2 Bauwissen im Italien der Frühen Neuzeit

Hermann Schlimme, Dagmar Holste, Jens Niebaum

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DOI

10.34663/9783945561041-04

Citation

Schlimme, Hermann, Holste, Dagmar and Niebaum, Jens (2014). Bauwissen im Italien der Frühen Neuzeit. In: Wissensgeschichte der Architektur: Band III: Vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Das Bauwesen der Frühen Neuzeit in Italien ist ein sehr großes sowie gut dokumentiertes und bearbeitetes Forschungsfeld. Der vorliegende Beitrag versucht, einen Überblick über das Bauwissen dieser Epoche zu geben. Die Texte wurden von drei Autoren erstellt.1

2.1 Die Frühe Neuzeit in Italien

2.1.1 Naturräumliche Bedingungen

Italien ist mit Ausnahme der Po-Ebene und Teilen Apuliens eine bergige bis hochgebirgige Halbinsel. So prägen sich die Regionen kulturell unterschiedlich aus. Die Topographie bringt zudem reiche Natursteinvorkommen mit sich, die sich von Region zu Region unterscheiden und die regionale Architektur maßgeblich beeinflussen. Die Verwendung von Marmor ist für ganz Italien charakteristisch. In der Po-Ebene, wo es keinen Naturstein gibt, entwickelte sich dagegen eine auf Ziegelstein beruhende Baukultur. Holz ist in ganz Italien vorhanden. Eine für Italien typische Ansiedlungsform sind Bergdörfer und Bergstädte, die auf die geographischen Vorgaben reagieren und sich gleichzeitig gut verteidigen lassen. Da die Schifffahrt entlang der Küsten und auf den Flussunterläufen eine große Bedeutung hatte, blieb ein Schwerpunkt der Ansiedlung in Küstennähe. Fruchtbarer Boden in ganz Italien sowie im Jahresdurchschnitt ausreichend feuchtes, gemäßigtes bis subtropisches Klima sorgt für eine gute Ernährungslage und ermöglichte die zahlreichen Blütephasen der Städte und der kulturellen Zentren Italiens.

2.1.2 Staatliche Organisation

Das frühneuzeitliche Italien war politisch in zahlreiche kleinere Staaten gegliedert. Das waren zunächst die Stadtrepubliken (comuni) in Ober- und Mittelitalien, die sich im hohen Mittelalter gebildet hatten.2 Pestausbrüche, Kriege und entsprechende wirtschaftliche und soziale Umwälzungen prägten die Jahre von 1350 bis 1450. In dieser Zeit erlangten einzelne Familien (signori), die vielfach dem alten Adel entstammten, die politische Führung in den Stadtrepubliken und bekamen mit der Zeit die Rolle und auch den Rang von Fürsten. Die Höfe der Este in Ferrara, der Gonzaga in Mantua, der Visconti und danach der Sforza in Mailand oder der Medici in Florenz bildeten im 15. Jahrhundert konkurrierende kulturelle Zentren. Das hatte positive Auswirkungen auf die Entwicklung von Kunst und Bauwesen. Der Frieden von Lodi (1454) läutete einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine Phase außerordentlich guter Baukonjunktur ein, die bis ins 16. Jahrhundert fortdauerte. Florenz wurde 1532 zum Herzogtum erklärt, erhielt 1557 Siena und wurde 1569 zum Großherzogtum erhoben. Die Päpste gewannen im 15. Jahrhundert die Herrschaft über Rom, das Latium, Umbrien und Teile der Romagna zurück. In der Wahlmonarchie Kirchenstaat änderten sich die Bedingungen für das Bauwesen mit jedem neuen Papst. Venedig blieb hingegen Stadtrepublik und hatte seit dem 15. Jahrhundert ein großes Territorium, das unter anderem etwa ein Drittel Oberitaliens umfasste. Venedig, im späten Mittelalter das Wirtschaftszentrum Europas, erlebte zwar einen langsamen wirtschaftlichen Niedergang, bewahrte aber seine politische und territoriale Unabhängigkeit bis Ende des 18. Jahrhunderts, als es sich Napoleon ergeben musste und im Vertrag von Campoformio 1797 an Österreich fiel.

Auch wenn die Zahl der konkurrierenden Staaten in Ober- und Mittelitalien mit dem Frieden von Lodi deutlich abgenommen hatte, gerieten die relativ kleinen Staaten in den folgenden Jahrhunderten immer mehr unter den Einfluss der europäischen Großmächte Frankreich, Spanien und des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (vor allem der österreichischen Linie der Habsburger). So war z. B. das Herzogtum Savoyen im 16. Jahrhundert spanisch, im 17. Jahrhundert französisch kontrolliert. Mailand unterstand im 16. und 17. Jahrhundert direkt Spanien und wurde im 18. Jahrhundert habsburgisch. Genua und die Toskana waren im 16. und 17. Jahrhundert unter spanischem Einfluss. Das Königreich Neapel, d. h. der Bereich Italiens ab Kampanien und den Abruzzen südwärts stand unter der Herrschaft der Anjou. Diese wurden ab 1442 durch die Aragón abgelöst. Damit wurden Neapel und die Königreiche Sizilien und Sardinien, die bereits zuvor den Aragón unterstanden, ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet, das von 1504 bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts von einem spanischen Vizekönig mit Sitz in Neapel regiert wurde. Die Dominanz Spaniens über viele der italienischen Staaten bedeutete Stabilität, aber führte auch zu einem zunehmenden Provinzialismus. Norditalien wurde in die Konflikte der europäischen Großmächte einbezogen, etwa durch den Mantuaner Erbfolgekrieg (1627–31), der den französischen Einfluss im Norden Italiens stärkte. Mit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) büßte Spanien seine Großmachtrolle dann gänzlich ein. Als Schlüssel für den Friedensschluss (1713 Utrecht und 1714 Rastatt) erwies sich der Tausch von Herrschaftsbereichen, über die lange verhandelt wurde, bis Ausgewogenheit erzielt war. Dabei bildeten die italienischen Staaten den größten Teil der Verhandlungsmasse. Die Herrscherwechsel erwiesen sich für einige Staaten als glücklich. Für das Herzogtum Savoyen, das sich von Frankreich lösen konnte und mit Sizilien (1718 gegen Sardinien getauscht) die Königswürde bekam und Neapel (zunächst ohne Sizilien), das erst habsburgisch bzw. durch den Polnischen Erbfolgekrieg 1735 bourbonisch wurde, gab es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich in einer günstigen Baukonjunktur auswirkte. In der Folge des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740–1748) verschoben sich die Herrschaftsgebiete der Fürstenhäuser in Italien abermals. Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung im 18. Jahrhundert betraf vor allem die Landwirtschaft. Für ein stark verstädtertes Territorium, wie es Italien seit Jahrhunderten war, bedeutete der starke Anstieg der Landbevölkerung eine Umkehr der demographischen Entwicklung. Bis auf Neapel, Rom und Palermo wuchsen die Städte praktisch nicht mehr. Ausnahme war Turin, das sich von 43.000 Einwohnern im Jahre 1702 auf 92.000 im Jahre 1761 mehr als verdoppelte.

2.1.3 Gesellschaftliche Struktur

Die gesellschaftliche Struktur in den italienischen Staaten der Frühen Neuzeit war durch eine Reihe von Konstanten bestimmt. Zum einen waren dies die feudalen Besitzstrukturen, die sich v. a. im ländlichen Mittelitalien in Form der mezzadria bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg gehalten haben. Mezzadria bedeutet Halbpacht. Dabei stellt der Grundeigentümer Land, Vieh und Haus zur Verfügung, der Pächter die Arbeitskraft seiner ganzen Familie. Die Hälfte des Ertrages muss an den Grundeigentümer abgeliefert werden.

Die Macht des Adels blieb in vielen Bereichen die ganze Frühe Neuzeit hindurch ungebrochen, ständische bzw. durch die Herkunft erworbene Privilegien bestimmten nach wie vor weite Bereiche der Gesellschaft. Das ging einher mit einem Zunftwesen, das im Mittelalter die Stadtrepubliken dominiert hatte und das sich in der Frühen Neuzeit weiter ausdifferenzierte. Wenn auch das neu entstehende Akademiewesen und ein neues Selbstverständnis der bildenden Künstler, das sich seit dem 15. Jahrhundert immer stärker ausgeprägt hatte, eine Schwächung des Zunftwesens und eine gewisse soziale Durchlässigkeit mit sich brachten, so waren doch auch diese Institutionen bestrebt, Privilegien aufzubauen und zu verteidigen.

Ebenso entscheidend war die ungebrochene Vorherrschaft der katholischen Kirche. Eine besondere Dynamik ging dabei von den im Zuge der Gegenreformation neu gegründeten Orden wie den Theatinern, den Oratorianern und vor allem den Jesuiten aus, die mit ihren in den Zentren der Städte errichteten Konventen und den kapillar auf das gesamte katholische Europa verteilten Kollegien die städtische Gesellschaft und die höhere Bildung entscheidend prägten.

Gleichzeitig gab es eine Reihe von Veränderungen, die sich freilich in den Staaten Italiens unterschiedlich darstellten. Verwaltungsfunktionen konnten erst im Laufe der Zeit aus den feudalen Strukturen herausgelöst werden. Erst langsam ersetzte der Amtsgedanke das Prinzip der Erblichkeit, verdrängte die Dienstanweisung den Ehrenkodex. Die Fürsten umgaben sich mit Verwaltungsfachleuten, die ihnen einen direkten Einfluss auf das Territorium sicherten.3 Diese Tendenzen mündeten schließlich in den Absolutismus, der eine frühneuzeitliche, vor allem zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Französischen Revolution anzutreffende Herrschaftsform bezeichnet, die – nach traditioneller Auffassung – von der Regierung eines aus eigener Machtvollkommenheit handelnden Herrschers ohne politische Mitwirkung ständischer Institutionen bestimmt war. Die heutige Forschung sucht jedoch zunehmend auch nach dem Nichtabsolutistischen im Absolutismus. Kennzeichen des Absolutismus’ war ein Verstaatlichungsprozess, der sich unter anderem in der Aufstellung stehender Heere, dem Aufbau eines allein vom Herrscher abhängigen Beamtenapparats, der Einbindung der Kirche in das Staatswesen und einem merkantilistischen Wirtschaftssystem manifestierte. Darüber hinaus führte ein Wandel im Selbstverständnis des Fürsten zu einer Intensivierung des höfischen Lebens, das dem Bauwesen immer wieder entscheidende Impulse gab. Während der Versailler Hof Ludwigs XIV. als Höhepunkt und Idealbild des absolutistischen Hofes gilt, war all dies in Italien nur zum Teil ausgeprägt. Das Herzogtum Savoyen kam durch den unmittelbaren französischen Einfluss in der Folge des dreißigjährigen Krieges und die aktiven Reformen, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf einen zentralisierten Staat im Sinne Colberts ausgerichtet waren, dem Vorbild am nächsten: Die Kirchen verloren ihre Vormachtstellung in der höheren Bildung. Die Privilegien von Kirche und Adel wurden beschränkt. Durch die Aufstellung eines Katasters erhielt man eine fiskalisch aussagekräftige Zusammenstellung von Besitztiteln, die nun in erweiterter Form besteuert werden konnten. Eine auf verlässlichen Aufstellungen von Einnahmen und Ausgaben beruhende Finanzverwaltung schuf die Grundlagen für die Planung auch längerfristiger Projekte. Der Adel übernahm Ämter in Militär, Diplomatie und Verwaltung, die jedoch zahlenmäßig durch das Bürgertum dominiert waren und auch ein gewisses Maß sozialer Aufstiegsmöglichkeiten boten. Gleichzeitig blieb das Herzogtum Savoyen in der Form des klassischen Absolutismus nach dem Vorbild Ludwigs XIV: Die Wirtschaft wurde nicht liberalisiert und Intellektuelle sahen sich mitunter gezwungen, das Land zu verlassen. In der Toskana gab es allenfalls Ansätze zu einer einheitlichen Verwaltung, wenn diese auch bereits im 16. Jahrhundert eingeführt worden waren. Großherzog Pietro Leopoldo aus dem Hause Habsburg reformierte die Toskana schließlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und schuf eine moderne Verwaltung. Dem Territorium des spanischen Vizekönigs in Neapel fehlte vielfach diese straffe Organisation und es wurde erst unter Habsburgern und Bourbonen im 18. Jahrhundert zögerlich in diese Richtung reformiert. Während es gelang, den Einfluss der Kirche zurückzudrängen, blieben die feudalen Strukturen praktisch unangetastet, denn der Versuch, im Jahre 1741 ein Kataster aufzustellen, scheiterte letztlich.

Die Veränderungen im Bildungssektor und deren Bedeutung für die Gesellschaft sind bereits mehrfach benannt worden. Die Berufsorganisationen differenzierten sich aus, Akademien im Bereich von Kunst und Wissenschaft wurden gegründet, die Universitäten wurden aus- und zahllose Jesuitenkollegien aufgebaut. All diese Lehrinstitutionen, die nunmehr weite Teile der Bevölkerung erreichten, bildeten sich unter anderem deshalb, weil Wissen durch Verschriftlichung lehrbar geworden war. Ohne den Buchdruck und die graphischen Vervielfältigungstechniken wie Holzschnitt oder Kupferstich, die im 15. Jahrhundert von Deutschland aus Verbreitung fanden, wäre das neu erarbeitete Wissen kaum breit zugänglich vorzuhalten gewesen. Große, oftmals öffentlich zugängliche Bibliotheken entstanden ebenso wie der Wunsch, in Enzyklopädien das vorhandene Wissen zusammenzustellen. Ohne die Architekturtraktate und die kommentierten und übersetzten Vitruvausgaben wäre die Auseinandersetzung mit der Architektursprache der Antike nicht in dieser Breite möglich gewesen und die Kanonisierung der schließlich in ganz Europa verbindlichen Architektursprache der italienischen Renaissance hätte so nicht ablaufen können. Im 17. Jahrhundert wurde insbesondere die römische Architekturkultur in Publikationen und Vorlagenstichen verbreitet. Für Architekten wurde Buchbesitz, bzw. der Zugang zu den einschlägigen Publikationen zu einem entscheidenden Aspekt beruflichen Erfolgs und entschied über ihren Status in Profession und Gesellschaft.

Gleichzeitig wurde das mündlich und praktisch tradierte Wissen abgewertet, auch wenn es keineswegs an Bedeutung für das Bauwesen und die Genese seiner konkreten Resultate eingebüßt hatte. So geriet dieses Wissen in der Frühen Neuzeit vielfach in ein Spannungsfeld: Handwerkstechniken, wie etwa Holzkonstruktion, wurden einerseits Thema von Buchpublikationen, andererseits ließen sich die manuellen Implikationen dieses Wissens und das so entscheidende Element der ,Erfahrung‘ in Büchern nicht festhalten.

2.1.4 Standardbauaufgaben und besondere Architekturleistungen

Im Italien der Frühen Neuzeit gab es eine Reihe charakteristischer Bauaufgaben. Die neue Bedeutung des öffentlichen Raumes in den Stadtrepubliken hatte seit dem hohen Mittelalter nach angemessenen Bauten verlangt. Die Feudalherrenkastelle wurden durch Rathäuser und öffentliche Bauten verdrängt, die sich mit Fassaden auf den Stadtraum ausrichteten. Infolge des sozialen ,Aufstiegs‘ weniger Familien aus der Masse des städtischen Bürgertums in der Folge der Kriege und Krisen des Zeitraums von ca. 1350 bis ca. 1450 wurden städtische Familienpaläste eine wichtige Bauaufgabe; man orientierte sich dabei typologisch an den öffentlichen Bauten aus den Jahrhunderten zuvor. Seit dem 15. Jahrhundert bekam die Fassade des städtischen Palastes eine antikisierende Gliederung. Der Palast stand im Idealfall frei und erhielt einen Vorplatz. In größerer Dimension war er städtische Residenz des Fürsten bzw. wurde in Rom zum repräsentativen (Privat-) Wohnsitz der Kardinäle und Päpste und ihrer Familien. Der städtische Palast blieb als Typus bei allen formalen und architektursprachlichen Veränderungen durch die ganze Frühe Neuzeit entscheidend in Italien. Mit dem Interesse für die antike Baukultur verbreitete sich seit dem 15. Jahrhundert ein weiterer Bautypus: Die auf dem Land, aber oftmals auch direkt vor den Toren der Stadt gelegene Villa. Dabei handelt es sich um ein größeres freistehendes Haus (casino) auf einem großen gartenartigen Grundstück. Das deutlich größer dimensionierte Schloss im weitläufigen Park hingegen entwickelte sich maßgeblich in Frankreich und kam von dort gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach Italien.

Im Bereich des Kirchenbaus wirkte das Konzil von Trient 1545–1563 normativ. Die Organisation der Kirche wurde gestrafft, die Liturgie reformiert. Kunst und Architektur wurden stärker instrumentalisiert und sollten helfen, die Frömmigkeit der Menschen zu stärken. Carlo Borromeos Anweisungen zum Kirchenbau, die Instructiones, erschienen 1577 und waren ein unmittelbares Ergebnis des Konzils von Trient. Sie schrieben im Kirchenbau einen langgestreckten Grundriss auf lateinischem Kreuz vor. Insbesondere der Kirchenbau der neugegründeten Orden der Jesuiten, Oratorianer und Theatiner, aber darüber hinaus auch eine große Zahl der übrigen Kirchenneubauten der nächsten Jahrhunderte folgte diesem Schema. Die zahlreichen Kriege und die drohenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den vielen kleinen Staaten und die Konkurrenz der Großmächte in Italien führte zu einer besonderen Blüte des Festungsbaus, für den sich bereits gegen Ende des 15. Jahrhunderts, dann aber vor allem im 16. Jahrhundert das Bastionärssystem herausbildete.

Der Bau der Großkuppeln in Florenz und Rom ist hingegen als besondere Architekturleistung zu werten. Wie bereits beschrieben entstand im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts eine Architektursprache, die sich schließlich in ganz Europa durchsetzte. Dies ist ebenso als eine besondere Architekturleistung zu sehen wie die von Italien ausgehende Neubewertung des Architekturentwurfs als intellektuelle Leistung. Seit der Gründung der Accademia del Disegno (Florenz) und der Accademia di San Luca (Rom) im 16. Jahrhundert wurden die Rolle der Künste und insbesondere die des Architekten neu definiert.

Eine besondere Architekturleistung der Frühen Neuzeit in Italien war schließlich auch die Anwendung von Erkenntnissen der entstehenden modernen Naturwissenschaft im Bauwesen und Schritte hin zur Entwicklung von Berechnungsverfahren in Statik und Materialwissenschaft. Das Wissen und das Verständnis, das Handwerker und Bauleute von der Natur haben, hatte bereits seit dem 15. Jahrhundert das Interesse der Naturphilosophen gefunden, die die Handwerkstechniken als tagtäglich durchgeführte Experimente mit der Natur verstanden. Das Auswerten von Experimenten wiederum war für die entstehende moderne Naturwissenschaft ein Schlüssel zum Verständnis der Naturgesetze. Galileo Galilei lernte etwa von den Handwerkern des Venezianischen Arsenals, Francis Bacon stellte Dokumentationsprogramme für Handwerks- und Bautechniken auf. Die zunehmende Interaktion zwischen Bauwesen und entstehender moderner Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert fand vor allem in Italien, Frankreich und England statt und führte zur Gründung diverser wissenschaftlicher Akademien, die sich auch um das Bauwesen kümmerten. Ausgehend von Frankreich wurde diese Interaktion ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Form der Polytechnischen Schulen institutionalisiert.

2.2 Bauverwaltung

Die Organisation und Verwaltung des Bauwesens im frühneuzeitlichen Italien ist durch Quellen sehr gut dokumentiert. In der Forschung werden diese Quellen zumeist genutzt, um die Entstehungsgeschichte einzelner Bauten oder auch einzelner, für das Bauwesen relevanter Institutionen nachzuvollziehen. Um die Einblicke, die diese Quellen darüber hinaus in das praktische Wissen der Bauleute und seine Anwendung ermöglichen, soll es im folgenden gehen. Dazu werden eine Reihe von Einzelfällen betrachtet. Zumeist war die Organisation von Baustellen zum einen durch bauspezifische Verfahrensweisen bestimmt, wie etwa die Bezahlung nach Tagwerken oder nach gemessenem Werk (misura e stima). Im Laufe der Frühen Neuzeit kamen mit der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen (capitolati) und Festpreislisten weitere bauspezifische Verfahrenweisen hinzu. Abrechnungs- oder Finanzierungsverfahren wurden dagegen oftmals bewusst dem kaufmännischen Wissen und in Einzelfällen dem Wissen der Bankiers4 entlehnt, indem Zünfte oder Personen mit entsprechendem beruflichen Hintergrund mit der Organisation eines Bauprojektes beauftragt wurden. Im Verlauf der Frühen Neuzeit gab es im italienischen Bauwesen die Tendenz zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung. Grund dafür war zunächst das neue Selbstverständnis der Architekten und die Neubewertung der architektonischen Planung als intellektuelle Leistung, die aus dem unmittelbaren Realisierungsprozess zunehmend ausgegliedert wurde. Vor allem aber war die zunehmende Arbeitsteilung eine Folge der Dimension einzelner Bauprojekte und der Intensivierung des Bauwesens. So stieg das Bauvolumen etwa in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erheblich an. Die hohe Zahl der am Bau beteiligten Personen erforderte Buchführung und Schriftlichkeit in größerem Umfang. Dadurch entstanden wiederum neue Aufgabenbereiche auf der Baustelle. Die Trennung zwischen Planung und Ausführung stärkte die Rolle der Zeichnung als Kommunikationsmedium.

2.2.1 Kuppel von S. Maria del Fiore

Der Florentiner Dom gehört zu den am besten dokumentierten Bauten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit und erlaubt daher einzigartige Einblicke in die Organisation einer Großbaustelle in dieser Zeit, auch wenn sich die Befunde aufgrund der besonderen Komplexität des Beispiels nur bedingt verallgemeinern lassen.5 1296 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, die Vorarbeiten reichen bis mindestens 1294 zurück.6 Anfangs scheint die Baulast zwischen Kommune und Bischof geteilt gewesen zu sein, folglich wurde auch die Opera von beiden Seiten beschickt.7 Ein entsprechendes, die jeweiligen Rechte und Pflichten regelndes Statut aus dieser Zeit ist freilich nicht bekannt. 1321 zog die Kommune das Unternehmen gänzlich an sich und übertrug die Durchführung den fünf größten Zünften, die einander in Jahres-turni abwechseln sollten;8 1331 schließlich wurde die Opera ausschließlich der Arte della Lana, der Wollfabrikantenzunft, anvertraut.9 Hinter dieser Entscheidung stand offensichtlich die Absicht, sich für die Organisation einer so komplexen Baustelle wie der von S. Maria del Fiore die gerade in den Zünften besonders ausgeprägte administrative Kompetenz zunutze zu machen; speziell für die Arte della Lana mag gesprochen haben, dass sie mit den Läden ihrer Mitglieder ein über die ganze Stadt gespanntes engmaschiges Netz besaß, das für eine möglichst breit angelegte Unterstützung des Projektes aktivierbar war.10

Die Verwaltungsstruktur der Opera bildete sich erst in den Jahren nach 1331 heraus.11 Geleitet wurde sie von vier Operai, die vier, ab 1338 sechs Monate amtierten und jeweils in Zweiergruppen gegeneinander versetzt gewählt wurden, so dass sich eine flüssigere personelle Verzahnung ergab. Die Wahl sowie das vorherige scruptinium der möglichen Kandidaten oblag den Konsuln der Arte della Lana. Die Operai genossen volle Autorität über die Belange des Baues; in besonders wichtigen Fragen (etwa der Beschlussfassung über Projekte) entschieden sie mit den Zunftkonsuln gemeinsam. Ihnen standen als einziger hauptamtlicher Mitarbeiter ein Notar sowie für die Buchhaltung ein camerarius zur Seite, dem angesichts der zunehmenden Komplexität seiner Aufgaben eine wachsende Anzahl von Assistenten zugeordnet wurde.12 Bei Entgegennahme der für die Opera bestimmten Summen sowie bei Auszahlungen bedurfte er zudem der Anwesenheit des Notars, der auch den gemeinsam mit den Operai vorzunehmenden monatlichen Bücherabschluss zu protokollieren hatte. In den 1350er Jahren kam das Amt des Proveditore hinzu, der als „Bindeglied zwischen dem eigentlichen Bauvorgang und dem Verwaltungsapparat“ fungiert zu haben scheint. Ihm oblagen die Überwachung von Quantität und Qualität der geleisteten Arbeit, Kontrolle und Abrechnung der Lieferungen, die Durchsetzung von Verwaltungsbeschlüssen ebenso wie das Erwirken von Genehmigungen für Änderungen oder Fortführung begonnener Arbeiten etc. Auch ihn unterstützten mehrere Assistenten.13 Die Ausdifferenzierung und Erweiterung der Ämterstruktur in der Opera lässt klar erkennen, dass man die besonderen Anforderungen, die eine Baustelle dieser Größe und dieses technischen Anspruchs stellte, erst schrittweise erkannte und entsprechend reagierte.

Als eigentlicher Bauleiter amtierte der capomaestro. Er war jedoch keineswegs automatisch auch der Entwerfer für die am Bau auftretenden Gestaltungsaufgaben. Gerade in den Jahren der Vorbereitung des definitiven Projektes (1366/67) setzte die Opera verstärkt auf Maler und Steinmetzen, d. h. auf Bildkünstler, denen offenbar höhere gestalterische Kompetenz zugetraut wurde.14 Die capomaestri waren demgegenüber in erster Linie Bautechniker, die zwar auch Entwürfe vorlegen konnten, ihre eigentliche Tätigkeit aber unabhängig von Erfolgen in diesem Bereich ausübten.

Charakteristisch für die Florentiner Planungen (und nicht nur für sie) war die Tatsache, dass zum Teil auch recht detaillierte Aspekte des Baugeschehens in Expertenkommissionen beraten und immer wieder Bürgerentscheide gesucht wurden.15 Daher spielten Modelle in der Planung eine erhebliche Rolle.16 Als etwa im August 1357 drei Modelle für die Langhauspfeiler zur Wahl standen, berief die Opera zunächst eine Expertenkommission aus fünf Baumeistern anderer Bauten;17 das von ihnen gewählte Modell wurde für die Öffentlichkeit ausgestellt, verbunden mit der in großen Lettern auf seinem Fuß angebrachten Aufforderung an qualunque persona volesse apovi alchuno difetto (jedwede Person, die auf irgendeinen Mangel hinweisen möchte), diese Kritik binnen acht Tagen bei der Opera vorzubringen, wozu es aber nicht kam.18 Über das endgültige Projekt für den Dom berieten im Sommer und Herbst 1367 zunächst mehrere Gremien, bevor es zu einem abschließenden Bürgervotum kam, an dem sich mehrere hundert Florentiner beteiligten.19 Man bemühte sich also einerseits um die Kompetenz ausgewiesener Fachleute in ästhetischen und technischen Fragen, andererseits aber auch, dem kommunalen Charakter des Bauprojektes entsprechend, um eine möglichst breite Verankerung der Entscheidungsfindung in der Bürgerschaft – besonders im Hinblick auf das extrem aufwendige Kuppelprojekt.20

Der Bau der Kuppel, der ab 1417 vorbereitet wurde, stellte nochmals bedeutend höhere Anforderungen als die übrigen Bauteile, bautechnischer ebenso wie -organisatorischer Art. Im August 1418 wurde ein öffentlicher Wettbewerb für ein Modell oder eine Zeichnung zur Wölbung der Kuppel ausgeschrieben. Die Tradition der Entscheidungsfindung durch Wettbewerbe wurde also fortgesetzt; daran sollte sich auch nichts ändern, als es 1436, nach Vollendung der eigentlichen Kuppelwölbung und auf der Höhe von Brunelleschis Ruhm, um den Entwurf für die Laterne ging. Neu an der Ausschreibung von 1418 war indes, dass jedem Teilnehmer seine Unkosten erstattet werden sollten: Offensichtlich wollte die Opera verhindern, dass ihr möglicherweise praktikable Vorschläge aus finanziellen Gründen entgingen.21

Im November 1419 richtete die Arte della Lana den Ausschuss der Quatuor offitiales Cupule ein: Für jeweils sechsmonatige Amtsperioden gewählt als sollicitatores et conductores hedifitii prelibati (Antreiber und Geschäftsführer der vorgesehenen Bauten), hatten sie für den reibungslosen Ablauf des Kuppelbaus zu sorgen; sie besaßen dabei die gleichen Vollmachten wie Operai und Zunftkonsuln, mit der Ausnahme, dass sie ohne deren Zustimmung keine eigenständigen Beschlüsse fassen konnten.22 Offensichtlich befand man die bisherige Verwaltungsstruktur für die Durchführung eines so komplexen Bauvorhabens für nicht mehr ausreichend. Die Bauleitung wurde einem Triumvirat übertragen: Brunelleschi, Ghiberti sowie der seit 1418 kommissarisch tätige Battista d’Antonio. Überaus interessant sind die gewählten Amtsbezeichnungen: Zunächst wurde das Trio als capomaestri tituliert; bald wurde ihre Amtsbezeichnung in provisores operis Cupole construendi geändert,23 während Battista d’Antonio zumindest seit 1421 zusätzlich auch als capomaestro angestellt war. Deutlich wurde hier auch terminologisch zwischen einer eher theoretischen, planenden Tätigkeit, die gerade hier besondere Anforderungen stellte,24 und dem Amt des tatsächlichen Bauleiters unterschieden. Dabei fungierte Battista, der als einziger der drei tägliche Präsenzpflicht auf der Baustelle hatte, als Bindeglied zwischen Brunelleschi und Ghiberti einerseits sowie den Ausführenden andererseits; gleichzeitig ging es wohl darum, neben den Goldschmieden Brunelleschi und Ghiberti eine bautechnisch versierte Persönlichkeit im Provisoren-Gremium zu haben, der in der Opera verwurzelt war. Umso bemerkenswerter ist, wie umfassend sich Brunelleschi gerade auch um die praktischen Aspekte des Kuppelbaus gekümmert hat.

Schon den Zeitgenossen galt Brunelleschi als eigentlicher Schöpfer der Kuppel; von ihm stammte jedenfalls die Methode, nach der die gewaltige Wölbung ohne durchgehendes Bodengerüst errichtet werden konnte. Dennoch war er anfangs nach Rang und Bezahlung Ghiberti gleichgestellt.25 Im Februar 1426 wurde sein Gehalt gegenüber demjenigen Ghibertis jedoch nahezu verdreifacht, wofür er umgekehrt täglich auf der Baustelle anwesend sein musste.26 Offenkundig hatte sich Brunelleschi gerade auch in der Leitung der Baustelle als unabkömmlich erwiesen. Das dürfte sich neben der Planung der Wölbung selbst und der praktischen Bauleitung wesentlich auf die stets zu überwachende Qualität der Baumaterialien sowie seine Erfindung der zum Kuppelbau nötigen Maschinen bezogen haben.27

Die Ernennung der drei Proveditoren scheint zunächst auf Widerruf erfolgt zu sein; seit 1426 wurden Brunelleschi und Ghiberti jährlich neu in ihrem Amt bestätigt, letzterer bis 1436, ersterer bis 1443.28 Auch als provisor Cupole magne ecclesie maioris, et eius Lanterne, et totius edifitii dicte ecclesie (Proveditor der großen Domkuppel und ihrer Laterne und aller Bauteile der genannten Kirche) ab Februar 1438 (st.c.) änderte sich an den Jahresverträgen für Brunelleschi also zunächst nichts. Erst im April 1443 erfolgte – angesichts der gewaltigen Herausforderung, die großen Marmorblöcke emporzuwinden und aufzurichten, die man keinem Anderen zutrauen mochte – die Ernennung des mittlerweile Sechsundsechzigjährigen auf Lebenszeit.29 Dass Brunelleschis Stellung in der Opera freilich schon in den Jahren zuvor eine überaus gefestigte gewesen sein muss, enthüllt eine bemerkenswerte Episode aus dem Jahr 1434. Im August ließ die Steinmetzzunft Brunelleschi, ungeachtet einer entsprechenden Freistellung, verhaften, da er nicht in der Zunft eingeschrieben war. Die Opera antwortete, indem auf ihr Betreiben hin einer der Konsuln der Steinmetzzunft verhaftet und erst aus der Haft entlassen wurde, nachdem auch Brunelleschi wieder auf freien Fuß gesetzt worden war.30 Deutlich wird hier zweierlei: einmal, wie das zünftisch organisierte Bauwesen unter Druck geraten konnte, wenn es sich mit Aufgaben konfrontiert sah, deren Lösung einmaliges Expertenwissen voraussetzte; zum anderen, wie Inhaber solchen Wissens ihre Stellung selbstbewusst auszuspielen vermochten.

Ein Unternehmen wie das der Kuppel erforderte neue Wege im Hinblick auf die rationale Organisation der Arbeit sowie Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle. Um 1425/26 wurde ein ganzes Maßnahmenbündel verabschiedet, mit dem man offenbar die Lehren aus Erfahrungen zog, die man während der ersten Jahre des Baues – und angesichts der mit größerer Höhe und Neigung der Kuppel wachsenden Herausforderungen – gesammelt hatte. So wurde den Handwerkern nur noch einmal pro Tag gestattet, von der Kuppel hinabzusteigen.31 Im Februar 1425 (st.c.) wurde die Anbringung eines Stundenglases mit Kreidetafel angeordnet, um die Absenzen zu erfassen: eine frühe Form der Stechuhr.32 1433 existierte sogar eine Art Betriebskantine,33 die natürlich auch Wein im Angebot hatte; um den einschlägigen Gefahren vorzubeugen, wurde im April 1426 verfügt, dass dieser nur in zu mindestens einem Drittel verdünntem Zustand auf die Kuppel gebracht werden dürfe.34 Die Arbeit auf den Mauern wurde spätestens seit 1428 um ein Viertel besser bezahlt als diejenige am Boden.35 Das mag einerseits dem höheren Risiko der Arbeit auf der Kuppel selbst geschuldet sein, andererseits aber auch der Tatsache, dass bei ungünstiger Witterung dort nicht gearbeitet werden konnte: Es würde sich dann gleichsam um eine Vorform des Schlechtwettergeldes handeln. Für die Schlechtwettertage selbst wurde 1432 eine Regelung getroffen: Demnach durften die Maurer der Kuppel an solchen Tagen keine Steinmetzarbeiten am Boden verrichten (gewiss um die Arbeiter am Boden zu schützen). Lediglich fünf von ihnen konnten ausgelost und für untergeordnete Arbeiten wie das Verputzen von Wänden eingesetzt werden; die anderen blieben an solchen Tagen ohne Lohn.36 Um die Sicherheit der Arbeiter auf der Kuppel zu gewährleisten, hatte man seit März 1425 mit dem Bau von hölzernen Brüstungen als Sichtschutz begonnen, deren Ausführung in der zweiten Erweiterung des Bauprogramms von 1426 nochmals festgeschrieben wurde.37 Sicher gab die immer stärker werdende Neigung der Kuppel den Anlass zu dieser Maßnahme.

Die Buchführung erfolgte in der Domopera in verschiedenen Serien. Die umfangreichste bilden die ab April 1362 erhaltenen Quaterni deliberationum, heute Bastardelli di Deliberazioni e Stanziamenti genannt: in lateinischer Sprache verfasste, kladdenartige Bücher, die jeweils ein halbes Jahr umfassten und vom Notar der Opera geführt wurden. Sie enthalten, jeweils in Untergruppen gegliedert, Beschlüsse (deliberazioni), stanziamenti, catture, fideiussioni. Zwischen 1406 und 1446 gab es parallel auch in Italienisch abgefasste Bastardelli di Stanziamenti e Ricordanze. In Latein sind die Libri di deliberazioni geschrieben, die den Bau betreffende Beschlüsse der Operai sowie der Konsuln der Arte della Lana enthalten. Schließlich wurden vom Kämmerer der Opera Kassenbücher (Quaderni di cassa) geführt, die, ab 1434 erhalten, in doppelter Buchführung angelegt sind. Nur ein Journal hat sich aus dem für uns relevanten Zeitraum erhalten; es mag aber solche für weitere Jahre gegeben haben.

Den Institutionalisierungsgrad der Opera spiegelt die Art und Weise wider, wie die Finanzierung des gewaltigen Bauvorhabens geregelt wurde. Vor 1331 war sie noch von starker Diskontinuität und einer Pluralität an Geldgebern gekennzeichnet gewesen:38 Schon 1297 bestritt man einen kommunalen Zuschuss zum Dombau aus bestimmten Zöllen, doch waren es zeitlich begrenzte Zuwendungen, die immer wieder erneuert werden mussten. Seit 1296 war als weitere Maßnahme ein obligatorisches Legat, also eine Art Steuer, zugunsten des Baues für jedes in Florenz und seinem Contado geschlossene Testament beschlossen worden. Kirchliche Beiträge blieben auf die ersten Jahre beschränkt. Davon abgesehen, blieb der Dom ein öffentlich finanziertes Unternehmen in dem Sinne, dass die Finanzierung ausschließlich über gesetzlich festgelegte Abgaben und Kommunalzuschüsse erfolgte.

Was sich mit der Verwaltungsreform von 1331 in Bezug auf die Finanzierung vor allem änderte, war die Tatsache, dass die Zuwendungen der Opera nun ohne zeitliche Begrenzung festgeschrieben wurden.39 Der geringe Baufortschritt der vergangenen Jahrzehnte hatte offenbar die Einsicht befördert, dass ohne eine langfristige finanzielle Sicherung ein Bauprojekt dieser Größenordnung nicht zu stemmen sein würde. Diese Einkünfte hatten drei Standbeine: zum einen direkte kommunale Finanzierung, d. h. einen bestimmten Anteil an verschiedenen Einkünften der Kommune; zum zweiten indirekte kommunale Finanzierung, die also nicht aus den Einkünften der Kommune stammten, der Opera aber aufgrund kommunaler Gesetze zustanden; schließlich, wenn auch erst ab 1380, eine eigenständige Finanzierung dank der Überschreibung ausgedehnter Waldgebiete im Casentino durch die Kommune an die Opera, die nicht nur deren enormen Holzbedarf deckte, sondern der Behörde auch eine eigene unternehmerische Tätigkeit gestattete. In Spitzenzeiten betrugen die Einkünfte der Opera allein aus der direkten kommunalen Finanzierung bis zu 13.700 fl. jährlich.40

Allerdings sind hierbei gewisse Abstriche zu machen. Denn einerseits wurde die Opera gerade im späten 14. Jahrhundert auch zu zweckfremden Bauunternehmungen (wie der Loggia dei Signori) herangezogen, bei denen man sich ihrer technischen und administrativen Kompetenz gleichermaßen versichern wollte.41 Andererseits bestand immer die Möglichkeit, die Zahlungen an die Opera vorübergehend auszusetzen, wenn etwa militärische Erfordernisse dies nötig machten. Die Rückzahlung der einbehaltenen Gelder konnte erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.42 Überdies waren gerade die der Opera gesetzlich zustehenden Einkünfte in der Praxis nur schwer einzutreiben. So vermieden es Erben und Notare immer wieder, Testamente an die Opera zu melden.43 Und um die direkten Abgaben in vollem Umfang zu erhalten, musste die Opera gar Beamte bei den abgabepflichtigen Behörden unterhalten, die den korrekten Zufluss der Mittel an den Dombau zu überwachen hatten.44 Die Rechte über die ‚grazie fiscali’ schließlich kamen zuweilen nur mit jahrzehntelangen Verspätungen in der Kasse der Opera an.45 Dennoch stellten die langfristigen gesetzlichen Regelungen der Einnahmen eine wesentliche Voraussetzung für das schließliche Gelingen des Dombaues dar.

Die erheblichen Vorteile des Florentiner Verfahrens werden besonders deutlich im Vergleich mit dem Dombau der großen Rivalin Siena.46 Im 12. und 13. Jahrhundert basierte das Finanzsystem der dortigen Domopera schwerpunktmäßig auf der Bereitstellung direkter kommunaler Mittel, die seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts als feste halbjährliche Summe gezahlt wurden, sowie auf Anleihen, für die die Kommune Garantien bereitstellte.47 Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, vor allem aber seit einer radikalen Neuorganisation des Finanzsystems der Opera in den 1270er Jahren, wuchs freilich ein anderer Zweig zur Haupteinnahmequelle der Opera heran: die Kommerzialisierung jener Abgaben an Wachs, die die Kommune und die Bürger von Siena sowie die ihr unterstehenden Kommunen und Signorien des Contado zum Hauptfest der Kathedrale, der Himmelfahrt Mariens, nach einem an der normalen Steuer- und Abgabenlast orientierten (und folglich mehrfach angepassten) Schlüssel zu entrichten hatten. Namentlich in den 1330er Jahren erreichte dieses System der Mittelakquisition seinen Höhepunkt. Damals machten die Wachsspenden ca. zwei Drittel der Gesamteinnahmen der Opera aus, ein Wert, der im weiteren Verlauf des Trecento sogar auf bis zu vier Fünftel anstieg. Die Abhängigkeit vom lokalen Wachsmarkt, in die man sich auf diese Weise begab, machte sich seit dieser Zeit jedoch nachteilig bemerkbar: Die pizzicaioli verkauften das Wachs teuer an die zur Abgabe Verpflichteten und nahmen es der Opera billig wieder ab; ein erheblicher Teil der Abgaben blieb damit bei den Wachshändlern. Die Opera versuchte dieser Entwicklung zunächst dadurch Herr zu werden, dass nur von speziell lizenzierten Händlern gefertigtes Wachs für die Abgaben verwendet werden durfte; ab den 1360er Jahren gewann die Möglichkeit an Verbreitung, anstelle von Wachs einen Geldbetrag zu leisten, der unter dem Einkaufspreis der Besteuerten, aber über dem Verkaufspreis der Opera lag. 1393 wurde dieses Verfahren zur Norm erhoben, nicht zuletzt als Konsequenz aus einem starken Preisverfall des Wachses seit den 80er Jahren. Wesentlich härter freilich hatte die Opera die verheerende Pest von 1348 getroffen: Bedingt durch den dramatischen Bevölkerungsrückgang waren die Kosten für Arbeitskraft wesentlich stärker gestiegen als der Wachspreis, so dass für den gleichen Preis eine wesentlich geringere Arbeitsleistung zu Buche schlug. Diese Entwicklung dürfte, neben strukturellen Problemen, eine Rolle bei der Einstellung des Duomo Nuovo gespielt haben. Deutlich wird aus all dem, wie unkalkulierbar Einnahmen sein konnten, die auf einem einzigen Marktsegment basierten. Das Florentiner System der direkten und indirekten Besteuerung von Geldleistungen war hier zweifellos das leistungsstärkere.

2.2.2 Reverenda Fabbrica di San Pietro

Es mutet angesichts der in Florenz gesammelten Erfahrungen seltsam an, dass beim Neubau von St. Peter zunächst keine Baufabrik im Sinne eines handelnden Rechtssubjekts bestand.48 Nachdem im Herbst 1505 der Neubau der Basilika beschlossen worden war, erfolgte der Aufbau eines hierfür bestimmten Sondervermögens, zunächst durch die Zuweisung der Einträge vakanter Pfründen sowie durch gezielte Bittschreiben des Papstes an potentielle Geldgeber, darunter an Heinrich VII. von England, 1507 dann vor allem durch die Organisation eines in großen Teilen der Christenheit zu predigenden Ablasses zum Bau der Peterskirche, der unter Julius und seinem Nachfolger Leo X. den Kern der Mittelakquisition ausmachte.49 Eigene Angestellte hatte die Fabbrica anfangs jedoch nicht. Der Buchhalter (computista) Girolamo da Siena und der Vermesser (mensurator) Rinieri da Pisa wurden offenbar von der Camera Apostolica bestallt, die auch zuvor für Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten der alten Basilika verantwortlich gewesen war; der architectus Bramante scheint als familiaris des Papstes sein Gehalt bezogen zu haben.50 Er lieferte nicht nur die Entwürfe und Modelle für den Neubau, sondern schloss stellvertretend für die Camera die Verträge mit den Handwerksmeistern, überwachte mit Hilfe des Vermessers ihre Arbeiten und zahlte gemeinsam mit dem Buchhalter die Löhne und Gehälter aus. Die dafür nötigen Beträge erhielt er von der Bank des Sienesen Stefano Ghinucci, der die aus Ablassverkäufen, Spenden, Legaten etc. stammenden Gelder als Depositar verwaltete und auf ein vom Generalthesaurar der Camera gegengezeichnetes Mandat des Papstes hin an Bramante oder Girolamo auszahlte.51 Die Bauausführung selbst wurde ab 1506 abschnittsweise fünf fabricatores verdingt, die mit ihrer Werkstatt auf eigene Rechnung arbeiteten.52 Seit Juli 1507 wurde es jedoch nötig, aus dem Fabrikvermögen bezahlte Oberaufseher (soprastanti) für die unterschiedlichen Gewerke anzustellen, da die ursprünglichen Strukturen den Anforderungen der komplexen Baustelle nicht länger gewachsen waren. In allen wesentlichen Punkten – der Stellung des leitenden Architekten, dem Institut der bestallten Soprastanti sowie der Verdingung der Ausführung an freie Unternehmer – lassen sich, wie Frommel betont hat, enge Parallelen in den päpstlichen Baustellen unter Pius II. und Paul II. erkennen.53 Man knüpfte also an lokale Traditionen der Bauorganisation an.

