8 Energie ist Chemie – Katalyse als Schlüsseltechnik. Energie von Morgen: Eine Momentaufnahme

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10.34663/9783945561188-10

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Behrens, Malte and Schlögl, Robert (2011). Energie ist Chemie – Katalyse als Schlüsseltechnik. Energie von Morgen: Eine Momentaufnahme. In: Herausforderung Energie: Ausgewählte Vorträge der 126. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e.V. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

8.1 Das Energieproblem

Die aktuelle Energiediskussion ist getrieben von drei unangenehmen und zum Teil schon sehr lange bekannten Wahrheiten:

1Die Vorräte an fossilen Brennstoffen sind endlich und werden in einigen Jahrzehnten erschöpft sein.

2Das bei der Nutzung dieser Brennstoffe freigesetzte Verbrennungsgas Koh- lendioxid (CO2) fördert die globale Erwärmung und die Klimaveränderung.

3Das ungelöste Problem der Atommüllentsorgung macht die Kernenergie zu einer nicht nachhaltigen Technologie, die - wie die aktuellen Ereignisse in Japan zeigen - außerdem mit einem unkontrollierbaren Restrisiko verbunden und somit gefährlich ist.

Dem gegenüber stehen ein riesiger Energiebedarf in den westlichen Wohlstandsgesellschaften und ein wachsender Energiehunger in den sich entwickelnden Ländern. In einer Pro-Kopf-Betrachtung liegen Länder wie die USA, Kanada, Australien und die westeuropäischen Staaten sowohl beim CO2-Ausstoß als auch beim Bruttoinlandsprodukt in der Spitzengruppe. Diese Korrelation reflektiert den mit hohem Lebensstandart einhergehenden großen Energiebedarf. Betrachtet man allerdings die absoluten Werte bei den CO2-Emissionen, so ergibt sich ein anderes Bild. Lagen um die Jahrtausendwende die gut entwickelten OECD-Staaten und die nicht-OECD-Staaten (mit weitaus mehr Einwohnern) in ihrem CO2-Ausstoß mit ca. 10 Gigatonnen noch ungefähr gleichauf, so hat sich dieser Wert für die nicht-OECD-Staaten in den letzten 10 Jahren nahezu verdoppelt, während bei den OECD-Staaten nur ein geringes Wachstum um ca. 2 Gigatonnen zu verzeichnen war.1 Die sehr begrüßenswerte und zu unterstützende Entwicklung hin zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in ärmeren Ländern stellt die Menschheit vor neue und große Herausforderungen, da sie die in den oben genannten Punkten 1 und 2 aufgeführten Probleme stark beschleunigt und Kernenergie nicht unser Ausweg sein kann, siehe Punkt 3. Die Bestrebungen von Ländern wie Indien oder China zur Verbesserung ihrer Infrastruktur und ihres Wohlstandes sind dabei natürlich völlig berechtigt und alternativlos. Das Problem wird dadurch verschärft, dass sich diese Länder unseren im Westen mitunter verschwenderischen Umgang mit Energie und unsere nicht-nachhaltige Technologie zur Energieumwandlung – Verbrennung fossiler Energieträger und Kernenergie –, die ja für die schon in der Vergangenheit für die oben genannten Probleme verantwortlich war, zum Vorbild nehmen.

Diese Lage führt zu der Schlussfolgerung, dass das Problem nicht ausschließlich in Europa oder gar Deutschland, sondern nur global, insbesondere unter Einbeziehung Asiens, gelöst werden kann. Dieses Argument wird von Gegnern einer Energiewende gerne angeführt, um erste Maßnahmen in diese Richtung zu blockieren. Wir im Westen sind aber keineswegs aus der Verantwortung entlassen. Die Rolle Deutschlands und Europas im Prozess der Problemlösung muss sein, neue und innovative Technologien, die einen nachhaltigen Umgang mit Energie erlauben, zu erforschen, zu entwickeln und auch anzuwenden. Ein solcher Beitrag kann nur an hoch entwickelten Forschungs- und Technologiestandorten erbracht werden. Ziel muss es sein, unsere Wissens- und Technologiepotenziale dafür einzusetzen, dass sich Deutschland und Europa sich zu einer Leitregion für nachhaltige Energieumwandlung entwickelt und diese Ideen und Technologien dann zu exportieren.

