorey 1999, 347.
Siehe für eine tabellarische Zusammenstellung und Kartierung archäologischer Nachweise verschiedener architektonischer Verwendungen von Holz im Neolithikum Vorderasiens Aurenche 1981, Bd. 3, ‚Tableau 10‘, ‚Carte 10‘.
Vgl. Abschnitt 2.2.2, S.
Siehe für eine Zusammenstellung archäologischer Nachweise der im Neolithikum Vorderasiens als Bauhölzer verwendeten Baumarten Aurenche 1981, 81f.; vgl. für das spätere Altmesopotamien entsprechend Moorey 1999, 360.
Vgl. Neef 2003, 14.
Die etwa 100.000 Jahre alten Speere aus Schöningen stehen in ihren ballistischen Eigenschaften modernen Leichtathletikspeeren kaum nach (Thieme 1999; Thieme 2007).
Siehe für experimentalarchäologische Nachweise und diesbezügliche Literaturhinweise Aurenche 1981, 82.
Aurenche 1981, 83; Bıçakçı 2003, 390f. insb. Anm. 8.; z. B. Mellaart 1970, Bd. 1, S. 17 ‚House P.1‘; Mellaart 1970, Bd. 2, Abb. 9 auf Tafel 9 und Abb. 7 auf Tafel 58. Die wenigen Beispiele für neolithische Kanthölzer beruhen allerdings allein auf entsprechenden Interprationen indirekter Belege wie Abdrücke an Wänden oder der Form von Pfostenlöchern.
Vgl. Yalçin 1969, 37–104, insb. Abb. 32 auf S. 56.
Zum Fundinventar vieler Ausgrabungen gehören auch ‚Bohrer‘ genannte Werkzeuge aus Silex oder Obsidian. Diese dienten wahrscheinlich der Durchbohrung von Perlen und vermutlich auch von Kleidungsstücken (Leder). Für die Felsgesteinbearbeitung, z. B. zur Herstellung von Beilen, sind durch entsprechende Werkzeugspuren sowohl Bohrtechniken wie auch Sägeschnitte belegt.
Schirmer 1983, 469; vgl. Kurapkat 2010.
Nippa 1991, 76–77. Speziell in Kleinasien sind entsprechende Holzeinlagen auch aus bronze- und eisenzeitlichen Bauten belegt (vgl. Naumann 1971, 86–89, 91–108).
Aurenche 1981, 87f.; Bıçakçı 2003, 389f..
Siehe für Beispiele und weiterführende Literatur Aurenche 1981, 88.
Siehe zur Frage der konstruktiven Funktion der ,Holzfachwerkgerüste‘ in Çatal Höyük und einer vergleichenden Diskussion diesbezüglich unterschiedlicher Einschätzungen Eichmann 1991, 43.
Özdoğan 1999, Bd. 2, Abb. 38; Esin 1998, 91 Abb. oben rechts. Siehe auch für eine Darstellung neolithischer Korb- und Mattenflechttechnik Wendrich 2007.
Özdoğan 1999, Bd. 1, S. 43, Bd. 2, S. 23, Abb. 8; LeBrun 1997, 19–22, Abb. 11, 12. Siehe für eine tabellarische Zusammenstellung und Kartierung archäologischer Nachweise der architektonischen Verwendung von Schilf im Neolithikum Vorderasiens Aurenche 1981, Bd. 3, ‚Tableau 9‘, ‚Carte 9‘.
Heinrich 1934; Heinrich 1957; Siehe für ethnografische Darstellungen des rezenten Schilfbaus in den Südmesopotamischen Sumpfgebieten Nippa 1991, 49–68.
Ein menschengestaltiges Wandbild in Kalavasos-Tenta auf Zypern (Todd 1982, 47–48; Todd 1998, 64f., Abb. 41, 42); ein abstraktes Wandfresko in Ba‘ja in der Südlevante (Gebel 2004, Abb. 3.7 auf S. 52, 55); eine Malerei in Halula am mittleren Euphrat (Akkermans and Schwartz 2003, 63, Abb. 3.13 auf S. 64).
Mellaart 1967; Cutting 2007; vgl. Abschnitt 2.2.2, S.
Vgl. Abschnitt Entwurfsleitende Motive, S.
Eichmann 1991. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf Fragen der Grundrissplanung.
Siehe S.