Eine Reform erfuhr die Administration unter Leo X. Strukturell sind dabei vor allem drei Aspekte hervorzuheben. Der erste betrifft die Anzahl der Architekten. Nach dem Tod Bramantes im März 1514 lag die Planungsarbeit zunächst in den Händen eines Triumvirats: Raffael als dem eigentlichen Nachfolger Bramantes standen mit Fra’ Giocondo und, als administer et coadiutor operis in untergeordneter Position, Giuliano da Sangallo zwei ebenso betagte wie erfahrene Baumeister zur Seite,54 die offenbar dem in baukonstruktiven Dingen noch wenig beschlagenen Raffael unter die Arme greifen sollten. Nach Giocondos Tod am 1. Juli 1515 und Giulianos Weggang nach Florenz blieb Raffael als einziger architetto übrig; ihm wurde wohl zur Entlastung auf eigenen Wunsch am 1. Dezember 1516 Antonio da Sangallo d. J. zur Seite gestellt.55 Sie alle erhielten, dies bildet die zweite Neuerung, ein festes Gehalt aus dem Fabrikvermögen.56 Beide Maßnahmen hatten Parallelen an anderen großen Dombaufabriken – insbesondere am Florentiner Dom, wo man bereits 1477 die Beschäftigung zweier capomaestri in hierarchisch differenzierter Stellung beschlossen hatte und 1514 gar drei capomaestri mit unterschiedlicher Zuständigkeit beschäftigte, die alle ein – nach Stellung und Amtspflichten differenziertes – Gehalt bezogen.57

Die dritte große organisatorische Veränderung unter Leo bildete die spätestens Anfang August 1514 erfolgte Ernennung des römischen Händlers und Bauunternehmers Giuliano Leni zum curator der Baustelle, ein Amt, das bis dato nicht existiert hatte und für das es auch keine echten Beispiele zu geben scheint.58 In seiner neuen Funktion war Leni Vertragspartner der capomaestri und zahlte sie aus, Aufgaben, die unter Julius noch der Architekt übernommen hatte. Überdies trat er aber auch als Materiallieferant und Bauunternehmer bestimmter Baulose an der von ihm selbst verwalteten Baustelle auf.59 Manches an dieser Konstruktion bleibt im unklaren, etwa, wie weit Lenis Kontrolle über andere, potentiell konkurrierende Unternehmer reichte, ja selbst die zentrale Frage, ob er die Verwaltung des Baues als Angestellter des Papstes oder auf eigene Rechnung übernommen hatte.60 Wichtig ist im Unterschied zum Pontifikat Julius’ II. zum einen die Trennung von Entwurfs- und Verwaltungsarbeit, die besonders den auch außerhalb von St. Peter vielbeschäftigten Architekten größere Spielräume in ihrem eigentlichen Arbeitsgebiet eröffnete, und zum anderen die Übertragung des administrativen Tagesgeschäfts an einen Kaufmann. Es ist sicher zu Recht vermutet worden, dass gewisse Elemente dieser Konstruktion auf Usancen des Florentiner Bauwesens mit seinen von Kaufleuten beschickten opere zurückzuführen sind, wie sie Leo X. als zweitältestem Sohn des baubegeisterten Lorenzo de’ Medici wohlvertraut waren.61 Gerade Santa Maria del Fiore konnte ja als eindrucksvoller Beleg für die Leistungsfähigkeit einer bürgerlich-merkantil geprägten Bauverwaltung gelten. Leni übernahm an St. Peter im Grundsatz jene Aufgaben, die an der Florentiner Domopera auf den Provveditore und den Camarlingo entfielen. Allerdings hat der Vergleich seine Grenzen: In Rom spielte das bürgerlich-merkantile Element letztlich eine wesentlich geringere Rolle als in Florenz: Anstelle von operai und Wollenzunft hatte Leni als Präfekten der Fabbrica einen Kardinal und letztlich den Papst über sich. Überdies war die Stellung der Architekten nun eine andere: Sie wurden nicht, wie die capomaestri und selbst die provisores cupolae in Florenz, von den Administratoren, sondern vom Papst selbst ernannt; speziell zwischen Leni und dem 1521 als Nachfolger des verstorbenen Raffael aufgerückten Antonio da Sangallo d. J. kam es hier wiederholt zu Rivalitäten.62 Und schließlich waren die Operai in Florenz nicht unternehmerisch auf der von ihnen betreuten Baustelle engagiert. Gerade diese Position Lenis zwischen Fabbrica auf der einen und Handwerkern auf der anderen Seite, die es ihm ermöglichte, einerseits sein unternehmerisches Potential voll zur Geltung zu bringen und andererseits Druck auf Konkurrenten auszuüben, dürfte ihn für den Papst attraktiv gemacht haben.63

Die Finanzierung des Bauvorhabens erfolgte wie unter Julius durch Ablassgelder aus ganz Europa – ein Umstand, der bekanntlich Luthers Protest gegen den Ablasshandel auslöste. Dabei entwickelten sich die Einnahmen, dem Rechnungsbuch des Fabbrica-Präfekten Kardinals Bernardo Dovizi da Bibbiena zufolge, in den ersten Jahren überaus günstig.64 Vor dem Hintergrund der sich hier zumindest andeutenden Perspektiven dürften die Ankündigungen des Papstes zu einer Intensivierung der Bautätigkeit, die Raffael in einem Brief an seinen Onkel überliefert,65 wohl mehr sein als reine Rhetorik. Gleiches gilt für die vorübergehende Verdoppelung der Soprastanti-Stellen.66 Alles in allem machten die Gehälter für Architekten und Oberaufseher, entgegen anderslautenden Einschätzungen, nur etwas mehr als ein Zehntel der für den Bau im Jahr 1515 angewiesenen Summe und nicht einmal 1/25 der aus Indulgentien und Jubiläumsablässen zur Verfügung stehenden Gesamtsumme aus.67 Wenn der Bau in diesen Jahren dennoch nicht voran kam, so lag dies nicht an den Gehältern, sondern an der massiven Zweckentfremdung der für St. Peter bestimmten Mittel, über die schon die Zeitgenossen klagten.68

Ab 1516/17 entzogen der allgemeine Ruin der päpstlichen Finanzen durch Leos grenzenlosen Luxus und die Ausgaben des Urbino-Krieges sowie die zunehmende Ablasskritik im Reich und in Spanien dem Neubau wesentliche Teile seiner materiellen Grundlage.69 Clemens VII., der Cousin und zweite Nachfolger Leos, reagierte hierauf mit einer erneuten umfassenden Reform der Bauverwaltung von St. Peter, indem er am 12. Dezember 1523 mit der Bulle Admonet nos suscepti das Collegium fabricae basilicae Beati Petri errichtete: ein Gremium von 60 Kurialen aller Nationen, die von den Botschaftern der Könige, Fürsten und Staaten benannt werden sollten. Diese ,internationale‘ Ausrichtung begründete der Papst mit der aus dem primatus papae abgeleiteten Feststellung, dass die Peterskirche weder dem Papst noch sonst jemandem allein, sondern allen christlichen Nationen gehöre (hoc sacrum et sublime B. Petri templum non nostri, neque cuiusque esse proprium, sed omnium christianarum nationum commune).70 Das Kollegium hatte sicherzustellen, dass die für den Bau bestimmten Gelder tatsächlich für diesen verausgabt bzw. die ihm zustehenden Mittel auch eingetrieben wurden. Zur Durchsetzung dieser Ziele konnte es aus seiner Mitte einen eigenen Richter wählen, der in allen die Fabbrica betreffenden Streitfragen urteilsberechtigt war; für die täglichen Geschäfte des Kollegiums wurden officiales ad tempus bestimmt. Diese vier bis fünf Deputierten trafen sich regelmäßig – 1526 im Schnitt immerhin einmal wöchentlich – und entschieden die anfallenden Fragen, zu denen die Ernennung oder Bestätigung von Ablasskommissaren ebenso gehörte wie die Anweisung der Gehaltszahlungen an die Architekten und Soprastanti, die Ausstellung von Zahlungsmandaten, Beschlüsse über das Vorgehen gegen Schuldner oder die Entgegennahme von Spenden. Das gesamte Kollegium trat nur gelegentlich zu einer Generalkongregation zusammen.71 Die Aufgaben der Deputierten des Kollegiums entsprachen im Grunde denen, die in den spätmittelalterlichen Baufabriken Italiens die Operai zu erfüllen hatten.72

Außerordentlich weitreichend waren die Vollmachten, die Clemens dem Kollegium gewährte: Es war in allen die Baustelle der Peterskirche betreffenden Fragen allein dem Papst unterstellt und speziell vom Kapitel und dem Erzpriester unabhängig – ein Status, den es wiederum mit den meisten italienischen Domopere des 14./15. Jahrhunderts teilte, die als Behörden der jeweiligen Kommune bzw. einer von dieser entsprechend eingesetzten Korporation (in Florenz ab 1331 die Wollenzunft) unterstanden. Neu und den spezifischen Gegebenheiten des zu betreuenden Baues geschuldet ist natürlich die internationale Ausrichtung des Gremiums. Dabei ist der Versuch, das Verwaltungsgremium im Hinblick auf den ‚Einzugsbereich‘ repräsentativ zu besetzen, ebenfalls aus den mittelalterlichen opere bekannt, etwa aus Florenz, Orvieto und Mailand.73 In allen Fällen ging es darum, durch repräsentative Beteiligung die Mittelakquisition auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Beim Collegium fabricae basilicae Beati Petri kam überdies die Absicht hinzu, den verbreiteten Zweifeln an der zweckgemäßen Verwendung der für St. Peter bestimmten Gelder zu begegnen: Die Deputierten sollten sich jedem Entfremdungsversuch widersetzen, selbst wenn er vom Papst selbst ausgehe (etiam si nos et successores nostri Romani Pontifices aliter disponeremus et ordinaremus). Verwehrt blieb freilich auch ihnen die Kontrolle über die Architekten: Sie wurden weiterhin vom Papst ernannt, der, so der Deputierte Francesco Pallavicini am 18. Dezember 1546, è del tutto patrona.74 Das Verhältnis zwischen Sangallo und den Deputierten war aber offenbar ein konstruktives und vertrauensvolles. Anders sah es bekanntlich bei Michelangelo aus, der die Deputierten lediglich als Geldbeschaffer sah und in allen Entwurfsfragen allein mit dem Papst reden wollte.75 In dem berühmten motu proprio vom 11. Oktober 1549 erhielt Michelangelo von Paul III. eine Stellung zugesprochen, in der sich nicht umsonst die Titel des commissarius, prefectus, operarius und architector vereinigten, verbunden mit freier Hand in Fragen des Personals, des Budgets, der Entscheidungshoheit sowie der baulichen Gestaltung.76 Sie zielte auf ein Ende der ständigen Diskussionen um die Gestalt des Baues. Doch anders, als es die Deputierten 1539 beabsichtigt hatten, indem sie Sangallo zur Ausführung des Modells verpflichteten (wobei sie sicher auch an das erfolgreiche Vorbild der definitiven Planung in Florenz von 1367 dachten),77 war dies nun gerade nicht mehr mit der Festlegung auf ein einmal ausgearbeitetes Projekt verbunden, sondern mit der Erhebung des potentiell wandelbaren Willens eines Künstlers zum allein rechtsverbindlichen Maßstab. Der im Kern neuzeitliche Gedanke, das Kunstwerk als persönliche Schöpfung des Künstlers – ein Konzept, dem gerade für Michelangelo und gerade für sein St.-Peter-Projekt zentrale Bedeutung zukam – hatte nie zuvor und selten danach einen solchen Freibrief erhalten.78

Großbaustellen wie die des Florentiner Doms oder von Neu-St. Peter in Rom erweiterten das Bauwissen in technischer und administrativer Hinsicht. Sie stellten zwar aufgrund ihrer Dimension Sonderfälle dar, andererseits interagierten sie mit den zahllosen kleineren und mittelgroßen Baustellen. Die Organisation letzterer soll jetzt anhand eines Spektrums von Beispielen aus der Toskana, Umbrien und Oberitalien aufgezeigt werden.

2.2.3 Santa Maria delle Carceri, Prato

Um näheren Einblick in die Organisation einer Baustelle zu erhalten, bietet sich die Madonna delle Carceri in Prato als Fallbeispiel an.79 Die Kirche wurde ab 1485 nach einem Entwurf Giuliano da Sangallos zu Ehren eines wundertätigen Marienbildes errichtet. Patronatsherrin war, wie die päpstliche Bulle zur Einrichtung des locus von S. Maria delle Carceri ausdrücklich festhielt, die Kommune.80 Das war nicht immer so: Häufig übernahm diese Aufgabe, wie etwa in Todi, eine zu diesem Zweck gegründete Laienbruderschaft, die freilich Unterstützung seitens der Kommune erfuhr.81 Das Bild der Madonna del Massaccio bei Spoleto befand sich in einer Kapelle, die dem Kapitel der Abtei S. Pietro gehörte, das folglich auch Patron des Neubaus blieb.82 Das wundertätige Bild der Madonna del Calcinaio bei Cortona gehörte der Arte de’ Calzolari (der Schuhmacherzunft), die bei einer nahegelegenen Kalkgrube ihr Leder gerbte; erst kritische Stimmen über die Angemessenheit des Ortes sowie Skepsis angesichts der eigenen Möglichkeiten zum Bau einer großen Kirche bewogen die Zunft, die Kommune als Co-Patronin ins Boot zu holen.83

Als Behörde zur Ausführung und Verwaltung des Baues fungierte jeweils die dem Träger direkt unterstellte Opera. In Prato umfasste sie jeweils vier für ein Jahr gewählte Bürger, die man anscheinend aus jedem der vier Stadtviertel zu wählen pflegte;84 hinzu kamen ein Provveditore (Verwalter), ein Camerlengo (Kämmerer), der alle Zahlungen für die Opera vornahm, und ein Depositar.85 In Todi bestand die Fabbrica (wie die Behörde dort hieß) aus dem Operaio, einem Buchhalter und einem Kämmerer.86 In Crema setzte sich die Fabbrica aus sechs jeweils für ein halbes Jahr gewählten Bürgern sowie den drei Provveditoren der Kommune zusammen; dabei hatten die Fabbricieri zugleich die Kontrolle über das Ospedale Maggiore, die andere große bürgerliche Institution der Stadt.87 Den Bau der Incoronata in Lodi leitete zunächst ein vom Stadtrat ernanntes Gremium von sindici et officiales mit Prioren an der Spitze sowie einem Tesoriere und einem Contrascriptor. Zehn Jahre später erfolgte dann die Gründung einer Bruderschaft (Schola) aus Bürgern Lodis, aus der jeweils einige Mitglieder ad id pro tempore deputati für die Verwaltung der Kirche und des Kultes zuständig waren.88

Die Aufgaben und Kompetenzen der Opera, insbesondere in Relation zu denen der übergeordneten Behörde, waren von Fall zu Fall unterschiedlich definiert. Die Opera der Madonna delle Carceri besaß volle Kontrolle über die Verwaltung der Einnahmen, ähnlich wie etwa in Crema. Hingegen lag die Finanzhoheit bei der Madonna della Consolazione in Todi seit Anbeginn in den Händen einer Bruderschaft, die auch die Verträge mit den Handwerkern abschloss; die Fabbrica war lediglich ausführendes Organ.89 In Cortona, wo sich das wundertätige Bild im Besitz der Schuhmacherzunft befand, bestimmte zunächst diese vier Soprastanti und einen Kämmerer für den Bau und die Verwaltung der Einnahmen. 1488 wurde die Kirche von Regularkanonikern von S. Salvatore übernommen, denen 1489 auch die Leitung der Bauarbeiten übertragen wurde, während die Kontrolle der Spenden bei den Soprastanti verblieb. Hier wurden also Bau und Spendenverwaltung getrennt. Der Versuch, auch die letztere in die Hand zu bekommen, endete für die Kanoniker mit der vorübergehenden Ausweisung aus der Kirche.90

Woher kam das Geld? Das Fundament der Einnahmen legten bei den Sanktuarien stets die Spenden der Gläubigen und Pilger. In Prato kamen sie aus folgenden Quellen:

1den Opfergaben am Altar des wundertätigen Bildes (cassecta delle elemosine dell’altare);

2den Messopfergaben (cassecta delle elymosine delle messe);

3den Einnahmen aus dem Kerzenverkauf (cassecta di chi vende le candele e lo sportello de’ mocholi);

4dem gebrauchten Wachs (cassone della cera vechia), das zur Wiederverwendung zurückgegeben wurde.91

U. U. konnte eine Auftrag gebende Kommune auch Sondersteuern oder -abgaben einführen, um den Bau der Kirche langfristig abzusichern, wie etwa beim Bau der Madonna dell’Umiltà in Pistoia.92

Bei der Verwaltung von Kult und Baustelle griff die Kommune bisweilen auf bewährte eigene Strukturen zurück. So spielten in Prato die Rektoren (spedalinghi) der beiden kommunalen Spitäler der Misericordia und des Dolce eine nicht unerhebliche Rolle. Sie gehörten gemeinsam mit den vier Operai seit dem 13. Mai 1485 zur Auswahlkommission, die den Entwurf für den Bau der Kirche bestimmte; im ersten giornale vom Oktober 1485 werden sie gar als Teil der Opera selbst aufgeführt.93 In der Misericordia befand sich überdies der cassettone, die Hauptkasse der Opera, in der die Einnahmen aus den verschiedenen Opferstöcken und aus dem Wachsverkauf gesammelt wurden; der Spedalingo der Misericordia fungierte also als Depositar der Opera.94 Sein Kollege vom Dolce hingegen, das in unmittelbarer Nähe der Carceri lag, amtierte als erster camerlengo della muraglia.95 Auch diese enge personelle Verflechtung bürgerlicher Institutionen ist kein Einzelfall, wie der erwähnte Fall in Crema mit der Madonna della Croce und dem Ospedale Maggiore zeigen kann.

Das Prozedere der Zahlungen ging in Prato so vor sich, dass der Kämmerer sich von den Operai ein stanziamento, eine geschriebene Zahlungsanweisung, beschaffen musste, dessen Nennbetrag ihm der Spedalingo ohne weitere Prüfung aushändigte, damit er die anfallenden Zahlungen an die Arbeiter ausführen konnte.96 Umgekehrt war das Verfahren an der Madonna del Massaccio in Spoleto: Hier erhielten die Bauleute vom Prior der Abtei S. Pietro, dem die Opera unterstellt war, ein bigliettino, das den Namen des Zahlungsempfängers, die Summe und den Zweck vermerkte, und wurden vom Kämmerer ausbezahlt.97

Der Camerlengo hatte in Prato drei Bücher zu führen: ein Giornale, in dem Tag für Tag alle Ausgaben in chronologisch fortlaufender Weise einzutragen waren; ein Buch Debitori e creditori, in dem Arbeitsleistung und gezahlte Summen für jeden einzelnen Auftragnehmer vermerkt wurden; schließlich ein Buch Entrata e uscita, das, thematisch gruppiert, die Ein- und Ausgänge auflistete.98 Zwischen den beiden letzteren und dem Journal wurde jeweils hin und her verwiesen, so dass jeder Eintrag schnell aufzufinden und nachzuweisen war. Jene sind nach dem Prinzip der doppelten Buchführung angelegt, das im Geschäfts- und Baurechnungswesen der Zeit bereits fest etabliert war.99

Als Architekt der Madonna delle Carceri wurde, offenbar auf Wunsch Lorenzo il Magnificos, Giuliano da Sangallo verpflichtet. Der Vertrag sah vor, dass Giuliano operas et industriam suam ut architectus et capomagister (seine Arbeit und seinen Fleiß als Architekt und Maurermeister) für den Bau der Kirche gemäß dem von ihm vorgelegten Modell zur Verfügung stellt; dieses Modell wurde in der Opera verwahrt.100 Sangallo war vertraglich gebunden, auf Wunsch der Operai nach Prato zu reisen; für jeden Tag, den er hier arbeitete, standen ihm 30 Soldi, ein Pferd sowie Spesen zu. Offenbar wollte man Verzögerungen durch Unklarheiten vermeiden, die bei Abwesenheit des Architekten nur allzu leicht auftreten konnten. In diesem Sinne ist auch zu verstehen, dass es Sangallo gestattet wurde, jeweils einen Maurer- und einen Steinmetzmeister seines Vertrauens auf der Baustelle zu installieren.101 Übrigens bezog sich der Vertrag ausschließlich auf den Bau der Kirche selbst, nicht auf den Entwurf, der tatsächlich erst nach Abschluss der Bauarbeiten abgegolten wurde, indem die Opera das Modell förmlich erwarb.102

Die Steinmetzarbeiten wurden im wesentlichen von Lorenzo di Salvadore und Giovanni di Betto, beide aus Settignano, durchgeführt, mit denen jeweils Werkverträge abgeschlossen wurden.103 Alle Holzarbeiten mussten hingegen gemäß dem Vertrag mit Sangallo bei diesem in Auftrag gegeben werden; Giuliano war ja seiner ursprünglichen Ausbildung nach eigentlich Schreiner. Die Lieferung der Hausteine für die architektonischen Ornamente sollte auf Wunsch des Magnifico aus den Steinbrüchen erfolgen, die seinem Verbündeten Benedetto degli Alessandri gehörten.104

2.2.4 Städtische Statuten und Bauvorschriften

Die Entstehung unabhängiger Stadtstaaten in Ober- und Mittelitalien im 11. und 12. Jahrhundert manifestierte sich auch in der Formulierung entsprechender städtischer Statuten. Dazu wurden vorhandene Gesetze, Gebote städtischer Organe oder Schwüre öffentlicher Würdenträger zusammengetragen und bestehende Rechte schriftlich festgehalten. Anfänglich waren die Statuten meist chronologisch nach dem Moment der Aufzeichnung geordnet. Doch der Aufschwung der Selbstverwaltung in den Städten führte bereits im 13. Jahrhundert dazu, die Statuten thematisch in einzelne Bücher zu gliedern.105 Die Statuten behandelten auch Fragen des Bauwesens. Dabei wird u. a. das damalige Erfahrungswissen um die Verhinderung von Feuern sichtbar. So gab es Verpflichtungen, hölzerne Vorbauten abzureißen und feuerfeste Baumaterialien zu verwenden. Über das Verbot von Strohdächern hinaus war es generell untersagt, in den Städten Heu zu lagern. Schornsteine mussten 1,20 m, bei Holzhäusern 3,60 m über das Dach hinausgeführt werden (Bestimmung aus Lucca aus dem Jahre 1342). Bemerkenswert ist die ebenfalls in Lucca geltende Regelung, die Zimmerleute, Steinmetze und Maurer verpflichtete, brennende Häuser noch im brennenden Zustand abzubrechen, um Nachbargebäude zu schützen. Andere baurelevante Themen in den Statuten waren die Höhe von Gebäuden, Abrissgebote für Portiken und Veranden, aber auch Abrissverbote. Ein für die Wissensgeschichte der Architektur besonders interessanter Bereich der Bauvorschriften betraf Standardisierung und Qualitätssicherung. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurden in Pisa und Siena die Ziegelformate genormt. Ziegel mussten nach einem im Rathaus aufbewahrten Modell hergestellt werden, das in Siena aus Gründen der Maßhaltigkeit aus Marmor gefertigt war. In manchen Orten waren die Modelle an der Fassade des Rathauses angebracht (Abb. 2.12.2). In Lucca waren darüber hinaus Qualität und Gehalt an Tonerde festgelegt (Bestimmung aus dem Jahre 1308). Zwei Aufseher überwachten diese Vorschrift.

Abb. 2.1: Ziegel- und Dachziegelmodelle am Rathaus von Assisi (Foto: M. Quast).

Abb. 2.1: Ziegel- und Dachziegelmodelle am Rathaus von Assisi (Foto: M. Quast).

Die Stadtstatuten sind ein das Mittelalter und die Neuzeit übergreifendes Phänomen. In Riva del Garda etwa wurden die 1451 aufgestellten Statuten bis 1637 ergänzend fortgeführt, in Rovereto wurden die Statuten von 1425 im Zeitraum von 1434 bis 1538 immer wieder ergänzt, die 1300 bzw. 1434 datierten Statuten von Portogruaro (Veneto) bis 1642.106 In der Toskana behielten die Gemeinden ihre Statuten auch unter der immer stärker werdenden Repubblica Fiorentina und unter den Medici bei. Um ihr ständig wachsendes Territorium zu kontrollieren, versuchten die Florentiner mit dem Statut von 1415 eine Modellgesetzgebung für das gesamte Territorium aufzustellen. Gleichzeitig wurden die Gemeinden angehalten, ihre Gesetzessammlungen auszubauen bzw. seit langem gültige lokale Regelungen zu verschriftlichen. Hier liegt die Vorstellung zugrunde, die Gemeinden könnten sich leichter von ihren alten Hauptstädten lösen, indem sie eigene Statuten aufstellten. Auch wenn Florenz dabei eigene Rechtsprinzipien nahelegte und Schlüsselpositionen in der Verwaltung mit Florentinern besetzte, so hatte es doch nicht die sovranità legislativa. Offenbar war es ein Prinzip, den Gemeinden Freiheit in administrativen Dingen zu gewähren, um im Gegenzug das uneingeschränkte politische Sagen im Territorium zu haben. Dieser Ansatz wurde spätestens in der Mitte des 18. Jahrhunderts obsolet. Pompeo Neri beschrieb in seinem discorso aus dem Jahre 1747 die unübersichtliche Rechtssituation im Granducato. Allein im territorio Fiorentino gab es über 500 verschiedene libri di statuti locali mit den jeweils über Jahrhunderte gemachten Ergänzungen.107 Was die kommunale Zersplitterung der Verwaltung für die Instandhaltung der Straßen bedeutete, wird auch am Beispiel der Maestri delle Strade in Rom deutlich (siehe unten Abschnitt 2.2.7), deren Zuständigkeit zehn Meilen vor den Stadtmauern endete. Einer Organisation, die hingegen die Überlandstraßen instand halten sollte und also per Definition einen territorialen Anspruch vertrat, mussten die lokalen Statuten natürlich hinderlich sein. Das ist der Fall für die Ufficiali di Torre bzw. die Parte Guelfa in der Repubblica Fiorentina bzw. dem Großherzogtum Toskana (siehe unten).

Abb. 2.2: Ziegel- und Dachziegelmodelle am Rathaus von Gubbio (Foto: M. Quast).

Abb. 2.2: Ziegel- und Dachziegelmodelle am Rathaus von Gubbio (Foto: M. Quast).

2.2.5 Capitolati, cottimo und andere bauspezifische Organisationsformen

Die gute Baukonjunktur in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die v. a. den Kirchenbau betraf, hatte – so berichtet Conforti – einen großen Einfluss auf die allgemeine Organisation des Bauwesens. Es kam jetzt mehr auf das realisierte Bauvolumen und die rasche Ausführung der Bauten an. Diese Tendenz ist in ganz Italien zu beobachten und wird exemplarisch deutlich an der Baupolitik Gregors XIII. (1572–85) und Sixtus’ V. (1585–90). Das führte zunächst zu einer weiteren Vertiefung der Arbeitsteilung am Bau. Gerade bei den langfristig angelegten Projekten, wie St. Peter (mit Einschränkungen, s. o.), der Munizione ducale in Ferrara, des Scrittorio delle fabbriche in Florenz oder der Mensa arcivescovile in Mailand differenzierten sich die Führungsstrukturen immer weiter aus. Wenn es um die Produktion von Masse geht, stehen v. a. ökonomische Aspekte im Vordergrund. So setzte sich auf den Baustellen die Bezahlung nach Akkord (cottimo) durch. Baumaßnahmen wurden in viele kleine Aufträge zersplittert, die dann versteigert bzw. an den günstigsten Bieter vergeben wurden (assegnazione all’incanto). Dass Qualität und Gleichmäßigkeit der Ausführung darunter litten, wurde billigend in Kauf genommen. Damit Aufträge all’incanto vergeben werden konnten, mussten die Arbeiten genau definiert werden: capitolati, d. h. Ausschreibungs- bzw. Vertragsunterlagen, bei denen die Bieter Preise pro Flächen- bzw. Volumeneinheit einzutragen hatten, wurden das Standardverfahren, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts voll entwickelt war und sich im 17. Jahrhundert flächendeckend verbreitete108 (zur Wirkung dieser Verfahren der Bauorganisation auf die Baustellen-Organisation und zu den sich gründenden Baufirmen [compagnie] vgl. Abschnitt 2.7.3).

In einer vergleichenden Untersuchung von römischen conti, capitolati und misure e stime bemerkt Cirielli, dass diese Dokumente jeweils gleichartig aufgebaut sind und vermutet, dass es im 17. Jahrhundert eine Art Referenztext gegeben hat. Aus wissenhistorischer Sicht kann dies bedeuten, dass ein capitolato vom anderen abgeschrieben und lediglich projektspezifisch angepasst wurde und sich auf diese Weise ein Standard herausbildete. Cirielli berichtet, dass die capitolati im konkreten Fall nicht allzu rigide eingesetzt wurden. Das vor Baubeginn erstellte capitolato hinderte die Bauleute im konkreten Fall keineswegs daran, darüber hinaus gehende Arbeiten während des Bauprozesses zu vereinbaren und preislich festzulegen. Beim Bau von Sant’Ivo in Rom verlangten die Auftragnehmer, die komplexen Gewölbe als muri di fattura straordinaria (Mauerwerk besonderer Machart) aus dem capitolato herauszulösen und nach stima dei periti abzurechnen.109 Der Architekt von Sant’Ivo, Francesco Borromini, war für seine Fertigkeiten in der Baurechnungsführung bereits zu Lebzeiten bekannt und gab sein Wissen an seinen Assistenten Francesco Righi weiter.110 Offenbar wurde Borrominis System vorbildlich. Anderenfalls wären nicht 100 Jahre später im Rahmen der Vorbereitungen für ein Traktat ganze Seiten aus Borrominis capitolato für das Collegio di Propaganda Fide wortwörtlich zitiert sowie Regesten der capitolati für das Oratorium der Filippiner und den Palazzo Falconieri erstellt worden. Das wahrscheinlich Salvatore Casali zuzuschreibende und ca. 1762 datierte Traktatmanuskript war Vorstufe für ein praktisches Handbuch für Bauleute und Architekten und umfasste u. a. auch eine Sammlung aller in Rom gültigen Baugesetze und Einheitspreise für Tischlerarbeiten, Dekorationselemente und andere Bauteile.111

2.2.6 Die Capitani di Parte Guelfa und die Ufficiali di Torre

Ein im vorliegenden Text bislang noch nicht behandelter Bereich des Bauwesens sind die Infrastrukturen, also Straßen, Wasserversorgung, Kanalisation, Festungsbau und Wasserwege. Die Instandhaltung der Straßen im Stato Fiorentino war bereits im 14. Jahrhundert institutionell organisiert. Aus dem Jahre 1318 datiert eine Aufteilung der Zuständigkeiten für die Instandhaltung der Straßen auf die Kirchengemeinden. Hinzu kam für Florenz und Umland das Statuto del Capitano del Popolo aus dem Jahre 1322. Die Zuständigkeit des Capitano erstreckte sich auf die Straßen, Brücken und Stadtmauern. Zehn der Straßen in der contrada di Firenze wurden vom Capitano als Hauptstraßen (strade maestre) klassifiziert und mit entsprechenden Wegsteinen als solche markiert. Sie mussten von der Bevölkerung der contrada instandgehalten werden. Bei Schäden an den strade maestre oblag es dem Capitano del Popolo, in Absprache mit dem Gonfaloniere und den Prioren eine Kommission zusammenzustellen, die auf Kosten der Gemeinde Florenz bei einem Ortstermin im Beisein des lokalen Bürgermeisters (rettore del popolo) die Schäden aufzunehmen sowie die erforderlichen Arbeiten festzulegen hatte, die von der betroffenen Gemeinde bei Geldstrafe innerhalb von zwei Monaten auszuführen waren. Die einfachen Straßen wurden vom Capitano direkt auf Kosten der Schadensverursacher frei- und instandgehalten. Das Statut des Capitano von 1322 wurde mit geringfügigen Veränderungen bis 1415 immer wieder neu aufgelegt.112 Auf Ebene der Repubblica Fiorentina wurden die Aufgaben ebenfalls professionalisiert. Die in den Jahren 1361/1364 neu gegründete Behörde der Ufficiali di Torre bzw. die ihnen unterstellten Straßeninspektoren (viai) übernahmen die Kontrolle und Verwaltung der Instandhaltung der Straßen, Brücken, Stadtmauern etc., aber auch die Verwaltung der von den Ghibellinen konfiszierten Bauten.113

Die Capitani di Parte Guelfa waren bereits ca. 1250 ins Leben gerufen worden und hatten zunächst die Aufgabe, die Ghibellinen sowie die Feinde der Repubblica Fiorentina zu verfolgen sowie die Festungsanlagen des Staates zu bauen und instandzuhalten. Ihre Kompetenzen überschnitten sich mit denen der Ufficiali di Torre hinsichtlich der Verwaltung des beschlagnahmten Ghibellinenbesitzes. Seit dem 15. Jahrhundert wurden der Parte mehr und mehr technikorientierte Institutionen einverleibt: Im Jahre 1419 die Ufficiali delle Castella di Firenze; 1459 die Sei di Arezzo; 1481 die Consoli del Mare und schließlich 1533 die Massai di Camera. Dadurch entstand eine bis auf Pisa und Siena den gesamten Stato Fiorentino umfassende Baubehörde. Per Gesetz vom 18. September 1549 wurden Parte und Ufficiali di Torre unter dem Namen Capitani di Parte Guelfa zusammengelegt. Von den zehn capitani, die den höchsten sozialen Schichten entstammten, wurden sieben vom Großherzog bestimmt, drei kamen aus dem Umfeld der ehemaligen Ufficiali di Torre.114 Die den Capitani di Parte Guelfa unterstellten capomaestri,115 Ingenieure und Architekten bildeten mit ihrem Fachwissen den Kern der Behörde. Sie erstellten Gutachten, nahmen Ortstermine wahr und schlichteten Streitigkeiten zwischen Privatpersonen. Wichtigste Aufgabe war aber, Arbeiten an Wasserwegen, Stadtmauern, Straßen und Brücken oder die Trockenlegung von Sümpfen und die Beseitigung von Hochwasserschäden zu planen und ihre Ausführung zu überwachen. Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts ging es zum Beispiel oft darum, die Straßen und Brücken an den aufkommenden Kutschen- und Wagenverkehr anzupassen. Gleichzeitig erforderte ein wachsendes Hygienebewusstsein viele Arbeiten an den Abwassersystemen.116 Für die Parte arbeiteten zahlreiche bekannte Architekten und Ingenieure. Fest inkorporiert als Oberaufseher aller zivilen und militärischen Bauten des Großherzogtums war Bernardo Buontalenti (1523–1608). Er errichtete die Villa in Pratolino, realisierte Flussbegradigungen und baute den Ponte alle Mosse über den Arno. Bartolomeo Ammannati (1511–1592) hingegen bekam Einzelaufträge, u. a. Gutachten zum Abwassersystem des Palazzo Pitti und zu Schäden am Ponte della Trìnita. Giovanni Caccini war ebenfalls in die Behörde inkorporiert und machte vor allem Gutachten zu Wasserbaufragen. In einem Fall ging es um den Bau eines schiffbaren Kanals in Santuccio, in einem anderen um ephemere Bauten für den Besuch von Johanna von Österreich.

Grundlage der administrativen Tätigkeit war die Dokumentation der Straßen. Während sich die Ufficiali di Torre im 14. Jahrhundert geschriebener Verzeichnisse bedienten, in denen die Straßenabschnitte, für die die einzelnen Kirchengemeinden zuständig waren, genau vermessen und beschrieben waren, wurden diese beschreibenden Informationen ab 1461 durch ein Kartenwerk ergänzt. Der Kartensatz wurde bis 1576 laufend annotiert und aktualisiert und blieb offenbar auch nach dem neuen censimento aus den Jahren 1580–95 (Abb. 2.3) weiter gültig, zumal 1664 eine Kopie des älteren Kartensatzes angefertigt wurde.117 In den schematischen, also nicht topographisch genauen Karten wurden alle Straßen dargestellt. Ausgehend von den Kreuzungen wurden die genauen Längen derjenigen Straßenabschnitte in braccia eingetragen, die von der jeweiligen Gemeinde instandzuhalten waren. Hinzu kamen die Beschreibungen der Straßen.

Ein Dauerproblem der Parte und ihrer Vorgängerinstitutionen seit dem 14. Jahrhundert bis zur Auflösung der Parte im 18. Jahrhundert war es, die Gemeinden dazu zu zwingen, ihren Instandhaltungspflichten nachzukommen. So wurden die Straßeninspektoren im 14. und 15. Jahrhundert regelmäßig bestochen, bis die Ufficiali di Torre sich schließlich gezwungen sahen, in den Jahren 1459–61 in einem Kraftakt die erforderlichen Straßenbauarbeiten direkt auszuführen und den jeweiligen Gemeinden in Rechnung zu stellen. Aber auch in den Jahrzehnten danach und im 16. Jahrhundert kamen die Gemeinden ihren Instandhaltungspflichten nicht nach. Daraufhin wurden die Zuständigkeiten ab 1574 umgeschichtet. Zwei der capomaestri der Parte wurden zu Ufficiali dei fiumi ernannt. Sie hatten auch die Zuständigkeit für die Straßen, wurden besser bezahlt und bekamen Tagegeld auf Inspektionsreisen. 1578 wurde für den Stato Fiorentino (ohne Pisa, Siena und Pistoia) zudem eine neue Regelung für die Straßeninstandhaltung erlassen. Entscheidendes neues Prinzip war es, dass die Podestà, also die Bürgermeister der Städte und ihres Umlandes, als Zwischenebene zwischen Ufficiali dei fiumi einerseits und den Gemeinden/Kirchengemeinden andererseits eingeschaltet wurden. Die Podestà bekamen in diesem Zusammenhang eine rein administrative Aufgabe, leiteten Informationen, Anordnungen, Sanktionen bzw. Listen der bei der Ausführung von Instandhaltungsarbeiten abwesenden Gemeindemitglieder von der einen zur anderen Seite weiter und trugen alle Transaktionen in das öffentlich einsehbare libro delle strade e ponti ein. Auf diese Weise sorgten die Podestà dafür, dass sich Ufficiali dei fiumi und Gemeindevertreter nicht direkt begegneten und Bestechung schwierig war.118 Das Prinzip, die Bevölkerung vor Ort zu verpflichten, die Straßenarbeiten zum Teil selbst auszuführen, erwies sich aus zweierlei Gründen als sinnvoll: Zum einen war der größte Teil der Arbeiten die Bewegung von Erdreich, wofür keine speziellen Kenntnisse erforderlich waren; zum anderen wäre das Entsenden von entsprechend vielen Handwerkern, Fuhrwerken etc. in oft entlegene Gebiete nicht finanzierbar gewesen.

Der Bau von Erdfestungen mit gemauerten Kurtinen war ganz ähnlich organisiert. Diese Bauweise hatte ihren Höhepunkt unter Cosimo I (1537–1574), der die Fortifikation des Großherzogtums stark vorantrieb. In diesem Jahren wurde auch das Wissen um den Bau von Erdfestungen – von den technischen Angaben bis hin zur Organisation des Personals – in einem Traktat festgehalten, das (wohl aus strategischen Gründen) nicht veröffentlicht wurde, aber den Ingenieuren der Parte freilich sehr wohl bekannt war. Nicht weniger als 200 bis 250 Erdarbeiter (marraioli), die aus der lokalen Bevölkerung arbeitsverpflichtet wurden, kamen dabei im Idealfall auf einen gelernten Maurer119. Dennoch unterscheidet sich die Organisation des Straßenbaus von der des Festungsbaus insofern, als nur im ersteren Fall auch die Kosten für erforderliche Handwerker auf die Gemeinde umgelegt werden konnten, etwa indem auf den 1539 von Cosimo I eingeführten Zoll auf Arbeitstiere zurückgegriffen wurde. Zudem hatte Cosimo I im Jahre 1545 Steuerzuschläge auf die massa delle spese universali und auf den Zehnten eingeführt, um die Finanzierung der Arbeiten sicherzustellen.120

Bolognese 11.568
Firenze – Faenza 2.478
Firenze – Terra del Sole 7.168
Maestra del Mugello 4.623
Valtiberina 1.761
Maestra del Casentino 4.442
Maestra del Valdarno sup. 8.295
Volterrane 7.542
Pisana 6.659
Empolese 925
Romana 4.685
Firenze – Pistoia 2.511
di Firenze 1.381

Tab. 2.1: Kosten für Straßenbau und -instandhaltung im Zeitraum 1587–1608, Angaben in Scudi. Quelle: Gallerani and Guidi 1976, 329.

Tab. 2.1: Kosten für Straßenbau und -instandhaltung im Zeitraum 1587–1608, Angaben in Scudi. Quelle: Gallerani and Guidi 1976, 329.

Abb. 2.3: Parte Guelfa, Karte der Straßen, für deren Instandhaltung die Gemeinde von ‚S. Iacopo a la Zambuca‘ (Sambuca) verpflichtet war und strada maestra (im Bild dunkelgrau), 1580–1595 (© Archivio di Stato di Firenze, Regalia del Principato, vol. 1, c.178, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività culturali e del Turismo, Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.3: Parte Guelfa, Karte der Straßen, für deren Instandhaltung die Gemeinde von ‚S. Iacopo a la Zambuca‘ (Sambuca) verpflichtet war und strada maestra (im Bild dunkelgrau), 1580–1595 (© Archivio di Stato di Firenze, Regalia del Principato, vol. 1, c.178, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività culturali e del Turismo, Reproduktion nicht gestattet).

Zu den konkret ausgeführten Straßenbauarbeiten gibt es für das 13. und 14. Jahrhundert praktisch keine Quellen, da die Aufzeichnungen der Ufficiali di Torre und der Parte Guelfa (s. u.) durch einen Brand 1566 zum großen Teil verloren gegangen sind. Ab dem späteren 16. Jahrhundert und insbesondere für die Regierungszeiten von Francesco I (1574–87) und Ferdinando I (1587–1609) lässt sich hingegen nachvollziehen, wie die Bauarbeiten im Einzelnen durchgeführt wurden und welche Arbeitsteilung angestrebt wurde.121 Im Jahre 1582 wurden etwa Maurer und Handlanger für Arbeiten an der Straße zwischen Florenz und Siena bezahlt. Der capomastro Lorenzo Vestrucci schlug der Gemeinde Settignano in einem Gutachten vor, ein schadhaftes Straßenpflaster per mano di buono maestro reparieren zu lassen. Für Straßenpflasterungen, die auf Hauptstraßen die Regel waren, wurden in der Regel Handwerker bezahlt. Tabelle 2.1 zeigt – gegliedert nach Regionen – die Kosten für Straßenbau und -instandhaltung während der Regentschaft Ferdinands I (1587–1608). Es wird deutlich, welche Kosten die über Land führenden Hauptstraßen (z. B. ganz oben die Straße nach Bologna) im Vergleich zu innerstädtischen Straßen (ganz unten Florenz) verursachten.122 Die Straße bei Nipozzano wurde zu Zeiten Francescos I für 500 Scudi repariert. Sie musste aufgrund eines Erdrutsches neu trassiert werden. Über die Arbeit der Bauern hinaus (oltre all’opere de’ chontadini) war die Errichtung von Stützmauern und die Beseitigung von Unebenheiten erforderlich, für die ganz offenbar Fachleute bezahlt wurden.123 Im Jahre 1577 hatte ein Erdrutsch ein 230 m langes Stück der Hauptstraße Florenz – Bologna zwischen Raticosa und Filigare, d. h. an der Grenze zwischen beiden Territorien, zerstört. Die Straße war zunächst auf Kosten des Vicariato in Firenzuola notdürftig passierbar gemacht worden und sollte nach Vorstellungen des Großherzogs bzw. der Parte Guelfa auf einer Länge von 780 m neu trassiert werden (Abb. 2.4). Die Bologneser erzwangen jedoch die Reparatur der Straße an gleicher Stelle, um das Rasthaus in Scaricalasino zu erhalten.124 In der Romagna Fiorentina war die Situation der Straßen aufgrund der vielen Gebirgszüge besonders prekär. Hinzu kam, so wird der capomastro Vestrucci zitiert, dass den Bauern vor Ort sowohl der Willen wie auch die Fähigkeit fehle, Felsen abzuarbeiten und Stützmauern zu errichten. Hier wäre es erforderlich, so der capomaestro weiter, Fachleute zu bezahlen. Brückenreparaturen ließen sich hingegen ausschließlich mit Fachleuten machen. So kostete die Reparatur dreier Holzbrücken in der Romagna Fiorentina in den Jahren 1581–82 nicht weniger als 250 Scudi.125

Aus dem 17. Jahrhundert sind eine Reihe von Mitgliedern der Parte Guelfa bekannt, u. a. der Festungsbauingenieur Jacopo Ramponi und der Ingenieur Giuliano Ciaccheri (1644–1705). Ciaccheri betreute die Restaurierung des Palazzo di Fraternità in Arezzo und überwachte Bauarbeiten, Verträge und Bücher. Im Jahre 1685 entwarf er gemeinsam mit Francesco Coralli die Dekoration der Medici-Kapelle in Lappeggio und überwachte die Ausführung. Er plante den Palazzo Monte di Pietà in Arezzo (1701) und die Brücke am Romito (1703).126 Einer der bedeutendsten Ingenieure der Parte im 17. Jahrhundert war jedoch der Hofmathematiker Vincenzo Viviani (1622–1703). Sehr gut aufgearbeitet ist seine Rolle bei der Diskussion um die Reparatur der Florentiner Domkuppel in den Jahren 1694–97.127 Als Organisation überlebte sich die Parte Guelfa jedoch zunehmend und nachweislich ab dem 18. Jahrhundert kam es immer öfter vor – so klagte der Ingenieur Bartolomeo Vanni (1662–1732) – dass die Ingenieure korrupt waren und in die eigene Tasche wirtschafteten oder Aufträge nach Gutdünken verteilen. Baumaßnahmen überstiegen oftmals erheblich den Kostenrahmen oder wurden in Einzelfällen gar nicht ausgeführt. Im Jahre 1769 wurde die Parte Guelfa aufgehoben.128

Ein anderes Beispiel für eine Aufsicht führende Baubehörde sind die für die städtebauliche Entwicklung Roms zuständigen Maestri delle Strade. Diese waren nicht nur eine Verwaltungsbehörde, sondern dienten den Päpsten zur Durchsetzung ihrer jeweiligen Stadtentwicklungspolitik, die die Rolle der Stadt als Zentrum der katholischen Christenheit ästhetisch unterstreichen sollte.

Abb. 2.4: Darstellung des Erdrutsches zwischen Raticosa und Filigare auf der Straße Florenz-Bologna, 1577. (© Archivio di Stato di Firenze, Archivio dei Capitani di Parte Guelfa, Rapporti e Relazioni, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività culturali e del Turismo, Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.4: Darstellung des Erdrutsches zwischen Raticosa und Filigare auf der Straße Florenz-Bologna, 1577. (© Archivio di Stato di Firenze, Archivio dei Capitani di Parte Guelfa, Rapporti e Relazioni, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività culturali e del Turismo, Reproduktion nicht gestattet).

2.2.7 Maestri delle Strade, Rom

Die römische Institution der Maestri delle Strade ist bereits im 13. und 14. Jahrhundert dokumentiert und hat ihre Wurzeln in der Stadtverwaltung des antiken Rom. Aufgabe der Maestri war es, Streitigkeiten in Bau-, Grundstücks- und Wegerechtsfragen zu schlichten. Die Maestri hatten Jurisdiktion und wurden aktiv, sobald eine Anzeige von Privatleuten vorlag. Mit dem Statuto cittadino von 1363 erhielten die Maestri auch die Aufgabe, die öffentlichen Bereiche der Stadt und die Infrastrukturen zu pflegen und zu beaufsichtigen. Aber erst im Laufe des 15. Jahrhunderts begannen die technischen und administrativen Aufgaben zu überwiegen:129 Das regellose Wachstum der Stadt sollte gesteuert und den öffentlichen Belangen das gebotene Gewicht verschafft werden. Im Jahre 1410 wurden die vermutlich schon zuvor praktizierten Regeln im Statut der Magistri aedificorum urbis schriftlich festgehalten.130 Die Maestri erteilten Baugenehmigungen (licenze) und behielten die Jurisdiktion in Bausachen sowie die Aufgabe, sich um die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur zu kümmern. Dazu zählten die städtischen Straßen bis zehn Meilen vor der Stadtmauer, die Stadtmauer selbst, die Triumphbögen, die Brücken, die Brunnen, die Wasserleitungen und die Stadtreinigung. Darüber hinaus definierte das Statut die Ämter des Sottomaestro, des Assessors und des Notars, die den Maestri zugeordnet waren. Die Instandhaltungskosten für die Abwasserleitungen konnten auf die Anwohner umgelegt werden. Diese Regelung wurde in den folgenden Jahrzehnten auch für die Pflasterung der Straßen angewandt. Das Statut schloss eine Bezahlung der Maestri explizit aus, sprach ihnen aber gleichzeitig die Hälfte der von ihnen verhängten Strafen sowie einen Prozentsatz aus jedem verhandelten Prozess zu.131

Im Laufe des 15. Jahrhunderts gelangten die Maestri unter die Kontrolle des Papsttums, das sich seit Martin V. wieder in Rom etablierte. Mit einer Bulle aus dem Jahre 1425 änderte Martin V. zwar nichts Grundsätzliches am bestehenden Statut, behielt sich aber die Ernennung der beiden Maestri delle Strade vor.132 Im Jahre 1452 wurden unter Nikolaus V. die Statuten für die Maestri delle Strade überarbeitet. Die Dauer eines Mandats wurde auf ein Jahr festgelegt. Der Camera Apostolica stand jetzt die Hälfte und den Maestri sowie Anklägern jeweils ein Viertel der Strafzahlungen zu. Die Maestri mussten über ihre Amtshandlungen Buch führen. Ihr Zuständigkeitsbereich änderte sich nicht.133 Der Wunsch der Päpste, Rom zu einer Stadt umzuformen, die den universalen Anspruch des Christentums als Religion zum Ausdruck brächte, machte es erforderlich, die Maestri nicht nur wirkungsvoll zu kontrollieren, sondern sie als Hebel päpstlicher Stadtentwicklungspolitik zu verstehen. Solange die Maestri aber ihre finanzielle Unabhängigkeit bewahren konnten und weiterhin offiziell Teil der Kommunalverwaltung waren, gelang diese Kontrolle nicht in jedem Fall. Während Nikolaus V. sich im Jahre 1452 mit seiner Aufforderung an die Maestri, den Abriss aller Portiken und Vorbauten der Häuser durchzuführen und den Straßen ihren ursprünglichen Querschnitt wiederzugeben, durchsetzen konnte, sah sich Pius II. gezwungen, den Maestri noch einmal ausdrücklich zu verbieten, private Bauvorhaben auf öffentlichem Grund zu erlauben.134

Sixtus IV. gelang es dann, die Maestri zu kontrollieren, indem er ihnen jährlich 200 Fiorini d’Oro Gehalt zahlte und sie dem päpstlichen Camerlengo unterstellte. Um das Bauprogramm Sixtus’ umzusetzen, erhielten die Maestri im Jahre 1480 das Recht, Enteignungen und Abrisse vorzunehmen, wenn diese im öffentlichen Interesse lagen. Häuser, die für scomodi, also für unbequem erklärt wurden, konnten zu einem von den Maestri festgelegten „gerechten und angemessenen Preis“ (giusto e ragionevole) gekauft und abgerissen bzw. umgebaut werden. Aus der Gruppe möglicher Käufer wurde derjenige ausgewählt, dessen Bauvorhaben rasch umgesetzt werden und zum Dekor der Stadt am meisten beitragen konnte. Gleichzeitig wurden Strafen festgelegt, die bei Bauverzögerung fällig wurden. Bei den zahllosen Grundstücksgeschäften, die nach 1480 unter Vermittlung der Maestri zustande kamen, wurden diese ihrer Aufgabe entsprechend als commissarii specialiter deputati pro ornatu alme urbis (Sonderkommissare, die für das Dekor der ‚gütigen Stadt‘ [Rom] zuständig sind) bezeichnet.135 Unter Leo X. wurde die Magistratura delle Strade offiziell an die Gemeinde Rom zurückgegeben. Dies hatte aber keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidungsgewalt des Papstes. Während dieser festlegte, in welche Richtung sich die Stadt entwickeln sollte, bildeten die Maestri delle Strade die Exekutive.136 Seit Pius V. wurden jeweils zwei römische Patrizier zur Kontrolle der Finanzen der Magistratura delle Strade eingesetzt (motu proprio 1559). Beschwerden über die Einführung illegitimer Extrasteuern durch die Maestri hatten diesen Schritt erforderlich gemacht.137

Ab dem Jahre 1425 sind die Namen der Maestri delle Strade beinahe lückenlos bekannt.138 Viele der Maestri waren für ein Jahr im Amt, mehrfach wurden dieselben Personen aber bis zu drei mal hintereinander wieder eingesetzt und kehrten bisweilen nach einigen Jahren Unterbrechung erneut in das Amt zurück. Während – zumindest im 17. und 18. Jahrhundert – die Maestri selbst den höchsten sozialen Schichten Roms entstammten, waren die Sottomaestri oft Baufachleute.139 Im Jahre 1646 bekleideten unter anderem Francesco Borromini, Girolamo Rainaldi, Giovanni Battista Soria, Giovanni Antonio de Rossi und Vincenzo della Greca, also teils bedeutende römische Architekten das Amt von Sottomaestri140. Auch Alessandro Specchi (1702–28), Domenico Gregorini (1713–14) und Ferdinando Fuga (ab 1740) waren als Sottomaestri delle Strade tätig.141

Aus dem 17. Jahrhundert haben sich zwei Libri litterarum patentium mit Aufzeichnungen der Maestri delle Strade im Archiv der Doria Pamphilj erhalten, die einen Einblick in die Arbeit der Institution in den Jahren 1641–1655 geben.142 Schon die Durchsicht dieser Quellen zeigt, dass jeder Umbau eines Gebäudes, der eine Veränderung des physischen Erscheinungsbildes der Stadt bedeutete, einer Genehmigung bedurfte. In den Büchern wurde für komplexe Fälle zudem skizzenhaft festgehalten, wofür eine Genehmigung beantragt bzw. erteilt wurde. Die Vorgänge reichen von der Errichtung von Strebepfeilern im Straßenraum, der Überbauung von Gassen oder der Errichtung von Zugangstreppen zu Kirchen im öffentlichen Straßenraum, bis zur Beseitigung von Rücksprüngen bzw. der Begradigung von Palastfassaden. Letztere Maßnahmen bedeuteten für den Bauherrn einen Raumgewinn im Palastinneren und bereicherten gleichzeitig den Stadtraum um eine weitere repräsentative Fassade.