8.2 Die Dimension der Herausforderung

Das Energieaufkommen in Deutschland entspricht ca. 3-4 % des weltweiten Aufkommens und betrug im Jahr 2004 548,6 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten (M t SKE) mit einer Importquote von knapp 74 % (Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.). Nach Abzug von Export und Bunkerung bleibt ein Primärenergieverbrauch von 477,5 M t SKE. 27 % hiervon gehen als Umwandlungsverluste verloren und der Endenergieverbrauch teilt sich relativ gleichmäßig auf die Sektoren Industrie, Verkehr, Haushalte sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen auf. Um diese großen Werte und ungewohnten Einheiten zu veranschaulichen, kann man sie in greifbarere Größen umrechnen. So entspricht eine Tonne Steinkohleeinheiten (also weniger als der einhundertmillionstel Teil des deutschen Energieverbrauchs) etwa 800 l Diesel oder etwa 7.000.000 kcal, was der Nahrung eines Menschen für 10 Jahre entspricht, oder ca. 8.150 kWh, was ungefähr dem Stromverbrauch einer Familien für zwei Jahre gleichkommt. Mit dem deutschen Nettoenergieverbrauch ließe sich die gesamte Weltbevölkerung für fünf Jahre ernähren.

Um eine Brücke zur sogenannten Wasserstoffwirtschaft zu schlagen, kann man 1 t SKE auch in den Energiegehalt von Wasserstoff umrechnen und kommt auf 2.713 m3 Wasserstoff. Geht man von den in Laboratorien üblichen 200 bar-Druckgasflaschen mit 50 l Inhalt aus, würde jeder Deutsche pro Tag sechs solcher Flaschen verbrauchen, in China oder Indien hingegen durchschnittlich nur etwa eine Flasche. Der gesamte Energiebedarf der Menschheit entspricht der Anzahl von 5.000.000.000.000 solcher Flaschen pro Jahr.

Diese Überlegungen zeigen, dass man die große Dimension des Energieproblems bei allen Lösungsansätzen als unveränderliche Randbedingung betrachten muss. Dies gilt sowohl für zentralisierte als auch für dezentralisierte Szenarien. Allein schon aufgrund dieser Dimension wird klar, dass es sich bei einer Energiewende um einen Prozess handeln muss, welcher sich stufenweise über mehrere Jahrzehnte hinziehen und mit immensen Kosten und Anstrengungen verbunden sein wird. Insbesondere für die frühen Stufen erscheinen solche Lösungsansätze als geeignet, die auf der Veränderung erprobter und damit zumindest in gewissen Grenzen skalierbarer Prozesse basieren. Hier können die chemische Umwandlung von Energie und ihre Speicherung in chemischen Bindungen eine wichtige Rolle spielen, wie sie zum Teil heute schon von der chemischen Industrie für nicht-energetische Anwendungen durchgeführt werden. Auch hierbei ist zu bedenken, dass der weltweite Energiebedarf das Gesamtvolumen der heutigen chemischen Industrie immer noch ungefähr um den Faktor 20 übersteigt.

8.3 Der Status Quo

Auch die Natur bedient sich in ihrem Kreislauf der chemischen Umwandlung von Energie. Dies ist in Abbildung 8.1 schematisch dargestellt.