Lacaille 1954; Sellenriek 1987, 13. Siehe für alternative, nicht technische Interpretationen der ‚Tectiforme‘ und anderer prähistorischer Zeichen Leroi-Gourhan 1971, 170–176; Leroi-Gourhan 1984, 65–67.
Mellaart 1967, 209, Tafel 59f.; Mellaart 1964, 55, Tafel 5b. Allerdings wurden auch Zweifel an dieser Lesart angemeldet und alternative Deutungen vorgeschlagen – unter anderem für die vermeintliche Vulkandarstellung als eine Tierhaut (vgl. Eichmann 1991, 45f.; Cutting 2007, 132).
Vgl. Heisel 1993; siehe den Beitrag von Claudia Bührig in diesem Band.
Vgl. Betts and Helms 1986.
Tobler 1950, 34f.; vgl. zur Datierung Rothman 2002, 2–3.
Rothman 2002. Vgl. Aurenche 1985, 12f.; Eichmann 1991, 97; Moorey 1999, 307; Sievertsen 1998, 191.
Siehe für eine detaillierte Grundrissanalyse sowie Rekonstruktionen möglicher Grundrissplanungen und Grundrisseinmessungsverfahren Eichmann 1991, 96–99, Tafel 66.
Das Sexagesimalsystem lässt sich mindestens bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen. Es basiert auf einem Nenner von 60, und ein Proportionsverhältnis von 1:10 hätte damit die logische Stringenz eines Maßstabs von 1:6; siehe zum babylonischen Sexagesimalsystem und zur Mathematik des Alten Orients Neugebauer 1969, besonders 93–110; Becker 1975, 5–7; Høyrup and Damerow 2001.
Helms and Betts 1987, 54–55. Die dort angegebene Datierung „late 7th millenium“ beruht auf der in den 1980er Jahren verbreiteten Umrechnung von Radiokohlenstoffaltersangaben in unkalibrierte ‚years BC‘. Die heute übliche Kalibrierung der Werte ergibt eine Datierung in die zweite Hälfte des 8. Jahrtausends v. Chr.
Bar-Yosef 1986. Die Ausgräberin und andere Autoren schreiben der Mauer von Jericho hingegen eine Wehrfunktion zu (vgl. Abschnitt 2.3.3).
Schirmer 1986 [1981], insb. 44; Schirmer 1988, insb. 372; Marzolff 2004; Sicker-Akman 2007. Die standardisierten Grundrisse dieser Bauten sind auch von großer Relevanz für Fragen nach Planungsniveau und Planungstiefe (siehe folgender Abschnitt, S.
Siehe für Basta Nissen and Thaís Crepaldi Affonso 1987; für Es-Sifiya Mahasneh and Bienert 2000.
Mündliche Mitteilung von Hans J. Nissen.
Vgl. Abschnitt 2.2.4, S.
Siehe für ethnografische Schilderungen von Bauabläufen in Kombination von Nachbarschaftshilfe und beratendem Expertentum Nippa 1991, 34,40. Übrigens wird die arabische Bezeichnung für einen solchen Experten „mu‘allim“ hier übersetzt mit „einer, der etwas weiß und kann“, womit der Wissensaspekt seiner Qualifikation ausdrücklich betont wird.
Siehe zu den verschiedenen Plantypenbauten in Çayönü zusammenfassend Schirmer 1986 [1981]; Schirmer 1988; Özdoğan and Özdoğan 1989; Eichmann 1991, 50–55; Bıçakçı 2001, 12–14; siehe speziell zu den ‚Grill-Plan-Buildings‘ Sicker-Akman 2007; siehe zu den ‚Cobble Paved Buildings‘ und ‚Cell-Plan-Buildings‘ Bıçakçı 2001.
Siehe bezüglich der ‚Cooridor-Buildings‘ in Beidha Kirkbride 1966, 12–15; Byrd and Banning 1988; Eichmann 1991, 47f.; siehe für Bouqras Akkermans et.al. 1981; Akkermans and Schwartz 2003, 121–123; siehe für eine vergleichende Interpretation des Phänomens der ‚Plantypbauweise‘ Eichmann 1991, 73–82.
Vgl. Eichmann 1991, 55, 94.