2.3 Bauplanung und Entwurf: Grundsätzliches

Planung ist die gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten, die zur Erreichung eines Zieles, in diesem Fall der Errichtung eines Bauwerks, notwendig scheinen. Dabei wird bedacht, mit welchen Mitteln das Ziel erreicht werden kann, wie diese Mittel verwendet werden können, und wie man das Erreichte nachprüfen kann. Der hier eingeführte Abschnitt ist „Bauplanung und Entwurf“ betitelt. Es gilt zunächst, zwischen beiden Begriffen zu unterscheiden. Unter „Entwurf“ versteht der vorliegende Text die Festlegung von Form, funktionaler bzw. räumlicher Aufteilung und die Benennung konstruktiver Grundprinzipien eines zu errichtenden Gebäudes. Wie es in der Frühen Neuzeit in der Regel der Fall ist, kann der Entwurf in maßstäblichen Zeichnungen oder Modellen festgehalten werden (siehe Abschnitt 2.7.1 und 2.7.2). In der Frühen Neuzeit überschneidet sich der hier verwendete Begriff „Entwurf“ weitgehend mit dem ab dem 16. Jahrhundert im damaligen Italien verwendeten Begriff des disegno. Disegno bezeichnet die Konzeption eines Kunstwerks (Gemälde, Skulptur, Architektur) mit dem Mittel der Zeichnung.143 Dabei geht es allein um die Konzeption des Bauwerks, nicht jedoch um die Vorbereitung seiner Realisierung. Der weiter gefasste Begriff „Bauplanung“ hingegen beschreibt neben dem Entwurf auch die Vorbereitung der Baustelle, die Beschaffung der notwendigen Baumaterialien bzw. die Organisation ihrer Herstellung und die Beauftragung von Bauleuten auf der Grundlage von konkreten Vorüberlegungen zu Konstruktion und Material des Gebäudes. Während diese Aspekte in den Abschnitten 2.2, 2.7, 2.8 und 2.9 des vorliegenden Kapitels Beachtung finden, geht es im hier eingeleiteten Abschnitt in erster Linie um den Entwurf. Die Unterscheidung von Entwurf und Bauplanung entspricht in dieser Klarheit zwar nicht immer der frühneuzeitlichen Baupraxis, ist für die Frühe Neuzeit in Italien aber dennoch sinnvoll, zumal es dort ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Accademia del Disegno in Florenz und der Accademia di San Luca in Rom Institutionen gab, die die Ausbildung von Künstlern und Architekten im Entwerfen übernahmen. Das Erlernen der übrigen Planungsaufgaben hingegen erfolgte nicht in den Akademien, sondern in der Künstlerwerkstatt bzw. (für Architekten) auf der Baustelle und im Büro (studio) eines erfahrenen Architekten.

Abb. 2.5: Straßengeviert an der Via Ripetta in Rom, ab 1513 bebaut (Archivio di Stato di Roma, Fondo Ospedale di San Giacomo, Bd. 1500, fol. 121v–122r; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e le Attività Culturali, ASR 39/2014; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.5: Straßengeviert an der Via Ripetta in Rom, ab 1513 bebaut (Archivio di Stato di Roma, Fondo Ospedale di San Giacomo, Bd. 1500, fol. 121v–122r; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e le Attività Culturali, ASR 39/2014; Reproduktion nicht gestattet).

Die Konzentration des Textes auf die Qualifikation und die Entwurfsausbildung der Architekten darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Praxis ein großer Teil der Bauten von Personen ohne Schulung in Entwurfsfragen entwickelt wurde. Diese Personen trafen nicht nur Entscheidungen hinsichtlich der Wahl der Bautechniken und der Vorbereitung der Baustelle (Planung im weiteren Sinne), sondern legten auch Form, Bautyp und die räumliche Konzeption der Bauten fest (Entwurf). Ein Beispiel dafür mag der Neubau einfacher Stadthäuser im Rom der Renaissance sein.144 Die Häuser im Umfeld der Via Ripetta wurden ab 1510 neu errichtet.145 Das Ospedale di San Giacomo vergab die Grundstücke in Erbpacht mit der Verpflichtung für die Pächter, ein Gebäude zu errichten (Abb. 2.5). Auch wenn die Bauten wenigen etablierten Typologien folgen,146 wird deutlich, dass jedem einzelnen Bau trotz Planung durch ungeschulte Personen ein Entwurfsprozess zugrunde liegt: Es wurde jeweils planvoll mit Grundstückstiefen umgegangen, die Belichtung der einzelnen Baukörper wurde wohl überlegt. Mauerstärken und Raumgrößen wiederholen sich. Ihre Wahl wurde offenbar von funktionalen und konstruktiven, d. h. am Ende ökonomischen Überlegungen geleitet.

Ein ganz anderes Feld der Planung ohne Architekten erschließt die Hausväterliteratur, zu der Torsten Meyer im vorliegenden Band ein Kapitel („Fokus: Bauherrenwissen in der Hausväterliteratur“) beigetragen hat. Dabei wird ebenfalls deutlich, dass Entwurf und Bauplanung nicht immer nur eine Sache von Fachleuten, sondern auch die von gebildeten Laien war. Ein Beispiel dafür sind die Angehörigen des niederen Adels, die ihre Güter zu verwalten hatten. Dazu gehörte auch das Errichten von entsprechenden Bauten.

2.4 Architekten: Vorbild, ‚Antike‘ und institutionelles Umfeld

2.4.1 Erforschung der Antike als Selbstausbildung der Architekten im 15. und frühen 16. Jahrhundert

Mit dem ausgehenden 14. Jahrhundert war ein qualitativ neues Interesse für die Architektur der Antike zu beobachten,147 verbunden mit dem Wunsch, die antiken Bautypologien, Proportionen und Gliederungssysteme, also den formensprachlichen Charakter der Architektur der Antike zum Vorbild für neue Bauten zu machen. Mit dem Paradigma ,Antike‘ wurde auch die Figur des Architekten wieder vorbildlich, dem theoretisch wie praktisch in zahlreichen Fächern ausgebildeten Kulturmenschen, wie Vitruv ihn beschreibt (Tabelle 2.2). Leon Battista Alberti (1404–1472) ist in diesem Punkt pragmatischer und sieht die Qualifikation des Architekten nicht in der perfekten Beherrschung vieler Disziplinen. Alberti hebt die Bedeutung des Zeichnens und des Modellbaus hervor, die unabdingbar sind, will man die Qualität einer geplanten Architektur bereits im Vorfeld der Realisierung bewerten können. Kenntnisse der Malerei und der Mathematik hält aber auch Alberti für entscheidend. Er forderte zudem, der Architekt solle Bauten studieren und eine Sammlung entsprechender Nachzeichnungen anlegen.148 Wer im 15. und 16. Jahrhundert Bauten konzipieren und errichten, also sich als Architekt betätigen wollte, war aufgefordert, sich theoretisch mit Architektur zu beschäftigen und Vitruv und die antiken Bauten und Ruinen zu studieren. Die humanistischen Fürsten und Päpste bedienten sich gern dieser an der Antike geschulten Architekten. Francesco di Giorgio wurde 1477 von Federico da Montefeltro nach Urbino gerufen – und sicher nicht zuletzt, weil er höchstwahrscheinlich im Zeitraum 1460–1470 in Rom die antike Architektur studiert hatte. Auch Giuliano da Sangallos Erfolg als Architekt von Lorenzo Il Magnifico in Florenz erklärt sich wesentlich aus seinem lebenslangen Interesse für antike Architektur.

Vitruv/Barbaro (1567) Ligorio (1553)
1. ‚Lettere‘ (Grammatica)
2. ‚Disegno‘ ‚Sculpire‘ ‚Dipingere‘ ‚Inventioni proportionabili‘
3. ‚Geometria‘ ‚Semetria‘ (Simmetria o Geometria?)
4. ‚Prospettiva‘ (Ottica) ‚Prospettrica‘
5. ‚Aritmetica‘ ‚Eremetrica‘ ‚Matematica‘
6. ‚Storia‘ ‚Historia‘
7. ‚Filosofia‘ ‚Philosophia‘ ‚Moralità‘
8. ‚Phisiologia‘
9. ‚Musica‘ ‚Hydraulica‘ ‚Musica‘
10. ‚Medicina‘ ‚Medicina‘
11. ‚Leggi‘ (Diritto)
12. ‚Ragioni del cielo e delle stelle‘ (Astronomia) ‚Astronomia‘ ‚Cosmographia‘
13. … ‚Geografia‘ ‚Topographia‘

Tab. 2.2: Disziplinen der Architekturausbildung. Quelle: Madonna 1980, 262.

Tab. 2.2: Disziplinen der Architekturausbildung. Quelle: Madonna 1980, 262.

Das Studium der antiken Kultur im weitesten Sinne und auch der antiken Architektur war ab dem späten 14. Jahrhundert von Florentiner Humanisten begonnen worden.149 Die ältesten erhaltenen Bauaufnahmen antiker Monumente in Griechenland, Kleinasien und Rom stammen von Ciriaco von Ancona und entstanden ab 1426.150Die am Studium der Antike Interessierten schlossen sich nach dem Vorbild der platonischen Akademie in Athen zu lockeren Gelehrten- und Künstlerzirkeln zusammen, die ab ca. 1450 den Namen Akademie annahmen.151 Im Zusammenhang mit dem Bauwesen besonders zu erwähnen sind der Zirkel, der sich im Hause des Kardinals Girolamo Riario in Rom traf und der 1486 die erste Neuauflage des antiken Vitruvtextes herausgab,152 sowie die römische Accademia Vitruviana, die in zwei Schaffensperioden (1534–1539 und 1541–1545) aktiv war. Entscheidende Persönlichkeit war Claudio Tolomei. Guillaume Philandriers Vitruvkommentar (1544) und seine neue lateinische Vitruvausgabe (1552) sowie Bartolomeo Marlianis Urbis Romae Topographia (1544) sind vermutlich als Ergebnisse der Arbeit der Akademie zu werten.153 Jacopo Barozzi da Vignola machte von 1537–1539 Bauaufnahmen für die Akademiker und bildete sich auf diese Weise zum Teil selbst zum Architekten aus. Philibert de l’Orme hatte bei seinem Studienaufenthalt in Rom 1533–1536 nachweislich Kontakt zur Akademie.154

Abb. 2.6: Sebastiano Serlio, Kolosseum in Rom, Fassadenaufriss und Details, aus dem 3. Buch des Architekturtraktats, Serlio 1540, LXIX, Bibliotheca Hertziana.

Abb. 2.6: Sebastiano Serlio, Kolosseum in Rom, Fassadenaufriss und Details, aus dem 3. Buch des Architekturtraktats, Serlio 1540, LXIX, Bibliotheca Hertziana.

Abb. 2.7: Sebastiano Serlio, Säulenordnungen, aus dem 4. Buch des Architekturtraktats (Serlio 1537, VI r, Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.7: Sebastiano Serlio, Säulenordnungen, aus dem 4. Buch des Architekturtraktats (Serlio 1537, VI r, Bibliotheca Hertziana).

Die Studien der antiken Architektur bauten aufeinander auf. Raffael nutzte für das Projekt, einen Plan des antiken Rom in seiner Gesamtheit zu erstellen, Bauaufnahmen, die Giuliano da Sangallo 1513/15 für Papst Leo X. gemacht hatte, und ließ von Baldassarre Peruzzi und Antonio da Sangallo dem Jüngeren 1518/20 weitere Aufnahmen machen. Raffaels Tod (1520) beendete das Projekt. Sebastiano Serlios drittes Buch (1540) ist dann die erste zusammenhängende systematische Veröffentlichung antiker Bauten. Sie vereinigt – wenn auch nicht vollständig, wie damals bereits bemängelt wurde – die soeben benannten Bauaufnahmen sowie Vermessungen, die Serlio selbst erstellt hatte (Abb. 2.6). Palladio griff für seine Beschreibung der antiken Bauten, d. h. für das vierte Buch seines Architekturtraktats aus dem Jahre 1570, wiederum auf die graphische Sammlung Serlios sowie auf Bauaufnahmen Labaccos zurück.155 Mit diesen Publikationen waren einerseits die Gestaltungsprinzipien für Bauwerke lehrbar geworden;156 andererseits hatten sich das Antikenstudium und im weiteren Sinne die aktive theoretische Auseinandersetzung mit der Architektur sichtbar etabliert. Ziel des Studiums der antiken Bauten und Ruinen und des Studiums des Vitruvtraktats war es, die Prinzipien der römisch-antiken Architektur (Morphologie und Proportionssysteme) herauszukristallisieren, zu systematisieren und damit für den Entwurf neuer Bauten all’antica zur Verfügung zu haben. Entscheidend wurden dabei die Säulenordnungen, in denen die Renaissance-Architekten die Essenz antiker Formensprache erkannten. Die Säulenordnungen sind in der Renaissance viel stärker systematisiert worden, als sie dies in der Antike je gewesen waren. Serlio stellte sie 1537 erstmals in einer Abbildung zusammen (Abb. 2.8). Vignolas Traktat von 1562 widmete sich dann den Säulenordnungen allein und wurde einer der erfolgreichsten Architektur-Texte der Frühen Neuzeit.

2.4.2 Entwurfsleitendes Motiv ‚Antike‘

Welche programmatische Wirkung das Erreichen und Übertreffen der Antike als entwurfsleitendes Motiv im 15. und frühen 16. Jahrhundert hatte, wird im Brief Raffaels an Papst Leo X. exemplarisch deutlich.157 Andere Aspekte des Briefes werden unten im Zusammenhang mit den Architekturzeichnungen erörtert. In seinem Brief beschrieb Raffael die Größe und Qualität der Architektur der Antike sowie die in jeder Hinsicht schlechte Qualität der Bauten aus der Zeit der Goten (also dem Mittelalter) in Rom. Bramante wird explizit als derjenige Architekt bezeichnet, der das Niveau der Architektur der Antike zurückgewonnen habe.158 Was in der Architektur in den etwa hundert Jahren vor Raffael Programm gewesen war, kommt im folgenden Satz deutlich zum Ausdruck: Ma più presto cerchi Vostra Santità, lasciando vivo il paragone degli antichi, agguagliarli, e superarli; come ben fa con grandi edificj, col nutrire, e favorire le virtuti, risvegliare gl’ingegni, dar premio alle virtuose fatiche, spargendo il santissimo seme della pace tra li Principi Cristiani: … (Eure Heiligkeit möge baldmöglichst versuchen, unter Beibehaltung des Vergleichs mit den Antiken, diesen gleichzukommen und sie zu übertreffen; wie Sie es richtig machen mit großen Gebäuden, mit dem Nähren und Befördern der Tugenden, dem Wiedererwecken der Begabungen, dem Prämieren tugendhafter Mühen und mit dem Verbreiten des heiligen Samens des Friedens unter den christlichen Fürsten).159 Auf der einen Seite soll also die Antike lebendig gehalten werden, auf der anderen Seite soll man darüber hinausgehen. Der Papst solle die Bauten und Ruinen der Antike erhalten, damit der Maßstab für die Bewertung der modernen Bauten erhalten bleibe. Dem Papst wird zudem die Leistung zuerkannt, die Antike übertroffen zu haben, da er große Bauten in Auftrag gebe.

Wie gingen die Architekten mit dem entwurfsleitenden Motiv ,Antike‘ um? Um diese Frage im Sinne einer Wissensgeschichte der Architektur anzugehen, sollen im Folgenden einige Aspekte angesprochen werden. Zudem sei verwiesen auf den Abschnitt 2.9, wo es unter anderem um die Realisierung einer Formensprache all’antica mit den im 15. Jahrhundert zur Verfügung stehenden Bautechniken sowie um die Verwendung antiker Spolien in der Architektur der Renaissance geht. Im Abschnitt 2.11 wird beleuchtet, in wie weit an dieser Schnittstelle baukonstruktive Innovation passiert.

Abb. 2.8: Raffael, Chigi-Kapelle in Santa Maria del Popolo, Rom, ab 1513. Einblick in die Kapelle aus dem Seitenschiff der Kirche. (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.8: Raffael, Chigi-Kapelle in Santa Maria del Popolo, Rom, ab 1513. Einblick in die Kapelle aus dem Seitenschiff der Kirche. (Foto: H. Schlimme).

Filippo Brunelleschi (1377–1446), der mehrmals zum Antikenstudium in Rom gewesen war, brachte die Nachahmung der Details antiker Architektur (wie etwa der Kapitelle) auf ein sehr hohes Niveau und vollzog die Logik der Sprache der antiken Architektur nach. Er wandte die antiken Gliederungssysteme, etwa die Säulenordnungen mit ihrer charakteristischen Morphologie (Säule und Architrav) auf seine Bauten an, wobei das Ziel, die Systematik der antiken Architektursprache durchzuhalten, bisweilen zu eigentümlichen Details führte. Wie wichtig Brunelleschi gerade die Logik der Säulenordnungen war, zeigte sich, als er die Erweiterung des von ihm ab 1419 errichteten Findelhauses durch Francesco della Luna kritisierte. Brunelleschis Biograph Manetti berichtet, dass Brunelleschi das senkrechte Herunterwinkeln des Hauptarchitravs der Fassade als „Fehler“ bezeichnete, da es der Logik der antiken Architektursprache widerspreche. Damit begründete Brunelleschi das erfolgreiche Konzept der korrekt ausgebildeten Säulenordnung, das aus der Architektur bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr wegzudenken sein sollte.160 Das Wechselspiel zwischen der korrekt ausgebildeten Säulenordnung und den Freiheiten, die sich die Architekten nahmen, diese zu verändern (licenze), waren eines der architekturtheoretischen Kernthemen der Frühen Neuzeit.161

Ein Beispiel für einen anders gearteten Umgang mit der Antike ist der Bau bzw. der grundlegende Umbau des Palazzo del Podestà in Bologna, der im Jahre 1438 begann und sich durch das ganze 15. Jahrhundert zog. Dabei wurde die Kombination aus Architekturelementen eines lokalen, mittelalterlich geprägten Repertoires mit der Architektursprache der römischen Antike, die in Bologna nicht baulich vor Augen stand, bewusst angestrebt.162 In der Auseinandersetzung mit Antike und lokaler Tradition entstand in vielen Städten Italiens im 15. Jahrhundert eine jeweils individuelle Baukultur. Zu den Einzelbauten des 15. Jahrhunderts, die eine solche Überlagerung antiker und lokaler Baukulturen zeigen, gehören nach Schofield auch Sant’Andrea in Mantua (Alberti) oder die Canonica di Sant’Ambrogio in Mailand (Bramante). Viele der Detaillösungen an diesen Bauten (auch Basen oder Kapitelle) lassen sich nicht mit dem Repertoire der Architekten in Einklang bringen. Neben der üblichen Erklärung, die Architekten hätten aufgrund der Arbeitsteilung die ausführenden Handwerker nicht kontrollieren können, benennt Schofield die Möglichkeit, dass die Architekten gestalterische Lösungen, die den lokalen Bautraditionen entstammten, möglicherweise programmatisch anwandten.163

Wie ging der bereits zitierte Raffael in seinen Entwürfen mit dem entwurfsleitenden Motiv ,Antike‘ um? Ray sieht bei Raffael sowohl den Einfluss Bramantes als auch den der Antike. Raffael gehe aber über beide deutlich hinaus. In der Cappella Chigi in Santa Maria del Popolo (ab 1513, Abb. 2.7) sei der Bezug zur Vierung von St. Peter evident, andererseits verwiesen der Eingangsbogen und zahlreiche Details auf das Pantheon. Dennoch sei der Kapellen-Raum von den Vorbildern gleichermaßen weit entfernt. Ray sieht im Kontrast der weißen Marmorordnung mit dem polychromen Hintergrund, im Mosaik und in den vergoldeten Rippen der Kuppel und der Dosierung des Lichts Elemente, die die Fähigkeit Raffaels zeigten, über seine Vorbilder hinauszugehen.164

Abb. 2.9: Sebastiano Serlio, schrittweiser Entwurf einer Kirchenfassade aus dem 4. Buch des Architekturtraktats, Serlio 1537. (Quelle: Schlimme 1999a, 190, mit freundlicher Genehmigung des Michael Imhof Verlags).

Abb. 2.9: Sebastiano Serlio, schrittweiser Entwurf einer Kirchenfassade aus dem 4. Buch des Architekturtraktats, Serlio 1537. (Quelle: Schlimme 1999a, 190, mit freundlicher Genehmigung des Michael Imhof Verlags).

Mit der Villa wurde ein Bautypus aus der Architektur der römischen Antike übernommen, der im traditionellen Bauwesen am Anfang der Frühen Neuzeit nicht vorhanden war. Ein Beispiel ist Raffaels Villa Madama (ab 1518). In Raffaels Entwurf interagieren die Kenntnis der antiken Villen, die Lektüre der Schriften Plinius‘ des Jüngeren und Columellas und die Auseinandersetzung sowohl mit den Palast- und Thermenbauten der römischen Antike, als auch mit Peruzzis Farnesina, Bramantes Belvederehof und dem Werk Giuliano da Sangallos und Francesco di Giorgios. Raffael fügte Räume, Höfe, Terrassen, Gärten und Grotten zu einem überzeugenden Ganzen. Ray sieht hier eine Analogie zum Konzept der Eloquenz und damit eine Spiegelung der Ciceronischen Kultur, die in den ersten 20 Jahren des 16. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielte. Als Ziel der Rhetorik beschreibe Eloquenz das Verschmelzen und Vermitteln von Elementen mit dem Ziel, ein Gesamtbild und ein kohärentes Programm zu generieren. Das zu einem überzeugenden Ganzen gefügte bauliche Repertoire der Villa Madama, die ein gleichermaßen antiker wie aktueller Bau sei, stehe so letztlich für das Programm, Rom und die Kirche als Einheit darzustellen.165

Serlio ist es schließlich, der in sein Buch über antike Architektur (3. Buch, 1540) auch ,moderne‘ Bauten von Bramante, Peruzzi und Raffael einfügte.166 Serlio sagt, er habe zwar am Anfang des Buches angekündigt, allein über antike Architektur zu sprechen, er wolle aber auch über einige moderne, zeitgenössische Bauten sprechen, zumal sein Jahrhundert zahlreiche bellissimi ingegni in architettura zu bieten habe. Damit enthält er sich zwar einer vergleichenden Wertung, aber die Tatsache allein darf so interpretiert werden, dass die Zeitgenossen damals den Eindruck gewonnen hatten, man habe seinen Anspruch, die Qualität der Architektur der Antike zu erreichen, eingelöst. Auch Vasari erklärt in der Widmung seiner Vite, die Künste seien in Rom und auch in Florenz zum höchsten Grad der Perfektion gelangt.167 Dabei war zum einen die Entwurfsqualität entscheidend, zumal Serlio ja teilweise lediglich Entwürfe abbildet. Zum anderen spielte die Dimension gerade der Entwürfe für St. Peter eine maßgebliche Rolle. Man war sich bewusst, gerade durch die Realisierung so großer Bauten die Antike zu erreichen. Entscheidend war dabei aber die Dimension der Bauten und ihre technische Bewältigung als solche, nicht jedoch das Übernehmen einer bestimmten Bautechnik aus der Antike.

Lassen sich aus den qualitätvollen Entwürfen eines Bramante, eines Peruzzi oder eines Raffael allgemein anwendbare Entwurfsmethodiken ableiten? Serlio zumindest beschreibt in seinem vierten Buch (1537) beispielhafte Entwurfsprozesse Schritt für Schritt. So erläutert er, wie man eine Kirchenfassade entwirft (Abb. 2.9).168 Der Leser mag den Eindruck gewinnen, durch die Lektüre des Buches das Entwerfen zu lernen. Das war Anlass für Kritik. Der lombardische Maler und Kunstschriftsteller Giovanni Paolo Lomazzo (1538–1600) beklagte sich, Serlio habe durch sein dilettantisches Werk mehr Pfuscherarbeiten verschuldet als er Haare im Bart gehabt habe. Er, Lomazzo, verachte

…certi architetti prattichi intorno alle fabbriche solamente per via di materia e discorso di fare, senza alcuna invenzion loro, di quali ne è piena tutta l’Italia, mercè [sic] di Sebastiano Serlio, che veramente ha fatto piú mazzacani architetti, che non aveva egli peli in barba.169

Man kann es auch positiv formulieren: Dank der Architekturtraktate war der Architektur-Entwurf lehrbar geworden. Entscheidend in diesem Zusammenhang sind die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründeten Akademien in Florenz und Rom, die eine mehr oder weniger formalisierte Ausbildung im Entwerfen anboten.

2.4.3 Die Accademia del Disegno

Die Accademia et Compagnia dell’Arte del Disegno170 (kurz: Accademia del Disegno) ist von der Forschung umfassend bearbeitet worden.171 Im folgenden Unterabschnitt geht es um das Selbstverständnis der Architekten und ihre Rolle in der Akademie. Zudem geht es um die Rolle der Theoretiker und der dilettanti. Diese trugen zur Schaffung einer Atmosphäre bei, die die etablierten und die jungen Architekten zum Selbststudium und zur Reflektion über das eigene Tun anregten.

Die Accademia del Disegno wurde im Jahre 1563 unter Federführung von Giorgio Vasari (1511–1574) und Vincenzo Borghini (1515–1580) gegründet.172 Ausgangspunkt der Akademiegründung war die im Laufe von zwei Jahrhunderten gereifte Überzeugung, dass die Konzeption eines Gemäldes, einer Skulptur oder einer Architektur einen intellektuellen Anspruch habe. Das daraus resultierende neue Selbstverständnis der Künstler und insbesondere das des Architekten als Künstler wurde mit der Akademie institutionalisiert. Entscheidend ist der Begriff disegno. Vasari verstand darunter sowohl die aus Einsicht in die Prinzipien der Natur gewonnene Konzeption eines Bau- oder Kunstwerks als auch seine zeichnerische Darstellung.173 Die Akademie sollte sowohl Vereinigung etablierter Künstler als auch Bildungsstätte für den Nachwuchs sein. Zwar sind bereits für das frühe 16. Jahrhundert Diskussions- und Zeichenrunden von Künstlern bezeugt, etwa die Florentiner Akademie des Baccio Bandinelli; mit der Accademia del Disegno wurde jedoch erstmals eine Akademie unter direkter Beteiligung des Staates gegründet. Sie bekam auf diese Weise eine offizielle Rolle. Herzog Cosimo I. de Medici (seit 1569 Großherzog) hatte die Statuten der Akademie im Jahre 1563 genehmigt und wurde Ehrenvorsitzender der Akademie – neben Michelangelo, der aus Unmut über die Alleinherrschaft der Medici Florenz für immer verlassen hatte, aber dennoch den Anspruch der neuen Florentiner Organisation verdeutlichen sollte. Einerseits waren die Künstler jetzt direkt von den Medici abhängig; andererseits stand man dadurch auf Augenhöhe mit anderen Institutionen des Großherzogtums. Vor allem die Inkorporation der Akademie als Gilde im Jahre 1571 bedeutete eine neue Unabhängigkeit der Künstler gegenüber den Handwerkergilden, in denen die Künstler bis dahin lediglich eine Nebenrolle gespielt hatten. Ab diesem Zeitpunkt war es für Maler nicht mehr erforderlich, Mitglied in der Arte dei Medici e Speziali zu sein, Bildhauer und Architekten mussten nicht mehr der Arte dei Fabbricanti angehören.174

Wer wurde Architekt in der Renaissance? Die Architekten der Renaissance verstanden sich als Künstler des disegno. Diese Betonung des künstlerischen Anteils an der Arbeit des Architekten kann als Tendenz lange zurückverfolgt werden. Im Jahre 1334 war mit Giotto ein Maler, also kein Baupraktiker, wohl aber ein Fachmann für Gestaltungsfragen, Dombaumeister in Florenz geworden. In der Renaissance stellten die Bildkünstler einen großen Anteil an der italienischen Architektenschaft. Es gab immer Architekten, die ein Bauhandwerk gelernt hatten, wie Antonio da Sangallo der Jüngere (Zimmermann) oder Andrea Palladio (Steinmetz). Zahlreiche Architekten kamen aus gebildeten Schichten, so z. B. Francesco del Borgo (Kleriker), Fra’ Giocondo (Dominikanerpriester) oder Leon Battista Alberti (Jurist). Eine große Zahl kam hingegen aus den Bildkünsten, so etwa Filippo Brunelleschi (Goldschmied), Lorenzo Ghiberti (Bronzebildhauer, Goldschmied, Maler), Filarete (Bildhauer), Giuliano da Sangallo (Bildschnitzer und Intarsiateur), Baldassarre Peruzzi (Maler), Raffael (Maler). Baukonstruktion und praktische Bauausführung mussten diese Architekten der Tendenz nach den Fachleuten überlassen. Wenn auch der Entwurf eines Bauwerks schon in den Jahrhunderten zuvor als Tätigkeit höchste Wertschätzung besaß,175 so ist im 15. und 16. Jahrhundert darüber hinaus eine zunehmende Trennung von Entwurf und Ausführung von Bauten zu beobachten. Die Konzeption eines Bauwerks wurde im Verlauf der Frühen Neuzeit zunehmend als eigenständige intellektuelle Leistung verstanden. Als Ergebnis der Arbeit des Architekten galt mehr und mehr der in Zeichnungen dargestellte Entwurf, der dann in einem zweiten Schritt realisiert wurde. Wenn die Architektur eine der drei Disziplinen in der Florentiner Akademie wurde, so ist das vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich – auch wenn dies damals keineswegs unumstritten war: Burioni analysiert, dass in der Diskussion um die Statuten der Accademia del Disegno die Wesensbestimmung der Architektur, die Teil von Kunst, Handwerk und Technik ist, ein großes Thema war – gerade für eine Institution, die auf dem Konzept des disegno gründete. Kunst, Handwerk und Technik waren bis ins 16. Jahrhundert Aspekte des übergreifenden Konzepts Ars/Arte und differenzierten sich erst langsam aus. Auf diesen Prozess dürften die Diskussionen in der Accademia del Disegno einen gewissen Einfluss gehabt haben.176 Die Architektur umfasst Tätigkeitsfelder, die klar den Künsten des disegno zuzuordnen waren, wie der Entwurf, und solche, von denen die Akademiker sich deutlich abgrenzen wollten, wie etwa Technik oder handwerkliche Bauausführung. Wer sollte also als Architekt in die Akademie aufgenommen werden? Die Unsicherheiten spiegeln sich in den Statuten der Akademie wider. Während die Statuten vom Januar 1563 Architekten gleichberechtigt neben Malern und Bildhauern sahen, wurde im Ergänzungsstatut vom Juli 1563 verfügt, dass nur Maler und Bildhauer in die Akademie aufgenommen werden sollten. Das interpretiert Burioni so, dass Maurer, Festungsingenieure etc., die durch ihre Rollen auf den Baustellen letztlich alle zu Architekten wurden, nicht aufgenommen werden sollten, sondern nur Architekten, die auch Maler oder Bildhauer waren.177 Auch Vincenzo Borghini kritisierte die Architektur, indem er schöne und nützliche Künste unterschied: Die nützlichen Anteile der Architektur, also ihre handwerklichen und technischen Aspekte, hätten keinen Platz in der Akademie.178 Das förderte eine ästhetische Architekturauffassung. Tatsächlich entstanden im Rahmen der Akademie Traktate, die allein der Formensprache gewidmet sind, wie etwa die Abhandlung von Gherardo Spini.179 Die vitruvianische Einheit aus Bauschmuck und Mechanik war getrennt. Architektur wurde als Kunst verstanden, der Architekt als Künstler. Die technischen Aspekte traten zurück.180 Das bedeutete jedoch keineswegs, dass die Bautechnik kein Problem mehr darstellte. Auf der Baustelle waren baukonstruktive Fragen immer wieder eine große Herausforderung (siehe Abschnitt 2.9).

Welches waren die Prinzipien der Ausbildung an der Florentiner Akademie? Quellen dafür sind zunächst die Statuten der Akademie vom Januar 1563,181 die aber nur die formalen Regeln der Ausbildung betreffen und kaum inhaltlich werden. Schon im ersten Kapitel der Statuten wird erklärt, man wolle eine Akademie und Studienmöglichkeit bzw. Universität schaffen, die den jungen Leuten (giovani) diene, die die Künste Architektur, Malerei und Skulptur lernen wollten.182 Die Kapitel XXXII bis XXXV der Statuten handeln von den Pflichten der Akademie gegenüber den giovani. Für jedes Fach wurde ein Meister bestimmt. Die Meister besuchten die giovani in ihren Werkstätten, signalisierten die begabten Schüler in der Akademie, wo sie in eine Liste eingetragen werden konnten und dann vier mal im Jahr Zeichnungen einreichen mussten. Wer mit seinen Zeichnungen wiederum hervorstach, bekam Aufträge für die Dekoration der Feste der Akademie. Die Ausbildung an der Akademie war nicht strikt geregelt. Das bestätigt der aus Genua stammende Akademiker Giovanni Battista Paggi (1554–1627), der in einem Brief an seinen Bruder schrieb, dass man an der Akademie eher die individuellen Leistungen als die Ausbildungsjahre in den Vordergrund stellte.183 Das neue Selbstverständnis ermöglichte es, individuelle Begabung zu fördern, Talent und Erfolg zu verkoppeln, die Fortentwicklung der Kunst durch Konkurrenz zu suchen. Ein Mindeststandard, den einzuhalten für den Eintritt in eine traditionelle Gilde ausreichte, wurde dagegen abgelehnt.

An der Akademie wurden regelmäßige Mathematik-Vorlesungen organisiert.184 Mathematik galt als der Schlüssel, um die sichtbare Welt zu verstehen. Wer die mathematischen Grundlagen der Natur, d. h. Geometrie, Perspektive, Arithmetik und damit auch die der Natur innewohnenden Proportionssysteme begriffen hatte, konnte die Natur in Kunstwerken darstellen bzw. neue Kunst- und Bauwerke im Sinne der Naturregeln konzipieren. Von diesen mathematischen Wissenschaften oder auch Künsten gewinne die Malerei Perspektive und Symmetrie. „Symmetrie“ meint in der Malerei-Theorie ebenso wie in Albertis Architekturtraktat das harmonische Verhältnis der Teile zum Ganzen, d. h. letztlich Proportionssysteme.185 Neben der Mathematik war die Anatomie Teil des Lehrprogramms der Akademie und Akademiker wie giovani hatten einmal im Jahr die Gelegenheit, an einer Leichensektion im Ospedale Santa Maria Nuova teilzunehmen. Auch für Architekten wurde das Studium der Anatomie und des menschlichen Körpers als essentiell angesehen.186

Eine architekturspezifische (Entwurfs-)Lehre an der Accademia del Disegno ist über mehrere Quellen nachweisbar. Dazu gehören neben den Statuten v. a. Aussagen Gherardo Spinis (1538–nach 1570), der am Anfang seines Traktatmanuskripts über die Diskussionen berichtet, die er in der Accademia del Disegno über sein Traktat gehabt hatte.187 Spinis Werk behandelte die Säulenordnungen und die Sprache der antiken Architektur. Auf diesem Thema lag ein Schwerpunkt der Diskussionen in der Akademie.188 In seinem Brief vom 22. August 1582 drängte Bartolomeo Ammannati (1511–1592) darauf, die regelmäßigen Treffen der Akademiker als Diskussionen über Themen der Malerei, Skulptur und Architektur zu gestalten.189 Wir dürfen also davon ausgehen, dass zumindest in den Zeiträumen von Oktober 1564 bis Mai 1565 sowie von Mai 1570 bis Oktober 1570,190 als Ammannati einer der drei Konsuln der Akademie war, zahlreiche Vorträge und Diskussionen insbesondere zur Architektur stattgefunden haben. Neben der Diskussion der Traktate von Vitruv, Alberti, Vignola, Serlio und Palladio, die zweifellos bekannt waren, ging es sicher auch um die Traktatprojekte der Accademici del Disegno, allen voran das Traktat von Ammannati selbst, das Zeit seines Lebens im Entstehen begriffen war. Es trug den Titel La città und beschrieb die Bauten einer idealen Stadt, die allesamt im Grundriss dargestellt sind.191 Giorgio Vasari der Jüngere (1562–1625) schrieb nach Ammannatis Vorbild das ganz ähnlich konzipierte Traktat La città ideale.192 Dass Ammannati sein Traktat auf die Bedürfnisse seines Arbeitgebers ausrichtete, erscheint plausibel. Vasari hatte ähnliche Ambitionen.193 Möglicherweise wollte die Akademie Architekten so ausbilden, dass sie Bauten in einem ,offiziellen Stil‘ des Medici-Staates entwerfen konnten. So wäre die Rolle der Akademie innerhalb der Maschinerie des neuen Staates gestärkt und dem Großherzog ihre Nützlichkeit bewiesen worden.

2.4.4 Die Querelle des Anciens et des Modernes

Für die ästhetischen Diskussionen der Aufklärung war die Frage des Geschmacks von besonderer Bedeutung, womit die Bedienung des Geschmacks (in Italien des buon gusto) in der Folge auch für die entwerfenden Architekten immer relevanter im Sinne einer den Entwurfsprozess motivierenden Zielsetzung wurde. In Frankreich hatte die Thematik bereits im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts in der Querelle des Anciens et des Modernes eine große Rolle gespielt: einer kulturellen, auch von der Architekturtheorie aufgegriffenen Debatte über das Verhältnis zwischen Moderne und Antike, die in Frankreich zur Zeit Ludwigs XIII. aufgekommen war und wichtige Impulse dafür geliefert hatte, Architektur auf der Basis eines vernunftgeleiteten ästhetischen Urteils hinsichtlich ihrer zeitgemäßen Einsetzbarkeit und unter Berücksichtigung des veränderten nationalen Selbstverständnisses zu definieren. Sie stand in direktem Bezug zur Infragestellung einer Absolutsetzung der Antike als alleingültigem Maßstab, wie sie von den ‚Modernen’ propagiert wurde.194 Zwei der Hauptvertreter einer derart subjektiven und relativierenden Architekturästhetik waren die Brüder Claude und Charles Perrault.195 An der 1671 auf königliche Verordnung begründeten Pariser Académie Royale d’Architecture sollte mit Hilfe von Resolutionen eine bindende Architekturlehre formuliert werden, in der man auch ein Mittel sah, den Ruhm der königlichen Baukunst und damit der den Staat verkörpernden Person Ludwigs XIV. zu vergrößern, und die zu diesem Zweck letztlich in eine normative Architektur-Ästhetik münden sollte. Zu den grundlegenden Anschauungen der Akademie zählten als Ausgangsbasis aller Betrachtungen vor allem die cartesianische raison und mit ihr die Geometrie als Grundlage aller Schönheit sowie ein fester Glaube an die Autorität der Antike. Erfahrung und Verstand wurden als Kontrollmechanismen angesehen, erstere zur Überprüfung der Vernunft und letzterer als Schutz vor Fehlern. Absicht war es, in Frankreich einen ordre général als Ausdruck einer beauté universelle zu etablieren. Man ging davon aus, nur die Imitation der Antike führe zu eigener Perfektion und Größe. Die mittelalterliche Architektur wurde negativ bewertet, und Michelangelo sah man für jene zunehmend freiere Handhabung der architektonischen Regeln verantwortlich, die schließlich in den individuellen Werken des italienischen Hochbarock mit ihren mathematisch anspruchsvollen Raumkompositionen, z. B. von Francesco Borromini und Guarino Guarini, kulminierte.196

Die Erörterung des bon goût im Jahre 1672 führte angesichts der Bewusstheit des subjektiven Charakters von Geschmack zu der vorläufigen Einigung, dass man als geschmackvoll bezeichne, was intelligenten Menschen gefalle.197 Die Bindung des Geschmacks an die Urteilsfähigkeit bestimmter Personenkreise sollte verhindern, dass die Bildung ästhetischer Kriterien, mit Hilfe derer man ja die angestrebte Normativität herzustellen gedachte, insgesamt in Frage gestellt würde.198 François Blondel (1617–86), ausgebildet in erster Linie als Ingenieur und Mathematiker, glaubte daran, dass die Formen der Antike noch vervollkommnet bzw. neue Formen hinzuerfunden werden könnten. Die von Blondel im fünften Buch seines Cours d’Architecture (1683) ausgetragene Polemik gegen Claude Perrault zeigt jedoch, dass das entwicklungsgeschichtliche Denken, welches er in Bezug auf die antiken Formen bezeigte, die er als nicht normativ akzeptierte, sich nicht ebenso auf den Proportionsbegriff übertrug. Unter Berufung auf Alberti legte er argumentativ dar, dass die Proportionen eines Gebäudes nicht veränderbar seien und verwahrte sich gegen Perraults Ansicht, in Kunstwerken nur den effet du genie & de l’experience (das Resultat des Genies und der Erfahrung) zu sehen. Für Blondel besaß die Proportionslehre eine feste natürliche Grundlage, war daher unveränderlich und blieb als cause de la beauté dans l’architecture (als Ursache der Schönheit in der Architektur) bindend, obwohl er eingestand, dass andere Bereiche von Architektur auf Gewöhnung beruhten.199 Claude Perrault (1613–88) hingegen bezweifelte eine Naturgegebenheit der architektonischen Proportion. Unabhängig von den Verhältnissen des menschlichen Körpers besitzt die Architektur nach Perrault ihre eigenen Proportionsregeln, die von der Art des Bauens abhängig sind. Für ihn waren Proportionen nicht mehr normativ beschreibbar, sondern établie par un consentement des architectes (durch eine Übereinkunft der Architekten festgelegt), welches auf Gewohnheit und Tradition beruht.200 Claude Perrault und sein Bruder Charles (1628–1703) formulierten zwei ästhetische Grundkategorien für Architektur – das positive und das arbiträre Prinzip –, wodurch sie Vitruvs Architekturästhetik auf empfindliche Weise modifizierten.201 Mit dem positiven Prinzip wurde erstmals die Funktion eines Gebäudes zur ästhetischen Prämisse erhoben; solidité, salubrité und commodité, jetzt als Grundlagen der Schönheit verstanden, gewannen fundamentale Bedeutung. Die beauté arbitraire bezeichnet den künstlerischen, aber durch Gewohnheit limitierten Freiraum; auch sie besitzt in gewisser Weise positive Grundlagen, die Perrault mit der convenance raisonnable und der aptitude que chaque partie a pour l’usage auquel elle [das Gebäude] est destinée (Eignung, die jeder Teil für die Nutzung im Rahmen der Funktion des Gebäudes hat) beschrieb,202 womit die arbiträre Schönheit als ein durch gesellschaftliche Konventionen bestimmtes Schönheitsempfinden charakterisiert werden kann.203 Ein entscheidendes Charakteristikum positiver Schönheit bestand nach Claude Perrault in der Symmetrie im modernen Sinne axialer Spiegelbildlichkeit. Die Dogmatisierung der Symmetrie im Klassizismus als nahezu zwingendes Kriterium für Schönheit war hier theoretisch verankert. Die Proportion als zweite Komponente des hergebrachten Symmetriebegriffs bildete für Perrault nur einen Bestandteil der beauté arbitraire, ist also veränderbar; damit wurde die Proportionslehre ihrer normativ-ästhetischen Grundlagen beraubt. Die Relativierung der Proportion als empirischer Begriff bedeutete eine einschneidende Veränderung gegenüber zentralen Aussagen der früheren Architekturtheorie. Perrault wollte aber die Proportion nicht aufheben, sondern sich von einem zu starren Verständnis lösen. Ihm war dabei an der Aufrechterhaltung der Grazie gelegen, die nur durch eine agreable modification der Proportion gewährleistet bleibt, wobei der bon goût die Spanne bestimmt, innerhalb derer Bauwerke unterschiedlicher Proportionen noch als gleich schön empfunden werden, d. h. was letztlich angenehm ist.204 Während der Bruder Charles den Kriterien der positiven Schönheit die überlegene Stellung zuerkannte, ist das Verhältnis, das positive und arbiträre Schönheit zueinander einnehmen, in den Schriften Claude Perraults umgekehrt, wo der arbiträren, subjektiven Schönheit der Vorrang gegeben ist. Letztere wird durch einen psychischen Prozess geregelt, bei dem der Wahrnehmungsakt einem auf Bildungs- und Erfahrungswissen beruhenden Urteil unterzogen wird.205 Als Kontrollinstanz beruft Perraults relativistische Architekturästhetik sich auf den bon goût, der nach ihm auf der Kenntnis von positiver und arbiträrer Schönheit beruht und die Voraussetzung für eine vernunftbasierte ästhetische Urteilsfähigkeit bildet.206 Die subjektbezogene Wahrnehmung als eine Bewertungsinstanz für architektonische Schönheit zu begreifen, ist eine Problemstellung der Querelle, die auch von Blondel geteilt wurde, für den nicht die objektive Erscheinung der Architekturen zählte, sondern für den die von diesen ausgelösten Sinneseindrücke maßgeblich waren. Entsprechend sollten die aus der Betrachtung resultierenden perspektivischen Verzerrungen beim Entwurfsvorgang Berücksichtigung finden.207

Das Verständnis von Proportion als arbiträrer Größe resultierte wesentlich aus der damals empirisch neu gewonnenen Einsicht, dass sich die Existenz einheitlicher und dadurch verbindlicher Säulenproportionen als Kriterium objektiver Schönheit bei dem Vergleich antiker Werke und dem Studium von Vitruvs Traktat nicht hatte verifizieren lassen.208 Auch die Angaben weiterer früherer Autoren vermittelten ein eher unstimmiges Bild. Die von Claude Perrault selbst und auch anderen entdeckte Widersprüchlichkeit, die sich aus der Gegenüberstellung der verfügbaren Aufmessungen antiker Architektur ergab, führte 1674 dazu, dass Colbert, Surintendant et Ordonnateur général des Bâtiments, Arts, Tapisseries et Manufactures de France, den jungen Architekten Antoine Desgodets (1653–1728) zur Neuvermessung der antiken Überreste nach Rom schickte.209 Während der sechzehn Monate, die dieser in Rom verbrachte, maß Desgodets diverse Bauten mit großer Genauigkeit auf. Nach Paris zurückgekehrt, erarbeitete er anhand seiner mitgebrachten Aufzeichnungen einen Kodex (ms. 2718 des Institut de France), der von Mitte Dezember 1677 bis Anfang März 1678 in der Architekturakademie diskutiert wurde.210 Daraufhin bereitete Desgodets die 325 Seiten umfassenden und reich bebilderten Édifices antiques de Rome vor, die die Ergebnisse der Diskussionen berücksichtigten, allerdings nur noch 25 Monumente vorstellten und 1682 mit königlichem Privileg und protegiert von Colbert im Druck erschienen. Exaktheit, Liebe zum Detail und wissenschaftliche Korrektheit, mit denen Desgodets die Bauten aufgemessen hatte, sollten ihm dazu verhelfen, auf empirische Weise und nicht auf dem Weg einer axiomatisch gesetzten, auf Regeln der Mathematik basierenden Proportionstheorie zu absolut verstandenen Proportionen zu gelangen.211 Seine Bauaufnahmen zeigten, dass die architektonische Praxis in der Antike komplizierter und schwerer zu durchschauen gewesen war, als die Lektüre Vitruvs dies vermuten lässt. Als wichtigste Referenzen dienten Desgodets neben Vitruv Serlios Antiquità di Roma (1540), Palladios viertes Buch der Quattro libri dell’architettura (1570) und die Angaben von Labacco und Fréart de Chambray. Der Vergleich der vorgefundenen Aufmaße sowohl untereinander als auch mit seinen eigenen führte ihn zu dem Nachweis von Ungenauigkeiten in den Bauaufnahmen seiner Vorgänger,212 so dass Desgodets’ Zeichnungen die in der Vergangenheit praktizierten Abweichungen durch eine wirklichkeitsnahe und nicht mehr am vitruvianischen Ideal orientierte Wiedergabe ersetzten. Aus den Ergebnissen ließ sich der Schluss ziehen, dass auch die ‚Modernen‘ das Recht haben, die Antike ‚wiederzuerfinden‘.213 Die Vorstellung von Desgodets und seinen Gönnern, die antiken Zeugnisse für die Etablierung einer spezifisch französischen Architektur im Zeichen einer ‚rinnovata classicità‘ zu nutzen, die in gewisser Weise an die von Philibert de l’Orme schon im 16. Jahrhundert unternommenen Versuche der Etablierung einer französischen Ordnung anknüpfte, wurde auf diese Weise bekräftigt.214 Die Édifices antiques, welche ab 1693 für einen Zeitraum von zwei Jahren Lektürethema an der Akademie wurden – bezeichnenderweise erst nach dem Tod des vormaligen Direktors Blondel – hatten nicht nur einen tiefgreifenden, verändernden Einfluss auf den Blick, mit dem man von da ab die antiken Monumente betrachtete, sondern auf die Konzeption von Architektur überhaupt, und sie sollten dank ihrer präzisen und wissenschaftlichen, bereits eine wissenschaftliche Archäologie ankündigenden Darstellungsmethode über einen langen Zeitraum hinweg die wichtigste Referenz für die antiken römischen Monumente bilden.215

Noch vor der Gründung der Pariser Architekturakademie hatte Giovanni Pietro Bellori (1613–96) 1664 in der Accademia di San Luca in Rom eine folgenreiche, einige Jahre später im Vorwort zu seinen Künstlerviten veröffentlichte Rede unter dem Titel L’idea del pittore, dello scultore, e dell’architetto scelta dalle bellezze naturali superiore alla Natura gehalten, die die dortigen Diskussionen in Richtung eines klassischen Barock lenkte.216 Bellori, dessen kunsttheoretische Auffassung durch neuplatonisches Gedankengut geprägt war, propagierte mit seiner Ideenlehre eine Kunst, deren Wesen in der Annäherung an die innere, göttlichem Ursprung entstammende, nicht jedoch a priori bestehende, sondern durch Naturanschauung abzuleitende Idee besteht, und deren Aufgabe es ist, die Natur in Richtung einer Annäherung an dieses Idealschöne zu ‚verbessern‘. Die Antike, der nach Bellori Auswahl und Idealisierung natürlicher Vorbilder bereits gelungen waren, galt ihm aus diesem Grund als normgebend und die Natur noch übertreffend.217 Wenn auch anders begründet, so ist in der Rückkehr zu einer unveränderbaren Beispielhaftigkeit der Antike als Ergebnis seiner metaphysisch fundierten Haltung doch eine analoge Tendenz zu jenen oben genannten, in etwa zur gleichen Zeit im absolutistischen Frankreich aufkommenden Absichten zu erkennen. Ähnlich ist auch die daraus resultierende Ablehnung der Werke des italienischen Hochbarock, in denen Bellori ein Ergebnis des zeitgenössischen Subjektivismus erkannte, welchen er als Verursacher des sich ausbreitenden deformierenden Prozesses an Form und Idee begriff.218 Bellori attackierte in seiner Rede die von anderen Seiten vielgepriesene novità,219 mit der Architekten – obwohl er sie nicht erwähnte, waren vor allem Borromini und Bernini gemeint – die mervigliosa Idea und bellezza ultima deformieren würden.220

Einen wichtigen Beitrag zu der in Italien im 17. Jahrhundert ansonsten kaum theoretisch reflektierten Barockarchitektur bildet die Architettura civile von Guarino Guarini (1624–83), die erst 1737 posthum in zwei Bänden von Bernardo Vittone herausgegeben wurde. Da Guarini die Vorstellung von einer sich entwickelnden Menschheit hegte, deren Gewohnheiten und Bedürfnisse einem zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel unterliegen, dem die Architektur sich anzupassen habe, besitzt die Antike ihmzufolge keinen normbildenden Charakter: die Architektur könne vielmehr correggere le regole antiche, e nuove inventare.221 Bei Guarini ist die Wichtigkeit der Mathematik für die Architektur betont, geometrische Projektion und Bauvermessung nehmen eine vordergründige Stellung ein. Konstruktive und funktionale Aspekte werden als wesentlich für schöne Architektur begriffen, wobei die utilità Landestraditionen und individuellen Interessen entgegenarbeitet, eine Denkweise, mit der er sich den französischen Theoretikern des 17. Jahrhunderts annäherte. Neben der dominanten Position, die Guarini der Geometrie und damit rationalen Kriterien von Architektur einräumte, hatte für ihn aber auch die sinnliche Erfahrung von Architektur Gewicht. Erschließen sich die ‚wahren Proportionen‘ eines Gebäudes dem Betrachter visuell nicht unmittelbar, ist – ganz im Einklang mit der für den Barock insgesamt elementaren Betrachteroptik – ein Ausgleichen anhand dazu erforderlicher perspektivischer Kenntnisse erlaubt. Guarini sah als Anhänger eines ästhetischen Relativismus das ästhetische Gefallen wechselnden Moden unterworfen und daher schwer zu definieren; so waren für Guarini auch die Proportionen der Säulenordnungen keine festgelegten Größen. Seine Theorie befürwortet eine Architekturkonzeption auf der Basis geometrischer Muster, sinnlicher Wahrnehmung und formaler Innovation.222 Als paradigmatisch für sehr innovative Grund- und Aufrisslösungen auf der Basis geo- und stereometrischer Formen können Guarinis eigene Architekturentwürfe angesehen werden; daneben vor allem aber auch die Bauten und Entwürfe Francesco Borrominis, die mit der für sie typischen Raumdurchdringung verschiedener Geometrien und der daraus resultierenden konvex-konkav-ondulierenden Wandgestaltung sehr individuelle Lösungen vorführen. Der barocke, letztlich durch die Gegenreformation angestoßene optisch-fassadenhafte Umgang mit Architektur sowie die Suche nach einem Ausdruck von grandezza romana und magnificenza, die die Architekten beim Entwurf anleiteten, bildeten sichtbare Phänomene des kulturellen Programms, mit dem die Repräsentanten des hierarchisch gegliederten patriarchalen Ordnungs- und Machtsystems ihre politischen und ideologischen Standpunkte ästhetisch transportieren wollten. Darin artikulierte sich neben einem spezifischen Gesellschaftsverständnis vor allem auch der individuelle und familiäre Selbstanspruch, mit dem sich die Vertreter des vornehmlich sakral und von Nepotismus geprägten politischen Gesellschaftssystems im Rom des 17. und 18. Jahrhunderts für den kurzen Zeitraum meist nur eines Pontifikats zu behaupten suchten.