Im Zusammenspiel von Photosynthese und Atmung werden in der Natur Kohlenhydrate aus CO2 und Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht aufgebaut. Aus den Kohlenhydraten kann dann Biomasse aufgebaut werden oder sie werden oxidiert, um dissipative Lebensvorgänge zu ermöglichen. Übrig bleiben sowohl bei der Oxidation als auch beim Abbau der Biomasse wiederum CO2 und Wasser. Für diese energiearme Seite des Kreislaufs existieren natürliche Speicher und Wasser sowie CO2 als ein Bestandteil der Luft und von Karbonatgestein finden wir in der Natur im Überfluss. Allerdings speichert die Natur auch einen Teil der Moleküle auf der energiereichen Seite des Kreislaufs. Durch besondere Abbaubedingungen von Biomasse können sich im Laufe von geologischen Zeiträumen die uns bekannten fossilen Brennstoffe bilden. Verglichen mit der ursprünglichen Biomasse wurde dabei die Energiedichte stark erhöht.

Abb. 8.1: Schematische Darstellung des natürlichen Systems aus Photosynthese und Atmung. Aus diesem Kreislauf speist sich der Energiespeicher der Natur, die Biomasse, aus der sich die fossilen Brennstoffe (unten links) entwickelt haben.

Abb. 8.1: Schematische Darstellung des natürlichen Systems aus Photosynthese und Atmung. Aus diesem Kreislauf speist sich der Energiespeicher der Natur, die Biomasse, aus der sich die fossilen Brennstoffe (unten links) entwickelt haben.

Mit der Nutzung von fossilen Brennstoffen bedienen wir uns also aus dem Energiespeicher der Natur. Wir verbrennen quasi riesige, vorzeitliche Urwälder, die eigentlich von der Natur aus dem CO2-Kreislauf hinaus genommen wurden. Weltweit macht der Anteil der fossilen Brennstoffe am Energieaufkommen ca. 85 % aus. Der besondere Vorteil von Kohle, Erdöl und Erdgas ist ihre hohe Energiedichte und ihr einfacher Transport und Lagerung. Dies führt dazu, dass man je nach schwankendem Energiebedarf die Leistung der Verbrennungskraftwerke relativ einfach anpassen kann. Die besonderen Nachteile der Nutzung von fossilen Brennstoffen sind ihre Verknappung und das Ausmaß der mit der Verbrennung verbundenen CO2-Emissionen.

8.4 Nutzung von regenerativen Energien

Wie können wir unseren Energiebedarf verlässlich befriedigen, ohne dabei auf die Speicher der Natur zurückzugreifen? Die Antwort sind natürlich die erneuerbaren Energien wie Wind- oder Wasserkraft und Solarenergie. Insbesondere die Sonne stellt eine gigantische Energiequelle dar, die uns zur Verfügung steht. Um den gesamten Energiebedarf der Welt zu decken, müssten wir nur weniger als 0,2 % des Sonnenlichteinfalls nutzbar machen. Anders als die fossilen Brennstoffe ist Energie selbst also keineswegs knapp und die grundsätzlichen Techniken zur Nutzung der Sonnenenergie sind vorhanden oder im Entwicklungsstadium. Dies sind z.B. solarthermische Kraftwerke oder die Photovoltaik. Im Verbund mit Wind- und Wasserkraft, Geothermie und – mit Einschränkungen – Energie aus Biomasse sind diese Techniken in der Lage, unseren Energiebedarf mehr als zu decken. Dies ist auch das Ziel der Energiewende der Bundesregierung, die im Jahr 2050 ca. 80 % des deutschen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen erfüllen will.

Es gibt gesellschaftliche und technologische Hindernisse auf dem Weg dorthin. Dies sind zum einen die enormen Kosten, die mit dem Aufbau neuer und der Veränderung vorhandener Energie-Infrastruktur verbunden sind. Es muss einen politischen Konsens darüber geben, dass diese Kosten sinnvoll in unsere Zukunft investiert sind. Zu den gesellschaftlichen Herausforderungen gehört aber auch, unser individuelles Verhalten und unsere Gewohnheiten beim Umgang mit Energie ändern zu wollen, spürbar nicht nur beim Bezahlen der Kosten für erneuerbare Energie, sondern auch bei der Bereitschaft Energie einzusparen und Veränderungen wie z.B. den notwendigen Netzausbau in unserer Lebensumgebung zuzulassen. Die technologischen Probleme der Umstellung auf erneuerbare Energien sind mit der Bereitstellung der Primärenergie durch entsprechende Kraftwer- ke oder mit der Verteilung der Energie durch Stromnetze verbunden, aber insbesondere auch mit der Speicherung von regenerativer Energie.