Siehe für megalithische Monumente auf den britischen Inseln, insb. die Ableitung eines ‚Megalithic Yard‘ Thom 1967; siehe für späturukzeitliche Bauten in Habuba Kabira am mittleren Euphrat, 4. Jahrtausend v. Chr. Frank 1975; siehe für Bauten auf dem Tepe Yahya im Süden des Iran, 4. Jahrtausend v. Chr. Beale and Carter 1983; siehe für das bandkeramische Neolithikum in Mitteleuropa, 6. Jahrtausend v. Chr. Rasch 1987; siehe für neolithische und chalkolithische Bauten verschiedener Fundorte des 9. bis 4. Jahrtausends v. Chr. in Vorderasien Eichmann 1991, hier auch weiterführende Literatur; siehe zur ‚megalithischen Metrik‘ und anderen vorantiken Maßeinheiten Rottländer 1999; siehe u. a. zum Verhältnis des ‚Megalithic Yard‘ zur ‚Nippur-Elle‘ Beinhauer 1999 und zusammenfassend Lüning 2003, 46–48.
In den meisten Fällen gibt schon die ungenügende Genauigkeit der den Analysen zu Grunde liegenden Grabungsdokumentationen Anlass zur Vorsicht. Die relevanten baustratigrafischen Phasentrennungen wurden zum Teil für die Rekonstruktion von Planungsprozessen nur bedingt berücksichtigt. Rekonstruierte Idealachsen wurden wahlweise mit Innen- und Außen- sowie Rohbau- und Fertigmaßen in Deckung gebracht. Siehe für eine kritische Darstellung der methodischen Problematik Eichmann 1991, 11–13.
Tobler 1950, 34f.
Vgl. Aurenche 1985, 13.
Nippa 1991, 33–34. Vgl. bezüglich der Übertragbarkeit solcher Verhältnisse auf den Alten Orient Sievertsen 1999, 202.
Moorey 1999, 304f.; vgl. Kubba 1987, 169.
Die Begriffe ‚Absteckvorgang‘ und ‚Aufschnürungsvorgang‘ sind hier als Platzhalter zu verstehen. Es soll damit nicht eine Aussage bezüglich einer bestimmten ‚Grundriss-Übertragungsmethode‘ vorweggenommen werden. Siehe zur Diskussion der möglichen Anwendung exakt definierter Maßeinheiten im Bauwesen des europäischen Neolithikums Abschnitt 2.2.2, S.
Die früheste bislang bekannte ‚Aufschnürung‘ in Vorderasien ist für das urukzeitliche Gebäude C1 auf der Anu-Ziqqurat in Uruk nachgewiesen (Heinrich 1938, 21f.; Heinrich 1939, 33; vgl. Eichmann 1991, 7; vgl. auch den Beitrag von Uwe Sievertsen in diesem Band).
Eichmann 1991, 95. Die Übertragung durch Fluchtlinien könnte auch die gleich groß geplanten, aber unterschiedlich groß ausgeführten Räume mancher Bauten erklären, wenn die Mauerkanten teilweise auf unterschiedlichen Seiten der in gleichen Abständen abgetragenen Fluchtlinien errichtet wurden. Vgl. für Beschreibungen von Grundrissmarkierungen im vorderasiatischen Bauwesen des 20. Jahrhunderts Wulff 1966, 108; Aurenche 1981, 95; Nippa 1991, 40.
Diese räumlichen Bezüge zwischen primär konstruktiven Bauteilen wie den Wandvorlagen und rein gestalterischen Zutaten wie den Streifen im Fußbodenbelag bilden einen frühen Beleg, dass die konstruktiven und formalen Ansprüche an ein Bauwerk in unmittelbarer Abhängigkeit zueinander gelöst wurden. Dies kann als Erfüllung eines wesentlichen Kriterium angesehen werden, um bloßes ‚Bauen‘ von ‚Baukunst‘ und ‚Architektur‘ zu unterscheiden (Schirmer 1983, 476).
Atkinson 1956, 126, 134; Wright 2000, 34. Folgerung aufgrund der auf gleichem Niveau liegenden Oberseiten der ‚Pfeiler‘ des Steinkreises von Stonehenge.
Siehe bezüglich der baulichen Beantwortung des Bedürfnisses nach einem trockenen Fußboden z. B. Abschnitt 2.2.2, Das Wissen um Umweltbedingungen S.
Siehe für Definitionen der Begriffe ‚practical technologies‘ und ‚prestige technologies‘ sowie diesbezüglicher Beispiele Hayden 1998.