2.4.5 Die Accademia di San Luca

Die römische Accademia di San Luca ist in einem langsamen, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts einsetzenden Umwandlungsprozess aus der älteren Malergilde (Università dei Pittori) hervorgegangen. Ein wichtiger Begleitaspekt dieser Entwicklung lag in der veränderten Anerkennung künstlerischer Arbeit, die zunehmend als intellektuelle Leistung begriffen wurde. Sich des Fehlens einer guten Schule bewusst, suchte man auf der Ebene der Künstlerausbildung dem sich langsam wandelnden Verständnis mit der Einrichtung eines akademischen Instituts zu begegnen. 1577 erging die päpstliche Genehmigung zur Bildung einer Accademia Romana delle Arti della Pittura, della Scultura e del Disegno mit ihr angegliederter religiöser Bruderschaft. Es vergingen aber viele Jahre, bis im November 1593 mit Federico Zuccari der erste principe gewählt wurde und die ‚Akademie der Maler und Bildhauer‘ 1607 schließlich ihre ersten veritablen Statuten erhielt und damit wohl auch erst juristisch konstituiert wurde.223

Die personelle Struktur der Akademie sah an höchster Stelle das Amt des principe vor, der jährlich gewählt und von zwei rettori und vier consiglieri assistierend unterstützt wurde. Die vier beratenden Ämter der consiglieri hatten durch zwei Maler, einen Bildhauer und einen Architekten besetzt zu werden. Die Akademie war mit der Zielsetzung gegründet worden, die im Verfall begriffenen Künste über die Etablierung eines höheren Standards der Künstlerausbildung zu erneuern. Die Aufgabe der gewählten accademici bestand folglich darin, den Studenten in ihrer jeweiligen Kunstgattung Unterricht zu erteilen, der an jedem Sonn- und Feiertag nach der Messe stattfand. In den Statuten von 1617, 1675 und 1715/16 findet sich wiederholt der nicht erwiesenermaßen auch umgesetzte Vorschlag, den Unterricht täglich abzuhalten, wie dies an der 1666 gegründeten Accademia di Francia praktiziert wurde. Im Wesentlichen basierte die professionelle Ausbildung der zukünftigen Künstler jedenfalls noch immer auf dem impliziten Wissenstransfer, wie er traditionell während der Lehrzeit in der Künstlerwerkstatt von Meister zu Schüler durch dessen praktische Anleitung und Involvierung in den täglichen Arbeitsprozess vor sich gegangen war. Die Werkstatt blieb während des 17. und 18. Jahrhunderts weiterhin der Ort der Grundausbildung, und die direkte Weitervermittlung künstlerischer Arbeitstechniken bildete nach wie vor das Fundament der künstlerischen Qualifikation, doch konnte das Werkstattsystem allein den veränderten Anforderungen an die Rolle des Künstlers nicht mehr genügen. Die an der Akademie praktizierte Art der ‚Sonntagsschule‘ diente der Verfeinerung und Erweiterung des in der Werkstatt erworbenen Wissens sowie dessen Fundierung mit theoretischen Kenntnissen, setzte also die gleichzeitige Ausbildung in der Werkstatt voraus. Die Hebung des professionellen Hintergrunds infolge einer komplexeren kulturellen Bildung der Studenten, die in allen drei Kunstgattungen unterrichtet wurden, unterstützte die Würdigung der Arbeit der Künstler als intellektuelle Aktivität. Durch die Etablierung niveauvoller professioneller Standards verhalf die Akademie diesen also zu einer geachteteren sozialen Position, wodurch sich die bis dato durch die soziale Hierarchie festgelegte große Distanz zu den Auftraggebern und Mäzenen aus der Aristokratie und gehobenen Gesellschaft verringerte.224

Gemäß Federico Zuccaris Betrachtungsweise der drei Künste als una sola scienza divisa in tre prattiche (einer Wissenschaft mit drei Ausprägungen), als deren ‚Vater und Erzeuger‘ (Cipriani) der disegno galt, waren sich die drei Künste innerhalb der Akademie vom Prinzip her gleichgestellt, nicht hingegen in der Realität: In den Anfangsjahren der Akademie und noch bis in die ersten Jahrzehnte des Seicento hinein genoss die Malerei Priorität vor den zwei anderen Künsten, wie z. B. schon an der ungleichgewichtigen Stellenbesetzung und an der Tatsache, dass die Statuten von 1607 sich auf eine Akademie der Maler und Bildhauer, nicht aber der Architekten beziehen, erkennbar ist.225 Erst ab den 1640er Jahren lassen sich auch Architekten als principi der Akademie finden.226 Trotzdem scheinen auch architektonische Themen von Anfang an intensiv gelehrt worden zu sein; es wurde festgelegt, dass alle zwei Wochen Lektionen zur Kunsttheorie abgehalten werden sollten, was für die Architektur vor allem eine Vermittlung von Materie bedeutete, die auf Vitruv basierte.227 Als Lehrer wirkten in der Regel die renommiertesten Vertreter einer jeden Kunstrichtung; daneben sind aber auch Fälle verzeichnet, in denen man Personen zur Wissensvermittlung einsetzte, die durch ihre praktische Tätigkeit kaum aufgefallen waren. In den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts hatten zwei der bedeutendsten Künstler des Seicento das Amt des principe inne, die zwar nicht wegen ihrer architektonischen Fähigkeiten gewählt worden waren, auf dem Gebiet der Architektur aber brilliert hatten bzw. noch brillieren würden: im Jahr 1630 Gian Lorenzo Bernini und von 1634–37 Pietro da Cortona. Die Erbauung der neuen, von Cortona entworfenen Akademiekirche Santi Luca e Martina (1640–50) stellte einen wichtigen Moment für die Architekten dar, die sich für ihre Disziplin eine den Schwesterkünsten ebenbürtige Anerkennung erhofften. Dieses Ziel wurde schließlich auch erreicht und 1705 mit dem neuen Akademieemblem in Form eines gleichseitigen, von dem Motto Aequa Potestas begleiteten Dreiecks als Symbol der Gleichwertigkeit der drei Künste dann auch deutlich nach außen kolportiert.228

Bernini war 1663 erneut als principe gewählt worden, hatte aber auf das Amt verzichtet. Da die Architekten, die das Amt in den letzten zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts bekleideten, ohne Ausnahme Berninis Schule entstammten, besaß der Einfluss seines Vorbilds dennoch weit über seinen Tod (1680) hinaus große Relevanz in der Akademie. Der bedeutendste unter Berninis ehemaligen Assistenten war Carlo Fontana, der das Amt zum ersten Mal 1686 und dann erneut von 1694-98 innehatte.229 Ihm sowie Mattia de Rossi (principe 1681, 1690–93) war es in erster Linie zu verdanken, dass sich das Wirkungspotential der Architektur in der Akademie vergrößerte. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts befand sich das künstlerische Leben in Rom unter der Dominanz der Akademie, die jetzt eine Art von Monopol für die Ausbildung der jungen Künstler und die Erstellung von Gutachten besaß. Der Akademie anzugehören, bedeutete ein gesichertes soziales Prestige und erwies sich als vorteilhaft für das berufliche Fortkommen der Architekten. Öffentliche Aufträge konnten nur von Akademiemitgliedern ausgeführt werden oder unterstanden zumindest deren Begutachtung. Und wer zu künstlerischen Themen veröffentlichen wollte, hatte seinen Beitrag vorab der Akademie vorzulegen.230

Der Pontifikatswechsel im Jahr 1700 – neuer Papst wurde Clemens XI. Albani (1700–1721) – brachte für die Akademie eine Reorganisation mit sich. Carlo Maratta, der 1699 den Titel Principe perpetuo verliehen bekommen hatte und damit das Amt auf Lebenszeit ausübte (gest. 1713), erwirkte 1702 von Clemens XI. die Einrichtung der sogenannten concorsi clementini. Die clementinischen Wettbewerbe fanden regelmäßig statt und besaßen eine große Außenwirkung, infolge derer die Akademie samt ihrer Schülerschaft auch außerhalb Italiens gut bekannt wurde. Der päpstliche Architekt Carlo Fontana war dem aufgeklärten Kunstförderer und Maler Maratta ein ebenbürtiges Gegenüber, als welches er um die Jahrhundertwende einen vergleichbar großen Einfluss auf die Ausbildung der jungen Künstler an der Akademie ausgeübt hat. Unterstützt haben dürften ihn dabei seine lebenslange offizielle Stellung als Erster Rat der Akademie und die Möglichkeit einer indirekten Einflussnahme über seinen Sohn Francesco, dem als vice-principe die Verwaltung der Akademieangelegenheiten oblag. Viele junge, darunter auch ausländische Künstler hatten von Fontanas klaren Art, die Regeln der Baukunst zu erklären, profitiert, die Vorbildhaftigkeit seiner Architektur erkannt und die immer wieder von ihm herausgestellte Relevanz der praktischen Erfahrung verinnerlicht. Fontanas römische Werkstatt wurde z. B. von Nicodemus Tessin d. J., Lukas von Hildebrandt, Johann Bernhard Fischer von Erlach, James Gibbs und Filippo Juvarra besucht.231

Der akademische Diskurs der ersten Settecentohälfte wurde vor allem von der Auseinandersetzung über eine Neubewertung der Architektur als überlegener Kunstgattung bestimmt. Fontana hatte in Verbindung mit einem Seitenhieb, der gegen die alte Vormacht der Malerei gerichtet war, in einem Ausspruch die große Bedeutung von Entwurf und schöpferischem Moment im Vergleich mit der einfachen, auch von Bauleitern und Ingenieuren ausführbaren Umsetzung in gebaute Architektur hervorgehoben.232 Damit trat die problematische Definition des Architekten als Akademiker und als Praktiker erneut in den Vordergrund. Übertragen auf den architektonischen Planungsprozess bedeutete dies die Forderung nach einer umfangreichen Planungskenntnis des Architekten, die unterschiedliche Maßstäbe umfassen sollte: vom Modell über die Einzelarchitektur bis hin zu städtebaulichen Maßnahmen und der territorialen Organisation von Landschaft. Abwicklung der Baustelle und Koordination der Konstruktion fielen nach dieser Definition genauso in den Verantwortungsbereich des damaligen Architekten wie die Entwicklung der Entwurfsidee und deren Ausführung.233

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es im Verlauf des letzten Viertels des 17. Jahrhunderts in Rom aufgrund von Belloris Postulat eines erneuten Rückbezugs auf die Werke der Antike und bestimmter Renaissancekünstler (Bramante, Raffael, Michelangelo) zu größerer Regelmäßigkeit in der Architektenausbildung und in der Folge zu deren Akademisierung mit parallel einherschreitender Entwicklung eines formalen Kanons gekommen war. Maratta und Carlo Fontana hatten die Barockphase stilistisch interpretiert und durch eine synthetisierende Arbeitsweise ein ‚gebrauchsfertiges Formenrepertoire‘ (Kieven) vorbereitet, welches das Werk von Pietro da Cortona, Bernini und schließlich auch Borromini übertragbar werden ließ, und aufgrund dessen sich bestimmte Motive und formale Inventionen der römischen Barockarchitektur zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf dem europäischen Kontinent verbreiten konnten.234 Obwohl im 18. Jahrhundert das Interesse für die zeitgenössische französische Kunst stetig zunahm und Paris als beliebtes Studienreiseziel neben Rom trat, rekrutierte sich das Baisisrepertoire für die Konzeption architektonischer Projekte in ganz Europa bis zum Ende des Settecento vor allem aus der römischen Architektur des 16. bis 18. Jahrhunderts und dem akademisch vermittelten ‚prontuario formale‘.235

Über die Architekten, die das Amt des principe bekleideten, blieb die Tradition des späten barocken Klassizismus über die Jahrhundertmitte hinaus auch in der Accademia di San Luca tonangebend.236 Die in der akademischen Lehre für lange Zeit vorherrschende Tendenz übertrug sich allerdings nicht in dem zu erwartenden Maß auf die Entwurfsarbeit der Studenten. Innerhalb der Entwurfspraxis griffen diese gerne auf Inspirationsquellen zurück, die auch außerhalb der Akademielehre gesucht und gefunden wurden. Als eine solche sind insbesondere die architektonischen Innovationen Francesco Borrominis zu nennen. Vor allem die für die concorsi clementini angefertigten Zeichnungen, die den Studenten ja eine Möglichkeit boten, ihr Talent öffentlich zu beweisen, reflektieren eine intensive Suche nach Gestaltungsalternativen.237 Die bei diesen feststellbare Formenvarietät, die wahrscheinlich ein Ergebnis des Versuchs der jungen Künstler ist, ihren Vorschlag aus der Masse der eingereichten Entwürfe hervorzuheben, dürfte zu guten Teilen der starken Konkurrenzsituation geschuldet gewesen sein, die solche Maßnahmen für eine Behauptung der Architekten auf dem Arbeitsmarkt erforderlich machte. Wohl aus dem gleichen Grunde wurden die Zeichnungen bei Einreichung auch einer Authentizitätsprüfung unterzogen.238 Manche Künstler entwickelten wie Ferdinando Fuga, der einer der erfolgreichsten italienischen Architekten des 18. Jahrhunderts war, eine ausgesprochene Anpassungsfähigkeit an die jeweilige Marktsituation, indem sie geschickt und selbstsicher unter den Stilen zu wechseln vermochten und sich auf diese Weise in die Lage versetzten, der aktuellen Nachfrage oder den individuellen Wünschen eines Mäzens auf optimale Weise begegnen zu können.239

Neben den akademischen Stil nach Prägung Cortonas und Berninis trat auf diese Weise im frühen Settecento der borrominismo, der nach dem Tod Carlo Fontanas und dem Weggang Filippo Juvarras nach Turin (beides 1714) vor allem in den 20er Jahren des Jahrhunderts dominanter wurde und wesentlich zu der um diese Zeit in Rom vorhandenen stilistischen Mannigfaltigkeit beitrug.240 Die Tendenz der Modernen, sich überwiegend am Geschmack als Bewertungskriterium in ästhetischen Fragen zu orientieren,241 hatte das Aufkommen einer recht variablen Handhabung der Anwendung verschiedener Stile entsprechend der herrschenden Mode oder aber der individuellen Vorlieben des Auftraggebers zur Folge. So entwickelte Fuga – gleichermaßen fähig, Entwürfe im spätbarocken Stil der Akademie, im Stil Borrominis und entsprechend der neu aufkommenden klassizistischen Neigungen zu erstellen – zum Erhalt von Aufträgen große Behändigkeit, wenn es um die Anpassung an die gegebene Situation und die ‚Bedienung‘ persönlicher geschmacklicher Präferenzen ging.242 Unter den Pontifikaten von Clemens XII. (1730–40) und Benedikt XIV. (1740–58) kam es in Rom zu einer Art Reformbewegung in Richtung eines erneuerten Klassizismus. Parallel zu der weiterhin bestehenden spätbarocken Formensprache begannen sich – protegiert und gefördert von der obersten Kirchenmacht und vor dem Hintergrund der buon gusto-Diskussionen – formale Konzepte einen Weg zu bahnen, die auf natura, ratio und Wahrheit als gestalterischen Grundlagen zurückgriffen.243 Dabei spielte neben den Persönlichkeitsspektren und Charakteren der Pontifices auch die zu beobachtende Gewohnheit eine Rolle, als Kirchenstuhlinhaber Landsmänner bei der Vergabe von Aufträgen zu bevorzugen.244

Aus einem Generalinventar der beweglichen Besitztümer der Akademie von 1756 geht hervor, dass sich auch die Situation der didaktischen Hilfsmittel, die den Studenten als Anschauungs- und Lernmaterial zur Verfügung standen, damals verändert hatte. Anstelle der klassischen Texte von Alberti und Serlio befanden sich unter den Buchbeständen nun jüngere Titel, darunter vor allem Guarinis Architettura civile (1737), daneben aber auch noch – dem Interesse des 18. Jahrhunderts an optisch vermittelter Rhetorik entsprechend – ein Teil des Originalmanuskripts von Vignolas Perspektivtraktat. Auffällig ist die Absenz der vielen französischen und englischen Werke, die seit Blondel eigentlich zum grundlegenden Repertoire der Reflektion über Architektur gezählt wurden. Zum Lehrmaterial gehörten des weiteren Illustrationen vergangener Vorlesungen, Nachlasszeichnungen, aus Anlass von Mitgliederwahlen entstandene pièce de réception, die prämierten Zeichnungen der Wettbewerbe, die man seit den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts sammelte, sowie Blätter, anhand derer sich der Schöpfungsprozess der später preisgekrönten Entwürfe nachvollziehen ließ.245 Insgesamt handelte es sich also um eine beachtliche Anzahl hochwertiger Architekturzeichnungen, die der Schulung und Inspiration der Studenten dienten.

Die Abkommen von 1676 in Bezug auf den Zusammenschluss der Accademia di San Luca mit der zehn Jahre zuvor gegründeten Accademia di Francia, die der Leitung Colberts unterlag, erlaubte den Studenten beider Akademien neben dem Besuch der Aktivitäten des jeweiligen Zwillingsinstituts auch die Benutzung des dort vorliegenden Lehrmaterials in Form von Zeichnungen und Modellen.246 Ab 1671 hatte sich die Accademia di San Luca zudem mit der in jenem Jahr in Paris neu gegründeten, eine systematische Architekturlehre betreibenden Académie Royale d’Architecture und deren wissenschaftlicheren Herangehensweise, welche sich u. a. in einer straffen Organisation der Lehrkurse äußerte, in denen perspektivische, Mathematik- und Traktatkenntnisse vermittelt wurden, auseinanderzusetzen. Trotzdem gelang es der römischen Akademie, ihre Eigenständigkeit weitgehend zu behalten und dem von ihr vertretenen Kulturmodell, das auf eine beständige Neuentdeckung der Antike unter konsequenter Beibehaltung des jeweiligen Gegenwartsbezugs zielte, treu zu bleiben, sowie an dem übergeordneten Konzept des disegno und folglich – basierend auf der Annahme der Wechselwirkung zwischen den Künsten – einem Einbezug der jeweiligen Schwesterkünste bei der Ausbildung als verpflichtend festzuhalten.247

Abb. 2.10: Filippo Juvarra, Clementinischer Wettbewerb (Concorso Clementino) 1705, erste Klasse, Thema: Königlicher Palast für drei Personen in einem Garten, 1. Preis, Grundriss, Ansicht und Schnitt des Hauptgebäudes. (Accademia Nazionale di San Luca, Archivio Storico, ASL 141).

Abb. 2.10: Filippo Juvarra, Clementinischer Wettbewerb (Concorso Clementino) 1705, erste Klasse, Thema: Königlicher Palast für drei Personen in einem Garten, 1. Preis, Grundriss, Ansicht und Schnitt des Hauptgebäudes. (Accademia Nazionale di San Luca, Archivio Storico, ASL 141).

In unregelmäßigen Zeitabständen veranstaltete Wettbewerbe gehörten sehr wahrscheinlich schon von Beginn an zum akademischen Leben der Accademia di San Luca. Wettbewerbe bzw. die Vergabe von Preisen würden in Rom als ein effektives Mittel der Ermutigung eingesetzt, hatte Bernini sich 1665 sinngemäß vor der Académie Royale in Paris geäußert, und dienten folglich der Nachwuchsförderung.248 Nachdem der Beschluss von 1663, engmaschiger Wettbewerbe zu organisieren, wohl resultatlos geblieben war, richtete man 1677 im Zusammenhang mit dem Abkommen zwischen der französischen und der römischen Akademie einen aufwendigen concorso aus, in dessen Folge Wettbewerbe dann tatsächlich in kürzeren Abständen, von 1679–84 sogar jährlich, stattfanden. Die concorsi des späten Seicento waren bereits wie im darauffolgenden Jahrhundert in jeder der drei Künste in drei Klassen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden geteilt, nur dass diese Regel noch lockerer gehandhabt wurde. Ab 1702 institutionalisierte Clemens XI. die akademischen Wettbewerbe als die bereits erwähnten sog. Concorsi Clementini, die jährlich stattfanden und von einem festlich gestalteten und dadurch öffentlichkeitswirksamen Preisverleihungsakt auf dem Kapitol gekrönt wurden. Der Papst sorgte jetzt auch für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel, während 1694 noch Carlo Fontana als principe für alle Spesen des damaligen concorso selbst aufgekommen war. Die Statuten sahen vor, dass die Zeichnungen lediglich nummeriert, ansonsten aber anonym zur Begutachtung durch drei Richter vorzuliegen hatten. Nach der Auswahl der Gewinner wurden die Siegerprojekte unter Aufhebung der Anonymität für eine Woche öffentlich zur Ansicht ausgestellt, was sich wahrscheinlich vorteilhaft auf das berufliche Weiterkommen einiger der jungen Künstler ausgewirkt hat. Die Gewinner der ersten Preise qualifizierten sich für eine Bewerbung als accademico di merito. Nach erneuter Prüfung und anschließender Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der accademici konnten sie auf diese Weise in die Liste der Akademiemitglieder eingeschrieben werden und selbst zu Angehörigen des Lehrkörpers aufsteigen, wie dies z. B. im Fall von Carlo Fontanas bedeutendstem Schüler Filippo Juvarra geschah, der 1705 mit seinem Entwurf Regio palazzo in villa per tre personaggi den ersten Preis der Prima Classe dell’Architettura gewonnen hatte (Abb. 2.10), daraufhin als accademico di merito ausgezeichnet wurde und 1707 einen Lehrauftrag für Architektur und Perspektive erhielt.249

Bezüglich des Umgangs mit formalen Elementen vertrat Juvarra einen Standpunkt, der – anders als Belloris, welcher auch für Dekoration und Ornament eine Orientierung an der Antike fordert – eine flexiblere Haltung bei der Erfindung von Formen zulässt.250 In einer neuen Erfindung, die ein architektonisches Werk vor anderen auszeichnet, wurde schon von Leon Battista Alberti ein Mittel zum Erwerb von Nachruhm gesehen.251 In seinem Malereitraktat von 1436 schrieb Alberti, die inventio verschaffe Lob und Namen und empfahl den Malern, es in Bezug auf die invenzioni den Poeten, Rednern und anderen dotti di lettere gleichzutun.252

Die herrschende Konkurrenzsituation um Aufträge und Stellen war Grund für das z. T. ausgeprägt eifersüchtige Verhalten unter den Architekten, das James Gibbs 1710 anschaulich mit folgenden Worten beschrieb: … there is such a pack of us, and so jealous of one another, that the one would see the other hanged.253 Ausgesprochener Erfindungsgeist war eines der wirksamen Mittel, um sich bei der Auftragsvergabe vor seinen Mitbewerbern zu qualifizieren, ein weiteres lag in der Art der formalen Präsentation eines Projekts, die folgerichtig immer aufwendiger und ebenfalls erfindungsreicher wurde. Zudem bezeugten die Zeichnungen in vielen Fällen als einzige Dokumente die Autorschaft eines Werks, weswegen die Architekten die disegni di presentazione oft mit eigener Hand ausführten. Auch wenn für einen Auftrag Entwürfe verschiedener Architekten angefordert worden waren, war es Brauch, nur den Entwurf zu entgelten, der auch zur Ausführung gelangte. Mit der Zeit traten die Architekten jedoch immer entschiedener dafür ein, ungeachtet der Umsetzung in die Realität auch für den Entwurfsvorgang selbst entlohnt zu werden. Der Wert, der der Zeichnung in der architektonischen Praxis zugemessen wurde, begann sich so schritthaltend mit der Akademisierung der Architektenausbildung in der zweiten Hälfte des Seicento zu verändern, und die architektonische Zeichnung entwickelte sich vom praktischen Hilfsmittel zum künstlerischen Ausdrucksmittel mit nahezu bildhaftem Charakter, bis am Ende des folgenden Jahrhunderts die Architektur in reiner Bildform ihren eigenständigen Platz neben der gebauten Architektur einnahm.254

2.5 Planung und Wissen um Umweltbedingungen

In Italien dominiert abgesehen von den Hochgebirgsregionen ein warmgemäßigtes bis subtropisches Klima mit trockenen Sommern und praktisch keinem Schneefall im Winter. Das eröffnete für die Ausbildung der Klimahülle von Gebäuden, also von Außenwänden und Dächern eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten. In Italien wurde mit offenen Loggien und flachen, oft hinter Balustraden verborgenen Dächern eine Architektursprache entwickelt, die in weiten Teilen Europas rezipiert wurde. Dabei kam es aufgrund der klimatischen Unterschiede zu Problemen, die entsprechende Anpassungen erzwangen. Im Unterabschnitt 2.5.2 wird dieser Fragenkomplex anhand von Beispielen aus Frankreich und Österreich beschrieben.

Auch regionale und lokale umwelttechnische Besonderheiten beeinflussen das Bauwesen. Überschwemmungen und Sumpfbildung waren entlang der Flüsse Po, Arno und Tiber drängende Probleme, deren Lösung in der Frühen Neuzeit erhebliche Bedeutung beigemessen wurde. Über ökonomische Interessen wie Landgewinnung und Fischfang hinaus ging es auch um gesundheitliche Aspekte, etwa den Schutz vor Malaria. In der Toskana wurde seit dem 16. und v. a. im 17. Jahrhundert an der Trockenlegung der Sümpfe in Coltano, Trasimeno, Fucecchio, in der Valdichiana und im Bereich des lago di Bientina gearbeitet. Den damals Beteiligten war bewusst, dass es sich um erhebliche und langwierige Eingriffe in die Natur handelte. Die Regulierung des lago di Bientina und die Trockenlegung seiner Sumpfbereiche war bereits im 16. Jahrhundert begonnen worden. Im 17. Jahrhundert wurden die Arbeiten unter Einschaltung Benedetto Castellis, der den Projekten teils kritisch gegenüberstand, intensiviert, aber erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen.255 Die Schiffbarkeit des Tiber, vor allem aber die regelmäßigen Tiberüberschwemmungen in Rom waren seit der Antike ein Problem. Während des Pontifikats Sixtus’ V. (1585–90) und dann v. a. im 17. Jahrhundert wurden – oft begleitet von kontroversen Diskussionen – immer wieder größere, wenn auch punktuelle Baumaßnahmen zur Verbesserung der Hochwasserproblematik durchgeführt. Dazu gehörten die Umleitung des Flusses in ein neues Bett oder die Veränderung des Flusslaufes durch gepfählte Dämme, die im Flusswasser errichtet wurden (passonate).256

Die schlechte Belastbarkeit des Baugrunds in Venedig und die ständige Gefahr von Setzungen hatten die Menschen seit Beginn der Bauaktivitäten in der Lagune dazu veranlasst, das Gewicht der Bauten so weit wie möglich zu reduzieren und Haustypen zu entwickeln, die unterschiedliche Setzungen absorbieren konnten. Für große Paläste etwa wurde die casa a stazio üblich, die aus Längswänden besteht, die von der Fassade aus in die Tiefe führen. Zwischen den mittleren Längswänden wurde der große Saal (portego) angeordnet, während nur die Seitenachsen durch zahlreiche Zwischendecken und Querwände ausgesteift wurden. Der portego hingegen war nicht ausgesteift und wurde bewusst einer gewissen räumlichen Verformung ausgesetzt. Man verzichtete zudem auf steinerne Gewölbe, die Horizontalschub erzeugten und damit zu einer ungleichmäßigen Belastung der Fundamente führten. Ausnahme war das von Jacopo Sansovino, einem nach dem Sacco di Roma nach Venedig gekommenen Architekten in der Biblioteca Marciana errichtete steinerne Gewölbe, das 1545 einstürzte und aus Holz neu errichtet werden musste. Man blieb konservativ in Venedig: Die einmal etablierte Bauweisen blieben durch die gesamte Frühe Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert konstant.257

2.5.1 Wissen über den Bau in Erdbebengebieten am Beispiel von Sizilien und Kalabrien im 17. und 18. Jahrhundert

Das Maß an Bedeutung, das Umweltbedingungen in der Vergangenheit z. T. im Zusammenhang mit der Bauplanung eingenommen haben, wird besonders gut im Kontext von natürlichen Extremereignissen wie Überschwemmungen, Stürmen, Erdbeben, Vulkan- oder Feuerausbrüchen evident.258 Ein geeignetes Untersuchungsfeld bieten die Fälle, in denen Architekten sich mit der Schadensbeseitigung nach Erdbeben und der Entwicklung von Baukonzeptionen, die zukünftige Beben miteinkalkulierten, konfrontiert sahen. Heutige Studien zu Typologie und technischer Beschaffenheit historischer Architektur in erdbebengefährdeten Regionen haben gewisse ,Reaktionsschemata‘ erkennen lassen, die von einigen italienischen Baumeistern in der Auseinandersetzung mit dem Naturphänomen ‚Erdbeben‘ entwickelt wurden. In Italien, das im Durchschnitt von 35 Erdbeben der Stärke VIII bis IX Grad MCS (Skala Mercalli-Cancani-Sieberg) pro Jahrhundert betroffen ist, bildete diese Art der Katastrophe mit ihren gravierenden Auswirkungen auf den Gebäudebestand für viele Städte der Frühen Neuzeit einen Hauptveränderungs- und Entwicklungsfaktor.259 Manche uns heute mehrheitlich einer Stilepoche zugehörig erscheinende Stadt, wie z. B. das barocke Catania, verdankt ihr einheitliches Erscheinungsbild den drastischen Maßnahmen, die des Öfteren in der Folge eines Erdbebens ergriffen wurden und maßgeblich korrigierend und verändernd auf das mittelalterliche Stadtbild eingewirkt haben. Als recht gut dokumentiertes und von der Forschung erarbeitetes Paradebeispiel für die skizzierte Problematik soll die Betrachtung der in Italien am häufigsten von Erdbeben betroffenen Regionen Sizilien und Kalabrien dienen. Im Sei- und Settecento – d. h. der Zeitspanne, die im Zentrum der folgenden Betrachtungen steht – mehrfach von schweren Beben heimgesucht, hatten diese Regionen wiederholt und nachhaltig unter den zerstörerischen und wirtschaftlichen Konsequenzen zu leiden, wodurch ein gesteigertes Bedürfnis an Besserung versprechenden baulichen Maßnahmen bestand. Formen der Erdbebenprävention lassen sich bis in die Zeit um 1450 v. Chr. zurückverfolgen, da man erdbebenresistente minoische Konstruktionen dieser Zeit auf Kreta und in Akrotiri auf Santorini gefunden hat.260 In der römischen Antike kommt der Stadt Pompeji ein besonderer Stellenwert zu, wo angewandte Restaurierungstechniken und Wiederaufbaustrategien nach einem Abstand von nahezu 2000 Jahren noch erkennbar sind: 17 Jahre nach dem Erdbeben von 63 n. Chr. bot Pompeji zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs den Anblick einer aktiven Baustelle.261 Im Quattrocento thematisierte Leon Battista Alberti in seinem Traktat De re aedificatoria bauliche Präventivmaßnahmen im Zusammenhang mit seismischer Bodenaktivität; so erwähnt der Text lobend die Anlage mehrerer Brunnen (puteis) in den Fundamenten der Markuskirche in Venedig, die der Architekt im Falle eines unterirdischen Bebens als Ausweg für die entstehenden Dämpfe eingeplant hatte.262 Diese Maßnahme gründete auf der spezifischen Deutung von Erdbeben, die nach Aristoteles durch den Druck und den Austritt von unterirdisch durch den Kontakt von Hitze und Feuchtigkeit gebildeter Luft entstehen, eine Theorie, die quasi unverändert von der klassischen Antike bis zum Ende des 16. Jahrhunderts Gültigkeit besaß. In der Antike basierten die Schutzmaßnahmen, nämlich die Schaffung von Abzugsmöglichkeiten, auf dieser, mit vulkanischer Aktivität zusammenhängenden Interpretation der Erdbeben.263 Für die Zeit vom 11. bis zum 15. Jahrhundert sind keine mit der Erdbebenvorbeugung in Verbindung zu bringende Entwürfe oder Realisierungen bekannt; man beschränkte sich auf die Anwendung a posteriori eingesetzter Hilfsmittel wie Holz-, Eisen- und Maueranker sowie zwischen den Gebäuden angebrachter Stützbögen zur Stärkung bereits geschwächter oder beschädigter Bauten.264

Abb. 2.11: Pirro Ligorio, Fassadenaufriss und Grundriss eines antiseismischen Hauses. Archivio di Stato di Torino, Delli rimedi contra i terremoti, Band XVIII der Manuskripte von Pirro Ligorio (mit Erlaubnis des Archivio di Stato di Torino Prot.n. 4047/282807).

Abb. 2.11: Pirro Ligorio, Fassadenaufriss und Grundriss eines antiseismischen Hauses. Archivio di Stato di Torino, Delli rimedi contra i terremoti, Band XVIII der Manuskripte von Pirro Ligorio (mit Erlaubnis des Archivio di Stato di Torino Prot.n. 4047/282807).

Als erste profunde Quelle der Frühen Neuzeit, die eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Möglichkeiten antiseismischer Architektur verrät, gelten noch immer Pirro Ligorios handschriftliche Ausführungen Delli rimedi contra i terremoti per la sicurezza degli edifici (Von den Mitteln gegen Erdbeben, um die Sicherheit der Gebäude zu gewährleisten)265 von 1574.266 Seit 1568 am Hofe der Este in Ferrara, kannte Ligorio die durch die Erdbebenfolge 1570–74 verursachten Schäden in Ferrara aus eigener Anschauung. Die noch unausgereifte Fassung des Textes lässt u. a. eine verstärkte Auseinandersetzung mit Problemen des Entwurfs erkennen, aus der sich die Ansicht ableiten lässt, dass man sich durch entsprechende Vorkehrungen vor den zerstörerischen Effekten von Erdbeben schützen kann. Ligorio stellt einen aus heutiger Sicht antiseismischen Hausentwurf vor (Abb. 2.11), wobei er die Anregungen dazu nicht nur über das Bauwissen der Antike, sondern auch durch Ableitung aus der Baupraxis und direkter Beobachtung der entstandenen Schäden erfuhr.267 Bevor Ligorio das Hausmodell mit zugehöriger Kostenkalkulation vorführt, stellt er allgemeinere Überlegungen zum Themenkomplex erdbebensicheren Bauens an: in Ferrara vorgefundene Bautechniken und Materialverwendung werden kritisiert, die von den Traktatschreibern der Antike propagierten Brunnen und Stützbögen über Fenstern und Türen hingegen lobend erwähnt und diskutiert.268 Sorgfalt der Ausführung, solide Bauweise, qualitativ hochwertige Materialbeschaffenheit der Mauern (vorzugsweise Backsteinbauweise), Einsatz von Mauern gleicher Stärke und den Mauerverband stärkender Maßnahmen wie z. B. steinerner oder eiserner Anker, vor allem an kritischen Punkten wie Ecken oder oberhalb von Öffnungen,269 und richtige Proportioniertheit der Mauerstärke in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe waren ihm wichtige Punkte. Insgesamt zielen die von Ligorio als präventive Maßnahmen vorgestellten Mittel auf eine allgemeine Erhöhung der Festigkeit und Elastizität des Gebäudes.270 Ligorios in dem Manuskript erfolgte Auseinandersetzung mit der Erdbebenthematik und der Versuch, einen erdbebensicheren Hausentwurf zu erfinden, bildeten nach heutigem Kenntnisstand damals eine Ausnahme; auch ist die Schrift weder zitiert noch angewandt worden oder hat Bekanntheit erlangt.271 Der Einsatz von Systemen, die vor Erdbeben schützen sollten, lässt sich in einigen Regionen Italiens bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen und ist für das Erdbeben in Kalabrien von 1638 durch Agatio Di Somma dokumentiert.272 Um die Wende zwischen Sei- und Settecento, verursacht durch den Erfahrungsgewinn in Folge des ostsizilianischen Bebens von 1693 und jenes in l‘Aquila von 1703, lässt sich eine intensivere Befassung mit Präventivsystemen feststellen.273

Die Erkennung einer wichtigen kausalen Beziehung im Kontext von Erdbeben und Bauwesen reicht mindestens bis in die letzte Seicentodekade zurück, und zwar war den Menschen in der Folge des Erdbebens in Ostsizilien 1693 der Zusammenhang zwischen hoher Zahl an Todesopfern und mittelalterlicher Stadtstruktur klargeworden, wie aus den Erdbeben-Chroniken hervorgeht.274

Bei diesem Erdbeben handelte es sich um eine ca. zwei Jahre andauernde Periode wiederholter seismischer Aktivitäten, die am 9. Januar 1693 mit einem ersten Erdstoß der Stärke VIII (MCS) einsetzte. Das zwei Tage darauf erfolgte Hauptbeben war verantwortlich für eine der größten Katastrophen in Italien mit Zerstörungen der Stärke IX und mehr Grad MCS in einem Gebiet von ungefähr 5600 km2 und ca. 60.000 Todesopfern. Alle wichtigeren Städte Südostsiziliens wurden verwüstet. Catania, Acireale sowie die Ortschaften am Osthang des Ätna wurden quasi gänzlich zerstört, während Syrakus, Augusta und Ragusa sehr starke Schäden davontrugen.275

Von nicht unerheblichem Einfluss auf die Wiederaufbauqualität nach Erdbeben waren in der Vergangenheit die von der jeweiligen Regierung ergriffenen verwaltungs- und finanzpolitischen Maßnahmen. Die am weitesten verbreitete und älteste Strategie bestand in einer zeitlich beschränkten Steuererleichterung, die je nach Ausmaß der Schäden eine Steuerbefreiung von einem bis zu zehn Jahren mit sich brachte. Seit dem 13. Jahrhundert im Königreich Neapel und Sizilien regelhaft angewendet, wurde dieses System meistenteils auch im Königreich Sizilien unter spanischer und bourbonischer Herrschaft eingesetzt. Da die Steuererlasse nicht mit besonderen qualitätssteigernden Bauauflagen korreliert waren, profitierten die Einwohner jedoch nur kurzfristig von diesem System, das aufgrund seiner wenig zukunftsorientierten Ausrichtung für die meist schlechte Bausubstanz der Städte in Süditalien zumindest mitverantwortlich ist.276 Ein solches Verfahren ohne aktive ökonomische Unterstützung der Betroffenen wurde erst mit dem großen kalabresischen Erdbeben von 1783 aufgegeben.277 Neben den wirtschaftlichen Faktoren waren es aber auch juristische Verfügungen, die zur Veränderung des historischen Bauwesens beigetragen haben: als ein solches Reglement nennt Antonio Pugliano im Zusammenhang mit städtebaulichen Veränderungen in Palermo den 1567 und 1600 gewährten Gesetzeskorpus Privilegio Toledo e Maqueda, in Verbindung mit dem Erdbeben von 1693 den Rückgriff der Stadt Syrakus auf das Privileg des verbo regio und als weitere sehr oft auf Sizilien angewandte postseismische Maßnahme den 1555 durch den Vizekönig erlassenen capitolo 20 di Re Martino; letzterer z. B. ermöglichte es einem Bürger, der sein Haus vergrößern und verschönern wollte, auch gegen den Willen des Eigentümers angrenzender kleiner Häuser diese gegen Aufpreis eines Drittels des eigentlichen Wertes zu erwerben.278

Die spanische vizekönigliche Regierung reagierte auf das Erdbeben von 1693 mit der Entsendung verschiedener Beamter, die die Schäden begutachten, Rettungsaktionen einleiten und den Wiederaufbau überwachen sollten.279 So wurde Giuseppe Lanza Duca di Camastra vom Vizekönig Duca di Uzeda zum vicario generale mit voller Machtbefugnis für die Täler Val Demone und Val di Noto ernannt.280 Erste Maßnahmen Lanzas, dem der Militäringenieur Carlos De Grunembergh assistierend an die Seite gestellt war, betrafen die Einleitung sofortiger Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten im Bereich der zerstörten militärischen Anlagen. Weitere Vorkehrungen widmeten sich neben allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen vor allem der Reparatur der Versorgungssysteme, in erster Linie der Aquädukte und Mühlen. Erst danach folgte die Inangriffnahme des Wiederaufbaus der zerstörten Wohnstrukturen, wobei die Eingriffe von Fall zu Fall recht unterschiedlich ausfielen. Die Einwohner – ihre alten sozialen Strukturen beibehaltend – siedelten derweil in selbstgebauten Baracken in der Umgebung der zerstörten Stadt, wo sie die Entscheidung der Verantwortlichen abwarteten. Diese spontanen Viertelbildungen außerhalb der Mauern sind wahrscheinlich nicht ohne Auswirkungen auf den Wiederaufbau geblieben und haben – wie im Fall von Catania – die Ausbildung der Vorstädte mitbestimmt.281 Das auf diese Weise in Angriff genommene großflächige Wiederaufbauprojekt bot die Möglichkeit, die alten städtischen Konzepte im Sinne einer neuen barocken Stadtgestaltung zu überdenken.282

Im Verlaufe des Settecento, nach den großen Beben von 1693 in Ostsizilien, 1755 in Lissabon und 1783 in Kalabrien, neigte man insgesamt in Europa dazu, die mittelalterliche Planungspraxis zu verurteilen. Man hatte die Wichtigkeit breiter, gerader Straßen als Flucht- und Zugangsmöglichkeiten und großer offener Plätze für die Zuflucht und Bildung von Lagern im Katastrophenfall erkannt. Neben ästhetischen Kriterien waren es auch diese Gründe, die zur Umstrukturierung vieler Städte führten.283

Nach dem Erdbeben von 1693 lassen sich in Südostsizilien Veränderungen auf dem Gebiet der Urbanistik konstatieren, die sowohl Lagewechsel als auch den Wandel der innerstädtischen Struktur umschließen. Neben der Rekonstruktion zerstörter Ortschaften in situ finden sich auch Beispiele für eine Aufgabe des alten Ortes und einen Wiederaufbau an neuer Stelle, in beiden Fällen jedoch verbunden mit einer grundsätzlichen Reform der Wegeorganisation und Parzellierung. In Ostsizilien waren es auch nicht immer nur Überlegungen im Sinne der Erdbebenprävention, die das Für und Wider eines Ortswechsels beeinflusst haben, ebenso von Relevanz waren ausgeübter politischer Druck, Spekulation oder die Machtausübung sich neu heranbildender Hierarchien. In den Fällen, in denen es doch zu einem Verlassen der alten Lage kam, lassen sich seit dem 16. Jahrhundert eine Verlagerungstendenz von den Hügelkuppen in die Ebene und – im Kontext des Bebens von 1693 – eine Annäherung an das Meer verzeichnen.284 Beispiele für Neugründungen in veränderter Lage nach 1693 bilden die Städte Avola, Grammichele, Ragusa und Noto. Grammichele, ehemals Occhiolà, wurde von Carlo Maria Carafa-Branciforti, Principe di Butera, der innerhalb kürzester Zeit den von ihm selbst und seinem Architekten Fra’ Michele La Ferla erdachten Plan auf dem neuen Terrain abstecken ließ, neu erbaut. Auf diese Weise bildet Grammichele ein Beispiel für den raschen Wiederaufbau einer Feudalstadt an anderem Ort in Gegenwart einer konsolidierten Auftraggebersituation.285 Avola Nuova wurde südwestlich der früheren Gebirgslage in der Ebene mit einer auf den Architekten Angelo Italia zurückgehenden hexagonalen Anlage, geradlinig verlaufenden Straßenzügen und großzügig angelegten Plätzen erbaut.286 Bei der alten Stadt Ragusa, genauer dem Stadtteil Ibla, handelte es sich laut Quellen um eine der am stärksten durch das Beben getroffenen Städte. Trigilia erhebt jedoch den Einwand, dass das Beben hier eher als Vorwand für einen erweiterten Wiederaufbau an neuer Stelle gedient haben mag. U. a. sieht sie dies als Resultat neuer urbanistischer Modelle, wie sie z. B. der seicenteske Plan von Fenicia Moncada und die spanischen Stadtgründungen in der Neuen Welt liefern. Vor allem die Kolonisierung Lateinamerikas habe die städtische Kultur auf sizilianischem Gebiet stark beeinflusst, wofür Ragusa Nuova mit seinem regelmäßig orthogonalen Wegemuster und der Kombination von crux viarum mit einer durch breite Straßen getrennten, viereckigen Inselbildung eines der bezeichnendsten Beispiele darstelle.287 Die Neugründung der Stadt Noto (Abb. 2.12) in der Val delle Meti bildet ein etwas komplexeres Beispiel, da der Entscheidung zur Verlegung ein zehnjähriger Disput zwischen Einwohnern und spanischen Entscheidungsträgern, aber auch unter den Einwohnern selbst über diesen Entschluss und über die Wahl der neuen Lage vorangegangen war.288 Die von den führenden Gruppen gezeigte Unsicherheit verweist auf ein zumindest anfängliches Fehlen eines eindeutigen Zukunftsplanes für die Stadt.289 Die Gestalt der neuen Stadt geht, zumindest was die Unterstadt anbetrifft, mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen Entwurf Fra’ Angelo Italias zurück.290 Tobriner sieht im Fall von Noto die bedeutendere antiseismische Maßnahme jedoch nicht im Entwurf der neuen, sondern in der Aufgabe der alten Stadt.291 Der am Wiederaufbau Notos beteiligte Architekt Paolo Labisi preist in seinem unveröffentlichten Traktat über zivile Architektur (1773) die Vorteile offener Plätze, wie jener, die entlang des corso in Noto zu finden sind. Labisi unterstreicht, dass diese Luftzufuhr und Ventilation ermöglichen und den Regen kanalisieren, zudem aber auch, dass sie einem jeden Einwohner die Bequemlichkeit bieten, sich vor den Erdstößen und dem Erschlagen werden durch Verlassen des eigenen Hauses und Aufsuchen der freien Flächen in Sicherheit zu bringen.292 Nachdem Noto zunächst als temporäre Stadt wiedererbaut worden war, begann man nach ca. zehn Jahren mit dem Wiederaufbau in der heutigen Form. Aus Angst vor neuerlichen Beben baute man in der ersten Settecento-Dekade jedoch vorsichtig: d. h. nur unerschütterliche und niedrige Gebäude. Ein anonymer Chronist berichtet, dass man noch lange Zeit nach dem Beben Angst davor hatte, die Gebäude mit mehr als einem Stockwerk zu errichten.293

Abb. 2.12: Ansicht von Noto Antica (Stich nach einem verlorenen Original, Mitte 18. Jh.?, Aufbewahrungsort unbekannt; Foto: Atti e Memorie, Istituto per lo studio e la valorizzazione di Noto Antica, Noto, 1972, Anno III, cap. IX; aus: Tobriner 1989, p. 15 fig. 2); rechts: Vedute von , P. Labisi, circa 1750–60. Sammlung der Biblioteca Comunale di Noto.