Sonneneinstrahlung und Windstärke schwanken stark und sind vom Wetter anhängig. Es kommt unweigerlich vor, dass Zeiten mit hohem Energiebedarf mit Zeiten niedriger Leistung aus Sonnen- oder Windkraft zusammenfallen. Ebenso kommt es vor, dass es zu Zeiten hoher Stromproduktion bei Sonnenschein oder starkem Wind nicht genügend Abnehmer gibt, so dass z.B. die Windkraftanlagen bei starkem Wind abgestellt werden müssen. Man benötigt also ein Speichersystem für erneuerbare Energien, das es erlaubt, solche Senken und Spitzen abzufangen, indem der Speicher angezapft bzw. aufgeladen wird.

Während der Aufbau der zur Energiewende nötigen Infrastruktur vor allem Geld, also politischen Willen, erfordert, ansonsten aber aus Ingenieurssicht durchaus heute schon umsetzbar ist, brauchen wir für die Erarbeitung von leistungs- starken Speicherkonzepten noch Anstrengungen in Forschung und Entwicklung.

8.5 Speicherung regenerativer Energie

Es gibt physikalische, biologische und chemische Methoden, um Energie zu speichern. Eine Übersicht ist in Abbildung 8.2 gezeigt.

Abb. 8.2: Verschiedene physikalische (blau), chemische (pink) und biologische (grün) Methoden zur Speicherung von Energie mit ihren unterschiedlichen Leistungsbereichen und Speicherzeiten.

Abb. 8.2: Verschiedene physikalische (blau), chemische (pink) und biologische (grün) Methoden zur Speicherung von Energie mit ihren unterschiedlichen Leistungsbereichen und Speicherzeiten.

Die chemischen Speichermöglichkeiten sind Aufladen von Batterien, Herstellung von Wasserstoff, Kohlenwasserstoffen, Ammoniak oder von anderen synthetischen Brennstoffen wie z.B. Methanol. Sie zeigen eine große Flexibilität und eine hohe Speicherleistungen. Interessant ist außerdem die physikalische Methode der hydroelektrischen Pumpspeicherung, die aber gewisse landschaftliche Vorrausetzungen erfordert, die in Deutschland selten sind. Die direkte Speicherung von Sonnenenergie in Biomasse hat den Vorteil, dass sie quasi gratis in der Natur abläuft. Sie kann aber angesichts des benötigten Speichervolumens keine alleinige Lösung sein, da die Nutzung von Biomasse in großem Maßstab zu einer Konkurrenzsituation mit der Nahrungsmittelproduktion und zum Verlust der Biodiversität führen könnte. Eine wichtige Rolle der Biomasse ist die als „CO2-Sammler“.

Ein Energieszenario unter Einbeziehung der erneuerbaren Energien und der chemischen Energiespeicher ist in Abbildung 8.3 gezeigt.

Sonnenenergie kann zur direkten Stromerzeugung genutzt und zum Abpuffern der natürlichen Schwankungen gespeichert werden. Die Speicherung erfolgt dabei mittels Batterien (blau), in Form von Wasserstoff (mitte, weiß) über elektrolytische Wasserspaltung (rot) oder neue Verfahren („future technologies“), und als synthetische Brennstoffe auf Kohlenstoffbasis. Die Nutzbarmachung der gespeicherten Energie geschieht direkt (Batterien), durch Wasserstoffbrennstoffzellen (violett) oder durch Verbrennung (synthetische Brennstoffe).

Abb. 8.3: Schematische Darstellung der Nutzung und chemischen Speicherung von Sonnenenergie (siehe auch: R. Schlögl, ChemSusChem 3, 2010, 209.)