Siehe zur sozialen Bedeutung von Festen in frühen komplexen Gesellschaften Helwing 2003. Siehe speziell zum Einsatz von Festen als Mittel zur Arbeitsmobilisierung Dietler and Herbich 2001.
Arnold 1993, 82–85; vgl. folgender Abschnitt 2.2.4, Bauleute und Bauprozess S.
Siehe bezüglich ökonomischer Modelle für Gesellschaften von mobilen Jägern und Sammlern Sahlins 1972, 1–39, The Original Affluent Society; Bartl 2004, 51–60; siehe für die epipaläolithischen und frühneolithischen Epochen mit beginnender Sesshaftigkeit und Transformation von aneignender zu produzierender Wirtschaftsweise Bartl 2004, 23–49; siehe für sesshafte Agrargesellschaften mit ‚häuslicher Produktionsweise‘ Sahlins 1972, 84–86; Bernbeck 1994, 34; Bartl 2004, 61–88.
Siehe für eine detaillierte ethnografische Dokumentation von Aufgabenteilungen nach Geschlecht, Alter und sozialem Status im ländlichen Hausbau des Maghreb Maunier 1926, 66–69, Tableau I.
Z. B. Hole 2000, 206.
Voigt 1990, 11–13. Auch einige andere Arbeiten beschäftigen sich mit Fragen des Nachweises handwerklicher Spezialisierungen im Neolithikum, wobei bislang nahezu ausschließlich die Werkzeug- und Keramikherstellung untersucht wurde. Siehe zu den theoretischen Grundlagen und methodischen Möglichkeiten der Untersuchung von Arbeitsspezialisierung anhand archäologischer Quellen Costin 1991, wobei sich auch dieser Beitrag auf die handwerkliche Produktion von Einzelartefakten bezieht und die Thesen nur bedingt auf Bauprozesse übertragbar sind. Die Thematik baubezogener Spezialisierungen im Neolithikum wird nur in wenigen Arbeiten angeschnitten; siehe Gebel 2002b, 19–22; Gebel 2004, 52–53; demgegenüber Bernbeck 1994, 247.
Siehe wiederum für ethnografische Belege solcher beratender und zugleich mit den Laien-Bauleuten zusammenarbeitender Bau-‚Meister‘ Maunier 1926, 69–70.
Im Gegensatz dazu kommt Reinhard Bernbeck (1989, 180–184; 1994, 32–33) aufgrund der Analyse neolithischer Keramikproduktion zu dem Schluss, dass ein gewisses Maß an individuell unterschiedlichem handwerklichem Geschick zwar zu beobachten sei, dass die gesellschaftlichen Strukturen es aber nicht ermöglicht hätten, diese Einzelbegabungen gezielt zu nutzen.
Siehe bezüglich der Beteiligung von „part-time experts“ im Bauwesen schriftloser Kulturen auch Rapoport 1969, 107.
„In the course of making tools, the earliest communities had to build up a scientific tradition, noting and transmitting what were the best stones, where they were to be expected, and how they were to be handled“ (Childe 1936, 55).
„The new industry has great significance for human thought and for the beginnings of science“ (Childe 1936, 101).
Atkinson 1974. Er weist aber zugleich darauf hin, unter welchen Vorbehalten entsprechende Fragen zu erörtern sind.
Vgl. Damerow and Lefèvre 1998, 81–83 (Wissenssysteme in schriftlosen Kulturen); Lüning 2003, 21–23 (Zur Rekonstruktion neolithischer Wissenskulturen).
Vgl. hierzu auch die Begriffe des ‚tacit knowledge‘ (Polányi 1967), bzw. des ‚schweigenden Wissens‘ (Lüning 2003, 23).
Siehe zu den Vormauerungen auf dem Göbekli Tepe Kurapkat 2004; zu denen im südlevantinischen Ba‘ja Gebel 2002b, 16; zur Etablierung von aussteifenden Wandvorlagen in Ba‘ja Gebel 2006, 72–73.
Siehe zu ‚intuitivem physikalischen Wissen‘ Bödeker 2006, zur Begriffsdefinition und alternativer Terminologien insb. S. 14.
Siehe zur Definition des Begriffs ‚mental models‘ und ihrer wissensgeschichtlichen Bedeutung Renn 1996, 9–11.