Abb. 2.12: Ansicht von Noto Antica (Stich nach einem verlorenen Original, Mitte 18. Jh.?, Aufbewahrungsort unbekannt; Foto: Atti e Memorie, Istituto per lo studio e la valorizzazione di Noto Antica, Noto, 1972, Anno III, cap. IX; aus: Tobriner 1989, p. 15 fig. 2); rechts: Vedute von , P. Labisi, circa 1750–60. Sammlung der Biblioteca Comunale di Noto.

Bei den in situ mit modernisiertem Stadtplan wiedererrichteten Städten – z. B. Catania, Syrakus und Modica – spielte nach heutiger Annahme nur z. T. die Quantität an wiederverwendbarer Bausubstanz eine Rolle bei dem Entscheid, an der alten Lage festzuhalten.294 Das bereits durch den Ätnaausbruch 1669 durch einen Lavastrom in Mitleidenschaft gezogene Catania wurde 1693 fast ganz zerstört. Wie aus einem Brief des Vizekönigs hervorgeht, sollte Carlos De Grunembergh ein Gutachten zur eventuellen Lageveränderung Catanias erstellen.295 Jedoch wollten weder die Einwohner den Ort verlassen, noch wollte man die Festungsanlage aufgeben, so dass Catania trotz stärkster Schäden an der alten Stelle wiedererbaut wurde. Im Zentrum des Wiederaufbaus standen nun vor allem städteplanerische Fragen, die einen urbanistischen und architektonischen Erneuerungsprozess einleiteten, der letztlich zu den markanten Veränderungen am ursprünglichen Stadtbild geführt hat. Ein Hauptaugenmerk richtete sich dabei auf die engen gewundenen mittelalterlichen Straßenzüge, die als Vorsichtsmaßnahme einem geradlinigen Wegesystem mit breiten Straßen und großen, regelmäßig angeordneten Plätzen weichen mussten. Verantwortlich für diese zukunftsorientierte Regelung des Bau- und Straßenwesens war in erster Linie der Herzog von Camastra, welcher den Consiglio per la riedificazione di Catania (Rat für den Wiederaufbau Catanias) einberufen hatte, der unter seinem Vorsitz in der Sitzung vom 28. Juni 1694 festlegte, dass die zu bauenden Straßen alle a retta linea, zudem breit und geräumig sein sollten.296 Der Wiederaufbauplan Catanias sah zudem eine niedrige Bebauung mit nicht mehr als zwei, maximal drei Stockwerken vor, um ein harmonisches Verhältnis zwischen Straßenbreite und Gebäudehöhe zu erhalten.297 Eine Stelle der zeitgenössischen Chronik von F. Privitera, die das Geschehen in Catania und den Einsatz Giuseppe Lanzas beschreibt, verweist auf die Rolle, die eine Art des Wetteiferns unter den Einwohnern bei der Mehrung des Baubestandes und die Stadt Palermo als Vorbild für die kreuzförmige Straßenführung gespielt haben.298 Neben der geradlinig-rechtwinkligen Wegeführung kennzeichnete den Wiederaufbau der südostsizilianischen Städte auch eine vermehrte Bereitstellung freier Flächen, während die traditionellen Bautypen – zumindest was die Behausungen des größten Bevölkerungsteils angeht: die case terranee – großenteils beibehalten wurden. In dem neuen Plan Grammicheles nahm der nicht bebaubare öffentliche Raum in etwa die Hälfte der Gesamtfläche ein. Zudem überstieg der zur Bebauung vorgesehene Raum bei Zugrundelegung der gebräuchlichen Bautypen die für die Wohnbauten benötigte Fläche um das Dreifache. Selbst 1699 noch nicht alle zugeteilt oder besetzt, wurden die noch freien Parzellen in Noto als riserve fondiarie betrachtet und vorerst zu Gärten bestimmt.299

Der interessanten Fragestellung, inwieweit Erdbeben weniger Ursache als vielmehr Anlass für eine renovatio urbis, eine Rekonfiguration des städtischen Raums gegeben haben könnten, kann im Rahmen der hiesigen Darstellung nicht erschöpfend erörtert werden. Mehrfach finden sich Äußerungen, die die Beben als eine Art Katalysatoren oder Motoren einer Modernisierung der den veränderten Ansprüchen nicht mehr genügenden ostsizilianischen Architektur und städtischen Gestalt interpretieren.300 Durch die post-seismische Bauaktivität nach 1693 gelang es Ostsizilien auf jeden Fall, den Vorsprung Westsiziliens auf architektonisch-urbanistischem Gebiet auszugleichen.301

Puglianos vergleichende Untersuchung der Bebenauswirkungen von 1726 und 1823 in Palermo ergab ein weitgehend übereinstimmendes Verteilungsmuster der Schäden und verweist damit implizit auf eine direkte Abhängigkeit von Erdbebensicherheit eines Gebäudes und Bodencharakteristik des jeweiligen Baugrundstücks:302 dies ein weiterer kausaler Zusammenhang, dessen man sich spätestens im Kontext des Erdbebens von 1726 bewusst geworden sein muss, wie die zeitgenössischen Karten von Antonino Bova (1726/27; Abb. )303 und Domenico Campolo (1726)304 zeigen. Beide Pläne illustrieren die von den unterschiedlichen Stadtvierteln erlittenen Schäden, in Campolos Zeichnung findet sich jedoch zusätzlich der ehemalige Verlauf der Flüsse Kemonia und Papireto eingezeichnet, wodurch Lagebeschaffenheit und Grad der Zerstörung eindeutig in Beziehung gesetzt sind. Trockengelegt und mit Erdreich aufgefüllt, hatten die Wasserläufe Platz für neue Bebauungsgebiete geliefert. In der Folge hatten die in den Aufschüttungszonen realisierten Bauten jedoch sehr viel weniger Resistenz gegenüber den Erdstößen bewiesen als die auf felsigem Untergrund errichteten älteren Gebäude; so waren die größten Zerstörungen in Palermo 1726 in den Zonen mit alluvialem Boden, d. h. jenen der alten Niederungen, zugeschütteten Flussbetten und in Meeresnähe zu finden.305

Abb. 2.13: Antonino Bova, Karte Palermos, publiziert in Mongitore 1727 (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività cuturali e del Turismo, Direzione Regionale per i beni culturali e del paesaggio – Biblioteca Reale – Torino).

Abb. 2.13: Antonino Bova, Karte Palermos, publiziert in Mongitore 1727 (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività cuturali e del Turismo, Direzione Regionale per i beni culturali e del paesaggio – Biblioteca Reale – Torino).

Die Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen Bodenbeschaffenheit und Gebäudestabilität spiegelt sich in der besonderen Aufmerksamkeit, die in der palermischen Traktatliteratur Fragen der Fundamentierung gewidmet ist. Tommaso Maria Napoli in seinem Utriusque Architecturae Compendium (1688)306 und der Architetto Prattico Giovanni Biagio Amicos (1726/1750)307 liefern detaillierte technische Hinweise in Bezug auf Ausführung, Bestandteile und einzuhaltende Größenverhältnisse der Fundamentstrukturen. Die Fundamentstrukturen, die auf der Basis des vorhandenen Untergrunds gewählt werden sollen, sind weniger dem aufführenden Mauerwerk als der Bodenqualität anzupassen.308 Amico, sich der errori, o inavvertenze degli Architetti commessi nel gettare i Fondamenti (Fehler oder Unachtsamkeiten der Architekten im Hinblick auf den Bau der Fundamente)309 bewusst, geht noch einen Schritt weiter und beschreibt unter Verweis auf sein eigenes Vorgehen in der Baupraxis die positive Auswirkung der Anwendung der stabileren, für sumpfige Gebiete entwickelten Fundamentierungsweise mit Pfeilern und Bögen auch für feste Böden.310 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sollte Francesco Milizia dann die feste Verbindung zwischen Gebäude und Fundament in Frage stellen; zur Begrenzung der Stoßübertragung schlug er stattdessen das bloße Aufsetzen des Baukörpers auf ein den Grundriss überragendes Fundament vor.311

Beim Wiederaufbau von Noto könnte – wie von Barucci vermutet – das System einer hölzernen Fundament-craticola zur Versteifung der Gesamtstruktur angewendet worden sein.312 Eine Detailabbildung dieses Systems zeigt eine Graphik313, die der Architekt Paolo Labisi für die italienische Übersetzung314 der Elementa architecturae civilis Christian Wolffs315 anfertigte. Das von dem Franziskaner Maria Sortino 1746 in Noto übersetzte, nicht veröffentlichte Werk diente laut Frontispiz per uso proprio dell’Architetto Reggio della Città di Noto Dr. Paolo Labisi und war wahrscheinlich als manuale für die Rekonstruktionsarbeiten bestimmt. Die in dem Abschnitt Craticulam ad firmitatem fundamenti parare beschriebene bei der Fundamentierung einzusetzende Holzplatte sollte im Falle eines Erdbebens die Dissoziierung der Teile verhindern (in terraemotibus hac ratione partium dissociatio impeditur).316

Giovanni Biagio Amico, der 1726 den ersten Band seines Traktats L’Architetto prattico veröffentlichte und damals bereits den Ruf eines Experten in Fragen der Gebäudekonstruktion genoss, wurde 1726 in Folge des palermischen Erdbebens in die Hauptstadt berufen, um zur Schadensbehebung beizutragen, wobei er nach Aussage des Zeitgenossen A. Mongitore durch seine originellen und effektiven Eingriffe positiv aufgefallen sein muss.317 Die Passage eines Manuskripts, in dem Amico einen Vorschlag zur Sanierung der Kuppel von St. Peter in Rom unterbreitet, unterrichtet recht genau in Wort und Bild über eine spezifische Art des Eingriffs, die Amico 1726 in Palermo angewandt hat, und zwar den Einsatz schwalbenschwanzförmiger Maueranker aus Stein.318

Der Architetto Prattico lässt Amicos aus seinen Architekturen ableitbare eigene Bau- und Entwurfspraxis vielfach nicht erkennen.319 Als eine Art Vorläuferform des manuale konzipiert, vermittelt der Traktat weniger Probleme als vielmehr Sicherheiten, Prinzipien und Definitionen. Weit davon entfernt, Regeln für jeden Bautypus zu skizzieren, scheint das Werk geschaffen, vor allem jene jungen Menschen zu instruieren, die später in Sizilien ihren Arbeitsbereich finden würden, wie wiederholte Bezugnahmen auf spezifische Probleme der Insel, die historische Situation sowie Verweise auf sizilianische Maßeinheiten, Baupraxis und dortige Materialverfügbarkeit vermuten lassen.320 Darüberhinaus bewies Amico in seinem Traktat ein für seine Zeit überdurchschnittliches Interesse an technisch-konstruktiven Fragen, das ihn als Anhänger von progressivem Erkenntnisgewinn und wissenschaftlichem Fortschrittsglauben kennzeichnet.321

Abb. 2.14: Giovanni Biagio Amico, Geometrische Beschaffenheit des Mauerquerschnitts, aus Amico 1726, 1. Buch, Kap. 18, Abb. 11 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.14: Giovanni Biagio Amico, Geometrische Beschaffenheit des Mauerquerschnitts, aus Amico 1726, 1. Buch, Kap. 18, Abb. 11 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Aus der von Pugliano konsultierten Traktatliteratur spricht nach dessen Aussage die Überzeugung der Verfasser, dass eine korrekte Anwendung der regola d’arte alle konstruktiven Probleme in Hinsicht auf mögliche Naturphänomene löste, weswegen sich weniger direkte als implizite Hinweise auf Erdbebenproblematiken finden ließen.322 Eine nach den Regeln der Kunst, d. h. eine entsprechend der theoretischen Vorgaben errichtete Mauer z. B. bedürfe keiner Hilfsmittel um standzuhalten; folgerichtig wird auch der Gebrauch eiserner Anker zur Unterstützung einsturzgefährdeter Wände von Amico in seinem Traktat nicht positiv beurteilt.323 Zum Erhalt einer standhafteren Struktur empfiehlt Amico unter Verweis auf Vitruv die Verwendung großer harter Steine und eines besseren Mörtels im Bereich der Mauerecken sowie eine größtmögliche Entfernung der Öffnungen von diesen. Des weiteren trügen auch axiale Anordnung der Öffnungen und Ausstattung derselben mit Entlastungsbögen zur Festigkeit bei.324 Ziel der bewussten Anordnung der Elemente sei nach Pugliano die Bildung einer kompakten Baumasse mit monolithischem Verhalten, welche die Autoren weniger durch die Bindungsfähigkeit des Mörtels als vielmehr durch eine effiziente Verankerung in der Horizontalen und häufiges Ineinandergreifen entlang der Vertikalen gewährleistet sahen.325

Eine der Anleitungen Amicos, die im 18. Jahrhundert in Palermo vermehrt befolgt worden ist, kann als Beispiel für ersonnene Maßnahmen stehen, die präventiv gedacht waren, sich im Laufe der Geschichte aber als negativ auswirkend enthüllt haben: und zwar schlug Amico zur Wandstabilisierung anstelle des bisher geböschten die Anwendung eines nunmehr pyramidal sich nach oben verjüngenden Mauerquerschnitts vor (Abb. 2.14). Der oft unkritische Einsatz eines solch pyramidalen Maueraufbaus auch über die vorgesehene Höhe hinaus bildete aber den Grund für spätere starke Bebenschäden in Palermo.326 Einstürze von Mauern durch Gleichgewichtsverlust konnten aber auch durch unsachgemäße Aufstockungen der Gebäude mit zu schmalen Mauern, die zudem oft noch schwere Elemente wie Terrassen, bekrönende Balustraden und Vasen tragen mussten, verursacht sein. Derartig provozierte Mauerbewegungen forderten mitunter auch durch das Herabfallen der Dekorationen Todesopfer, weswegen die Stadtregierung viele davon entfernen ließ.327 Ausgetauscht wurden vielfach auch die als zu schwer und gefährlich befundenen Balkone mit steinernen Konsolen, die wahrscheinlich auf Anraten Amicos und Giuseppe Marianis per Gesetz verboten und durch weniger vorkragende und leichtere Trägerstrukturen aus Metall ersetzt wurden.328

Abb. 2.15: Dachkonstruktion der Klosterkirche S. Chiara. Biblioteca Comunale di Noto „Principe di Villadorata“.

Abb. 2.15: Dachkonstruktion der Klosterkirche S. Chiara. Biblioteca Comunale di Noto „Principe di Villadorata“.

Abb. 2.16: S. Chiara in Noto, Blick in die Kuppel. (Foto: M. Bares).

Abb. 2.16: S. Chiara in Noto, Blick in die Kuppel. (Foto: M. Bares).

In den Kontext der beim Wiederaufbau von Palermo nach 1726 angewandten, erstaunlich fortgeschrittenen Methoden reiht sich auch die angesichts der zerstörten großen Kuppeln nach dem Beben eröffnete Diskussion über die technische Beschaffenheit resistenterer Wölbformen, die anstelle aus Stein aus Holz und Stuck gefertigt sein sollten.329 1728 wurde die palermische Kirche San Carlo Borromeo mit einer neuen Wölbung aus Rohr und Gips versehen, als deren Urheber der durch seicenteske spanische Traktate beeinflusste Gaetano Lazzara vermutet wird.330 Vielleicht war es diese Kuppeldebatte in Palermo, die in Noto bestimmte Reaktionsmuster als Antwort auf das dortige neuerliche Beben von 1727 nahelegte und ein ähnliches Reflektieren über konstruktive Kriterien großer Gewölbe anregte. Nach 1727 ist jedenfalls in Rosario Gagliardis Werk und in Noto ein Mangel an großen Kuppeln, Turmfassaden und hohen Türmen festzustellen.331 Dass Gagliardi sich aktiv mit Fragen der Erdbebenprävention auseinandergesetzt hat, weiß man aus einem Dokument von 1750, das mit seiner Arbeit an der Kirche San Michele in Scicli in Zusammenhang steht, und in welchem er die Anwendung eines mit Holz und Gips konstruierten Gewölbes fordert. Er begründet seine Forderung damit, dass ein solches Gewölbe Erdstößen leichter widerstünde als ein steinernes, schlägt aus Kostengründen anstelle des kostenintensiven dammuso finto aber einen dammuso regalino, d. h. eine geschüttete Kuppel vor.332 Eine leichte Wölbform ist in dem Kirchengewölbe von S. Chiara in Noto realisiert (Abb. 2.152.16). Die Entwurfszeichnung Gagliardis sieht eine vom darüber liegenden Dach strukturell getrennte Wölbschale aus Rohrgeflecht vor, die von einem komplexen Holzgerüst getragen wird.333 In Verbindung mit der Angst vor erneuten Katastrophen stehende bauliche Vorsichtsmaßnahmen betrafen ebenfalls die neuen Fassadengestaltungen der chiese madri.334 Außer im Fall von Ragusa Superiore fallen bei den neuen Realisierungen besonders das Fehlen von campanili und der autonome Charakter der in geeigneter Mauerstärke errichteten Fassaden auf.335

Abb. 2.17: Vincenzo Ferraresi, Entwurf eines antiseismischen Hauses, Fassadenaufriss und Querschnitt, aus: Vivenzio 1783 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.17: Vincenzo Ferraresi, Entwurf eines antiseismischen Hauses, Fassadenaufriss und Querschnitt, aus: Vivenzio 1783 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.18: Innenwand eines im Abbruch begriffenen Hauses am Corso Italia in Filadelfia, Detail: ,x‘-förmige Ausfachung der Wand; hier sichtbar die Abdrücke der herabgefallenen Holzbalken (Foto: S. Tobriner).

Abb. 2.18: Innenwand eines im Abbruch begriffenen Hauses am Corso Italia in Filadelfia, Detail: ,x‘-förmige Ausfachung der Wand; hier sichtbar die Abdrücke der herabgefallenen Holzbalken (Foto: S. Tobriner).

Eine andere, in der römischen Antike bereits bekannte336 und in ihren neuzeitlichen Anfängen bis in das 17. Jahrhundert zurückzuverfolgende Form der Prävention bot eine dem deutschen Fachwerk recht ähnliche, sowohl auf Sizilien als auch in Kalabrien angewandte und auf der Flexibilisierung der Mauerkonstruktion mittels in den Mauerverband integrierter hölzerner Elemente basierende Bauweise (a graticcio).337 Barucci schließt unter diesem Aspekt eine Einflussnahme des ostsizilianischen Wiederaufbaus auf die im Zusammenhang mit dem Beben von 1755 in Lissabon entwickelte und traditionell Carlos Mardel zugeschriebene Holzrahmenkonstruktionsweise der portugiesischen gaiola sowie deren mögliche Rückbeeinflussung auf die späteren Entwicklungen in Kalabrien nicht aus.338 Etwa drei Jahrzehnte nach dem Lissaboner Beben entwarf Vincenzo Ferraresi im Kontext des kalabresischen Erdbebens von 1783 und dem von der bourbonischen Regierung eingesetzten Zivilschutzprogramm unter dem Einfluss von Robert Morris’ Gebäudeentwurf The Cube das Modell eines antiseismischen Hauses, dessen kubische Form und einheitliche architektonische Struktur zudem den von Francesco Milizia in seinen Principi di architettura civile (1781) formulierten Anforderungen an die case per i tremuoti entsprechen.339 Ferraresis im Atlante der Istoria von Giovanni Vivenzio 1783 publiziertes Konstruktionssystem der casa baraccata340 (Abb. 2.172.18) – in Kalabrien auch casa borbonica genannt – galt in der Folge als Prototyp für den Wiederaufbau der kalabresischen Städte, dessen Anwendung von 1785 bis 1854 baugesetzlich vorgeschrieben war und bis in die erste Dekade des 20. Jahrhunderts nachweisbar ist.341

2.5.2 Bauen unter Berücksichtigung von Klimafaktoren

Einen weiteren Fall der Einwirkung von Umweltbedingungen auf das Baugeschehen bildet die Ergreifung von Schutzmaßnahmen gegen schädliche Auswirkungen von Klimaeinflüssen; so lässt sich feststellen, dass bisweilen Abhilfen gegen Sonne, Wind, Regen und Schneefall oder auch gegen zu große Kälte und Hitze in die Bauplanung einbezogen und bei der Ausführung des Gebäudes beachtet worden sind.

Eine Formulierung über die Anwendung geneigter Dachflächen zum Schutz vor eindringendem Regenwasser findet sich bereits bei Vitruv. Sie ist Bestandteil seiner Betrachtungen über die Anfänge des Errichtens von menschlichen Behausungen. Laut Vitruv hätten die Menschen zu Beginn die Dächer aus Rohr und Laub gefertigt, um sich vor Regen und Wärme zu schützen. Und damit die Dächer den Winterregen widerstehen könnten, hätten sie diese mit geneigten Dachflächen gestaltet.342 Offensichtlich betrachtete Vitruv starke Regenfälle und die angewinkelte Dachform im Sinne einer Beziehung von Ursache und Wirkung. Später, im sechsten Buch, im Kapitel Della situazione degli Edifizj secondo le diverse proprietà de’ luogi, e i vari aspetti del cielo forderte er ganz allgemein ein den unterschiedlichen Ländern, Sonnenständen und Himmelskonstellationen, letztlich also den Klimazonen angemessenes Bauen.343 Das Kapitel schließt mit dem nochmaligen Appell an eine notwendige Anpassung der Gebäudebeschaffenheit an das im jeweiligen Lande vorherrschende Klima: bisogna secondo il corso del sole, e la elevazione del polo, adattare al temperamento del paese le qualità degli edifizj.344 Konkreter gehaltene Anweisungen in Hinsicht auf anzuwendende Maßnahmen beschränken sich bei Vitruv jedoch auf das Bauen überwölbter, bestmöglich geschützter, nicht offener und der Sonnenseite zugewandter Behausungen in nördlichen, sowie offener, nach Norden oder Nordosten gewandter Häuser in südlichen Gefilden.345

An Vitruvs Überlegungen knüpfte im Quattrocento Leon Battista Alberti in seinem De re aedificatoria libri X (1485) an. Dort ist im Anschluss an einen Exkurs über die schädigende Wirkung von in die Bausubstanz eindringendem Regenwasser geschildert, dass erfahrene Architekten die Dachneigung in Abhängigkeit von der Klimaregion gestaltet hätten, und zwar „machten sie in schneereichen Gegenden hohe Satteldächer mit steilansteigendem spitzen Winkel, damit sich der Schnee weniger ansetzen konnte und leichter abgleite. An sommerlichen Orten sozusagen führten sie die Dächer mit geringerer Neigung aus.“346

Überlegungen zu einem solcherart ,standortgerechten Bauen‘ lassen sich ebenfalls im Traktat von Francesco di Giorgio Martini finden,347 worin zum Beispiel Dächer als für schneereiche Gegenden geeignet beschrieben sind, die ein Drittel so hoch wie breit sind.348 Auch die jahreszeitlichen Unterschiede und die jeweilige Höhenlage eines Gebäudes sollen nach Francesco di Giorgio entsprechende Berücksichtigung bei der Planung finden; so wird in dem Trattato di architettura civile e militare (1841 hg. von Cesare Saluzzo) z. B. eine Zweiteilung in Sommer- und Winterzimmer gepriesen, mit für die kalte Jahreszeit geplanten Zimmern, die klein und nach Süden ausgerichtet, und Sommerzimmern, die nach Norden hin orientiert, sowie groß und offen gestaltet sein sollen.349 Überdies sei bei Kälteeinwirkung eine geringe Mauerdicke ausreichend, wohingegen vor Hitze nur dickes Mauerwerk schütze.350 Sebastiano Serlio wiederum schlug zur winterlichen Kältebekämpfung für ein königliches Haus das Einziehen von Zwischendecken in allzu hohe Räumlichkeiten vor.351 In Hinblick auf eine Berücksichtigung der verschiedenen Höhenlagen eines Gebäudestandorts vermerkte Francesco di Giorgio, dass für tiefere Lagen das Bewohnen der oberen Zimmer für die Gesundheit besser, in hohen, gebirgigen Lagen wegen der dort anzutreffenden dünneren Luft hingegen die Errichtung niedriger, dafür aber breiterer Bauten angebracht sei. Diese Regel, so der Autor, würde in Italien nur wenig beachtet und oft sei geradezu das Gegenteil zu beobachten.352

In den Quattro libri dell’architettura von Andrea Palladio (1570) findet man im Anschluss an allgemeinere Ausführungen über die negative Regenwasserwirkung und einen expliziten Verweis auf Vitruv die Frage der Anpassung der Dachhöhe an den regionalen Standort eines Gebäudes am Beispiel von Deutschland und Italien und unter Einbezug von Aspekten der Materialverwendung erläutert. Palladios Beschreibung setzt die Steilheit und das angewandte Material der deutschen Dächer in Relation zu der dort fallenden großen Menge an Schnee. Überlegungen in Hinsicht auf die richtige Proportionierung des Daches in gemäßigten Regionen (Italien), in welchen die Wahl der Firsthöhe neben der Regenwasserableitung auch Kriterien der Anmut und der schönen Form gehorchen müsste, führten Palladio zur Forderung eines proportionalen Verhältnisses von 2 : 9 zwischen Dachhöhe und Dachbasis,353 also eines von außen in Erscheinung tretenden Daches, das als sichtbare bauliche Komponente ein Element der ästhetischen Komposition des Bauwerks bildet.

Sir Henry Wotton, der durch seine mehrjährigen Aufenthalte als englischer Gesandter in Venedig und seine Bildungsreise durch Europa gut mit der palladianischen Architektur vertraut war, bestand in seinen Elements of architecture (1624), dem ersten Architekturtraktat eines englischen Autors, ebenfalls darauf, dass den regionalen und damit den klimatischen Gegebenheiten bei der Planung eines Gebäudes Rechnung zu tragen sei.354 Rekurs nehmend auf das bei Palladio angegebene Höhen- und Breitenverhältnis unterstrich er, dass dieses nur für gemäßigte Regionen anwendbar ist:

„[…], the Italians are very precise in giving the Cover a gracefull pendence or slopenesse, dividing the whole breadth into Nine parts; whereof two shal serve for the elevation of the highest Toppe or Ridge, from the lowest. But in this point the quality of the Region is considerable: For (as our Vitruvius insinuateth) those Climes that feare the falling and lying of much Snow, ought to provide more inclining Pentices: and Comelinesse must yeeld to Necessity.“355

Auch Vincenzo Scamozzi verfolgte in der Idea della Architettura Universale (1615) den Gedanken einer ursächlichen Beziehung zwischen Dachneigung und den zu erwartenden Schnee- bzw. Regenfällen einer Region. Scamozzi forderte eine Dachform, die sowohl der Bauaufgabe als auch dem Bestimmungsland angemessen ist, denn:

„[…] altro coperto ricerca un’edificio regio, ò sacro, ò secolare: & altro poi uno di mediocre qualità, & altro poi si dee usare dove l’aria è temperata, & anco differentemente nella Spagna, e nella Francia, ò nella Germania, come qui in Italia, e finalmente in altri, e differenti paesi.“356

In Bezug auf Italien gab er an, dass dort in den meisten Fällen die Dächer nicht niedriger gestaltet seien als ein Fünftel ihrer Breite, und dort, wo viel Regen falle, nicht höher als ein Viertel ihrer horizontalen Erstreckung.357 Dachkonstruktionen in Form seitengleicher Dreiecke fände man hingegen besonders bei großen Gebäuden in schnee- und windreichen Regionen:

„E quanto all’altezza de’ coperti nella Germania, & anco nella Francia, & altri paesi dove regnano grandissime nevi, e venti osservano di fare il piovere de’ loro coperti, e particolarmente de gl’edifici molto grandi in forma del triangolo d’uguali lati; acciò che le nevi non vi si fermino sopra, perche in Vienna, Città dell’Austria, & in Praga feggio della Boemia, e molte altre vi si fermano le nevi lunghissimo tempo; […]“358

Offenbar zuerkannte Scamozzi aber auch der Tradition eine gewisse Bedeutung bei der Wahl der Dachhöhe, denn er schrieb:

„In Germania osservano più per una certa consuetudine, che per il bisogno di fare i Tetti delle loro case, e palazzi molto acuti, e ricoperti de tegoline, piane, e quadrelatere, ò fatte à scaglie de pesci, come si vede fino a’ confini della Lorena: […].“359

Eine Feststellung, die kurz darauf wieder klimatischen Argumentationen Platz macht, denn, so bemerkte Scamozzi im weiteren Verlauf, in der Freigrafschaft Burgund verwende man flachere Dächer, da das Land nicht so sehr viele Schneefälle aufweise und harte Hölzer verwendet würden.360 Für Frankreich und Deutschland fasste Scamozzi noch einmal zusammen:

„Per quello, che noi habbiamo osservato in Germania, & in Francia fanno i loro tetti molto acuti gl’uni; perche nella Francia, tallhor vi regnano grandissimi Venti, i quali respingono le pioggie all’insù, e con tanto empito del Vento Circio, overo Maestro Tramontana, che egli lieva i tetti alle case,[…]. E nella Germania vi cadono poi molte, e frequenti nevi; le quali per la molta pendentia de’tetti non vi si possono fermare: la onde se essi fussero piani, ò cõ poca pendentia esse aggravarebbono, molto cõ pericolo delle fabriche.“361

Die in der Realität vorgefundene Unregelmäßigkeit bei der Verteilung unterschiedlich hoher Dächer auf einzelne Landstriche, die im Widerspruch zu einer alleinigen Abhängigkeit der Dachhöhe vom Klima stand, scheint Scamozzi sich durch das verwendete Material erklärt zu haben, das ebenfalls von Bedeutung sei; eine Erklärung, die in seinem Traktat eher angedeutet ist,362 in seinem Taccuino di viaggio da Parigi a Venezia (Reisetagebuch von Paris nach Venedig) jedoch sehr deutlich zutage tritt: non è vero che per il paese, ma per la qualità della materia principalmente, che sono le acquarie piane, l’arduosa, e simiglianti fano i coperti acuti (Es ist nicht wahr, dass die mediterranen Dächer wegen des Landes flach sind, sondern hauptsächlich aufgrund der Art des Materials; Schiefer und ähnliche Materialien führen zu spitzen Dächern.). 363

1673, nur zwei Jahre nach der Gründung der Académie Royale d’Architecture in Paris, war das Wissen um eine wetter- und materialbedingte Abhängigkeit der Dachgestaltung, insbesondere der Dachhöhe, wohl allgemein verbreitet, denn beides wurde durch die Akademiemitglieder in der Sitzung vom 3. Juli desselben Jahres bestätigt.364

Abb. 2.19: Gian Lorenzo Bernini, erstes Projekt für die Ostfassade des Louvre, Paris 1665. Louvre, Cabinet des Dessins, N° d’inventaire: Rec1folio4.

Abb. 2.19: Gian Lorenzo Bernini, erstes Projekt für die Ostfassade des Louvre, Paris 1665. Louvre, Cabinet des Dessins, N° d’inventaire: Rec1folio4.

In der Vergangenheit, vor allem seit dem 17. Jahrhundert, wurde verschiedentlich der Versuch unternommen, das flache bzw. nur mit geringem Neigungswinkel errichtete ,italienische Dach‘ auch in andere Klimaregionen zu übertragen. Ursprünglich rührte dieses Motiv vom mittelalterlichen Wehrbau her und war seit der Frührenaissance vermehrt für den privaten Palastbau in Italien (z. B. Palazzo Medici, Florenz) adaptiert worden. Schließlich war es dann auch über die Grenzen Italiens hinaus zu einem ästhetischen Ideal aufgestiegen. Wie sich aus dem Beispiel von Berninis Louvreentwürfen ableiten lässt (Abb. 2.19), haben solche späteren ,Exportversuche’ einer primär ästhetisch verstandenen Form im Vorfeld eines Bauvorhabens wahrscheinlich mehrfach zu Diskussionen ob deren Anwendbarkeit unter veränderten Wetterbedingungen geführt. Bei Anwendung des unveränderten Modells lief man Gefahr, spätere Schäden an der Bausubstanz zu provozieren. Entschied man sich im oder auch ohne das Bewusstsein der Risiken für den Bau und traten dann im Nachhinein Probleme auf, dürfte die mangelhafte Anpassung an das vorherrschende Klima als mögliche Ursache in vielen Fällen erkannt worden sein. So resultierten Schäden an einigen Gartenpalastbauten, die nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach in Österreich errichtet worden waren, mit ziemlicher Sicherheit aus deren Unangepasstheit an die raue Umgebung der nordöstlichen Alpenausläufer, wie aus den Einträgen zu vorgenommenen Reparaturen oder Umbaumaßnahmen in den erhaltenen Dokumenten geschlossen werden kann.

Gian Lorenzo Bernini hatte mit seinen Louvreentwürfen für das französische Königsschloss einen oberen Abschluss nach italienischer Manier mit für den Betrachter unsichtbarem Dach vorgeschlagen (Abb. 2.19), als er 1665 von Ludwig XIV. nach Paris gerufen worden war. Als Prototyp dieser im italienischen Barock normhaft verbreiteten Aufrissgestaltung einer Fassade mit nach oben hin abschließender, meist figuren- oder vasenbesetzter Balustrade und dahinter verborgener Dachkonstruktion fungierte dabei der etwa ein Jahrhundert zuvor von Michelangelo entworfene Konservatorenpalast in Rom.

Die Kritik von Jean-Baptiste Colbert – zu jener Zeit Finanzminister und Surintendant des bâtiments et manufactures von Ludwig XIV. – an Berninis erstem Entwurf für die Louvre-Ostfassade, verbunden mit der Aufforderung, diesen noch einmal zu überdenken, bezog sich in erster Linie auf praktische Belange wie die Berücksichtigung von Klima und der zur Verfügung stehenden Baumaterialien sowie Fragen der Annehmlichkeit für die Bewohner, der Instandhaltung und der Sicherheit.365 In Bezug auf das Klima insistierte Colbert auf der Unpraktizierbarkeit von flachen Dächern und Terrassen in Paris, von denen er behauptete, dass diese dort nicht mehr als zwanzig oder dreißig Jahre überdauern könnten:

„[…] il est certain par une expérience universelle que la quantité de pluies et de neiges qui tombent à Paris, pendant les hyvers, empesche qu’aucune terrasse, ni mesme les combles plats, y puissent subsister au plus vingt ou trente années.“366

Kälte, Feuchtigkeit sowie Regen- und Schneefülle führten dazu, dass die Appartements sieben bis acht Monate des Jahres geheizt werden müssten, so dass man in Frankreich eher versuchen sollte, sich vor Kälte als vor Hitze zu schützen, die nie so groß sei, als dass sie mehr als einen Monat oder sechs Wochen des Jahres für Unbequemlichkeit sorge. Wind, Regen und Schnee sowie die bis dato Noch-Nichtverfügbarkeit eines ausreichend resistenten Materials in Frankreich nannte Colbert als Gründe, weswegen – wie man aus langer Erfahrung wusste – Terrassen und Flachdächer nicht unterhalten werden konnten. Der winterlichen Feuchtigkeit hingegen kann ihm zufolge dadurch begegnet werden, dass man die Gebäude so gut wie möglich an Sonne und Luft exponiert.367

Berninis Zeichnungen sollen den Abbé d’Argenson zu der offenbar zufriedenen Feststellung verleitet haben, dass in diesen die grands combles à la mode (die modischen großen Dächer) und die sichtbaren Kamine ,verbannt‘ seien.368 Wie die Aufzeichnungen von Chantelou referieren, hatte Bernini sich auch selbst verbal über die seiner Meinung nach zu hohen Dächer Frankreichs geäußert:

„En voyant les couvertures du palais des Tuileries, il [Bernini] a dit que le défaut qu’il y a dans la hauteur de ces couvertures ne s’est pas sans doute introduit tout d’un coup, […]. […] on les [ces couvertures qui étaient basses dans un temps] élève un peu davantage, puis un peu plus, et enfin si excessivement qu’elles ont presqu’autant de hauteur que le reste du bâtiment, et cela sans que l’oeil s’aperçoive de l’horrible difformité.“369

Hier sind unterschwellig auch nationale Unterschiede berührt, die ein Bestehen nationalsprachlicher Architekturformen, wie sie in Bezug auf die unterschiedliche Dachgestaltung wohl erstmals in Sebastiano Serlios Architekturtraktat systematisch zur Darstellung kamen,370 reflektieren. In Frankreich gab es immer schon Stimmen, die das italienische Dach aus Gründen der Landestradition abgelehnt haben;371 Saint Simon z. B. äußerte sich in Bezug auf die Gartenfassade von Versailles auf die folgende recht polemische Art und Weise: Du côté des jardins…, on croit voir un palais qui a été brûlé, où le dernier étage et les toits manquent encore. (Auf der Gartenseite glaubt man, einen abgebrannten Palast zu sehen, bei dem das oberste Geschoss und die Dächer noch fehlen). Die Pariser Architekturakademie zeigte sich selbst 1766 noch ziemlich gespalten in Bezug auf die Dachfrage,372 als das flache und das von außen nicht in Erscheinung tretende Dach à l’italienne373 längst – zum Beispiel unter den maisons de plaisance und den städtischen Palais’ – auch in Frankreich mehr Verbreitung gefunden hatte.374 Jacques-François Blondel, der das niedrige, hinter einer Balustrade verborgene Dach offenbar dem Stadtpalais und das sichtbare Dach dem Landschloss zugewiesen wissen wollte,375 betrachtete die Anwendung der unterschiedlichen Dächer nicht mehr so sehr unter der ökologischen Komponente, sondern ordnete die Formen bestimmten Bautypen zu. Dieser argumentative Wechsel von Umwelteinflüssen als erklärenden Faktoren zur typologischen Auslegung einer Form entspricht der Neigung zu einer verstärkt semiologischen Betrachtungsweise, wie sie damals nicht nur bei Blondel anzutreffen war.376

Abb. 2.20: Israël Silvestre, Ansicht des Schlosses in Versailles, Gartenseite. Stich, 1674 (Bibliothèque Nationale de France).

Abb. 2.20: Israël Silvestre, Ansicht des Schlosses in Versailles, Gartenseite. Stich, 1674 (Bibliothèque Nationale de France).

Die im Zusammenhang mit dem Ausbau des bestehenden Jagdschlosses Ludwigs XIII. von Louis Le Vau geschaffene Gartenfassade des Schlosses von Versailles (1668–71; Abb. 2.202.21) erschien damals in ihrer Art ganz neu und veränderte die bis dahin geltenden Maßstäbe.377 Angesichts ihrer italianità – der flachen Bedachung und abschließenden Balustrade, die das von Format und Ausführung her eher französisch wirkende Gebäude als Villa charakterisieren –,378 lässt sich die Fassade sicherlich nicht ohne eine Auseinandersetzung des Architekten mit der Entwurfsgeschichte der Louvre-Ostseite denken. In starkem Kontrast zu der innovativ wirkenden Gartenfassade befand und befindet sich die konventionelle Hofseite des corps de logis, die die brique et pierre-Architektur des weitgehend erhaltenen und in den Komplex integrierten Vorgängerbaus bewahrt hat und nach oben hin mit einem hohen französischen Dach abschließt. Bis zu ihrem erneuten Umbau von 1678 an zeigten die Communs als einzige Hofgebäude zeitweilig flache Dächer mit Balustraden.379 Nach 1678 prägte die an der Hofseite situierten Bauten dann eine mehr oder weniger einheitliche Dachlandschaft aus Steil- und Mansarddächern.380

Abb. 2.21: Versailles, Schnitt durch die Gartenfassade und den alten Gebäudeflügel, ca. 1678, Werkstatt von Louis Le Vau. Nationalmuseum Stockholm, NMH CC 271 (Foto: © Nationalmuseum Stockholm).

Abb. 2.21: Versailles, Schnitt durch die Gartenfassade und den alten Gebäudeflügel, ca. 1678, Werkstatt von Louis Le Vau. Nationalmuseum Stockholm, NMH CC 271 (Foto: © Nationalmuseum Stockholm).

Ein weiteres Beispiel für ein Transferieren des italienischen Flachdachmodells in transalpine Gegenden bildet der von Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723) entwickelte Bautyp seines ,Lustgebäude‘-Entwurfs, der sich nach dem Sieg über die Türken recht schnell im Umfeld von Wien etablierte. Die Ursprünge dieses suburbanen Gartenpalasttyps, die bereits in früheren Entwürfen Fischers wie jenen des mehrmals variierten ,Lust-Garten-Gebäudes‘ zu suchen sind, reflektieren neben der Inspiration durch das italienische Flachdach allerdings auch Anregungen anderer Art, wie z. B. die Verarbeitung von Motiven französischer Gartenpaläste des 17. Jahrhunderts.381 Fischer von Erlach, der nach einem 16-jährigen Aufenthalt in Rom, währenddessen er sich gute Kenntnisse der antiken und zeitgenössischen römischen Architektur erworben und auch die Bekanntschaft Berninis gemacht hatte, 1686 zunächst nach Graz und zwei Jahre später nach Wien gelangt war, wurde dort ob seiner augenscheinlichen Informiertheit über italienische Architektur schnell zu einem gefragten Architekten. In der damals herrschenden Situation einer breiten Umorientierung auf dem Gebiet der bildenden Künste rekurrierte der bauwillige Adel für die Errichtung seiner villae suburbanae – in Wien bis dato eine Bauaufgabe ohne lange Tradition – gerne auf Künstler, deren Schaffen sich an italienischen Vorbildern orientierte.382 Aufbauend auf seinen römischen Erfahrungen und Entwürfen, entwickelte Fischer ab etwa 1691 den Bautyp seiner ,Lustgartengebäude‘, denen allen – ob nun Sommerresidenz, Gartenpalast, Jagdsitz oder bloße Gartenarchitektur – eine flache bis geringgradig geneigte Verdachung mit davor umlaufender Balustrade und die Verwendung größtenteils einfacher stereometrischer Grundformen für die Baukomposition gemeinsam sind. Wenig angepasst an das strenge nördliche Klima, geben sie eher beredtes Zeugnis von Fischers gestalterischen Idealen ab, als dass sie den Eindruck einer tiefer greifenden Auseinandersetzung mit den vorgefundenen klimatischen Verhältnissen vermitteln würden. Die kaum geneigten Dächer, die einen Bruch mit der traditionellen und erprobten Verwendung steiler Dachformen nördlich der Alpen bedeuteten, waren für das transalpine Klima nicht geeignet. Erste, durch die strengen niederösterreichischen Winter verursachte Mängel zeigten sich in einigen Fällen bereits wenige Jahre nach der Errichtung. So mussten zur Sicherung der betroffenen Baumassen im Laufe der Zeit mit dem Ersatz der bestehenden Dächer, die sich als nicht ausreichend witterungsfest gegenüber den vielen Schnee- und Regenfällen erwiesen hatten, durch steile Satteldächer Änderungen an der ursprünglich intendierten Baukomposition vorgenommen werden.383 Ein bekanntes Beispiel dafür liefert das wahrscheinlich in Anlehnung an einen Entwurf Serlios384 im Windmühlentypus errichtete Gartenpalais Althan (um 1690), dessen ursprünglich flache Dächer als Aussichtsterrassen dienten. Vom ästhetischen Gesichtspunkt und von der ursprünglichen Entwurfsidee aus gesehen erlitt die Komposition des 1869 abgerissenen Gebäudes durch das Aufsetzen von Steildächern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gravierende Einbußen (Abb. 2.22).385 Weitere, ähnlich gelagerte Fälle bilden z. B. die Gartenpaläste Leeb, Strattmann und Schlick-Erhardt, der Ahnensaal von Schloss Frain, das Jagdschloss Starhemberg sowie das sogenannte Hoyos-Stöckl, ein Lustgebäude im Park von Schloss Klesheim.386 Nach 1700 verlor Fischer seine Vorrangstellung als begehrtester Architekt für die Bauaufgabe des Gartenpalastes, obgleich dessen Typus bis weit ins 18. Jahrhundert hinein durch seine Bauten und Entwürfe geprägt bleiben sollte. Die Realisierung ihrer Gartenpaläste übertrugen die Wiener Auftraggeber jetzt aber zunehmend anderen, ihren eigenen Wünschen und den klimatischen Gegebenheiten zum Teil besser entgegenkommenden Architekten.387

Abb. 2.22: Gartenpalais Althan, Wien, Stich von Fischer-Delsenbach, um 1715, aus: Lorenz 1992, 31, Abb. 28; rechts: Gartenpalais Althan, Wien, Aufnahme vor 1869 (Hellmut Lorenz, Archiv).

Abb. 2.22: Gartenpalais Althan, Wien, Stich von Fischer-Delsenbach, um 1715, aus: Lorenz 1992, 31, Abb. 28; rechts: Gartenpalais Althan, Wien, Aufnahme vor 1869 (Hellmut Lorenz, Archiv).

Abb. 2.23: Schloss Klesheim, Salzburg, Ansicht aus der „Historischen Architektur“, Bd. IV, Tf. 17. Biblioteca Hertziana; rechts: Schloss Klesheim, Ansicht (Hellmut Lorenz, Archiv).

Abb. 2.23: Schloss Klesheim, Salzburg, Ansicht aus der „Historischen Architektur“, Bd. IV, Tf. 17. Biblioteca Hertziana; rechts: Schloss Klesheim, Ansicht (Hellmut Lorenz, Archiv).

Anders als bei Fischers Übertragung des italienischen Dachmodells auf seine Wiener Gartenpaläste, die als negatives Beispiel einer bei der Planung nicht erfolgten Reaktion auf veränderte Umwelterfordernisse gelten kann, liegt der Fall beim Schloss Klesheim. Bei dem nahe Salzburg gelegenen, von ca. 1700 bis 1709 erbauten Schloss erfolgten klimabedingte Änderungen wahrscheinlich noch während der Entwurfs- oder Bauphase durch Fischer selbst. Während sich in der frühen Entwurfsphase die beiden Hauptgeschosse des überhöhten Mitteltrakts noch in superpositionierten Arkaden mit vorgelagerter Terrasse dem Außenraum öffnen sollten, ist der dadurch evozierte italienische Charakter beim fertiggestellten Bau zugunsten einer besseren Nutzbarkeit mit kleiner proportionierten und durch Verglasung vor den Einflüssen der Witterung geschützten Fensteröffnungen abgeschwächt (Abb. 2.23).388

2.6 Planungs- und Entwurfstechniken

Im vorliegenden Absatz geht es um Planungs- und Entwurfsmittel. Das sind vor allem Zeichnungen und Modelle. Verbale Beschreibungen spielten in der Frühen Neuzeit in Italien ebenfalls eine große Rolle für die Vermittlung von Entwürfen auf die Baustelle. Vor allem waren dies die capitolati, die einen Entwurf beschreiben, grobe Angaben zu Maßen und Bauweisen machen und so den Bauhandwerkern ermöglichen, ein Angebot zu erstellen. Diese Dokumente wurden notwendig, sobald die Handwerker nicht in Tagelohn bezahlt, sondern Aufträge zur schlüsselfertigen Erstellung von Bauten oder Bauteilen vergeben wurden. Über die Tendenz, Aufträge in dieser Weise zu vergeben, wird im Abschnitt 2.7.3 ausführlich gesprochen.