Abb. 8.3: Schematische Darstellung der Nutzung und chemischen Speicherung von Sonnenenergie (siehe auch: R. Schlögl, ChemSusChem 3, 2010, 209.)

Ein solches Szenario ist erreichbar, wenn wir für die Übergangszeit (ca. 100 Jahre) Steinkohle effizient und in abnehmendem Maße einsetzen, gleichzeitig eine CO2-Umwandlungstrategie entwickeln (synthetische Brennstoffe aus CO2), nicht-speicherbare regenerative Energie intelligent einsetzen, und Batterien und chemische Energiespeicher weiterentwickeln.

Da die Entwicklung einer „künstlichen Photosynthese“, also der Generierung von nutzbaren Molekülen aus CO2 mit Hilfe von Sonnenlicht und Wasser, momentan noch in den Kinderschuhen steckt und noch keine Alternative sein kann, muss dem reaktiveren Wasserstoff eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von CO2 zukommen. Ein Kernproblem, welches von Wissenschaftlern gelöst werden muss, ist die skalierbare und nachhaltige Freisetzung von Wasserstoff aus Wasser. Hier gibt es bio-, elektro- und photochemische Ansätze, die weiterentwickelt werden müssen. Insbesondere die elektrochemische Spaltung von Wasser (Elektrolyse, roter Kasten in Abbildung 8.3) erscheint geeignet, um den in Spitzenzeiten anfallenden überschüssigen Strom aus Wind- und Sonnenkraft zu speichern indem Wasserstoff produziert wird. Aufgrund seiner Eigenschaften ist Wasserstoff selbst allerdings auch schwierig zu speichern und auch hier besteht noch Forschungsbedarf. Eine Alternative zur physikalischen Speicherung von Wasserstoff ist die chemische Umsetzung.

8.6 Chemische Energiespeicher als Lösungsansatz

Der mit Hilfe von regenerativen Quellen produzierte Wasserstoff kann benutzt werden, um CO2 oder Stickstoff umzusetzen. Schematisch ist dies in Abbildung 8.4 gezeigt. Damit wird ein Teil der Energie des Wasserstoffs in Form von einfachen Molekülen wie Methanol, Methan oder höheren Kohlenwasserstoffen oder Ammoniak gespeichert. Die gravimetrische Energiedichte dieser synthetischen Brennstoffe ist niedriger als die von reinem Wasserstoff, allerdings haben diese Moleküle große Vorteile im Bezug auf die Handhabbarkeit, die Transport- und Lagerfähigkeit, da sie flüssig sind oder sich leicht verflüssigen lassen.

Die Verfahren zur Umsetzung von Wasserstoff mit CO2 oder Stickstoff sind grundsätzlich bekannt. So kann durch Hydrierung von CO2 Methanol hergestellt werden (Methanolsynthese). Man kann auch CO erhalten (Wassergasreaktion) und die bekannte Synthesegaschemie mit Produkten wie Methan oder Kohlenwasserstoffen (Fischer-Tropsch-Chemie) verfolgen. Die Umsetzung von Wasserstoff mit Stickstoff wird im Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniaksynthese ange- wendet. Diese synthetischen Brennstoffe können dann entweder über Verbrennungsturbinen oder Brennstoffzellen wieder sekundäre Elektrizität liefern oder unter Ablauf der Rückreaktionen wieder Wasserstoff für Brennstoffzellen freisetzen. Vorher hat man die Option, diese Brennstoffe zu lagern oder zu transportieren. Durch die Verwendung von CO2 während der Produktion wären solche synthetischen Brennstoffe trotz der Verbrennung CO2-neutral. Alternativ kann man diese Basischemikalien in den bekannten Prozessen als Grundstock für die chemische Industrie nutzen, denn auch hierfür werden Alternativen zu den fossilen Quellen gefunden werden müssen.

Abb. 8.4: Die Rolle von Wasserstoff zur CO2-Umsetzung zu synthetischen Brennstoffen im Rahmen der chemischen Speicherung von regenerativer Energie.