An anderer Stelle wurde vermutet, dass die Eigenschaft des Branntkalks beim Löschen Dampf und Hitze freizugeben und das darin begründete kultische Potential sogar primäre Ursachen für die bautechnische Verwendung dieses Materials in besonderen Gebäuden darstellen könnten (Thaís Crepaldi Affonso 1997, 209).
Vgl. Childe 1936, 255–256, Note on Magic, Religion, and Science.
Auch andere historische ‚mental models‘ integrierten uns heute irrational anmutende Faktoren, um die Schlüssigkeit des jeweiligen Gesamtmodells zu gewährleisten (z. B. die Theorie, dass der ‚Äther‘ die Kraft von einem eine Bewegung auslösenden Subjekt an ein bewegtes Objekt weitergibt).
Rapoport 1969, 3. Von gleichberechtigten Laien in Nachbarschaftshilfe und ohne jedwede Bauleitung realisierte, vegetabile Hausbauten sind aus Südostasien ethnografisch belegt (vgl. Koch 1984, 38–56).
Vgl. auch Abschnitt 2.3.3, S.
Vgl. Schmidt 2006.
Siehe bezüglich der einzelnen ‚Befestigungsmauern‘ Kenyon 1981, 19; vgl. zu Jericho und für eine alternative Interpretation dieser Mauer Abschnitt 2.2.2 und Bar-Yosef 1986; zu Hoca Çeşme Özdoğan 1999, 217–218; zu Khirokitia LeBrun 1997, 13–19. Die beindruckende 25 m lange und bis zu 3,80 m hoch erhaltene Steinmauer im syrischen Halula wird hingegen als Terrassierungsmauer gedeutet (Molist-Montana 1998, 123–125). Siehe für eine grundlegende Untersuchung archäologischer Nachweise von Konflikten und möglichen kriegerischen Auseinandersetzungen im Neolithikum Vorderasiens Müller-Neuhof 2005.
Eine entsprechende Fragestellung bezüglich der Ausbreitungsmechanismen der landwirtschaftlichen Produktionsweisen von Vorderasien über den Balkan nach Mitteleuropa wird seit langem erörtert (Lichter 2005; Özdoğan 2005; Özdoğan 2007b).
Siehe zu einer grundsätzlichen Erörterung diffusionistischer und alternativer Erklärungsmodelle für den Neolithisierungsprozess Gebel 2004, sowie an gleicher Stelle mehrere weitere Beiträge zu dieser Thematik.
Özdoğan 2005, 19. Der Autor weist zudem auf den Nachweis überregionalen Rohstoffhandels hin und betont den seiner Überzeugung nach ausgesprochen friedlichen Charakter dieser Austauschmechanismen.
Siehe bezüglich westanatolischer und südosteuropäischer Bauten in Holzpfostenbauweise und für Nea Nikomedeia in Nordgriechenland (ca. 6.250–6.100 v. Chr.) z. B. Rodden 1965; Pyke and G.and Yiouni 1996, 42–44; für die Schichten IV und III von Hoca Çesme in Thrakien (ca. 6.400–6.300 v. Chr.) Özdoğan 1999, 217–218; Özdoğan 2007a, 152; für Ilıpınar und Menteşe in der Marmararegion (Anfang 6. Jt.) Roodenberg 1999; Roodenberg and Alpaslan-Roodenberg 2007.
Siehe für eine kritische Revision dieser Thesen Renfrew 1967, Antiquity 41.
Vgl. Özdoğan 2007a, 151–153; siehe für eine Untersuchung möglicher Zusammenhänge eines ‚kulturellen Niedergangs‘ mit klimatischen Ereignissen Weninger et.al. 2005.
Zwar werden auch Bauten des späten 7. Jahrtausends noch besondere gemeinschaftliche Funktionen zugesprochen und diese u. a. als ‚Schreine‘ bezeichnet. Siehe z. B. für Çatal Höyük Mellaart 1967; für Nea Nikomedeia Rodden 1965, 85; die Bauformen, Dimensionen und Bautechniken dieser Gebäude unterscheiden sich von denen der sonstigen örtlichen Bebauung aber nur graduell und erreichen nirgends wieder mit den frühneolithischen Sondergebäuden zu vergleichende Dimensionen und architektonische Repräsentationskraft.
Vgl. den Beitrag von Uwe Sievertsen in diesem Band.