2.6.1 Zeichnungen

Abb. 2.24: Antonio da Sangallo der Jüngere (Kopie nach Donato Bramante?), Bauaufnahme des Grabmals des Theoderich, Ravenna, ca. 1506/07, Uff. A. 1563r. Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi a Firenze (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.24: Antonio da Sangallo der Jüngere (Kopie nach Donato Bramante?), Bauaufnahme des Grabmals des Theoderich, Ravenna, ca. 1506/07, Uff. A. 1563r. Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi a Firenze (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Architekturrisse im Maßstab 1:1 oder in maßstäblicher Verkleinerung und Orthogonalprojektion gab es ausgehend vom deutschsprachigen Raum seit der Mitte des 13. Jahrhunderts.389 Auch in der italienischen Renaissance spielten Architekturzeichnungen für das Planen und Bauen eine große Rolle. Seit dem 15. Jahrhundert wurden Architekturzeichnungen auf Papier gemacht, das seit 1276 von der Manufaktur Fabriano hergestellt wurde. Noch im 18. Jahrhundert waren große Papierbögen sehr teuer. Aus den Niederlanden importiertes Papier galt als das beste für Architekturzeichnungen, jedoch befinden sich die meisten Projekte der römisch-frühneuzeitlichen Architekten des 17. und 18. Jahrhunderts auf Fabriano-Papier.390 Die Verwendung der Orthogonalprojektion wurde im 15. Jahrhundert v. a. von Alberti gefordert: Im Gegensatz zur Zeichnung des Malers, der die Räumlichkeit durch Perspektive und Schattenwurf zu verdeutlichen suche, zeichne der Architekt Grundrisse und Ansichten in maßstäblicher Verkleinerung und wahren Winkeln, d. h. in Orthogonalprojektion.391 Damit löste Alberti die Perspektive aus Vitruvs Architekturzeichnungskanon Ichnographia (Grundriss), Orthographia (Ansicht) und Scaenographia (perspektivische Ansicht) heraus.392 Alberti kritisierte damit letztlich die Vermischung zwischen Orthogonalprojektion und Perspektive, so etwa die zahllosen Schnitte mit perspektivisch dargestelltem Innenraum, die für das 15. Jahrhundert charakteristisch sind.393 Bramante gilt dann als entscheidend für die Durchsetzung der Orthogonalprojektion in der Entwurfs- und Planungspraxis der Renaissance. Die 1506/07 datierbare Bauaufnahme des Grabmals von Theoderich in Ravenna von Antonio da Sangallo dem Jüngeren, die erstmals in der italienischen Renaissance ein gesamtes Bauwerk in konsequent durchgehaltener Orthogonalprojektion aus Grundriss und Aufriss (Abb. 2.24) zeigt, ist wahrscheinlich eine Kopie nach einer Bauaufnahme von Antonios Lehrer Bramante.

Abb. 2.25: Antonio da Sangallo der Jüngere, erstes Projekt für den Palazzo Farnese in Rom, Schnitt durch den Hof, ca. 1514, Uff. A 627r. Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi a Firenze (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.25: Antonio da Sangallo der Jüngere, erstes Projekt für den Palazzo Farnese in Rom, Schnitt durch den Hof, ca. 1514, Uff. A 627r. Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi a Firenze (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Serlio stellte Bramantes Peterskuppelentwurf in seinem dritten Buch (1537) in Orthogonalprojektionen Schnitt, Ansicht und Grundriss dar, weshalb man die Existenz entsprechender Zeichnungen von Bramante selbst vermuten kann.394 Bereits im 2. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war Orthogonalprojektion fest etabliertes Planungsmittel, etwa bei Antonio da Sangallo dem Jüngeren.395 An dieser Stelle spielt der sogenannte Raffael-Brief an Leo X. aus dem Jahre 1519 eine wichtige Rolle. In einem der Architekturzeichnung gewidmeten Passus wird – im Sinne Albertis – der Verzicht auf perspektivische Darstellung in Architekturzeichnungen gefordert. Mit Grundriss, Innen- und Außenansicht ließe sich alles darstellen. Vermutlich ist wiederum der ,Nur-Architekt‘ Antonio da Sangallo der Jüngere, jetzt Mitarbeiter Raffaels, der geistige Urheber. Im Brief wird erstmals die Kombination von Schnitt und orthogonal projizierter Innenansicht formuliert. Eine solche Zeichnung steht mit Sangallos Entwurf für den Innenhof des Palazzo Farnese vor Augen, bei dem Schnitte durch die Hoffassaden mit der Innenansicht des Hofes verbunden werden (Abb. 2.25). In einer zweiten Version des Briefes wird diese Position wieder abgeschwächt und Perspektive erneut zugelassen – ein Kompromiss zwischen der Zeichnung des Malers und der Zeichnung des Architekten.396

Trotz der entscheidenden Bedeutung der Orthogonalprojektion für die Architektur behielt auch die perspektivische Darstellung für die Architekturzeichnung eine große Bedeutung. Hier wurde die Wissensbasis im 15. und 16. Jahrhundert erheblich ausgebaut.397 Als Wissenschaft vom Sehen war die Perspektive Teil der Artes Liberales. Das Wissen war aus der Antike (Optik von Euklid) über die islamische Welt, wo es erweitert worden war, in den mittelalterlichen Westen vermittelt worden. Alhazen war im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt worden. Giotto führte das Interesse an den principi ottici in den Malerwerkstätten ein. Masaccio, aber auch Lorenzo Ghiberti und Donatello hatten in perspektivischer Darstellung, d. h. in der Anlage der Fluchtpunkte und der Beherrschung der perspektivischen Verkürzung eine Meisterschaft entwickelt. Erst im Rückblick ist die Rolle Brunelleschis betont worden, der mit seinen Perspektiveexperimenten vor dem Florentiner Baptisterium, die sein Biograph Manetti ausführlich beschrieben hat, zur Perfektionierung der Darstellungstechniken sicher beigetragen hat. Das Verständnis der perspektivischen Darstellung als Schnitt durch einen Sichtkegel, das aus Brunelleschis Experimenten deutlich wird, sei allerdings – so Camerota – schon in Alhazens Schriften greifbar. Die Linearperspektive, wie sie dann von Alberti in seiner De Pictura,398 der ersten greifbaren Theoriebildung, definiert wurde, geht von einem Grundriss und einem Aufriss aus und nicht vom dreidimensionalen Objekt. Das entscheidend Neue an der Linearperspektive war eben nicht, bestehende Objekte abzubilden, sondern erfundene Objekte und Räume darzustellen. Wahrscheinlich – so vermutet Camerota weiter – wurde sie bei entsprechenden Gelegenheiten entwickelt, etwa im Zusammenhang mit Masaccios Trinità in Santa Maria Novella in Florenz (gegen 1427).399

Die Beherrschung der Perspektivkonstruktion, vor aber aber die Vervollkommnung der Orthogonalprojektion förderten die Entwicklung und Nutzungsbreite des Mediums Architekturzeichnung. Die Architekturzeichnung war zunächst entscheidend als Entwurfs- und Arbeitsmittel. In skizzenhafter, aber auch in mit Lineal gerissener Form wird der Entwurf auf dem Papier manifest, kann kritisiert, abgeändert und weiterentwickelt werden. Solche iterativen Prozesse können auf demselben Blatt bzw. auf chronologisch aufeinanderfolgenden Blättern stattfinden, für die es seit dem 15., aber vor allem seit dem 16. Jahrhundert zahllose Beispiele gibt, etwa im Rahmen der Planungen für St. Peter durch Bramante oder bei Antonio da Sangallo dem Jüngeren. Für das 17. Jahrhundert kann neben vielen anderen Francesco Borromini benannt werden. Die Fähigkeit, die Zeichnung als Entwurfsmittel zu nutzen, ist zentraler Bestandteil eines Planungswissens. Es handelt sich dabei um einen „internen Prozess“.400 Sobald ein Entwurf das Stadium der Ausführbarkeit erreicht hat, wird oftmals eine Präsentationszeichnung für den Auftraggeber gemacht, die akkurat gezeichnet und mit einem Maßstab versehen wird. Dabei können auch Alternativen gegenübergestellt werden (Abb. 2.25).401 Wie bei der Herstellung einer Präsentationszeichnung vorzugehen ist und welche Schattierungen und farbigen Aquarellierungen, die ab dem 16. Jahrhundert üblich wurden, dabei verwendet werden konnten, beschreibt Vincenzo Scamozzi in seiner Idea.402 Neben der Präsentation eines Entwurfs dem Bauherrn oder dem Publikum gegenüber dienten solche Zeichnungen in zunehmendem Maße dazu, die Fähigkeiten eines Architekten zu zeigen und potentielle Auftraggeber zu überzeugen.403 Seit dem späten 15. und dem 16. Jahrhundert waren Planung und Realisierung von Bauten zunehmend getrennt, der in Zeichnungen dargestellte Architekturentwurf wurde immer mehr das Hauptergebnis der Arbeit des Architekten. Die Architekturzeichnung – und gerade die aufwändige Präsentationszeichnung – wurde rasch zum Kunstwerk sui generis und damit zum Sammlungsgegenstand. Solche Sammlungen waren in der Regel für Architekten zu Studienzwecken zugänglich (zur Verbreitung von Planungs-Wissen, Wissen um Architektursprachen und Bautypen durch Zeichnungen, Stich etc. vergleiche auch das Abschnitt 2.11; sowie die Unterabschnitte zur Accademia del Disegno und der Accademia di San Luca 2.4.3 bzw. 2.4.5).

Abb. 2.26: Giacinto Barozzi da Vignola, Palazzo Farnese, Piacenza, halber Grundriss des Kellergeschosses, 1560–1561. Parma, Archivio di Stato, Governo Farnesiano, Fabbriche ducali e fortificazioni, b. 8, fasc. 1, sottofasc. 4.

Abb. 2.26: Giacinto Barozzi da Vignola, Palazzo Farnese, Piacenza, halber Grundriss des Kellergeschosses, 1560–1561. Parma, Archivio di Stato, Governo Farnesiano, Fabbriche ducali e fortificazioni, b. 8, fasc. 1, sottofasc. 4.

Die Architekturzeichnung spielte zudem eine erhebliche Rolle als Bauplan, d. h. als Medium, um den Entwurf auf die Baustelle und an die Bauhandwerker zu kommunizieren. Im 15. und frühen 16. Jahrhundert war ein Durchplanen der Bauten vor ihrer Ausführung noch nicht üblich. Das beginnt mit Antonio da Sangallos Planungen für St. Peter (siehe unten Abschnitt 2.6.3). Wenn über Baupläne, ihre technische Ausdrucksform, ihren Informationsgehalt vergleichsweise wenig gearbeitet wird, so liegt das nicht zuletzt daran, dass in Verträgen und Ausschreibungsunterlagen zwar immer wieder die Rede von Zeichnungen ist, nach denen gebaut werden soll, man diese Pläne aber zumeist nicht identifizieren kann, da die Quellenlage schwierig ist und Quellenkontexte oft zerstört wurden. In einigen Fällen lässt sich jedoch sagen, was auf Bauplänen dargestellt war und wie die Information kodiert wurde. Für den ab 1560 nach Plänen Vignolas errichteten, unvollendet gebliebenen Palazzo Farnese in Piacenza sind hingegen die Pläne, von denen nachweislich Kopien für die Baustelle gezogen wurden, erhalten.404 Aufgrund des umfangreichen und publizierten Briefwechsels zwischen der Bauherrin Margarethe von Österreich, die als Statthalterin in Brüssel lebte, dem Architekten Vignola in Rom, der Verwaltung des Herzogtums Parma und Piacenza bzw. der Palastbaustelle selbst, lässt sich sagen, dass bestimmte, noch heute identifizierbare und von Vignolas Sohn Giacinto gezeichnete Pläne hin- und hergeschickt wurden, um davon Baupläne zu ziehen (Abb. 2.26). Im Fall des Palazzo Farnese in Piacenza wird deutlich, dass die Auftraggeber wie die Bauleute dieselben Zeichnungen bekamen, wenn auch die graphische Ausgestaltung mit Lavierungen oder die Hinzufügung eventueller Erläuterungen zwischen Präsentationszeichnung und Bauplan unterschiedlich gewesen sein können. Die Bauleute in Piacenza gingen ihrerseits davon aus, Zeichnungen zu erhalten. Mündlich gegebene Hinweise wurden, wie aus den Quellen deutlich wird, als unzureichend empfunden.405 Aus dem Briefwechsel geht zudem hervor, dass man vier Stunden brauchte, um eine cm große Zeichnung zu kopieren. Welche Informationen enthielten die Baupläne? Sie enthielten Lage und Dicke der Wandzüge, Lage und Breite der Tür- und Fensteröffnungen mit entsprechenden Maßangaben, einen Maßstab und waren so genau gezeichnet, dass man Maße zweifelsfrei auf ganze und halbe palmi mit dem Stechzirkel herausgreifen konnte. Gezeichnete wie geschriebene Maße sind nicht kleiner als Palmo (bzw. Palmo im Fall von Säulenordnungen) gestückelt. Der Maßstab der Zeichnungen, die den gesamten Palast zeigen, beträgt , für die Säulenordnungsdetails wurde gewählt. Konstruktive Details wie Mauerwerksverbände oder wie eine Fensteröffnung im Rohbau auszubilden ist, um anschließend eine Werksteinaedikula anbringen zu können, wurden nicht dargestellt. Diese Entscheidungen wurden den Handwerkern überlassen, bei denen entsprechende Erfahrung vorausgesetzt wurde. Das praktische Planungswissen eines Architekten bestand darin, in den Zeichnungen die für die Baustelle notwendige und ausreichende Information zu geben.406 Die Zeichnungen Vignolas und seiner Mitarbeiter gleichen in allen benannten Charakteristika, in Informationsgehalt und Darstellungsweise den Zeichnungen von Baldassarre Peruzzi und Antonio da Sangallo dem Jüngeren oder einem späteren Architekten wie Ottaviano Mascarino. Die Maßstäbe reichen auch bei letzteren von ca. für kleine Gebäude bis für die Grundrisse großer Bauten und Lagepläne. Die wie zufällig wirkenden Maßstäbe sind ein Phänomen, das bis ins 18. Jahrhundert anhält und mit dem Wunsch erklärt werden kann, ein Blatt möglichst gut auszunutzen.407

Die Architekten des 15. und 16. Jahrhunderts hatten die Angewohnheit, mit der Maßeinheit der eigenen Heimatstadt bzw. Wahlheimat zu arbeiten.408 So arbeitete Vignola auch in Piacenza mit der Maßeinheit Palmo Romano. Für den in Piacenza verwendeten Braccio wurde auf den Zeichnungen ein Umrechnungsfaktor angegeben.409 Es fällt auf, dass Vignola die Maßangaben für Säulenordnungen und Theaterwandmotive für den Palazzo Farnese in Piacenza gegenüber seinem eigenen, in denselben Jahren erscheinenden Traktat verändert, um für die Baustelle sinnfällige Maße zu erhalten, d. h. ganze, halbe und viertel Palmi, die sich in ganzen Oncie darstellen lassen (1 Palmo = 12 Oncie). Die im Traktat in Moduln angegebenen und an sich sehr einfachen Proportionen werden schlagartig höchst kompliziert, sobald sie in konkreten Maßeinheiten angegeben werden müssen und der Modul, wie in Piacenza, dann 2 Palmi oder 1 Braccia beträgt. Hier vereinfacht Vignola ganz offenbar die Maße im Hinblick auf die Baustelle. Nach Traktat-Proportionen für das Theaterwandmotiv wäre eine Pfeilervorlage 6 Oncie breit gewesen. Derart feinteilig gestückelte Maße kommen aber in den Zeichnungen nicht vor.410

Neben der zeichnerischen, maßstäblichen Verkleinerung ganzer Bauten oder Teilen davon, wurden den Bauleuten auch Detailzeichnungen von Profilen im Maßstab gegeben. Vielfach haben solche Profilzeichnungen nicht überlebt, viele sind in ausgeschnittener Form als Positiv erhalten, was darauf schließen lassen könnte, dass das Negativ zum Herstellen der aus einem Holzbrett geschnittenen und mit Metall beschlagenen Profilschablone verbraucht wurde.411 Wie diese dann wiederum zum Herstellen der Werksteinprofilierungen genutzt wurden, wird im Abschnitt 2.9 beschrieben. Cooper trägt eine Reihe erhaltener Profilzeichnungen von Michelangelo, Bartolomeo Ammannati, Antonio da Sangallo dem Jüngeren und Giovanni Giacomo di Pietro Comini zusammen. Viele weitere Schablonen sind aus dem 17. und 18. Jahrhundert erhalten.412

Dank der präzisen Zeichentechnik und der Eindeutigkeit einer Orthogonalprojektion waren Zeichnungen regelmäßig Vertragsbestandteil, wie im Fall der nach Plänen Vignolas in Rieti errichteten Kirche Sant‘Antonio Abbate dokumentiert ist. Die Zeichnung wurde zur Einsicht für alle Beteiligten beim Notar aufbewahrt.413 Für die römischen Notare wurden für den Zeitraum 1605–1875 sämtliche gezeichneten Vertragsanlagen erfasst. Ein großer Teil dieser gezeichneten Anlagen betrifft das Bauwesen, Neubauten, Restaurierungen, aber auch Verkauf und Vermietung. Die Zeichnungen enthalten grundsätzlich einen Maßstab. Dass Notariatsverträge Zeichnungen beinhalten, ist aber eher die Ausnahme. Die Quote steigt jedoch im 18. Jahrhundert stark an. Auch bedeutende Architekten wie Carlo Rainaldi, Carlo Fontana, Ferdinando Fuga oder Filippo Raguzzini sind Autoren der Zeichnungen.414

2.6.2 Modelle

Modelle zeigen Bauten dreidimensional und in maßstäblicher Verkleinerung und werden wie Zeichnungen als Darstellungsmedium für Architektur verwendet. Ein Modell dient als Entwurfs- und Arbeitsmittel, es kann Bauvorlage bzw. Teil von Verträgen sein und zur Präsentation dem Auftraggeber gegenüber genutzt werden. Ein Modell kann aber auch – und an dieser Stelle geht es über die Darstellungsmöglichkeiten einer Zeichnung hinaus – als technische Machbarkeitsstudie für eine Bauweise dienen. Im Mittelalter sind neben Stiftermodellen, die rein symbolische Bedeutung haben, auch einzelne Modelle nachweisbar, die im Planungs- und Realisierungsprozess eine Rolle spielten.415

Lepik hat die Architekturmodelle der Frührenaissance in Italien studiert. Die ersten Modelle, die ein gesamtes Bauwerk darstellen, entstanden für den Dom in Florenz (1367) und für San Petronio in Bologna (1390, Maßstab ), wobei es sich jeweils um Ziegelsteinkonstruktionen handelte. Für den Mailänder Dom ist um 1400 ein transportables Holzmodell nachweisbar, das erstmals die Bezeichnung modello erhielt. Modelle wurden aufgrund ihrer großen Überzeugungskraft genutzt, hatten aber nicht allein die Funktion eines Demonstrationsmediums, sondern wurden gleichrangig mit Zeichnungen als gültige Entwürfe verstanden. Stand ein detailliertes Holzmodell als Grundlage für die Bauausführung zur Verfügung, war eine ständige Anwesenheit des entwerfenden Architekten auf der Baustelle entbehrlich. So war Filarete etwa beim Bau des Doms in Bergamo ebenso wenig zugegen wie Alberti bei der Errichtung des Tempio Malatestiano in Rimini. Im letzteren Fall waren jedoch Verständnisprobleme die Folge. Man konnte ein Bauwerk nicht allein nach einem Modell errichten. Für die Kuppel des Florentiner Doms sind allein 14 Modelle nachweisbar – so viele wie für kein anderes damaliges Projekt (s. o. Abschnitt 2.2.1). Einige dieser Modelle dienten dazu, Brunelleschis Vorschlag zu testen, die Kuppel in spinapesce-Mauerwerksverband und ohne tragendes Innengerüst zu errichten. Das bedeutet, dass es sich bei diesen Modellen um technische Machbarkeitsstudien handelte.416 Modelle hatten offenbar einen so großen Stellenwert, dass Brunelleschis Biograph Manetti eigens hervorhebt, dass das Findelhaus in Florenz nach Zeichnungen und ohne Holzmodell gebaut worden sei.417

Abb. 2.27: Holzmodell des St. Peter-Entwurfes von Antonio da Sangallo dem Jüngeren und Mitarbeitern, M . Foto: Hermann Schlimme (mit freundlicher Erlaubnis der Fabbrica di San Pietro in Vaticano).

Abb. 2.27: Holzmodell des St. Peter-Entwurfes von Antonio da Sangallo dem Jüngeren und Mitarbeitern, M . Foto: Hermann Schlimme (mit freundlicher Erlaubnis der Fabbrica di San Pietro in Vaticano).

Abb. 2.28: Filippo Juvarra, Wettbewerbsentwurf für die Sakristei von St. Peter in Rom, Modell, 1715. Foto: Hermann Schlimme (mit freundlicher Erlaubnis der Fabbrica di San Pietro in Vaticano).

Abb. 2.28: Filippo Juvarra, Wettbewerbsentwurf für die Sakristei von St. Peter in Rom, Modell, 1715. Foto: Hermann Schlimme (mit freundlicher Erlaubnis der Fabbrica di San Pietro in Vaticano).

Städtische und kirchliche Großprojekte wurden vielfach von Wettbewerben begleitet, so zum Beispiel die zum Teil bereits benannten Dome in Como, Mailand, Bologna und Florenz. Im Zusammenhang solcher Wettbewerbe entstanden viele Modelle. Zu den italienischen Architekturmodellen des 16. Jahrhundert gibt Millon einen Überblick: Alle Planungs- und Bauphasen von Neu-St.-Peter wurden seit Bramante von Modellen begleitet. Viele dieser Modelle waren im 18. Jahrhundert in einer Art Modellmuseum in der Reverenda Fabbrica zu sehen. Das von Antonio Labacco 1539–1546 gebaute riesige Holzmodell im Maßstab 1:30, das den Gesamtentwurf Antonio da Sangallos des Jüngeren für St. Peter zeigt, stellt ob seiner Größe und seinem Detaillierungsgrad einen Meilenstein im Architekturmodellbau dar (Abb. 2.27).418 Im folgenden Abschnitt zur Planungstiefe in der Renaissance wird u. a. anhand der Modelle Brunelleschis und Albertis, sowie der Modelle für den Dom in Pavia und für St. Peter in Rom beschrieben, in wie weit die Modelle als Planungsmittel, d. h. zur Vorplanung genutzt wurden.

Der Nachfolger Sangallos auf der Petersbaustelle, Michelangelo, plante hingegen zunächst wieder parallel zum Baufortschritt und traf Entscheidungen oft erst kurz vor Ausführung. Michelangelo nutzte Modelle als Arbeitsmodelle im Entwurfsprozess und verwandte mit Ton ein Material, das flexibler handhabbar ist (s. u. Abschnitt 2.6.3). Francesco Borromini hatte eine ähnliche Entwurfsmethode wie Michelangelo. Borrominis Zeichnungen mit oftmals übereinander gezeichneten Entwurfsvarianten sind Zeugnis seines suchenden und iterativen Planungsverfahrens. Während Borromini mit Hilfe kleiner Ton- und Wachsmodelle seine Entwürfe entwickelte, nutzte Gian Lorenzo Bernini großmaßstäbliche Holzmodelle, um die Entwürfe dem Auftraggeber zu präsentieren und mit ihm zu diskutieren. Borromini übernahm vom Entwurf bis zur Bauleitung alle Aufgaben selbst. Bernini hingegen hatte ungleich mehr Mitarbeiter und verfolgte einen stark arbeitsteiligen Entwurfs- und Realisierungsprozess, bei dem er selbst oft nur die Vorentwürfe erstellte. Modelle dienten ihm, um den Entwurf zu kontrollieren und um die Ausführung dann anderen überlassen zu können.419

Die zunehmende räumliche Komplexität der Architekturentwürfe im 17. und 18. Jahrhundert, die sich über Grundriss, Aufriss und Schnitt kaum mehr darstellen lässt, weist dem Modell eine weitere, entscheidende Rolle zu. Nur im Dreidimensionalen des Modells werden die entwerferischen Ziele der Architekten deutlich, so etwa das Spiel mit den Blickachsen und den Veduten oder die Licht-, Raum- und Farbwirkung. Eine starke Detaillierung der Modelle und ihre farbige Fassung sind für diese Zwecke unabdingbar. Mit aufgeklebten Aquarellen wurden Fresken farbig simuliert. Vergoldungen, Stuck und sogar Skulpturen sind regelmäßig Teil der Modelle im 18. Jahrhundert. Beispiele sind die Modelle für die Sakristei von St. Peter (1715) von Filippo Juvarra und anderen (Abb. 2.28).420 Als Carlo Maratta in jenen Jahren in der Accademia di San Luca die Führungsrolle der Malerei aufgrund ihrer größeren Darstellungsmöglichkeiten forderte, betonte der Sohn Carlo Fontanas, Francesco, den darstellerischen Wert der Architekturmodelle, um die Dominanz der Architektur in der Akademie zu verteidigen.421

Eine wichtige Rolle spielten die Modelle im Zusammenhang mit den Architekturwettbewerben, beginnend mit dem nie wirklich ausgeschriebenen Wettbewerb für den dem Heiligen Ignatius von Loyola geweihten Altar in Il Gesù (Ende des 17. Jahrhunderts), dem bereits erwähnten Wettbewerb zur Sakristei von St. Peter bis hin zu den großen Wettbewerben für die Fontana di Trevi (1730–31) und für die Fassade von San Giovanni in Laterano (1732). Modelle galten als Schlüssel zum Erfolg. So erklärt es sich, dass riesige Summen für Modelle ausgegeben wurden. Alessandro Galileis Modell für die Fassade von San Giovanni kostete die enorme Summe von 446 Scudi.422 Entwicklungen des späten 17. Jahrhunderts in Frankreich und England folgend, hatten Modelle im Rom des beginnenden 18. Jahrhunderts zudem eine wichtige Rolle als Entwurfsübung: In der Accademia di San Luca wurde die Praxis des Modellbaus neben der Praxis in Architekturbüros und auf Baustellen als wesentlich für die Ausbildung der angehenden Architekten angesehen.423 Architekturmodelle aus dem internationalen Kontext der Frühen Neuzeit stehen in jüngster Zeit neuerlich im Zentrum der Forschungsinteressen der Architekturgeschichte.424

2.6.3 Zum Problem der Planungstiefe in der Renaissance

Für Leon Battista Alberti stand fest, dass ein Architekt ein Bauwerk vor Beginn der Ausführung bis ins kleinste Detail durchzuplanen habe. Eindringlich mahnt er den „Wohlberatenen“, „vorbereitet und genau“ zu Werke zu gehen: „Erwäge alles und das Dach selbst auch, und zugleich ziehe Fachleute zu Rate, indem Du von Deinen Modellen Kopien machen lässt. An diesen geh, bitte, zweimal, dreimal, viermal, siebenmal ja zehnmal mit Unterbrechungen und zu verschiedenen Zeiten alle Teile des zukünftigen Bauwerkes durch, bis es von den untersten Wurzeln bis zum obersten Ziegelstein nichts Unbekanntes, nichts Offenbares, nichts Großes und nichts Kleines am ganzen Bauwerk geben wird, von dem Du nicht lange und oft vorher erwogen, festgesetzt und bestimmt hast, mit welchen Mitteln, an welchen Stellen, nach welcher Ordnung es am besten versetzt, angeschlossen und zugerichtet werden soll und kann.“425 Das betreffe die Bodeneigenschaften und klimatischen Bedingungen ebenso wie das in der Gegend anstehende Baumaterial, Wasserableitung und Drainage. Der Architekt soll, so heißt es ausdrücklich, „alles genau bestimmen und nichts zurücklassen, dem er nicht gleichsam Gesetz und Maß vorschreibt.“426 Aus diesem neu postulierten totalen Gestaltungs- und Definitionsanspruch resultiert auch sein ‚Verbot‘, von anderen begonnene Bauten zu verändern.427

Wie umfassend die Architekten der Renaissance ihre Projekte in der Praxis vor Baubeginn durchplanten, ist nur in den seltensten Fällen erkennbar. Das ist nicht zuletzt ein Überlieferungsproblem, bleibt doch nahezu immer ungewiss, wie viel des einst vorhandenen Entwurfsmaterials sich erhalten hat. Dennoch lassen das, was noch vorhanden ist, sowie die Schriftquellen in einigen Fällen durchaus Rückschlüsse auf die Planungstiefe zu – zumindest insoweit die Planung in die Öffentlichkeit, d. h. auf die Baustelle, getragen wurde.

Brunelleschi hatte nach der Schilderung seines Biographen Manetti die Angewohnheit, Modelle zu fertigen, die nur die simitrie zeigten, d. h. die Hauptmauern (mura principalj) und das Gliederungssystem ohne Details (la rispondenza di qualche menbro sanza ornamenti), was nach seinem Tod Anlass zu Missverständnissen gegeben habe.428 Manettis Schilderung impliziert, dass Brunelleschi den Bau wesentlich detaillierter geplant hatte, als er zu erkennen gab. In Bezug auf die Laterne der Domkuppel erklärt er, der Meister habe den Modellbauern nicht alle seine Geheimnisse mitteilen wollen und diese erst preisgegeben, als die tatsächliche Ausführung an der entsprechenden Stelle angelangt sei. Am Palazzo Barbadori, am Palazzo di Parte Guelfa und an San Lorenzo habe er gar keine Modelle gefertigt, sondern lediglich Zeichnungen, und den Handwerkern dann Schritt für Schritt erklärt, was sie zu tun hätten.429 Im Fall von Santo Spirito berichtet eine Quelle von 1479, dass sein Modell zu summarisch war, als dass es für die konkrete Errichtung der Kuppel ausgereicht hätte.430 Es ist natürlich schwer zu eruieren, ob Brunelleschi die Details tatsächlich, wie Manetti insinuiert, alle vorab festgelegt hat, oder ob er erst während der Ausführung die letzten Entscheidungen über Einzelheiten traf. Fakt scheint immerhin zu sein, dass die ausführenden Meister ebenso wenig wie die Bauherren vor Baubeginn mit detailliert ausgearbeiteten Plänen versorgt wurden.

Ähnlich scheint Alberti verfahren zu sein. Für die Anfang 1460 begonnene Kirche San Sebastiano in Mantua hatte er anscheinend einen Grundriss vorgelegt und die Aufrissmaße verbal ergänzt (ein Verfahren, das im späten Quattrocento etwa noch für Cronaca überliefert ist).431 Zeichnungen oder gar Modelle für die Details scheint es hingegen nicht gegeben zu haben. Wie sonst sollte man verstehen, dass der lokale Bauleiter noch im Mai 1460, d. h. nach Baubeginn, dem Auftraggeber, Markgraf Ludovico II. Gonzaga, erklärt, er habe sich noch nicht an die Portale herangetraut, da Alberti lediglich allgemein bestimmt habe, sie sollten all’antica gestaltet werden, ohne genauere Angaben zu machen oder gar Zeichnungen zu hinterlassen?432 Mehrfach wird Alberti um detailliertere Angaben ersucht, und schließlich musste der Bauleiter Fancelli in der Angelegenheit gar zu ihm nach Rom reisen;433 hier hat sich die Ausführung des Baues nicht unwesentlich verzögert.

Extreme Positionen enthüllt ein Blick auf die größte Baustelle der frühen Neuzeit, St. Peter. Vom ersten Architekten des Baues, Donato Bramante, kennen wir kein abgeschlossenes Projekt. Die von seiner Hand überlieferten Entwürfe zeigen allesamt unfertige Bauten, und die Quellen lassen keinen Zweifel, dass auch für den ab 1506 ausgeführten Bau nur ein unfertiger Plan vorlag, freilich in Form eines Modells: Die Fassade blieb einstweilen ebenso undefiniert wie überhaupt die grundsätzlichere Frage der Erstreckung des Baues nach Osten.434 Auch im Bereich des Chores kam es während der ersten Jahre zu nicht weniger als zwei Planänderungen.435 Der definitive Kuppelentwurf wurde erst kurz vor Bramantes Tod, d. h. um 1513, redigiert, als die Pfeiler eine Höhe erreicht hatten, die den Beginn der Kuppel in greifbare Nähe rücken ließen.436

Die angestrebte Planungstiefe änderte sich unter Bramantes Nachfolger Raffael und seinem coadiutor Antonio da Sangallo d. J.: An die Stelle von Teilplänen traten nun vollständige Gesamtentwürfe.437 Das Projekt Raffaels, das im Codex Mellon überliefert ist, zeigt zudem eine Kombination von Ansicht und Schnitt und gibt so detailliert, wie angesichts des Formates möglich, die antikischen Ornamente der Türme wieder, deren Ausführung in jedem Fall noch in weiter Ferne gelegen hätte.438 Das hatte freilich auch mit einem gesteigerten Interesse Raffaels an ornamentaler Prachtentfaltung in der Architektur zu tun, die für ihn einen zentralen Aspekt der Annäherung an die antike Baukunst darstellte.439 Von Sangallo sind eine Reihe Entwürfe aus dieser Zeit erhalten, die sich mit Aufrissproblemen sowie mit dem Thema der künftigen Fassade befassen.440 Nach Raffaels Tod und seiner Beförderung zum Chefarchitekten legte Sangallo ein Modell vor, das, den überliefernden Skizzen eines französischen Zeichners zufolge, einen hohen Detaillierungsgrad, bis hinein in die Metopen der dorischen Ordnung, besessen haben muss.441 Dahinter stehen einerseits Sangallos Erfahrungen aus dem Romplan-Projekt, andererseits ein anderes, gleichsam albertianisches Verständnis von Planung: Die Gestalt des Baues soll in toto durchdacht und festgelegt werden, es soll a priori sichergestellt sein, dass alle Teile sich zum Ganzen fügen. Die Verfügung über bestimmte Teile aus der Hand zu geben – wie es etwa Bramante mit der Fassade oder gar der Erstreckung des Baues getan hatte –, hätte bedeutet, diesen Anspruch zu relativieren.

Die konsequenteste Verwirklichung eines solchen Ansatzes stellte schließlich jenes Projekt für die Vollendung des Neubaus dar, das Sangallo und seine équipe ab 1538/39 entwickelten. Es fand seinen monumentalen Niederschlag in jenem riesigen Holzmodell, das ab 1539 unter der Leitung Antonio Labaccos entstand (Abb. 2.27). Im Maßstab angelegt, misst es gut 7,30 m in der Länge und knapp 4,70 m in der Höhe. Es ist begehbar und enthält zahlreiche Details bis hin zu den Kapitellen und Balustern an Kuppel, Türmen und Laternen; ursprünglich war es farbig gefasst und enthielt sogar weiße Wachsstatuetten in den zahllosen Nischen.442 Seine Kosten beliefen sich auf 5.500 Scudi – eine Summe, für die man wohl eine eigene kleine Kirche hätte errichten können.

Man hat diesem Modell wegen seiner Größe und seiner detaillierten Ausarbeitung eine Sonderstellung in seiner Gattung zuschreiben wollen443 – zu Unrecht. Denn zum einen hat es seine Vorläufer in jenen gemauerten, ebenfalls begehbaren Gesamtmodellen, die im späten 14. Jahrhundert zur Visualisierung der Ausführungsprojekte mittelitalienischer Großkirchen angelegt wurden.444 Zum anderen gibt es um 1500 mindestens einen Fall für ein großes, hölzernes Gesamtmodell, das in ganz ähnlicher Weise wie bei Sangallo bis in die Details ausgearbeitet ist: das für den Dom von Pavia, das ab 1497 ausgeführt wurde.445 Auch wenn es mit einer Länge von 5,05 und einer Höhe von 3,64 m in den absoluten Maßen hinter Sangallos Modell zurückblieb, war der Maßstab von – statt – sogar noch größer gewählt.

Worin Sangallo freilich über die Baumeister in Florenz, Bologna und Pavia hinausgeht, ist die außergewöhnliche Tiefe der dahinter stehenden Planung. Diese ist in jenem umfangreichen Bestand von Zeichnungen überliefert, den ein zumindest frankophoner Zeichner – möglicherweise der in den Quellen als Guilelmo franciosio genannte Handwerker – im sog. Codex Destailleur D der Berliner Kunstbibliothek hinterlassen hat (Abb. 2.29).446 Die Detailfülle ist hier eine wesentlich größere, als es das Modell selbst erfordert hätte, was deutlich zeigt, dass hier nicht die Vorzeichnungen für das Modell, sondern wirklich die Planung des Baues selbst vorliegt.447 In einigen Zeichnungen ist jeder noch so kleine Gesimsvorsprung, jede Konsole und jeder Baluster nebst Abständen zum Nachbarn bis in den Millimeterbereich maßlich definiert.448 Solche Genauigkeit ist sonst nur aus Aufnahmen antiker Bauten bekannt, nicht aber aus der Planung erst zu errichtender Gebäude. Andere Blätter zeigen Teile, die das Modell gar nicht zeigen konnte (etwa einen Schnitt durch die Spindelrampen im Inneren);449 und dass sogar das Entwässerungssystem im Dachbereich vor Baubeginn detailliert durchgeplant wurde, ist zumindest im Bereich cinquecentesker Architekturzeichnungen singulär.450 Sangallos Ausführungsplanung ist somit der wohl extremste Ausdruck von Albertis Konzept des Gebäudes als einer in sich geschlossenen Ganzheit. Dieses Konzept scheint hier vollständig mit den Absichten der Deputierten konvergiert zu haben, denen zuallererst daran lag, den schier endlosen Planungsprozess endgültig zum Abschluss zu bringen und sein Resultat jedem sichtbar vor Augen zu stellen. Sie waren es denn auch, die Sangallo in einem Beschluss vom 27. Juni 1539 unter Androhung eines Auszahlungsstops sämtlicher Architektengehälter zur Anfertigung des Modells zwangen.451 Sie mögen hier die operai von Santa Maria del Fiore im Kopf gehabt haben, die 1367 nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen mehreren Baumeistern eine Entscheidung erzwangen, die für alle späteren Meister bindend war und die Vollendung des Baues erst ermöglichte.452 Auch die Paveser operai erwarteten sich von ihrem vollständig ausgearbeiteten Modell, quod pro successoribus fabriceriis et Magistris laborare debentibus in dicta ecclesia et fabrica semper sit norma et speculum ipsius edificii fiendi453 (…, dass es für die nachfolgenden Bauleute und Meister, die in der benannten Kirche und fabbrica arbeiten müssen, immer Norm und Abbild jenes entstehenden Gebäudes sei).

Unter Sangallos Nachfolger Michelangelo, der 1546 Architekt der Peterskirche wurde, näherte sich das Kriterium der Planungstiefe wieder der Situation unter Bramante an (dessen Hinterlassenschaft Michelangelo ja auch in formaler Hinsicht als maßstabsetzend für seine Arbeit an St. Peter verstand bzw. bezeichnete).454 Das 1546/47 ausgearbeitete Modell scheint recht summarisch gewesen zu sein und stellt sich insofern wie eine Antithese zu Sangallos Elaborat dar, an dessen Vollendung die Deputierten gleichzeitig noch arbeiten ließen.455 Es ist bekannt, dass Michelangelo dazu neigte, endgültige Entwurfsentscheidungen erst unmittelbar vor der Ausführung zu treffen und dabei auch vor der Änderung von modelli nicht zurückschreckte.456 Die endgültigen Pläne für die Kuppel arbeitete Michelangelo denn – auch dies eine Parallele zu Bramante – erst spät aus, und zwar auf Drängen seiner Freunde, die angesichts der schweren Konflikte zwischen Michelangelo und den Deputierten der Fab-

Abb. 2.29: Anonym (frankophoner Zeichner), Maßzeichnung nach dem Holzmodell des St. Peter-Entwurfes von Antonio da Sangallo dem Jüngeren und Mitarbeitern, 16. Jahrhundert. Berlin SMPK, Kunstbibliothek, HdZ 4151 (Codex Destailleur, D 1, f. 80).

Abb. 2.29: Anonym (frankophoner Zeichner), Maßzeichnung nach dem Holzmodell des St. Peter-Entwurfes von Antonio da Sangallo dem Jüngeren und Mitarbeitern, 16. Jahrhundert. Berlin SMPK, Kunstbibliothek, HdZ 4151 (Codex Destailleur, D 1, f. 80).

brica eine entsprechende Festlegung für die Zeit nach dem Tod des Meisters für ratsam hielten; so entstand 1558 das in seinen Details überaus präzise große Holzmodell der Kuppel.457 Auch hier freilich fühlte sich Michelangelo bei der Errichtung des Tambours, die er noch erlebte, frei, in einigen Punkten von der Planung abzuweichen. Zur Formulierung eines abschließenden Fassadenentwurfs kam es zu seinen Lebzeiten indes nicht mehr.458

Dass für die Kuppel ein recht genaues Modell erarbeitet wurde, mag auch zusammenhängen mit einer im Vorjahr stattgefundenen Episode, die schlagendes Licht auf einen besonderen Aspekt der Problematik „Planungstiefe“ wirft. 1557 hatte ein capomaestro der Basilika die Kalotte der südlichen Tribuna falsch ausgeführt, die der Meister daraufhin abreißen und nach seinen eigentlichen Vorgaben neu aufführen ließ.459 In einem Brief an Vasari bringt er das Problem dergestalt auf den Punkt, dass der Bauleiter statt unzähliger centine nur eine einzige für die volta – gemeint ist hier wohl eine Kappe – verwendet habe und klagt, der Fehler hätte nicht passieren dürfen, avendo il modello facto a punto com’io fo d’ogni cosa460 (…, da [ich] das Modell genau gemacht hatte, wie ich es für alle Aspekte gemacht hatte). Anscheinend war das Modell also keine ausreichende Verständnisgrundlage für Michelangelos komplexen Entwurf gewesen. Sollte es sich tatsächlich um das noch erhaltene kleine Modell im Maßstab 1:30 handeln, das zu Studienzwecken in das Sangallo-Modell eingesetzt werden konnte, wäre dies kein Wunder: Gerade die Frage der Krümmungsgeometrie ist daraus nämlich kaum mit hinreichender Klarheit abzulesen. Noch der Versuch des Meisters, Vasari das Problem mittels einer Skizze verständlich zu machen, scheiterte, so dass er eine neue, klarere Zeichnung erstellen musste.461

Dass das Verständnisproblem hier so schwerwiegende Auswirkungen hatte, hängt freilich mit einem anderen Problem zusammen: dem der mangelnden Präsenz Michelangelos auf der Baustelle. Der über Achtzigjährige suchte den Bau nur noch selten persönlich auf, fiel also auch als Kontrollinstanz aus, um Fehler rechtzeitig zu bemerken.462 Die ‚Darstellungstiefe‘ des Planmaterials genügte anscheinend nicht, die physische Präsenz des Architekten zu ersetzen. Auch hier denkt man an Brunelleschis von Manetti geschilderte Planungsmethodik. Problematisch wurde diese Situation, wenn der Entwerfer nicht mit dem Bauleiter identisch war und sich an anderem Ort aufhielt. In der Renaissance kam das häufiger vor. Alberti ist ein besonders bekanntes Beispiel, auf das schon hingewiesen wurde. Beim Bau der Madonna delle Carceri in Prato suchten die Operai solchen Problemen vorzubeugen, indem sie mit dem Entwerfer Giuliano da Sangallo vertraglich vereinbarten, dass er stets auf Anforderung durch die Operai auf der Baustelle zu erscheinen habe (wofür ihm dann ein bestimmter Lohn zustand).463 Dahinter steht die (durch Vorfälle wie jenen in Mantua genährte) Erkenntnis, dass mit den Planungsgewohnheiten der Zeit ein Bau nie so erschöpfend darzustellen war, dass völlige Klarheit herrschte. Es war dann Giulianos Neffe Antonio, der genau diesen Versuch im Projekt für St. Peter auf spektakuläre Weise unternehmen sollte. Dass er damit Planungsgewohnheiten der Moderne vorwegnahm, ist offenkundig.

2.6.4 Vom Territorium zum dekorativen Detail: Städtebaulicher Entwurf in der Frühen Neuzeit

Die Entwicklungen, die die Renaissance auf gesellschaftlichem und künstlerischem Gebiet mit sich brachte, nahmen auch Einfluss auf die Kriterien, nach denen man das Aussehen der Städte zu bewerten gewohnt war. Die mathematischen Disziplinen, insbesondere geometrische Kenntnisse, gewannen zunehmend an Relevanz in Bildung und Denken immer weiterer Kreise der gebildeten Gesellschaftsschichten, zu denen auch die potentiellen Auftraggeber und Mäzene zählten.464 Dies führte neben der Rückbesinnung auf die Antike auch dazu, dass die Verfasser staats- und architekturtheoretischer Schriften sich vermehrt mit der Planung idealer und utopischer Städte auseinandersetzten.465 Sie begannen, neuartige Stadtgrundrisse vorzuschlagen, die meist ohne konkreten Anlass konzipiert waren und auf einem geometrischen Formenvokabular basierten. Mit dem Anspruch der Zeit an eine mathematisch erfassbare Lebenswelt verband sich die Vorstellung von Schönheit als rationaler Ordnung, was in Hinsicht auf die Planung einer neuen Stadt vor allem die Definierung eines mathematisch beschreibbaren Grundrisses bedeutete.466 Diese Änderungen innerhalb des ästhetischen Verständnisses und Empfindens waren es, die in Verbindung mit den rationaleren Motiven entspringenden Überlegungen, wie man sich besser vor Schäden durch Feuer und Erdbeben schützen könne, in vielen europäischen Städten zur Planung und schrittweisen Einführung einheitlich gestalteter Straßenzüge und Platzanlagen geführt haben; oder doch zumindest dort, wo dazu die Möglichkeit bestand – d. h. in Fällen der Neuplanung ganzer Städte, der Erweiterung bestehender Stadtstrukturen, oder aber auch der Sanierung einzelner Stadtteile, deren Bausubstanz durch Naturkatastrophen oder Kriege gelitten hatte. Bei der Konzeption spielte die zu Beginn des Quattrocento entwickelte zentralperspektivische Konstruktion (später, am Ende des Seicento auch die Übereck-Perspektive) des Bild- und auch realen Raumes eine nicht unbedeutende Rolle. Die im Zuge der Renaissance peu à peu einsetzende und sich seitdem fortschreitend in vielen Städten ausbreitende, je nach Bedarf an Neubauten mehr oder weniger stark ins Auge fallende Ausrichtung neuer Bauwerke gemäß optischer Fluchtlinien, welche meist die Absicht verfolgte, einen architektonischen Höhepunkt im Hintergrund hervorzuheben, schickte sich an, das Bild der Städte immer stärker zu prägen oder zumindest sichtbar zu verändern. Einheitlich fluchtende Gesims- und Firstlinien an den jetzt traufständig zur Straße ausgerichteten Häuserfronten, die zum Teil durch Bauverordnungen vorgeschrieben waren, halfen dabei, die tiefenräumliche Wirkung, die die Straße jetzt auf den Betrachter ausübte, zu fördern. Mit den Bauvorschriften des Barockzeitalters, die oftmals Dimensionen und Gliederung der zur Straße hin orientierten Fassaden regelten, wurde der private Hausbau den vom jeweiligen Herrscher verfügten architektonischen Gestaltungsvorgaben unterworfen und damit in der Regel Gestaltungsidealen, die die absolutistisch-hierarchische Struktur der Gesellschaft spiegelten. Das Ergebnis davon, ein durch streng organisierte Sichtbeziehungen geordnetes, meist auf ein formal wie funktional ausgezeichnetes Zentrum – im Normalfall die städtische Residenz des weltlichen oder kirchlichen Herrschers sowie die wichtigste Kirche der Stadt – ausgerichtetes Wegesystem mit breiten Straßenzügen und repetitiv gegliederter Seitenbebauung, reflektierte auf diese Weise Aufbau und Struktur des herrschenden Regierungssystems. Erst die Bauverordnungen ließen also die Planung einer architektonisch einheitlich gestalteten Stadt, die über den Entwurf einzelner Bauwerke weit hinausreichte, in den Bereich der Realisierbarkeit rücken.467

In der Praxis begegnet man städtischen Planungen, die einen Rückgriff auf geometrisches Formenvokabular vermuten lassen, bereits am Ausgang des 13. Jahrhunderts: So liegt vielen der urbanistischen Schöpfungen Arnolfo di Cambios, beispielsweise den Terre nuove fiorentine, ein durch Radien gegliederter und von di Cambio bevorzugt auch im Bereich von Architektur und Skulptur verwendeter Kreis als Entwurfsprinzip zugrunde.468

Der Gedanke an eine plan- und realisierbare ‚ideale‘ Stadt scheint innerhalb der frühneuzeitlichen Architekturtheorie unter Rekursnahme auf antikes Gedankengut wahrscheinlich zum ersten Mal in Leon Battista Albertis De re aedificatoria (1452) auf, in welchem funktionale und lebenspraktische Ansätze verbunden mit dem Anspruch an das ästhetische Äußere einer Stadt die Vorstellungen des Schreibenden von der idealen Stadt definieren.469 Die bei Alberti dergestalt implizit enthaltene, jedoch nicht direkt ausgesprochene Bewertung der Stadt als künstlerisches Werk470 sollte in den folgenden Jahrhunderten nach sich ziehen, dass das äußere Erscheinungsbild bei der Planung idealer und realer Städte stetig an Bedeutung zunahm, um schließlich im Zeitalter territorialer Staatenbildung und fürstlicher Repräsentation eine vorrangige Stellung einzunehmen: eine Entwicklung, die sich in der Praxis durch die allmähliche Verdrängung des mittelalterlichen Stadtbildes aus den europäischen Städten bzw. dessen Überlagerung durch andere architektonische Stile und urbanistische Konzepte abzeichnete.