Abb. 8.4: Die Rolle von Wasserstoff zur CO2-Umsetzung zu synthetischen Brennstoffen im Rahmen der chemischen Speicherung von regenerativer Energie.

8.7 Katalyse als Schlüsseltechnik

All die im vorherigen Abschnitt erwähnten Umsetzungen können heterogen kata- lysiert werden, das heisst, dass die gasförmigen Edukte an einem Feststoffkatalysator zu den Produkten reagieren. Dieses Prinzip ist ähnlich wie beim Abgaskatalysator im Auto, an dem z.B. Bestandteile von nicht vollständig verbranntem Benzin mit Luftsauerstoff zu den Totalverbrennungsprodukten umgesetzt werden. Die Katalysatoroberfläche hilft die Energiebarrieren zu manipulieren, die bei chemischen Reaktionen auftreten und diese erschweren, und die Reaktion schneller ablau- fen zu lassen.

Katalytische Prozesse sind aus der heutigen chemischen Industrie nicht weg- zudenken. Nahezu alle chemischen Produkte sind in ihrer Herstellungsgeschichte mit Katalysatoren in Kontakt gekommen. Diese technologische Reife bedeutet leider nicht, dass die oben angeführten etablierten Prozesse ohne Anpassung für die beschriebenen energetischen Anwendungen eingesetzt werden können. Die Veränderung z.B. der Gaszusammensetzung und -reinheit beim Übergang von Synthesegas aus fossiler Quelle zu Mischungen von regenerativem Wasserstoff und CO2 aus Kraftwerksabgas führt zu neuen Anforderungen an den Katalysator. Hier ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um zu einem generischen Verständnis von heterogener Katalyse zu kommen und maßgeschneiderte Katalysatoren für die oben genannten Anwendungen entwickeln zu können. Ebenso ist es wichtig, die oft verwendeten seltenen Edelmetalle durch ebenso geeignete, aber besser verfügbare Elemente zu ersetzen, um die Katalysatorherstellung selbst skalierbar und nachhaltig gestalten zu können. Wenn dies gelingt, kann die katalytische Herstellung von synthetischen Brennstoffen eine wichtige Rolle bei der Lösung des Energieproblems spielen und die einfache Speicherung und den Transport von regenerativer Energie ermöglichen. Eine Realisierung dieses Szenarios erfordert noch umfassende Forschung und Entwicklung, erscheint aber in Bezug auf die Skalierbarkeit und den heutigen Stand der Technik realistisch.

8.8 Zusammenfassung

Bisher haben wir unsere Energie aus dem Speicher der Natur „geborgt“ und bezah- len mit der Verknappung der fossilen Brennstoffe und dem Treibhauseffekt als Preis dafür. Die Sonnenergie kann unseren sehr großen Energiehunger allerdings gut decken und wir verfügen über grundsätzliche Technologien (teilweise im Entwicklungsstadium) um diese Energie zu nutzen. Wir können sie aber nicht sehr gut speichern und an unseren Bedarf anpassen. Hier sind vielfältige Lösungen nötig, und die Speicherung von Energie in chemischen Bindungen durch katalytische Prozesse kann einen wichtigen Beitrag leisten. Eine aufwendige, zielstrebige und langfristig angelegte Energiespeicherforschung ist daher dringend notwendig. Wir können Deutschland und Europa zu einer Leitregion für die Generierung von relevantem Wissen, für die Entwicklung der entsprechenden Technologie und für die Umsetzung dieser Potenziale machen. Im globalen Zusammenhang kann die Lösung des Energieproblems dann als ein wertvolles Exportprodukt betrachtet werden. Wir müssen wagemutiger an die Probleme in Forschung und Technik herangehen. Dies erfordert Entscheidungsträger, die engagiert, informiert und frei sowohl von ideologischen Barrieren als auch von wirtschaftlichen Interessen sind.

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Fußnoten

Quelle: IEA Report 2008.