Der erste, der in der Frühen Neuzeit die Thematik der Idealstadt nicht nur am Rande behandelte, sondern ausführlich beschrieb und auch abbildete, war Averlino, Filarete genannt. Dieser bediente sich einer ganz anderen Form der Wissensvermittlung als Alberti: schrieb dieser in Latein und entfaltete seine Materie systematisch, so benutzte Filarete die italienische Volkssprache und behandelte den Stoff auf assoziative Weise.471 In seinem in der Dialogform eines höfischen Romans verfassten Architekturtraktat (Architettonico Libro, 1464) präsentierte Filarete, den man auch als ,Stammvater der neueren Idealstadttradition‘ bezeichnet hat, dem Leser neben der utopischen Hafenstadt „Plusiopolis“ das Bild der oktogonalen, sternförmig befestigten und hierarchisch durchstrukturierten Planstadt „Sforzinda“, deren Grundriss einem Kreis einbeschrieben ist und deren internes Wegesystem sich radial auf den Mittelpunkt ausrichtet.472 Bei Sforzinda handelt es sich um eine Art optimierter Residenzstadt, deren Bild sich dennoch an der Realität orientiert.473 Damit kann sie als eine frühe Version vernunftgeleiteter Stadtplanung gelten, die zusammen mit Albertis Überlegungen auch als architekturtheoretisches Fundament einer rationalen Urbanistik verstanden wird.474

Das erste Mal, dass solche Ideen innerhalb der Frühen Neuzeit Eingang in die Praxis gefunden haben, war mit der Umgestaltung des Dorfes Corsiniano zur zeitweiligen Residenz von Papst Pius II. der Fall, die der humanistisch gebildete Piccolomini-Papst sozusagen als „bildhafte Demonstration des Wünschbaren“ (Tönnesmann) konzipiert wissen wollte. 1459 wurde das Projekt bei dem Architekten Bernardo Rossellino in Auftrag gegeben, fünf Jahre später beim Tod des Papstes jedoch eingestellt, so dass die Gesamtplanung nicht abgeschlossen werden konnte. Das bereits Erstellte glich aber wenigstens einer partiellen Verwirklichung des schriftlich fixierten Idealstadtgedankens, so dass dieser mit Pienza erstmals konkrete Umsetzung erfuhr. Dies allerdings nur, was die architektonische Komponente anbelangt, denn die Stadt war weniger vor dem Hintergrund der idealen Stadtgesellschaft als vielmehr jenem einer hierarchisch strukturierten und auf den Papst als Gründer ausgerichteten Stadtrepublik entwickelt worden.475

Das Aussehen von städtischen Anlagen oder Arealen, die über geometrischem Grundriss erdacht bzw. errichtet waren und die sich seit dem Cinquecento zunehmend auf dem europäischen Kontinent in Theorie und Praxis durchsetzten, entsprang aber nicht ausschließlich dem veränderten ästhetischen Bedürfnis und Schönheitsideal der Renaissancezeit, der Prävention extern verursachter Bauschäden oder dem Willen nach sozialer Veränderung, sondern verdankte sich im Gegenteil ebenso und in ganz entscheidendem Maße den militärischen Erfordernissen und neuen militärtechnischen Entwicklungen. Wiederholte Situationen der Bedrohung durch inneritalienische Konflikte oder die Raubüberfälle der Osmanen im östlichen Teil Mittelitaliens sowie die technischen Innovationen auf dem Gebiet der Artillerie, vor allem der Einsatz der leichter transportablen und schlagkräftigeren Kanonen, die in den 40er Jahren des 15. Jahrhunderts in Frankreich erfunden worden waren, veranlassten die Städte zu einer entsprechenden Anpassung ihrer Verteidigungsstrukturen.476 Die gesteigerte Wirkung und größere Beweglichkeit der Geschütze hatten schwerwiegende Auswirkungen auf die Einnehmbarkeit einer Festung und ließen die mittelalterlichen Befestigungen größtenteils unbrauchbar werden.477 Die Notwendigkeit einer Verstärkung der fortifikatorischen Anlagen führte nach einer Übergangsphase in der Zeit um 1500 bis circa 1530, in der man auch aus ökonomischen Gründen zunächst versucht hatte, die bestehenden Anlagen lediglich zu ,modernisieren‘,478 im Cinquecento schließlich zur Entstehung und Verbreitung des Bastionärsystems, d. h. dem Schutz eines Ortes durch eine umschließende Befestigungsmauer, die mit polygonalen Ecktürmen versetzt ist (vgl. Abschnitt 2.9.9 zur Bautechnik der Festungen).

Obgleich die gemischten Systeme der Übergangszeit nicht gänzlich verschwanden, entwickelte sich das Bastionärsystem unter dem Druck der historischen Ereignisse im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zum charakteristischsten Element der militärischen Verteidigung:479 Die Furcht vor einem drohenden Einfall der Türken in Rom, die Kriege zwischen den Habsburgern und Valois in Nord- und Mittelitalien und die größer werdenden Ambitionen einiger italienischer Städte zu expandieren (Florenz beispielsweise wird in dieser Zeit Herzogtum) gaben erneut einer allgemeinen Angst vor kriegerischen Auseinandersetzungen Nahrung. Der Drang der Städte, sich wegen der besseren Versorgungsmöglichkeit ihrer Soldaten auszudehnen, führte zur Abschaffung der städtischen Autonomie. Die effizienter und in ihren Dimensionen größer gewordenen, dabei aber relativ ökonomischen Stadtbefestigungen mit Eckbastionen, die zudem Orte für eine neue Ikonographie abgaben, schützten jetzt nicht mehr nur die Stadt, sondern auch das angewachsene Heer. Auf diese Weise gewann der geometrische, durch das System aus Bastionen und Kurtinen definierte Verlauf der städtischen Umrisslinie in der Urbanistik der Jahrhundertmitte eine vorherrschende Position, und zwar nicht nur innerhalb Italiens, sondern im gesamten Mittelmeergebiet sowie in den unlängst eroberten Gebieten in Afrika und der Neuen Welt.480 So ist der geometrische Verlauf vieler Befestigungsanlagen auch oder vor allem der Fortentwicklung auf dem Gebiet der Ballistik geschuldet und bildet einen Tribut an die militärischen Erfordernisse der Verteidigung.481

Im Quattrocento waren die Geschichte und Entwicklung von Zivil- und Militärarchitektur noch aufs engste miteinander verbunden gewesen, und die Entwicklung der Verteidigungsstrukturen war gemeinsam mit jener im Bereich der Kunst vorangeschritten. Im Verlauf des Cinquecento ging die Beschäftigung mit dem Thema der Stadtbefestigungen dann jedoch vorwiegend in die Hand von Spezialisten über, und die neuen Technologien riefen eine Aufsplitterung der bis dahin in einer Person vereinigten Tätigkeiten des Architekten und Ingenieurs hervor.482 Dabei handelte es sich um einen Prozess, der nicht nur die allmähliche Trennung von Militär- und Zivilarchitektur in Gang setzte, sondern der auch die Gattung des reinen Festungsbautraktats entstehen ließ und sich bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts zu großen Teilen vollzogen haben würde.483 Die Traktate behandelten nun meist speziellere Gebiete, so widmeten sie sich beispielsweise ausschließlich den Säulenordnungen, der Mechanik, der Hydraulik, der ländlichen Architektur oder Feldmesskunst.484 Im Verlauf des 16. Jahrhunderts wurde die Militärarchitektur zu einer eigenen Disziplin und bildete nicht länger, wie dies seit Vitruv und Alberti Tradition gewesen war, lediglich eines der vielen Teilgebiete, von denen man erwartete, dass der humanistisch gebildete Architekt sie beherrsche.485 Während in etwa bis zur Jahrhundertmitte das Aktivsein auf militärischem Gebiet – einschließlich des Militärdienstes – noch einen essentiellen Part der Architektentätigkeit ausgemacht hatte, überließen die Architekten in der darauffolgenden Phase diesen Bereich mehr und mehr der wenig zuvor entstandenen Berufsgruppe der Militäringenieure, und zwar, wie Adams angibt, aufgrund der wissenschaftlichen Forschungen, die Grenzen aufzeigten und die Rolle des Architekten zu belasten begannen.486 Personen mit praktischer Kriegserfahrung wurden jetzt Ingenieure und verfassten Befestigungstraktate. Sie formulierten die theoretischen Prinzipien ihres Gebiets unter Rückgriff auf ihre praxisbezogenen Erfahrungen, so dass Theorie und Praxis sich im Bereich der Militärarchitektur ohne zeitliche Versetzung im Austausch befanden.487 Besonders gut ablesbar ist die Tendenz zur Aufsplitterung der Tätigkeitsbereiche zwischen Architekt und Ingenieur bei Giovanni Battista Bellucci, für den die Kenntnis der Ballistik eine maßgebliche Bedeutung besaß. Sein Festungstraktat (1598), das schon Jahre vor dem Druck in verschiedenen unvollendeten Versionen im Umlauf war, bildet die erste Abhandlung eines reinen Festungsingenieurs, in der das Bild des universalen Architekten angegriffen wird. Den Entwurf vertraue man besser einem soldato, qual per esperienza di guerra sappi bene speculare (einem Soldaten, der durch Erfahrung darin geübt sei, ein Gelände zu beurteilen) an, ist dort zu lesen.488 Daraus geht hervor, dass Bellucci den gelehrten Architekten für die Bauaufgabe der Festung letztlich für ungeeignet hielt. Darüber hinaus nahm er aus eigener Erfahrung an, dass Festungsbau nur in Zusammenarbeit einer ganzen Gruppe geleistet werden kann. Belluccis Ansichten wurden auch von Francesco de Marchi – Autor eines der wichtigsten Traktate über Befestigungen (Architettura militare, 1599) – vertreten, der, so Kruft, das Berufsbild des aus der Praxis kommenden Ingenieurs begründete, indem er Vitruvs umfassend gebildetem Architekten den uomo senza lettere (geisteswissenschaftlich ungebildeten Menschen) entgegenstellte, welcher auch senza lettere, dank un’amore e dilettatione e longa esperienza (ohne diese Bildung, dank Begeisterung, Gefallen und langer Erfahrung) über gute Sachen schreiben könne.489

Die beschriebene Spezialisierung, d. h. die Verteilung des Wissens auf verschiedene Wissensträger, führte in logischer Konsequenz dazu, dass einige Traktatschreiber zu mehr Kollaboration unter den einzelnen Wissensträgern aufforderten und die Zusammenarbeit von Architekt und Ingenieur sich verstärkte.490 Lag vordem die Planungsintensität bei der Invention neuer Städte vornehmlich in der Größendimension der zu bearbeitenden Aufgabe (ganz gleich ob idealen oder realen Charakters), so war sie jetzt eher in der Tiefe begründet, mit der einige Theoretiker des Cinquecento, darunter auch Bellucci und de Marchi, die Planung einer Stadt auch auf Wissensfelder außerhalb von Architektur und Wegebau ausgedehnt wissen wollten. So empfahlen sie vor dem eigentlichen Angehen eines städtebaulichen Projekts die Konsultation verschiedener Spezialisten. De Marchi forderte in seinem Architetto Militare die Planung von Stadt und Festung als gemeinsame Arbeit von Angehörigen mehrerer Berufe: eines Architekten als Zuständigem für das Zeichnen der Pläne und für die Bauführung, sowie eines Soldaten für die Festlegung von Lage und Form aufgrund der topographischen Gegebenheiten; darüber hinaus eines Arztes, eines Landwirtschafters, eines Mineralogen und eines Astrologen für die Beurteilung der Luft- und Wasserverhältnisse, der Qualität der vorhandenen Nahrung, der Möglichkeiten zur Nahrungsbeschaffung, der verfügbaren Rohstoffe und des günstigsten Termins für den Baubeginn.491

Abb. 2.30: Pietro Cataneo, Grundriss einer Stadt mit Zitadelle, aus Cataneo 1554, f. 13 v. (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.30: Pietro Cataneo, Grundriss einer Stadt mit Zitadelle, aus Cataneo 1554, f. 13 v. (Bibliotheca Hertziana).

Es bleibt noch zu bemerken, dass in den militärischen Traktaten im allgemeinen darauf bestanden wurde, dass die Befestigungen von Städten und hiermit gleichzeitig ihre äußeren Formen in erster Linie den besten Verteidigungsmöglichkeiten und damit den Vorgaben der örtlichen Gegebenheiten und Topographie gehorchen sollten. Auf diesem Punkt insistierte neben Alberti auch besonders Francesco di Giorgio Martini, dessen theoretisches Werk ein großes Interesse an der Bauaufgabe Festungsbau zeigt und das die Phase widerspiegelt, in der die Artillerie zum beherrschenden Moment der architektonischen Verteidigung wurde. Er war der Auffassung, dass die Festung vor den Angriffen durch bombarde o scalamenti o altro strumento (Bombarden, Ersteigen oder andere Mittel) geschützt sein müsse, und zwar in erster Linie durch die Berücksichtigung delle qualità del sito in qualità del loco (der Eigenschaften des Bauplatzes in Bezug auf das Gelände).492 Francesco di Giorgio scheint auch die Geometrie nicht so sehr im idealen Sinn, sondern als operative Disziplin, die praktische Lösungen anbietet, verstanden zu haben; seine Traktate beinhalten eine Fülle verschiedener Befestigungen. Des Weiteren bemaß er dem disegno Bedeutung für den architektonischen Entwurf bei und unterstrich die Verbindung zwischen Architekturtheorie auf der einen sowie Können und Erfahrung auf der anderen Seite.493 Zeichnungen und Modelle besaßen auch für de Marchi eine wichtige Stellung für eine gute Arbeit des Geistes, und er notierte, dass

„[…] disegnare in carta e fare modelli, scrivere discorsi sopra delle fortificazioni è cosa necessaria, perché altrimenti non si può fare cosa buona alla mente se in carta o modello non si farà prima.“494

Zurück zu den formalen Aspekten frühneuzeitlicher Stadtplanung: Die Mehrzahl der italienischen Architekturtheoretiker der Renaissance bevorzugte für den Befestigungsring der von ihnen erdachten Idealstädte gemäß Vitruvs Anschauungen über die am meisten geeignete und funktionalste Form der Begrenzungslinie einer Stadt die Kreisform. Am Ende des Cinquecento bildete der Kreis als Planungsbasis ein zentrales Diskussionsthema.495 Auch Vincenzo Scamozzi bildete zu Beginn des Seicento in seiner Idea della architettura universale (1615) als ideale Stadtstruktur einen kreisförmigen Grundriss ab, allerdings nicht mit dem zu der Zeit üblichen Radial-, sondern mit einem Schachbrettsystem. Sein Idealstadtentwurf, der laut Kruft aller Wahrscheinlichkeit nach Scamozzis Projekt für die Fortezza von Palmanova darstellt, konnte sich gegen den realisierten Entwurf mit sternförmiger Wegeführung der 1593 zum Schutz gegen die Türken ex novo auf der Terra Ferma Venedigs gegründeten Stadt nicht durchsetzen.496 Die radiale Stadteinteilung, d. h. eine zentripetale Erschließung des Stadtinneren mit zentrifugal zum Mauerring ausstrahlenden Straßenachsen, der man bei der Realisierung von Palmanova noch den Vorrang gegeben hatte, büßte in der Folge wegen zu geringer Praktikabilität für größere Stadtbauvorhaben immer mehr an Aktualität ein und wich anderen Formen der Straßenführung, vornehmlich dem Rasterschema.497 Abbildung 2.30 zeigt beispielhaft für den Vorschlag eines solchen Gitterschemas einen Plan des Architekten und Militäringenieurs Pietro Cataneo aus dessen 1554 erschienenen Quattro primi libri di architettura. Cataneo, der als erster die Stadtplanung ins Aufgabenzentrum der Architektur stellte, gab einer rationalen Entwurfslösung den Vorzug und sprach sich für einen Grundriss aus, der nicht kreisförmig, sondern wegen der besseren Funktionalität eckig sein sollte, d. h. mit Mauern in Form eines Polygons und Bastionen bestückt. Dabei geriet er in seinen Ausführungen mitunter in Konflikt zwischen dem abstrakten theoretischen Konzept einer idealen, geometrisch angelegten und zentrierten Renaissancestadt und seinem Anspruch an die Berücksichtigung des Ortes, die nach Cataneo durchaus irreguläre Verlaufsformen rechtfertigt.498 Ein vielgenanntes Beispiel einer konkretisierten Idealstadt der späten Renaissancezeit bildet der Ort Sabbioneta in der Provinz Mantua, der sich über einem Hexagon mit sechs Bastionen erhebt.499 Ein anderes frühes Beispiel für eine regelmäßig und nach dem Rasterschema konzipierte Festungsstadt ist La Valletta, das ab 1566 als Hauptsitz des Johanniterordens auf Malta erbaut wurde.500

Wie beschrieben war die Entwicklung, die sich innerhalb der architekturtheoretischen Traktate in Bezug auf die Planung der Ideal- und Planstadt vollzog, eng mit den Fortschritten der Militärtechnik verbunden. Daneben sollte aber nicht vergessen werden, dass die Einflüsse insgesamt zahlreicher Natur gewesen sind. Zu diesen gehörte auch das zeitgenössische Wissen über die Geschichte des Städtebaus und deren mediale Vermittlung in Form schriftlicher und bildlicher Zeugnisse.501 Zum allgemeinen Hintergrund einer erschöpfenden Betrachtung der Idealstadt zählen desgleichen die Legenden und Mythen, die sich um die ersten Stadtgründungen rankten, sowie das Wissen, das sich aus den in die Frühe Neuzeit überkommenen Vorbildern der Antike generiert hatte, wie z. B. die Kenntnis der 443 v. Chr. neu gegründeten Stadt Thurioi in Süditalien, des Hippodamus von Milet, des Typus der antiken römischen Stadtanlage (Quadratum romanum), der römischen castrametatio, der Schriften mit militärischem Inhalt und natürlich der Äußerungen Vitruvs zur Stadt in ihren verschiedenen Ausgaben und Übersetzungen.502

Die bildliche Rekonstruktion der Stadt geschah auf verschiedene Arten:503 zum einen mittels Chorographien, perspektivisch angelegten Veduten und Vogelperspektiven, wobei diese die architektonischen Formen und Strukturen des dargestellten Objekts oft genug verfremdeten, so dass die Einheimischen Schwierigkeiten hatten, ihre Städte darauf wiederzuerkennen. Solche städtischen atlanti oder teatri bildeten die Basis für die Vermittlung der im Sinne von Homogenität und Lesbarkeit ,idealisierten‘ oder auch ,möglichen‘ Stadtgestalt für die Nicht-Ansässigen, insbesondere die Ausländer. Veduten und die literarischen laudes waren ein Mittel, die Städte den ersten Touristen näherzubringen. Was ihnen fehlte, die detaillierte Darstellung von Stadtorganismus und Wegesystem sowie die exakte Wiedergabe der Größendimensionen und Distanzen (eben die der Konzeption unterliegenden geometrischen Formen), konnte nur von einem anderen, nicht perspektivisch, sondern orthogonal angelegten Darstellungssystem geleistet werden: dem Grundrissplan oder der Ichnographie. Eine verhältnismäßig große Anzahl davon entstand vor allem in Rom in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Anschluss an die Publikation des Planes von Leonardo Bufalini (1551). Die ichnographischen, orthographischen und zenitalen Grundrisse suchten zwar die Globalität der Darstellung durch die Hinzufügung messbarer Präzision zu erreichen, forderten vom Betrachter aber auch die Fähigkeit zur Abstraktion. Die detaillierten Ichnographien entstanden in erster Linie aus militärischen Gründen und erforderten zu ihrer Herstellung nicht nur sehr viel Zeit und Geld, sondern auch die Mitarbeit unterschiedlicher Spezialisten wie Architekten, Militäringenieure, Karto- und Topographen. Deswegen besaßen nur wenige der wichtigeren Städte im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts ihren eigenen Stadtplan. Erst im 18. Jahrhundert entstanden Stadtpläne, die auch die Grundrisse der wichtigsten, manchmal sogar aller Gebäude verzeichneten (z. B. der Rom-Plan von Giovan Battista Nolli von 1748).

Darüber hinaus gab es plastische Darstellungen in Form dreidimensionaler Objekte oder Reliefs. Diese wurden seit der Renaissance für verschiedene Zwecke hergestellt, so z. B. als religiöse Opfergaben oder für politische Zeremonien. Auch hierbei aber standen militärische Gründe im Vordergrund. Bei den Flachreliefs und den architektonischen oder urbanistischen Modellen handelte es sich großenteils um die dreidimensionale Wiedergabe von Befestigungsanlagen oder befestigten Städten. Recht früh schon entstanden Modelle, die auch das Stadtinnere mit den wichtigsten Monumenten detaillierter beschrieben und ab einem bestimmten Zeitpunkt sogar vermehrt solche mit topographischer Darstellung des außerhalb der Befestigungsmauern gelegenen Geländes; dennoch handelte es sich aber immer noch um vereinfachende Darstellungen. Das früheste bekannte Stadtmodell für militärische Zwecke ist das Modell von Rhodos aus dem Jahr 1521. In der Mitte des 17. Jahrhunderts war die Herstellung von Stadtmodellen weit verbreitet, und im 18. Jahrhundert sollte sich die Praxis dann noch stärker ausweiten. So haben Louvois, der Kriegsminister Ludwigs XIV,504 und sein Militärarchitekt Sébastien Le Prestre de Vauban beispielsweise eine ganze Reihe an Modellen der vom militärischen Gesichtspunkt aus wichtigsten Städte inner- und außerhalb Frankreichs anfertigen lassen.505

Stichpublikationen, die antike und in geringerem Maße auch moderne Gebäude zeigen, traten im 16. Jahrhundert vor allem in Rom auf. Während des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts erreichte die Kapazität der Darstellung einen immer höheren Perfektionsgrad, wovon z. B. die Werke Giovanni Battista Faldas oder Alessandro Specchis beredtes Zeugnis abgeben.

Eine andere Wissensquelle für den Ideentransfer mit besonderer Relevanz für die Vorstellungen von der Idealstadt bildete mit Sicherheit auch die Literaturgattung der Utopie, die für gewöhnlich auf Platons ,Staat‘ und Atlantisentwurf zurückgeführt wird. In ihr wird die Thematik städtischer Planung zeitlich parallel zu den entsprechenden Äußerungen innerhalb der Architekturtheorie verhandelt, wenngleich auch primär gesellschaftspolitisch motiviert. Die Utopie versteht sich in Konfrontation zur bestehenden Welt und begreift die in ihr zum Ausdruck kommende Idealität in Bezug auf den Wunsch einer konkreten Veränderung der tatsächlich gegebenen Sozialstrukturen. Zwischen Utopie und Realität, Idealstadt und gebauter Planstadt, zwischen theoretischer Formulierung und praktischer Umsetzung bestehen Überlappungen und Parallelismen.506 Die literarische Gesellschaftsutopie, die architektonischen Idealstadtkonzepte und die Entwürfe von Planstädten griffen in den meisten Fällen auf die Mathematik und ihr Teilgebiet der Geometrie zurück, deren Formen und Methoden halfen, gesellschaftliche und räumliche Ordnung einander anzunähern.507 Obwohl die literarischen Gattungen sich natürlich gegenseitig befruchteten,508 soll hier nur die Einflussnahme der literarischen Utopie auf die Architekturtheorie und die Umsetzung des dort Formulierten in die Praxis als Beispiel des Zusammenwirkens politisch-philosophischer und architektonischer Wissenszweige mit ihrem jeweils unterschiedlich ausgerichteten Impetus der Vermittlung didaktischer, sozialreformerischer, ästhetischer und funktionaler Inhalte ausführlichere Erwähnung finden.

Abb. 2.31: Albrecht Dürer, Idealstadtentwurf, 1527. (aus: Dürer 1527, aus dem Exemplar der Staatsbibliothek Bamberg, mit freundlicher Erlaubnis).

Abb. 2.31: Albrecht Dürer, Idealstadtentwurf, 1527. (aus: Dürer 1527, aus dem Exemplar der Staatsbibliothek Bamberg, mit freundlicher Erlaubnis).

Im Jahre 1515 konfrontierte der englische Humanist Thomas Morus mit seinem Utopia betitelten Staatsroman die Leser mit der Idee von einem Inselstaat, dessen 54 Städte ausnahmslos Quadratform und ein schachbrettförmiges Wegemuster ohne Zentrum aufweisen und der die Basis für eine von ihm ersonnene bessere Gesellschaft abgeben sollte.509 Morus nahm also den seit Platon und Aristoteles in der antiken Philosophie toposartig immer wieder aufscheinenden sozialutopischen Gedanken auf, das Aussehen einer Stadt habe eine möglichst optimale Gesellschaftsform abzubilden,510 und betrachtete den Menschen als Bestandteil eines höheren gesellschaftlichen Ordnungssystems. In Anlehnung an Aristoteles wollte er dieses in der idealen demokratisch organisierten Stadtgesellschaft verwirklicht sehen, welche wiederum durch eine Ausrichtung in der Horizontalen im Stadtbild ausgedrückt wird.511

Amaurotum, die von Morus auf diesen Namen getaufte Hauptstadt der Insel, steht an der Basis der vor allem nördlich der Alpen entwickelten Idealstadttheorien. Albrecht Dürer war der erste, der, Morus’ Idee der rational, auch in verkehrstechnischer und hygienischer Hinsicht durchgeplanten Quadratstadt aufnehmend, seinen Zeitgenossen eine stärker ausgearbeitete Version des recht einfachen Idealstadtplans des Engländers präsentierte (Abb. 2.31). Dürers Befestigungslehre definierte den Prototyp für viele, vornehmlich nördlich der Alpen gelegene quadratische Planstädte des 16. und 17. Jahrhunderts.512 Das nach Plänen Heinrich Schickhardts in Süddeutschland errichtete Freudenstadt (ab 1599) zeigt deutlich sichtbar einen Einfluss von Dürers Entwurf.513 Quantitativ besehen taten sich die besseren Möglichkeiten für die Realisierung von Planstädten im Verlauf des 16. Jahrhunderts in der Neuen Welt auf, wo die bereits entwickelten Ideen in die Planungen der vielen Bauprojekte für die Entstehung neuer Siedlungen und Städte einflossen.514 Doch war auch hier der Wissensstrom sehr wahrscheinlich reziproker Natur, denn die Eroberung der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán im Jahr 1519 durch Cortés, um nur ein Beispiel zu nennen, dürfte ihrerseits ebenfalls auf die Ausbreitung einer auf dem rechten Winkel basierenden Umgürtelung und inneren Organisation europäischer Städte eingewirkt haben, war die aztekische Niederlassung doch durch ein orthogonales Schema an Wege- bzw. Kanalsystemen gekennzeichnet.515

Den allmählichen Übergang zur stärker hierarchisierten, der vielerorts veränderten Staatsführung geschuldeten Konzeption der barocken Stadt markieren auf dem Gebiet der politischen Utopie besonders sprechend Tommaso Campanellas detaillierte Beschreibung und kreisförmiger Entwurf der Civitas Solis (1623):516 einer sehr stark befestigten und in sieben Stufen ringförmig um die Kuppe eines Berges angelegten Siedlung, deren Vertikaltendenz die autoritäre Staatsform spiegelt, die Campanella mit seinem theokratisch-absolutistischen Regierungsmodell beschrieb, obgleich die Gruppierung der Mauerringe in konzentrischen Kreisen um den mittigen Rundtempel den Idealvorstellungen der Renaissance verhaftet blieb.517

Die Diskussion über die Idealstadt, die sich in der Renaissance nicht in einem fest definierten Konzept bewegte, ist letztlich nicht von jener über die Architektur und die Stadt zu trennen und innerhalb des gesamten kulturellen Komplexes zu betrachten.518 Blütezeit dieser Diskussion bildeten das italienische Quattro- und Cinquecento.519 Vor dem Hintergrund des Verständnisses von Staat und Stadt als sozialer Strukturen im Sinne des Allgemeinwohls, wird die Idealstadt in der Praxis nach Oechslin

„…una possibile concretizzazione delle riflessioni di base sul còmpito dell’architetto, quindi un caso eccezionale o esemplare di una trascrizione altrimenti vincolante in senso generale del suo ruolo all’interno della società.“520

Wie bereits Alberti notierte, gehörten die Konzepte von Staat, Stadt und Gesellschaft ganz ohne Zweifel zur Aktivität des Architekten, und die Aufgabe des Architekten war es, zur Frage von Stadt und Staat einen Beitrag zu leisten.521

Die große Wertschätzung und Aufmerksamkeit, die man in der Frühen Neuzeit mathematischen Motiven und Strukturen zollte und die sich auf oben dargestellte Art auch in der Städteplanung offenbarte, fand im Bereich der Philosophie beredten Ausdruck in den Schriften von René Descartes. Dort ist die seinerzeit bereits verbreitete Auffassung schriftlich niedergelegt, dass ein verlässlicheres Verständnis der Welt nicht über die Auswertung der wenig eindeutigen Sinneseindrücke, sondern vielmehr auf Basis der Anwendung mathematischer Techniken gewonnen werden könne.522 Ganz im Sinne dieser rationalen Sichtweise vermerkte Descartes 1637 sowohl in Bezug auf den Bau einzelner Bauwerke als auch auf die Planung von Städten, dass Werke, an deren Entstehung mehrere Personen beteiligt seien, für gewöhnlich weniger perfekt seien als die eines Einzelnen. Und so hielt er auch die mit der Zeit gewachsenen Städte – also jene mittelalterlichen – für schlecht proportioniert und stellte sie den places régulières qu’un ingénieur trace à sa fantaisie dans une plaine (regelmäßigen Plätzen [hier gemeint im Sinne von Städten], die ein Ingenieur seiner Vorstellungskraft nach in einer Ebene anlegt) gegenüber. Darüber hinaus kritisierte er an der mittelalterlichen Stadt die Art der Verteilung ungleich großer Gebäude sowie die kurvigen und ungleichmäßigen Straßen, über die er feststellte: on dirait que c’est plutôt la fortune, que la volonté de quelques hommes usant de raison, qui les a ainsi disposés523 (man würde sagen, dass es eher Zufälligkeit als der Wille einiger den Verstand gebrauchender Menschen sei, die sie auf diese Weise angeordnet hat). Insgesamt lässt sich also postulieren, dass Descartes sich für einen einheitlichen städtebaulichen Entwurf aussprach. Während im Mittelalter das einzelne Bauwerk Priorität genoss und die Wegeverbindungen eine untergeordnete, funktional auf die Verbindung von Orten reduzierte Aufgabe ausübten, wurde der Straßenraum seit Alberti und Morus zu einem dominierenden Faktor der Stadtgestaltung und erlangte im Bewusstsein der Menschen eigene ästhetische Wertigkeit. Die strenge Geometrie regelmäßiger Straßennetze, die sich diesem formalen Ordnungssinn verdankte, diente der Repräsentation des auf rationalen Grundsätzen gegründeten Staatswesens der Renaissance.524 So waren Regierungsform und städtisches Aussehen eng miteinander korreliert, und es verwundert nicht, dass die Barockzeit mit ihren absolutistisch geprägten Herrschaftsformen abermals von Veränderungen im städtischen Bereich begleitet wurde. Abgetrennt von den Idealen sozialutopischen Denkens, charakterisiert den barocken Planstadtgedanken vor allem eine Instrumentalisierung der Planung im Sinne des in der Herrscherpersönlichkeit konzentrierten absolutistischen Machtanspruchs.

Um einen Nexus zu finden zwischen einer internen und einer formalen Idealität der Stadt (letztlich also Inhalt und Form), wurde zur Begründung der Analogie zwischen geordneter Gesellschaftsstruktur der Stadt und der Perfektion geometrischer Formen oft auf die Staatstheorien von Platon und Aristoteles zurückgegriffen. Das platonische Konzept der Idealität geometrischer Formen (von Idee und Form) ist dabei wesentlich für die Frage der Idealstadt und letztere ohne dies überhaupt nicht denkbar; in Bezug auf die Stadt sprach Vitruv, so Daniele Barbaro in seiner Vitruvübersetzung von 1556, von der certa, & terminata figura, die es zu erreichen gälte. Jean Bodin (Six Livres de la Republique, 1577) ging sogar so weit, die Harmonie des Staates, also den Frieden, auf der Basis mathematischer Proportionen zu erklären und sah in der Verbindung von Harmonie, Geometrie und Arithmetik die universalen Fundamente der menschlichen Organisation. Letztlich lässt sich feststellen, dass die Wahl der regulären und geometrischen Stadtgrundrisse also nicht das Ergebnis spezifisch architektonischer Erfindungen sind, sondern bedingt durch Formen, die von den Menschen mit Idealität assoziiert werden.525 In der Zeit nach Francesco di Giorgio bildete sich zunehmend ein Denken in Schemata heraus, das sich in den Traktaten abzeichnete und eine Reihe verschiedener Formen hervorbrachte. Die Systematisierung des geometrischen Stadtschemas bei Pietro Cataneo (Quattro Primi Libri di Architettura, 1554) bezeichnet einen Höhepunkt in dieser Entwicklung.526

2.6.5 Vom Territorium zum dekorativen Detail: Das Beispiel der Stadtbaugeschichte von Turin

Abb. 2.32: Pierre Le Pautre, Versailles, Plan der Gesamtanlage beim Tod Ludwigs XIV., 1714, Stich. Harvard Map Collection, Digital Maps (mit freundlicher Erlaubnis).

Abb. 2.32: Pierre Le Pautre, Versailles, Plan der Gesamtanlage beim Tod Ludwigs XIV., 1714, Stich. Harvard Map Collection, Digital Maps (mit freundlicher Erlaubnis).

Die zur Zeit der Renaissance durch die Befestigungsanlagen fest definierte Umrisslinie der Stadt verlor im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts in den Fällen, in denen die Verteidigungsfunktion nicht mehr notwendig schien, ihren geschlossenen Charakter, so z. B. beim Ausbau des Dorfes Versailles zur Stadt, die aufgrund der Lage inmitten des befriedeten Frankreichs keines besonderen Schutzes bedurfte und ein offenes Stadtbild zeigt.527 Die damals neu entstandenen oder stark barockisierten Städte, vor allem die Residenzstädte absolutistischer Staaten, weisen offenere Konzeptionen mit zum Teil weit in die umgebende, jetzt ebenfalls nach rationalen Prinzipien organisierte Landschaft einschneidenden Alleen auf.528 Da in den Residenzstädten als festem Sitz des absolutistischen Herrschers die Macht zentriert war, waren die urbanistischen und landschaftsgestalterischen Ambitionen im Staat darauf ausgerichtet, Systeme zu erschaffen, die nicht nur die Primatstellung der Residenzstadt sichtbar werden ließen, sondern genauso den Herrschaftsanspruch über das gesamte fürstliche Territorium anschaulich verbildlichen würden. Dazu gehörte neben den weit ausgreifenden und oftmals schnurgerade verlaufenden Alleen z. B. auch die akkurat geordnete und strengen Regeln unterworfene Natur des französischen Barockgartens.

Das Vorbild, an dem sich die Gestaltung der Residenzen des Absolutismus in erster Linie orientierte, war Versailles: ein auf der Grundlage von geometrischen Mustern entworfenes Ensemble aus mehrflügeliger Schlossanlage, Stadt und Park (Abb. 2.32).529 Zunächst hatte Ludwig XIV. das Jagdschloss Ludwigs XIII. beim Dorf Versailles zu einem Landhaus mit primärem Augenmerk auf der Gartengestaltung ausbauen lassen, dann aber 1668 bei den Erbauern des damals als unerreicht geltenden Schlosses Vaux-le-Vicomte eine Erweiterung in Auftrag gegeben, die den Komplex binnen kurzer Zeit zu dem Schloss in Frankreich aufsteigen ließ, das in der Breite seiner Gartenfassade die anderen Bauten übertraf und neue Maßstäbe setzte.530 Park und Stadt sind auf das Schloss ausgerichtet und ihm untergeordnet. Die Gliederung der Stadt durch drei breite Avenuen, die strahlenförmig auf einen markanten Punkt, in diesem Fall das Schloss, zulaufen,531 sowie das von Le Nôtre eingeführte Motiv der Achse, die ihren Ausgang von der Mitte der Gartenfassade nimmt, den Horizont am entgegengesetzten Ende zu durchschneiden scheint und damit den Garten in zwei Hälften teilt, sind Elemente, die den absolutistischen Herrschafts- und Ordnungswillen sehr gut bildhaft zum Ausdruck bringen und demgemäß von vielen europäischen Landesherren aufgegriffen worden sind.532

Abb. 2.33: Die städtebauliche Entwicklung Turins: Oben: im Südwesten zu sehen die Zitadelle aus dem 16. Jahrhundert, im Süden die erste Stadterweiterung von 1620; Mitte: die zweite Stadterweiterung von 1673 nach Osten mit diagonal in Richtung Pobrücke geführter Straßenachse. Unten: Die dritte Stadterweiterung von 1716 nach Westen (Umzeichnung von H. Schlimme nach Hoppe 2003, 115).

Abb. 2.33: Die städtebauliche Entwicklung Turins: Oben: im Südwesten zu sehen die Zitadelle aus dem 16. Jahrhundert, im Süden die erste Stadterweiterung von 1620; Mitte: die zweite Stadterweiterung von 1673 nach Osten mit diagonal in Richtung Pobrücke geführter Straßenachse. Unten: Die dritte Stadterweiterung von 1716 nach Westen (Umzeichnung von H. Schlimme nach Hoppe 2003, 115).

Abb. 2.34: Ercole Negro di Sanfront, Entwurf für die Vergrößerung der Stadt bis zu den Flüssen Po und Dora, [1618] (mit Erlaubnis des Archivio di Stato di Torino, Prot.n. 4047/282807, Corte, Carte topografiche per A e B, Torino, n. 1/10).

Abb. 2.34: Ercole Negro di Sanfront, Entwurf für die Vergrößerung der Stadt bis zu den Flüssen Po und Dora, [1618] (mit Erlaubnis des Archivio di Stato di Torino, Prot.n. 4047/282807, Corte, Carte topografiche per A e B, Torino, n. 1/10).

Abb. 2.35: Giovanni Tommaso Borgonio, Regiae Bibliothecae Equestris Academiae veteris Castri cum suo utriumque foro ad septentrionem inspectio, 1674, aus: Theatrum Statuum Regiae Celsitudinis Sabaudiae Ducis 1682, vol. 1, tav. 13 (Fondo Collezione Simeom N Theatrum Sabaudiae; mit Erlaubnis des Archivio Storico della Città di Torino; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.35: Giovanni Tommaso Borgonio, Regiae Bibliothecae Equestris Academiae veteris Castri cum suo utriumque foro ad septentrionem inspectio, 1674, aus: Theatrum Statuum Regiae Celsitudinis Sabaudiae Ducis 1682, vol. 1, tav. 13 (Fondo Collezione Simeom N Theatrum Sabaudiae; mit Erlaubnis des Archivio Storico della Città di Torino; Reproduktion nicht gestattet).

In Turin533 blieb wegen der militärischen Bedrohung noch lange ein Fortifikationsring notwendig und eine Entwicklung wie in Versailles und Paris setzte streng genommen erst im beginnenden Settecento ein. Dennoch bietet die Entwicklung der Hauptstadt des Herzogtums Savoyen in ihrer Rolle als bedeutendstes städtebauliches Großprojekt des 17. Jahrhunderts das Paradebeispiel einer gleichartigen, über mehrere Herrscherperioden hinwegreichenden und im Ganzen gesehen nur wenigen Änderungen unterworfenen Planungsgeschichte. Der schrittweise, einen Zeitraum von circa zwei Jahrhunderten umspannende Ausbau einer Planstadtanlage als Ergebnis des ehrgeizigen Engagements von Seiten einer wechselnden, mehrere Generationen umfassenden Bauherrenschaft, welche ihr Ansinnen mittels einer ausgeklügelten Baupolitik und der Herausgabe von Baustatuten durchsetzte,534 und der Stadt und Umland zu einem komplexen, geschlossenen Gebilde heranwachsen ließ, wird in keiner anderen europäischen Stadt deutlicher sichtbar als in Turin. Die Umsetzung grundlegender Ideen städtischer Planung, wie sie hier stattgefunden hat, gilt in der europäischen Stadtplanungsgeschichte als vorbildhaft. Aus einer römischen Militärstadt mit rechtwinklig angelegtem Wegeraster und Hauptachsenkreuz von Cardo und Decumanus hatte sich die Stadt allmählich zu einer charakteristischen spätbarocken, das absolutistisch gelenkte Regime versinnbildlichenden Anlage entwickelt.535

Im Anschluss an den Vertrag von Chateau-Cambrésis (1559), der dem Herzogtum Savoyen die verlorenen, nunmehr kaum befestigten Erblande zurückbrachte, hatte der Herzog Emanuele Filiberto entschieden, die Hauptstadt Savoyens von Chambéry in den Piemont und an strategisch wie geopolitisch bedeutsame Stelle zu verlegen; die Wahl fiel auf Turin. Zum Zeitpunkt der Verlegung (1563) hatten die Bebauungsgrenzen der Stadt die einstmalige Größe der antiken Anlage noch nicht überschritten. Die Entscheidung der Hauptstadtverlegung, mit der zugleich eine institutionelle Reorganisation des Staates einherging, machte zunächst einmal die Verbesserung der bestehenden Defensivmöglichkeiten erforderlich. Die Mauern, Tore und das Straßenraster des römischen castrum wurden zunächst beibehalten und nur die Befestigungswerke verstärkt, im Südwesten der Stadt legte man eine pentagonale Zitadelle an (durch Francesco Paciotto, 1564). Daraufhin setzte der Ausbau der Stadt mit der Umgestaltung von Herzogspalast und Piazza Castello ein, die durch einheitlich gestaltete Fassaden zu einem repräsentativen Zentrum wurden.536 In der Folge versuchte man von hier Ausgang nehmend, der anwachsenden Einwohnerzahl durch Stadterweiterungen Herr zu werden, die sich in drei große Planungs- und Bauabschnitte einteilen lassen (1619; 1671; 1713; Abb. 2.33). Von Anfang an handelte es sich dabei auch um strategische Erwägungen, die wie weiter oben erörtert allgemein als Schlüsselmomente und entscheidende Faktoren der städtebaulichen Entwicklung im Cinque- und Seicento fungierten. Im Fall von Turin lässt sich allerdings ein schon sehr frühes Aufkommen einer der Barockzeit vorausgreifenden Idee feststellen, und zwar, die Stadt als das ,Haupt‘ des Herzogtums zu verstehen, um das sich die Ländereien Savoyen-Piemonts kranzartig gruppieren. In einer Federzeichnung von 1583 ist in emblematisch vorgetragener Form ein Anspruch ausgedrückt, in dem man die Grundlage der konsequenten Umgestaltung von Stadt und herzoglichem Gebiet in den darauffolgenden zwei Jahrhunderten erkennen könnte.537 Hier zeichnete sich bereits der Wunsch nach einer das Territorium einbeziehenden Planung ab, welcher Jahrzehnte später ebenfalls die Inangriffnahme einer groß angelegten Publikation von Stichwerken motiviert haben dürfte. Das unter dem Namen Theatrum Sabaudiae 1682 herausgegebene Werk präsentiert die bedeutenden Orte, Monumente und architektonischen Projekte des Herzogtums, vollendete wie unvollendete, in Bild und Schrift und vermittelte auf diese Art eine „punktuelle topographische Vorstellung eines ‚savoyischen‘ Territoriums“ (Jöchner).538 Eines der Ziele wird dabei gewesen sein, der geographischen Vereinnahmung des Herrschaftsgebiets deutlichen Ausdruck zu verleihen und damit gleichsam, ganz im Sinne barocker Selbstdarstellung, die territorialen Ansprüche des Herrscherhauses manifest werden zu lassen.539

Der erste städtebauliche Eingriff, der in den überkommenen Stadtorganismus vorgenommen wurde, bestand aus dem Einschneiden zweier neuer Straßen in das bestehende Rastersystem. Für die Bebauung der Vie Nuove sah schon Ascanio Vitozzi, der von 1584 bis zu seinem Tod 1615 als Architekt und Militäringenieur für den savoyischen Hof tätig war, eine Musterhausbebauung für die straßenseitigen Fassaden vor. Das Resultat, Einheitlichkeit und stilistische Gleichförmigkeit ausstrahlende Häuserzeilen, die deutlich werden ließen, wie viel mehr Gewicht man der urbanistischen vor der architektonischen Gestaltung konzedierte, war für die damalige Zeit sehr fortschrittlich.540

Die erste Stadterweiterung von 1620 in Richtung Süden basierte auf einem Plan des Militäringenieurs Negro di Ercole di Sanfront (1618/19; Abb. 2.34), der die wesentlichen Grundzüge des ersten Entwurfs von Vitozzi einbezieht und seinerseits wiederum die Grundlage für eine modifizierte Entwurfsversion des ihm nachfolgenden herzoglichen Architekten Carlo di Castellamonte541 abgab. Neuerlich durch dessen Sohn und Nachfolger Amedeo di Castellamonte, Carlo Morello und Maurizio Valperga abgeändert, mündete die Projektierung der zweiten Erweiterung, die Platz für die stetig anwachsende Bevölkerung und eine angemessene Verkehrsverbindung zwischen Platz und Brücke schaffen sollte, schließlich in eine Osterweiterung der Stadt in Richtung Po (Abb. 2.35). Sie wurde ab 1673 auf der Basis eines leicht modifizierten Entwurfs von Amedeo di Castellamonte in Angriff genommen, nachdem man 1670 Meinung und Gutachten des über Frankreich hinaus berühmten Marquis von Vauban eingeholt hatte, während dieser sich am Turiner Hof aufhielt. Eine von Vauban signierte Zeichnung bestätigt die Ovalform, die eine militärische Unabhängigkeit vom Verlauf der Flüsse garantieren sollte.542 Dass es sich um eine erklärte Absicht des savoyischen Herrscherhauses handelte, die Stadt auf möglichst homogene Weise über Jahrzehnte hinweg wachsen zu lassen, geht aus einem Brief des französischen Botschafters in Turin an Ludwig XIV. aus dem Jahr 1680 hervor. Dessen Inhalt unterstützt die Hypothese, es habe ein umfassendes städtebauliches Programm existiert, das zwar in zeitlich aufeinanderfolgenden, inhaltlich aber weitgehend kongruenten und aufeinander Bezug nehmenden Phasen auch realisiert wurde.543

Einheitlichkeit war in Turin aber nicht nur in der übergreifenden, das einzelne Bauwerk außer Acht lassenden Stadtplanung gegeben, sondern wie bereits erwähnt sehr früh auch schon, was die Planung der wegständigen, zunächst in Blockbebauung realisierten Architekturen anbelangte.544 In den Jahren 1620, 1673 und 1715 erlassene Dekrete regelten in der Absicht, ein regelmäßiges und uniformes architektonisches Erscheinungsbild der Stadt zu erzielen, verschiedene Aspekte der Parzellierung neu erschlossener Areale und gaben die formalen Kriterien vor, nach welchen die Privatbauten errichtet werden sollten. Die dergestalt entstandene Regelmäßigkeit der Parzellen und die Anwendung eines urbanistischen Systems fast gleichförmig gestalteter Paläste vermochten einen engen Bezug zwischen der alten und neuen Stadttextur herzustellen. Die Ähnlichkeit in der Fassadengestaltung erzeugte auf diese Weise ein formales Kontinuum, das die architektonisch definierten innerstädtischen Räume bis heute prägt (Abb. 2.35). Ein gutes Beispiel für solch ein verbindendes, Einheitlichkeit in der Planung evozierendes ,Gelenk‘ zwischen Alt- und Neustadt bietet die unter der Regentschaft der Herzogin Christina von Frankreich erschaffene Piazza San Carlo. Eine Reihe von Verordnungen und Edikten, die von der Herzogin zwischen 1638 und 1642 erlassen wurden, unterstützte die nach Carlo di Castellamontes Entwurf gebaute Piazza San Carlo mittels einer konkret auf die Bauaufgabe zugeschnittenen Bodenpolitik. Den Adeligen wurde das Bauland geschenkt, sofern sie sich verpflichteten, ihre platzansässigen Paläste innerhalb kurzer Zeit zu errichten und für die Fassaden den einheitlichen, an das französische Modell der places royales angelehnten Entwurf Carlo di Castellamontes zu akzeptieren.545

Gegen Ende des Seicento vermittelte Turin, einem zu dieser Zeit allgemein an den europäischen Höfen anzutreffenden Streben konform, das Bild eines beispielhaft umgesetzten einheitlichen städtischen Entwurfs. Trotzdem war Turin bei der Übernahme der Regentschaft durch Vittorio Amedeo II. (1684) noch weit davon entfernt, in architektonischer Hinsicht als abgeschlossen gelten zu können und dem seit langer Zeit verfolgten, durch die Stiche des Theatrum Sabaudiae wiedergegebenen anspruchsvollen städtebaulichen Programm auch in der Praxis zu entsprechen.

2.6.6 Vom Territorium zum dekorativen Detail: Filippo Juvarras Tätigkeit am Turiner Hof

Die Zeitspanne, die sich zwischen dem Sieg von Turin (1706) und der endgültigen Festigung der Stellung Savoyen-Piemonts546 erstreckte, war auf dem Gebiet der Architektur durch vielfache Ideen und Entwürfe gekennzeichnet, die bereits auf die Veränderungen vorauswiesen, die mit der Verleihung des Königstitels von Sizilien an Vittorio Amedeo II. (1713) in der Herrscherpolitik eintraten. Nach dem Tod des vormaligen ersten Hofarchitekten wurde Filippo Juvarra in den befriedeten Staat berufen, wo er 1714 ankam und noch im Dezember desselben Jahres zum königlichen Architekten bestellt wurde. Die Anwesenheit Juvarras verstärkte die zwischenzeitlich ohnedies angewachsenen Ambitionen Vittorio Amedeo II. in Hinsicht auf die Umgestaltung der Stadt, deren architektonisches Bild der Herrscher jetzt neu definiert und gestaltet wissen wollte.547 Dass an die Städteplanung der Anspruch einer Repräsentationsarchitektur herangetragen wurde, lässt sich besonders gut an den Festlichkeiten der ersten Jahrhunderthälfte in Turin ablesen. Welch hohe Bedeutung man der Kontinuität und Konformität der Bebauung beibemaß, geht aus Festbeschreibungen von 1722, 1737 und 1750 hervor. Die ephemere Architektur, die anlässlich von Hochzeitsfeierlichkeiten errichtet wurde – darunter auch vorgelegte Scheinfassaden – half, als ungenügend empfundene Bauwerke oder freigelassene Flächen im Stadtbild zu kaschieren sowie geplante Projekte zu visualisieren, um so temporär begrenzt eine perfekte Stadtgestaltung vorzutäuschen. Mit vergleichbarer Absicht wurden zudem die Straßen und Plätze nach einheitlichen Regeln beleuchtet und die Villen der im Osten angrenzenden Hügel illuminiert.548

Abb. 2.36: Turin und Umgebung im 18. Jahrhundert. Wegeachsen verbinden die wichtigen Residenzen des Herrscherhauses untereinander und mit der Stadt (aus: Benevolo 1993b, mit freundlicher Erlaubnis).

Abb. 2.36: Turin und Umgebung im 18. Jahrhundert. Wegeachsen verbinden die wichtigen Residenzen des Herrscherhauses untereinander und mit der Stadt (aus: Benevolo 1993b, mit freundlicher Erlaubnis).

Unter Respektierung des in der Vergangenheit verfolgten städtebaulichen Konzepts, d. h. Einhaltung der funktionalen Hierarchie, eines gleichförmig-kontinuierlichen Fassadenverlaufs, eines regelmäßigen Gesamtbildes und Einsatz geradlinig geführter privilegierter Achsen, alles im Sinne szenographischer Gestaltung, unterbreitete Juvarra Vorschläge, die sich dem Bestehenden nahtlos einfügten.549 Trotzdem zeigten diese sich einer neuen Dimension territorialer Planung nicht verschlossen: An ihnen wird das Bestreben ablesbar, entsprechend der französischen Vorbilder der unter Ludwig XIV. angelegten Wegenetze von Versailles und Paris, durch die Integration der extraurbanen Residenzen auch eine Einbeziehung der Umgebung und damit deren räumliche Kontrolle zu erreichen. Die zentripetal auf den Sitz der Macht gerichtete Organisation des Straßenverlaufs, die großen auf die Stadttore zulaufenden Kommunikationswege zwischen inner- und außerstädtischen Bereichen und die räumliche Geschlossenheit der Plätze, die dem existenten städtischen Gewebe seine Struktur gaben, wurden durch Juvarras Eingriffe erneut bestätigt. Allerdings ist dabei die Absicht unverkennbar, dem Gesamten eine über das Vorhandene hinausgehende, weiter in die umgebende Landschaft expandierende Dimension zu verleihen. Besonders sprechend in dieser Hinsicht ist die ideelle Verlängerung der bereits durch seinen Vorgänger Michelangelo Garove geplanten und 1711 geradlinig angelegten Allee zwischen dem Castello di Rivoli und der Porta Susina über letztere hinaus, die Juvarra mit der Lagewahl für den Bau der Basilika Santa Maria della Natività, genannt Superga (1716–31), auf dem jenseits des Po gelegenen Hügelkamm schuf (Abb. 2.36).550

Die ebenfalls durch Juvarra mit Blick auf die Modelle von Versailles, Schönbrunn und das damals sehr aktuelle Wiener Belvedere des Prinzen Eugen entworfene und zumindest in Anfängen auch realisierte Neudefinition des alten dynastischen Castello di Rivoli als königliche Residenz – ein neuer Bautypus der residenza reggia, der nicht mehr nur dem loisir galt, sondern stattdessen zum offiziellen Ort höfischer Repräsentanz und Politik wurde551 – erfuhr durch die Gegenüberstellung mit der als Grablege der Savoyer und Erinnerungsort geplanten Basilika nochmals eine Aufwertung: eine gegenseitige Bedeutungssteigerung und symbolische Überhöhung, die über die geschaffene Sichtbeziehung hinaus eine Einbeziehung des gesamten savoyischen Terrains suggeriert. Mit ihrer Länge von fast zwanzig Kilometern erreichte die bipolar auf die symbolträchtigsten Bauten des Staates – das Stammschloss und die Grabstätte der Dynastie – ausgerichtete kombinierte Wege- und Blickachse eine zuvor noch nicht erreichte Größenordnung der axialen Verbindung zweier ausgewählter Orte. Durch ihren zentrifugal in die Landschaft ausgreifenden Charakter wurde die Linie Rivoli-Superga in territorialer Dimension interpretierbar. Durch diese mit architektonischen Mitteln erwirkte Verknüpfung der beiden entfernten Hügel – mittels einer landschaftlichen Konzeption also, die mit der Topographie arbeitet – veränderte sich der visuelle Einzugsbereich der Stadt und damit ihr Wahrnehmungsraum. Dadurch, dass die Superga in den Gedanken des Betrachters gleichzeitig Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges heraufbeschwor, vermittelte die Kirche außerdem die Idee von einem dynastischen Kontinuum und gestaltete in ihrer Erinnerungsfunktion eine „symbolische Räumlichkeit“ (Jöchner).552

Abb. 2.37: Filippo Juvarra, symbolische Darstellung des Sabaudischen Territoriums mit dem Schloss Rivoli, der Superga (re. oben) und dem Konvent der Kapuziner (re. im Vordergrund) (Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo, Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, RIS. 59–1 dis. 16; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.37: Filippo Juvarra, symbolische Darstellung des Sabaudischen Territoriums mit dem Schloss Rivoli, der Superga (re. oben) und dem Konvent der Kapuziner (re. im Vordergrund) (Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo, Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, RIS. 59–1 dis. 16; Reproduktion nicht gestattet).

Juvarras planerisches Denken in räumlichen, die Umgebung miteinbeziehenden Kategorien wird anhand einer seiner Zeichnungen besonders deutlich (Abb. 2.37): Diese veranschaulicht, wie sich die räumliche Organisierung des außerhalb der Stadt gelegenen Geländes durch die Anlage der Basilika an der Begegnung der Achse Rivoli-Turin mit dem Hügelkamm wahrscheinlich im Denken von Juvarra herausgebildet hat. Juvarra probierte die Auseinandersetzung mit der Realität mit Hilfe der Verwendung von unterschiedlichen Blickbezügen, die ihm bei der Ermittlung der „allseitige[n] Wirkung des Objekts im umgebenden Raum“ (Kieven) helfen sollten. So kann die Zeichnung als „Ausgangspunkt des Entwurfsvorgangs“, wie Kieven in allgemeinerem Zusammenhang auf die Perspektiven Juvarras bemerkte, gelesen werden.553 Durch den Einsatz mehrerer Perspektiven auf ein und derselben Zeichnung bestimmte Juvarra die verschiedenen Richtungen des Raumes zur Einheit.554 Obwohl die Hügel durch die Architekturen aufeinander bezogen sind und das Wasser, das den Mittelgrund des Bildraumes einnimmt, die Stadt Turin ,ersetzt‘, scheinen die Entfernungen von ihm eher mit der Absicht einer synthetisierenden denn realistischen Wiedergabe verstanden zu sein. Die Fassade der Superga weist in Richtung der Stelle, wo sich in der Realität der Ostrand Turins befände, während die Achse Rivoli-Superga die Stadt an der westlichen Seite tangential streifen würde; in der gedanklichen Rekonstruktion wird die Basilika also von beiden Seiten der Stadt aus in den Fokus genommen. Überdies ist durch die Art der Komposition, dadurch, dass die Fassade der Basilika aus der Achse Rivoli-Turin-Superga herausgedreht ist und sich der Kapuzinerkirche555 zuwendet, auch ein visueller Bezug zwischen Superga und der Kirche hergestellt.556

Das Beispiel der Zeichnung verdeutlicht Juvarras veränderte Art der Raumdarstellung und seine Fähigkeiten, den Entwurf zu kontrollieren. Charakteristisch für diese neue Art ist die Anwendung langer, nicht mehr nur axial, sondern vielmehr multiperspektivisch geführter Fluchten.557

Neben der Achse Rivoli-Superga plante Juvarra auch die baumbestandene Straßenachse, die nach ihrer Fertigstellung die Stadt Turin, genauer die Porta Nuova, mit dem neun Kilometer weiter im Süden gelegenen Jagdschloss Stupinigi verband, und die sich auch jenseits des Schlosses in Form einer geradlinig durch den Park geführten Allee fortsetzte.558 Nachdem Vittorio Amedeo II. seine hochschweifenden Ambitionen in Hinsicht auf das Rivoli-Projekt aufgegeben hatte, wendete er seine Aufmerksamkeit vor allem der palazzina di caccia in Stupinigi zu, die vom Bedeutungsgehalt mehr oder weniger an dessen Stelle trat und ebenfalls einem Entwurf von Juvarra entsprang (1729–36 unter Juvarra). Infolge seiner Lage im Süden der Stadt vervollständigt der Komplex von Stupinigi formaler- und idealerweise die schon im Seicento angelegte und konzentrisch um die Hauptstadt gruppierte sogenannte corona di delitie, einen das Stadtareal umschreibenden Kranz an Lustschlössern und Nebenresidenzen, der die Hauptstadt mit dem Territorium vernetzen und neu ordnen sollte.559 Der Begriff der corona di delitie war von Amedeo di Castellamonte in seinem Buch Venaria Reale (1674–79) eingeführt worden und bezeichnete ein programmatisches Vorgehen, das darauf angelegt war, die umgebende Landschaft streng geometrisch zu organisieren, was sich in erster Linie in der Herstellung eines radialen Bezugs zwischen der Hauptstadt und den ringförmig um diese verstreut angelegten kleinen Schlössern sowie einer im Ansatz realisierten Verbindung der einzelnen Schlösser untereinander äußerte.560

Von dem in elliptischer Form gestalteten salone der palazzina als Mittel- und Angelpunkt der symmetrischen Gesamtanlage von Stupinigi strahlen acht Wegachsen aus, die sich in der Ferne verlieren und die Beherrschung des Ortes gewissermaßen auf das Land ausdehnen.561 Als Basiseinheit des Entwurfs diente der Kreis. Der Entwurf der Anlage und die Verteilung der Baukörper besitzen insgesamt eine radiozentrische Struktur, die über das Hexagon des Schlosskomplexes und die Kreuzform des borgo gelegt ist. Die Charakteristika des Entwurfs fügen sich dabei in das bestehende Straßensystem, die umgebende Landschaft und die historischen Gegebenheiten ein. Juvarra bediente sich also auch hier der gegebenen Voraussetzungen für seinen Entwurf. Der Gesamtkomplex entfaltet sich vor den Augen des sich von Turin her nähernden Betrachters wellenartig und ohne einschneidende Zäsuren. Die Bäume, die die Allee säumen, wirken wie ein perspektivisches Fernrohr, das den Blick in Richtung der zentralen weißen Bausubstanz des salone im Hintergrund der Szenerie lenkt. Sukzessive Veränderungen in Dekorationssystem und Materialbeschaffenheit der Gebäude gemäß ihrer Funktion und der sozialen Klasse ihrer Bewohner unterstützen das gleichmäßige Crescendo der hierarchisch organisierten Architektur. Über das Gitter der Hauptwege sind radiale und parallele axiale Systeme an befahr- und kleineren, nichtbefahrbaren Wegen gelegt, die die Vertikalität der primären Achse kontrastieren, so dass sich an den Gabelungen der Bezug zur Umgebung ändert und das Gesamtbild eine dynamische Note erhält.562

Die Strukturierung der Stupinigi umgebenden Region durch diese langen, weit ausstrahlenden und in verschiedene Richtungen weisenden Wegachsen, wie sie auch die Abbildungen 2.36 und 2.38 zeigen, war über die kompositorischen Aspekte hinaus natürlich auch den Anforderungen an das Gelände geschuldet, wie sie die rituell dort abgehaltenen, in steigendem Maße ,höfischen‘ Charakter annehmenden Jagdveranstaltungen diktierten. Der Übergang zum französischen Jagdzeremoniell hatte diesen zunehmend die Rolle eines offiziellen und sozialen Ritus zugewiesen, und deren ordnungsgemäßer Ablauf erforderte ein Gelände mit weiten, gut durch Wege, Jagdsterne und ronds-points erschlossenen Wäldern und offenen Flächen nach dem Vorbild der Parkanlagen von Le Nôtre in Frankreich.563Auch in Stupinigi entsprachen Beschaffenheit des Ortes und funktionale Bestimmung des Bauensembles für Juvarra nicht Elementen, denen es sich lediglich anzupassen galt, sondern bildeten die Wurzeln seines Entwurfs.564

Abb. 2.38: Plan der Gesamtanlage von Stupinigi, Mitte des 18. Jahrhunderts (Archivio Storico della Fondazione Ordine Mauriziano, Turin, Tipi e cabrei, Mappa Denisio 2, Stup. 48 bis).

Abb. 2.38: Plan der Gesamtanlage von Stupinigi, Mitte des 18. Jahrhunderts (Archivio Storico della Fondazione Ordine Mauriziano, Turin, Tipi e cabrei, Mappa Denisio 2, Stup. 48 bis).

Für solch große Bauaufträge, die auch in typologischer und künstlerischer Hinsicht mit Stupinigi vergleichbar sind, hat Juvarra während des Entwurfsvorgangs stets eine sehr hohe Zahl an Entwürfen und Skizzen angefertigt, die sich im Allgemeinen in zwei meist gut voneinander abgrenzbare Phasen unterteilen lassen: eine erste Phase der Ideenfindung und eine zweite, während derer er die in der ersten stufenweise entwickelte Idee in technische und strukturale Zeichnungen übertrug. Es handelte sich also um eine Art des Entwerfens, bei der die Ideenfindung in konstant fortschreitenden Schritten erfolgte, die in schnell hingeworfenen Skizzen – z. B. jenen des salone von Stupinigi – festgehalten sind.565

Die Umsetzung des Entwurfs in die Praxis erforderte eine sehr enge Zusammenarbeit der an der Baustelle beteiligten Handwerksbetriebe. Von Juvarras Hand, ganz typisch für ihn, ist eine istruzione vom 5. April 1729 für den Bau der palazzina erhalten, die auf neun Punkte unterteilt präzise Angaben zur Baubeschaffenheit und zur besten Materialwahl für die Erstellung der statischen und strukturalen Elemente enthält. Darüber hinaus verweist sie auf nachfolgende istruzioni, in denen genaue Angaben zur Konstruktion der Dächer und zur Ausstattung folgen würden. Die istruzione war heute verlorenen Zeichnungen beigegeben und wurde mit lauter Stimme vorgetragen, und auf diese istruzione nehmen auch die mit den Handwerksbetrieben abgeschlossenen Verträge Bezug. Sie wurde offenbar in der Absicht verfasst, im Sinne des Erhalts eines optimalen Ergebnisses und schnellen, ökonomischen Ablaufs jeden Juvarra verfügbaren praktischen Hinweis oder formalen Kunstgriff schriftlich festzuhalten.566

Abb. 2.39: Filippo Juvarra, Kompositkapitelle mit zoomorphen Elementen für das Schloss in Stupinigi, 1729 (Palazzo Madama, Museo Civico d’Arte Antica, Turin, Album disegni di Juvarra, I, carta 91r, n. 143, 1845/DS [links]; II, carta 18r, n. 33, 1902/DS [rechts]).

Abb. 2.39: Filippo Juvarra, Kompositkapitelle mit zoomorphen Elementen für das Schloss in Stupinigi, 1729 (Palazzo Madama, Museo Civico d’Arte Antica, Turin, Album disegni di Juvarra, I, carta 91r, n. 143, 1845/DS [links]; II, carta 18r, n. 33, 1902/DS [rechts]).

Abb. 2.40: Filippo Juvarra, Erläuterungen und Zeichnungen für Schmiedeeisenarbeiten für das Schloss in Stupinigi, 1729, 1731 (Archivio Storico della Fondazione Ordine Mauriziano, Turin, Minutaro De Bernardis, 1727 a 1731, n. 9, c. 30 [oben] und Stupinigi, Mazzo 14, c. 461 [unten]).

Abb. 2.40: Filippo Juvarra, Erläuterungen und Zeichnungen für Schmiedeeisenarbeiten für das Schloss in Stupinigi, 1729, 1731 (Archivio Storico della Fondazione Ordine Mauriziano, Turin, Minutaro De Bernardis, 1727 a 1731, n. 9, c. 30 [oben] und Stupinigi, Mazzo 14, c. 461 [unten]).

Juvarras global und mit Sorgfalt angelegter Entwurf für Stupinigi dient im Zusammenhang der Frage nach der Intensität von Planungen in der Frühen Neuzeit als ein gutes Beispiel für die Übertragung eines architektonischen Entwurfs auf einen sehr viel größeren, das isolierte Bauwerk weit übertreffenden Maßstab.567

Juvarras Fähigkeit, breit angelegt und von territorialen Dimensionen ausgehend zu planen, beschreibt jedoch nur einen Teil seines entwerferischen Schaffens, dessen Gesamtheit ebenso die Konzeption und Realisierung einer Fülle an Einzelbauwerken samt Ausstattung und Dekorationen umfasst – ganz zu schweigen von dem immensen corpus an Entwürfen und Studien, die nicht zur Ausführung gelangt sind.

Ein Beispiel für Juvarras große Fertigkeiten auch auf dem Gebiet des kleinteiligen dekorativen Entwurfs für die Stuckverzierung eines seiner Gebäude liefern die auf der Abbildung 2.39 sichtbaren Zeichnungen. Auf der Abbildung 2.40 wiederum sind an die ausführende fabbrica gerichtete Instruktionen erkennbar, die von kleinen erklärenden Skizzen begleitet werden. Anhand dieser lässt sich ermessen, wie groß Juvarras Anliegen gewesen sein muss, bis ins Detail die Kontrolle über die Ausführung seiner Projekte zu behalten: eben indem er eine Planung bzw. deren Realisierung durch detaillierte Erläuterungen auch der technisch-konstruktiven Einzelheiten, die sich an die in das jeweilige Vorhaben involvierten Personen richteten, vor nicht autorisierten Abänderungen zu schützen scheint.568

2.7 Logistik

In der jüngeren Literatur wird die Baustelle nicht mehr allein als notwendige Phase im Prozess der Planung und Realisierung eines bestimmten Bauwerks verstanden, sondern als eigenständiges Forschungsobjekt. Die Baustelle ist ein Ort, an dem Wissen zu Logistik, Bautechnik und zu den Baumaterialien entsteht, angewendet und vermittelt wird. Dabei wird Baustelle im weiteren Sinne verstanden und schließt Fragen der Materialgewinnung und Transportfragen, also die gesamte Baustellen-Logistik, mit ein. Zum Thema gibt es eine Reihe von Aufsatzsammlungen,569 Monographien570 und zahlreiche Aufsätze.571 Der folgende Abschnitt will vor allem am Beispiel Roms die wissenshistorischen Aspekte der Baustellen-Logistik zusammentragen. Die Ewige Stadt war im 16. und vor allem im 17. Jahrhundert eine einzige große Baustelle. Während im 16. Jahrhundert große Bauaufgaben wie der Neubau von St. Peter oder die Bewältigung des riesigen Bauvolumens in der Folge des Konzils von Trient eine konstruktive und vor allem logistische Optimierung und Beschleunigung der Bauverfahren mit sich gebracht hatte, ist im 17. Jahrhundert die Konsolidierung der Verfahrensweisen und die Ausbildung einer Routine zu beobachten. Im 18. Jahrhundert ließ die Baukonjunktur nach. Wahrscheinlich auch deshalb entwickelte sich die Bautechnik und -logistik nicht mehr weiter und blieb teilweise bis zum Aufkommen des Stahlbetons im frühen 20. Jahrhundert unverändert.

2.7.1 Transport

Marconi beschreibt, wie der Transport von Baumaterialien nach Rom organisiert war. Die Flüsse Tiber und Aniene spielten dabei eine entscheidende Rolle. Travertin wurde anieneabwärts, Holz und Kalk, bzw. dessen Ausgangsmaterialien, tiberabwärts und Marmor vom Meer her tiberaufwärts nach Rom gebracht. Anfang des 17. Jahrhunderts gab es auf dem Tiber Probleme mit flachen Stellen und einem gewundenen Flusslauf, die im Laufe der Jahrzehnte durch Baumaßnahmen gelöst wurden. Flussabwärts trieben die Schiffe, flussaufwärts wurden sie von acht bis zehn Büffeln von Land aus gezogen (tiro delle barche). Der Flusstransport ging schneller und war insgesamt kostengünstiger als der auf den Straßen. Flussabwärts von Orte nach Rom dauerte der Transport mit dem Schiff im Mittel drei Tage, während auf dem Landweg zwölf Tage erforderlich waren. Vom Meer her in die Stadt dauerte ein Schiffstransport zwei Tage, flussab vier bis sechs Stunden. Wenn durch Niedrigwasser oder gar ausgetrocknete Flüsse im Frühjahr und im Sommer die Schifffahrt problematisch war, wurden Transporte vorzugsweise auf der Straße gemacht. Im Herbst und Winter, wenn die Straßen teilweise unpassierbar waren, die Flüsse hingegen einen guten Wasserstand aufwiesen, wurden Schiffstransporte bevorzugt. Um Planungssicherheit zu gewähren, waren die Zeiträume für die Nutzung der Wasser- und Landtransportwege genau geregelt. Laut der capitoli ripali war der tiro delle barche seit dem Jahre 1562 vom 29. September bis zum 25. April anzubieten. Die übrige Zeit konnten die Auftragnehmer den teureren Transport auf dem Landwege in Rechnung stellen. Kunden hatten auf diese Weise Klarheit über die Transportkosten.572

Leider wird in der Literatur nicht gesagt, wie teuer Routine-Transporte auf dem Tiber waren. Scavizzi, die den Schiffsverkehr auf dem Tiber zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert untersucht hat, beschreibt, welche Tagelöhne die Arbeiter auf den Schiffen bekamen. Anhand der Akten der Steuerverwaltung analysiert sie, wie sich das auf dem Tiber transportierte Güter-Volumen im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelt hat.573

Abb. 2.41: Kran zum Be- und Entladen von Schiffen; Rekonstruktion von Nicoletta Marconi nach einer anonymen Zeichnung, BAV, codici Chigiani PVII, 13, c.69

Abb. 2.41: Kran zum Be- und Entladen von Schiffen; Rekonstruktion von Nicoletta Marconi nach einer anonymen Zeichnung, BAV, codici Chigiani PVII, 13, c.69

Bauholz, das für provisorische Strukturen gedacht war, wurde zu chiodettoni oder chiode, d. h. zu Flößen zusammengebunden und den Tiber hinuntergeflößt. Holz für Dachstühle, Holzbalkendecken oder große Lehrgerüste wurde in bereits zu Balken und Brettern geschnittenem Zustand entweder auf die Flöße geladen oder auf navicelle, flachen, ca. 22 m langen und 7,30 m breiten Booten, transportiert.574 Für den Bau der Cappella Paolina (1607–1611) wurde das Holz aus den päpstlichen Gütern aus den Sabiner Bergen auf dem Tiber zum römischen Hafen Ripetta gebracht.575 Der Aniene, wichtig für den Transport von Travertin aus Tivoli, war durch Felsbrocken und flache Stellen teilweise schwer passierbar und unfallträchtig. Im Jahre 1539 wurde die Schiffbarkeit des Flusses von Antonio da Sangallo dem Jüngeren für 2.000 Scudi verbessert. Sangallo war der Architekt der Reverenda Fabbrica, für die der größte Teil des in Tivoli gebrochenen Travertins gebraucht wurde. Von den römischen Häfen gab es verpflichtende Wege durch die Stadt, über die das Material zur Baustelle transportiert werden musste. Das waren nicht immer die bequemsten und kürzesten Wege und daher verteuerten sich teilweise erheblich die Baukosten.576

Abb. 2.42: Nicola Zabaglia, in Rom verwendete Wagentypen: 1. Zeile: von Büffeln/Ochsen (links) bzw. Pferden gezogene bastarda, die für den Transport von Travertinsteinen eingerichtet ist; 2. Zeile: barrucolotto für den Transport von besonders schweren Travertinblöcken. Es handelt sich um einen zweiachsigen Wagen, bestehend aus einer barrucola (Lenkachse) sowie zwei cosciali, die vorderen und hinteren Teil des Wagens miteinander verbinden; 3. Zeile: barrucola für den Transport von Holzbalken oder anderen langen Bauelementen; 4. Zeile: carretta a cassa; 5. Zeile: carretta a scala (Leiterwagen) oder carrettone, aus Zabaglia 1743, f.21r, Taf. XVI (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.42: Nicola Zabaglia, in Rom verwendete Wagentypen: 1. Zeile: von Büffeln/Ochsen (links) bzw. Pferden gezogene bastarda, die für den Transport von Travertinsteinen eingerichtet ist; 2. Zeile: barrucolotto für den Transport von besonders schweren Travertinblöcken. Es handelt sich um einen zweiachsigen Wagen, bestehend aus einer barrucola (Lenkachse) sowie zwei cosciali, die vorderen und hinteren Teil des Wagens miteinander verbinden; 3. Zeile: barrucola für den Transport von Holzbalken oder anderen langen Bauelementen; 4. Zeile: carretta a cassa; 5. Zeile: carretta a scala (Leiterwagen) oder carrettone, aus Zabaglia 1743, f.21r, Taf. XVI (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.43: Nicola Zabaglia, Aufladen von Travertinblöcken auf eine bastarda. Im Hintergrund eine von vier hintereinander gespannten Pferden gezogene, mit einem Travertinblock beladene bastarda, aus Zabaglia 1743, f. 20r, Taf. XV (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.43: Nicola Zabaglia, Aufladen von Travertinblöcken auf eine bastarda. Im Hintergrund eine von vier hintereinander gespannten Pferden gezogene, mit einem Travertinblock beladene bastarda, aus Zabaglia 1743, f. 20r, Taf. XV (Bibliotheca Hertziana).

Große Steinblöcke konnten mit einer über mindestens drei Seile stabilisierten antenna von den Schiffen abgeladen werden (siehe unten, Abschnitt 2.9.4). Für leichtere Blöcke wurden capre eingesetzt. Die ökonomischste Variante der Ver- und Entladung schwerer Steinblöcke war es, sie unter einen Wagen zu binden und von Ochsen über eine Rampe auf das Schiff bzw. an Land ziehen zu lassen, wo die Seile gelöst wurden.577 Zum Be- und Entladen von Schiffen dienten auch Auslegerkräne (Abb. 2.41), die Marconi für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts aus den Codices Chigi rekonstruieren konnte. Der Ausleger ist 125 palmi (28 m) lang und wurde an Land von Pferden (daher auch die Bezeichnung mazzacavallo) oder mit Menschenkraft gedreht.

Abb. 2.44: Die Versorgung Mailands mit Baumaterial im 14. und 15. Jahrhundert (Quelle: Boucheron 1998, 44f, mit freundlicher Genehmigung des Autors).

Abb. 2.44: Die Versorgung Mailands mit Baumaterial im 14. und 15. Jahrhundert (Quelle: Boucheron 1998, 44f, mit freundlicher Genehmigung des Autors).

Das Transportwesen mit Wagen war ebenfalls gut organisiert. Zabaglia berichtet in seinen 1743 erschienenen Castelli e Ponti, dass in Rom und Umgebung etwa 2.000 Wagen gezählt wurden, die sich auf ca. 40 unterschiedliche Typologien verteilten (Abb. 2.42). Die Karren wurden bis zur Stadtgrenze von Büffel- oder Ochsen-Paaren gezogen. Innerhalb der Stadtmauern wurden sie durch Pferde ersetzt, die sich bereitwilliger lenken ließen und die komplexen Straßenverhältnisse besser meisterten. Aufgrund der engen Straßen wurden die Pferde auch einzeln hintereinander gespannt (Abb. 2.43). Zum Auf- und Abladen großer Travertinblöcke wurden die einachsigen Wagen (bastarde) geneigt, der Travertinblock über die Deichsel mit einer hinten am Wagen angebrachten Seilwinde hinaufgezogen bzw. herabgelassen (Abb. 2.43). Es wird deutlich (und Zabaglia sagt es ausdrücklich in den Legenden zu den Abbildungen), dass die Transportleute (carrettieri) ein praktisches Wissen um Mechanik haben mussten, um die Ladevorgänge zu bewältigen578

Im Jahre 1560 begann der Bau der Uffizien in Florenz unter dem Architekten Giorgio Vasari. Im Jahre 1565 war der Bau in Teilen fertig gestellt, ging aber erst im Jahre 1578 vollständig in Betrieb. Die Großbaustelle Uffizien verursachte mit ihrem riesigen Transportaufkommen erhebliche Störungen im ganzen Stadtgebiet, vor allem im eng bebauten Stadtkern. Um die Beeinträchtigungen zu lindern, wurde auf großherzogliches Geheiß die Bastion an der Porta Pinti geschleift. Die Steinbrüche in Fiesole wurden über eine neue Straße mit der Porta Pinti verbunden, um die vorhandenen Straßen nicht zusätzlich zu belasten. Eine gute Baulogistik war also nicht nur erforderlich, um die Kosten im Griff zu haben, sondern auch, um die Behinderungen in den Städten so gering wie möglich zu halten.579 Aus den Jahren 1738/1739 gibt es eine Quelle, nach der einer Familie aus Bussoleno (Piemont) eine Entschädigung gezahlt wurde, da sie einen Teil ihres Hauses abgerissen hatte, um den Transport von besonders langen Holzbalken für das Teatro Regio in Turin zu ermöglichen. Die Behörden in Turin waren gehalten, Straßen zu reparieren und Brücken gegebenenfalls zu verstärken, um den Transport von Baumaterial in die Stadt zu ermöglichen, auch wenn dieser von Privatfirmen durchgeführt wurde.580 Abbildung 2.44 zeigt die Materialtransportwege nach Mailand im 14. und 15. Jahrhundert.581

Der Transport des Marmors aus den Steinbrüchen in Carrara auf dem Landwege war nur in Richtung Toskana möglich. Entscheidend für den Marmortransport waren die Seewege. Der Hafen von Carrara war Avenza. Im Jahre 1443 kostete der Transport je Migliaio (= 1000 Libbre; 3000 Libbre sind etwas mehr als 1t) mit dem Schiff von Avenza bis zum Flusshafen Signa bei Florenz 8 Lire, davon 3 für den Seetransport bis Pisa. Der Transporteur von Carrara-Marmor bekam bei der Ankuft in Florenz pro migliaio 7 Lire, bei Landtransport kamen 2 Lire 6 S. hinzu, d. h. der Landtransport kostete 30% mehr. Die Dombaustelle in Orvieto verzichtete im späten 15. Jahrhundert auf den Einsatz von Carrara-Marmor, weil der Transport von der Küste bis Orvieto auf dem Landweg nicht zu machen war. Um Carraramarmor nach Mailand zu bringen, umschiffte man die italienische Halbinsel, statt 100 km auf Maultierpfaden (mulattiere) den Apennin zu überqueren (Abb. 2.45). Gegen Ende des 16. Jh. begann man dann doch, kleinere Marmorteile (z. B. einzelne Baluster für Brüstungen) auf Eseln nach Norden zu transportieren. Im 14. Jh. und Anfang des 15. Jahrhunderts gingen die Marmortransporte selten über Genua oder Pisa hinaus. Seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich nach und nach ein ausgedehntes Vertriebsnetz. In den Jahre 1455/1456 wurde Carraramarmor für den Bau der Triumphbogenfassade am Castelnuovo nach Neapel gebracht. Um 1460 ließ Papst Pius II. erstmals seit der Antike wieder Marmor (nämlich weißen Carrara-Marmor) nach Rom importieren. Die Transporte wurden jeweils von Genueser Reedern erledigt. Noch im 15. Jahrhundert gab es außerdem Transporte nach Gaeta, Lipari, Capri und Palermo. Eine Schiffsladung umfasste zwischen 17 und 50 Tonnen Marmor (20–60 carrate, also Wagenladungen). Kleine Schiffe, die von Seeleuten aus Lavagna in Ligurien betrieben wurden, 10–13 Tonnen Marmor transportieren konnten und von 3–4 Männern bedient wurden, verdrängten zumindest auf den kurzen Strecken die großen Schiffe und übernahmen im Laufe des 16. Jh. die meisten Transporte von Avenza bis Genua, Livorno und Rom. Diese kleinen Schiffe konnten direkt den Tiber hinauf bis nach Rom gezogen werden, so dass die Seeleute aus Lavagna praktisch das Monopol für Carraramarmor in Rom hatten. Nur für Transporte mit größerer Reichweite, etwa bis Neapel oder für Transporte, die über das offene Meer gingen, etwa nach Sizilien, wurden weiterhin die großen Schiffe bevorzugt. Es gab Schiffseigner, die sich auf den Transport von Marmor aus Carrara spezialisiert hatten. Von Genua und Livorno aus, wohin der meiste Marmor zunächst gelangte, wurde der Marmor dann bis nach England, Frankreich, die Niederlande oder Spanien weitertransportiert. Etwa 15 der 36 Schiffsladungen, die im Jahre 1577 in Genua ankamen, blieben in der Stadt, 19 Ladungen wurden von Genueser Steinmetzen weiterbearbeitet, bevor sie wieder exportiert wurden. Die Menge des Marmors, die bei Genueser Endverbrauchern blieb, stieg 1581 bzw. 1605 (für diese Jahre gibt es weitere Quellen) noch weiter an. In Livorno gab es hingegen keine Steinmetzbotteghen, die den Marmor weiterverabeiteten, sondern v. a. Marmorhändler, die den Marmor direkt weiterverkauften. Die transportierten Blöcke blieben unter 10 Carrate (8,5 Tonnen), waren aber meist deutlich kleiner.582

Es gehörte zum Wissen und zur Erfahrung der Bauleute, die Lasten richtig einzuschätzen und den besten Transportmodus zu wählen. Wagen konnten nicht für beliebige Lasten ausgelegt werden. Als Wagenlast (carrettata) galten zunächst 3.000 Libbre, also etwas mehr als eine Tonne. Dies bezeichnete aber eher eine Durchschnittsladung und war durchaus nicht die maximal auf einem Wagen transportierbare Last. Allein die von Zabaglia auf Abbildung 2.43 im Mittelgrund dargestellten Travertinblöcke, die gerade auf eine bastarda geladen werden, dürften etwa 5 Tonnen gewogen haben.583 Lasten dieser Gewichtsklasse wurden aber nicht grundsätzlich auf Wagen transportiert. Die Straßenverhältnisse oder die Sperrigkeit einer Last ließen bisweilen Zweifel daran, dass diese ihr Ziel unversehrt erreichte. Der Transport von vier ca. fünf Meter hohen, 55 cm im Durchmesser großen und ca. drei Tonnen schweren Säulen aus Diaspro vom Hafen Ripetta nach Santa Maria Maggiore (ca. 2,5 km) für den Einbau in die Cappella Paolina wurde mit dem System der lizzatura gemacht584 (Abb. 2.46). Lizzatura bedeutet, dass die Lasten in einen Rahmen aus Holzbalken (telaio) eingespannt wurden, der auf geschmierten Holzzylindern (curri) von Tieren gezogen wurde. In Löcher an den Enden der curri konnten Eisenstangen gesteckt und das Rollen der curri so unterstützt werden. Für den Transport jeder der in der Cappella Paolina verbauten Säulen waren zehn Zugpferde erforderlich. Für den einen Kilometer weiten Transport der 19 Tonnen schweren Statue von Michelangelos David brauchte man im Jahre 1504 14 curri und vier Tage Zeit.585

Abb. 2.45: Der Seehandel mit Marmor aus Carrara zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts und dem 16. Jahrhundert (Quelle: Klapisch-Zuber 1969, 184–185, © Editions de l’EHESS, mit freundlicher Genehmigung).

Abb. 2.45: Der Seehandel mit Marmor aus Carrara zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts und dem 16. Jahrhundert (Quelle: Klapisch-Zuber 1969, 184–185, © Editions de l’EHESS, mit freundlicher Genehmigung).

Abb. 2.46: Der Transport eines Marmorblocks mit dem System der lizzatura (Quelle: Klapisch-Zuber 1969, Abb. 22, Foto: Cav. Ilario Bessi).

Abb. 2.46: Der Transport eines Marmorblocks mit dem System der lizzatura (Quelle: Klapisch-Zuber 1969, Abb. 22, Foto: Cav. Ilario Bessi).

Abb. 2.47: Giovanni Pomodoro, Squadra da campagna oder squadra agrimensoria, aus: Pomodoro 1599, tav. I (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.47: Giovanni Pomodoro, Squadra da campagna oder squadra agrimensoria, aus: Pomodoro 1599, tav. I (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Es wurden aber noch deutlich höhere Lasten transportiert: Der vatikanische Obelisk, den Domenico Fontana in den Jahren 1585–1586 von der Südseite von St. Peter auf den Petersplatz versetzte, besteht aus rotem Granit, ist ca. 25 m hoch und wiegt 350 Tonnen.586 Die Mariensäule bei Santa Maria Maggiore in Rom, die aus der Maxentiusbasilika stammte, ist 16 m hoch, misst 2,7 m im Durchmesser587 und ist etwa 233 Tonnen schwer.588 Der Transport über eine Entfernung von ca. einem Kilometer den Esquilin hinauf und die Aufrichtung wurden zwischen August 1613 und Juni 1614 von Maurern durchgeführt und kosteten 11.427 Scudi. Zudem erhielten die Auftragnehmer Vergünstigungen für die Beschaffung des erforderlichen Geräts. Zum Vergleich: Der Bau der Kuppel von St. Peter (1588–90) hatte 140.000 Scudi gekostet, der Transport der kleinen Säulen für die Cappella Paolina 25 Scudi.589

Welchen Anteil hatte der Transport an den Gesamtbaukosten? Scavizzi wertet Listen zur Anwesenheit von Bauleuten aus, die der Ingenieur Cornelius Meyer im Zusammenhang mit Flussbaumaßnahmen im Tiber auf Höhe der Porta del Popolo beschäftigt hatte, und stellt sie in Tabellenform dar.590 Die Arbeiten dauerten 38 Arbeitstage vom 12. März bis zum 2. Mai 1676. Von insgesamt 1968 Manntagen entfielen 226 auf Bootsleute. Ca. 11–12% der Personalkosten wurden in diesem Fall also für den Transport von Material bzw. für Transporte innerhalb der Baustelle aufgewendet. Im Durchschnitt waren etwa sechs Bootsleute, davon drei bis vier navicellari (Bootsführer) und zwei bis drei garzoni (Gesellen/Lehrlinge) auf der Baustelle beschäftigt. Gleichzeitig wurden täglich durchschnittlich acht Boote verwendet, d. h. einige der Boote dürften als fest verankerte Arbeitsplattformen eingesetzt worden sein.

2.7.2 Baustoffhandel

Ähnlich wie das Transportwesen professionalisierte sich auch der Materialhandel. Filarete schlug Francesco Sforza in seinem Architekturtraktat vor, die Ziegel für den Bau der neuen Stadt Sforzinda über Händler zu besorgen.591 Nach Aussagen von Bernardi und Vaquero Piñeiro hatte sich der Baustoffhandel im 15. Jahrhundert weit entwickelt. Die Baustoffe wurden nicht mehr nur auf der Baustelle selbst hergestellt, sondern auch im Baustoffhandel gekauft.592 Am Beispiel der Cappella Paolina (1607–11) wird das deutlich: Der Kalk wurde monatsabhängig aus Tivoli bezogen bzw. bei römischen Händlern gekauft.593 Dennoch blieben Kalköfen und Gruben zum Kalklöschen auf den Baustellen üblich (siehe unten). Klapisch-Zuber stellt dar, wie im 3. Viertel des 15. Jahrhunderts Produktion und Transport von Marmor in Carrara den Vertretern der großen Bauhütten entglitten und von lokalen Händlern übernommen wurden. Während diese Steinbrüche im 14. Jahrhundert allein die Bedürfnisse ihrer Besitzer erfüllten, wurden sie im 15. Jahrhundert zu profitorientierten Einrichtungen, die ihre Produkte zu Marktpreisen verkauften. Während die Kathedrale in Sens lange Zeit Eigentümer der Dachziegelöfen war, musste die Bauhütte die Ziegel im ausgehenden Mittelalter zu Marktpreisen bezahlen (zum Marmorhandel siehe 2.8.9).594 Aus Bauleuten, die viele Verfahren wie Kalk brennen, Kalk löschen, mauern etc. selbst beherrschten, wurden Manager, die die zeitlichen Abläufe koordinierten und Spezialisten beauftragten. Francesco da Vigevano konnte im Jahre 1454 nicht weniger als 177.750 Ziegel für Baustellen im Vatikan liefern und zwischen 1467 und 1471 140.500 Ziegel, 61.300 pianelle (Vormauerziegel bzw. Ziegel für die Herstellung von Unterdächern)595 und 3.100 Dachziegel für den Bau des Palazzo Venezia bereitstellen. Wer in den Baustoffhandel viel Geld investierte, konnte große Lieferaufträge bekommen und enormen Profit machen. Bisweilen mussten die Behörden Spekulation unterbinden und die Versorgung aller Baustellen garantieren. Man errichtete öffentliche Monopole für Bauholz in Venedig (1464) und für Kalk und Ziegelsteine in Mailand (ca. 1450).596

2.7.3 Baustellen-Logistik

Die personell-organisatorische Struktur und damit die gesamte Logistik einer Baustelle hing davon ab, wie die Aufträge vergeben wurden. Die Handwerker konnten im Tagelohn beschäftigt werden. Das verpflichtete den Bauherrn, das Baumaterial zu besorgen. Sofern der Bauherr einen langsameren Baufortschritt in Kauf nahm und die Zahl der beschäftigten Bauhandwerker in Grenzen hielt, ergab sich auch bei größeren Baustellen die Möglichkeit, den Baufortschritt und die Qualität der Ausführung im Einzelnen zu kontrollieren. Giorgio Vasari hatte dies angestrebt. Conforti berichtet, dass der Architekt auf der Baustelle der Uffizien in Florenz zunächst maximal drei Kolonnen (squadre) mit insgesamt 36 Handwerkern arbeiten ließ, die er alle persönlich anleiten konnte. Vasari verlor dann aber zunehmend die Kontrolle über die Baustelle, während der Verwalter der Baustelle, Bernardo Puccini, mit Rückendeckung des Großherzogs, eine strengere, allein an Kosten- und Zeitökonomie orientierte Baulogistik durchsetzte.597 Zu den Vergabeformen capitolati (Ausschreibung) und cottimo (Akkord) vergleiche den Abschnitt 2.2.5.

Filarete kannte zwar die unterschiedlichen Vertragsformen a misura, al pezzo (in Filaretes Beispiel 1000 vermauerte Ziegelsteine) bzw. die Ausschreibung fertiger Werke (per unità), empfahl aber letztlich doch eine Organisation der squadre, die dem Bauherrn die direkte Kontrolle über die Baustelle ermöglichte. Auch auf der Dombauhütte in Mailand hielt man an dieser Art der Baustellenorganisation fest. Erst nach 1567 datieren die ersten Verträge a misura e stima, bei denen Bauteile an unternehmerisch organisierte Bauhandwerker vergeben wurden, so dass die Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers beim Bauablauf deutlich eingeschränkt waren.598

Die allgemeine Tendenz in Italien seit dem 15. und 16. Jahrhundert ging hin zu einer pauschalen Vergabe schlüsselfertig zu erstellender Bauteile nach Ausschreibung. Wie kam es zu dieser Tendenz? Die Dimension einzelner Projekte, das große Bauvolumen im Zuge der Gegenreformation und der Wunsch nach rascher Ausführung führten dazu, Aufträge zu teilen und in Form von schlüsselfertig zu erstellenden Bauabschnitten zu vergeben. Dies führte zu erheblichen Veränderungen in der Struktur der Baustelle. Der Übergang von einer Bezahlung nach Tagelohn hin zu einer Bezahlung nach Werk brachte Vorteile für Handwerker, die sich in compagnie (Baugesellschaften/Baufirmen) zusammenschlossen, um die teilweise großen Aufträge schultern zu können. Dazu war vor allem Kapital erforderlich. Vaquero Piñeiro beschreibt, wie sich die Bildung von compagnie und der Wunsch nach rascher Ausführung teils großer Projekte gegenseitig in der Wirkung steigerten und den beschriebenen Paradigmenwechsel in der Baulogistik rasch von statten gehen ließen. Die compagnie mussten die ganze Kette von der Materialgewinnung (Beschaffung/Transport) bis zur Verarbeitung beherrschen und hatten die Möglichkeit, die Leistung selbst zu erbringen, oder ganz bzw. teilweise weiterzuvergeben. So entstand in der Renaissance eine neue Zwischeninstanz, der Unternehmer. Unternehmer wurden vor allem Architekten und Maurermeister (maestri muratori). Zu den klassischen, nach dem Niveau des Fachwissens organisierten Hierarchien Meister – Geselle – Lehrling kamen jetzt neue, auf der organisatorisch-logistischen Ebene angesiedelte Hierarchien, nämlich Auftraggeber – Auftragnehmer. Mehr Markt bedeutete auch, dass mehr Kontrolle erforderlich wurde. Bauexperten (periti) waren gefragt und wurden immer mehr eine eigenständige Berufsgruppe.599

Im späten 15. Jahrhundert besorgten vor allem Handwerker aus der Toskana den Wiederaufbau von Rom. Seit dem 16. Jahrhundert wanderten dann vor allem Lombarden und Ticinesi zu, die das Bauwesen im 17. Jahrhundert dominierten. Dabei ist es interessant zu sehen, wie diese Dominanz zustande kam. Die Florentiner Bankiers, die die päpstlichen Finanzen organisierten, waren vielfach geneigt, Landsleute und Norditaliener zu fördern. Entscheidend war aber das landsmannschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl, das es den Lombarden und Ticinesi leichter machte, compagnie zu gründen und an die großen Aufträge zu kommen. Diese Landsleute wohnten in denselben Häusern/Stadtvierteln, die Lombarden bei SS. Ambrogio e Carlo al Corso, die Ticinesen in der Nähe von San Carlo alle Quattro Fontane, wo Francesco Borromini eine Baustelle hatte.600

Da sich die compagnie gegenseitig Konkurrenz machten und jede von ihnen mehrere Aufträge gleichzeitig bearbeitete, war Regulierung erforderlich. Marconi beschreibt die Maßnahmen, mit denen die päpstliche Administration Spekulationen mit Aufträgen sowie das Abziehen von Arbeitskräften von bereits laufenden Baustellen zugunsten neuer Aufträge verhindern wollte. Eine Verordnung für die Maurer aus dem Jahre 1596 kontrollierte die Zugehörigkeit zur Università degli muratori (Maurerzunft) und schrieb den capomastri vor, wann und wie sie ihre Untergebenen zu bezahlen hatten, um Spekulation und Ausbeutung zu unterbinden. Die Verordnung regelte auch die Einbeziehung von Subunternehmern, die oftmals in die mit dem Hauptauftrag verknüpften Risiken eingebunden wurden. Um für die Reverenda Fabbrica arbeiten zu können, mussten die Firmen eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Die Bauleute mussten praktische Erfahrungen aus anderen Bauaufträgen haben (homini pratichi et che abbino fatte altre opere) und sie mussten Kapital und eine Werkstatt in Rom, sowie eigenes Werkzeug und einen Vorrat an Material haben, vorzugsweise Travertin und Marmor. Es geht hier also nicht nur um das Wissen, das durch die Einschreibung in die Università degli muratori nachgewiesen wird, sondern auch um das praktische Können, das nur durch die Ausführung konkreter Baumaßnahmen gewonnen werden kann. Zudem wird die logistische Kompetenz explizit erwähnt. Dabei war offenbar Flexibilität gefragt. Die Firmen mussten Verzögerungen bei der Lieferung von Material durch firmeneigene Vorräte ausgleichen können. Die Congregazione petriana verbot es den Auftragnehmern, Arbeitskräfte von anderen Baustellen des regierenden Papstes abzuwerben – und auch oder gerade von dessen privaten Baustellen. Um Korruption zu vermeiden, durften die Ministri der Reverenda Fabbrica darüber hinaus mit den potentiellen Auftragnehmern keine Firmen gründen.601

Mit der compagnia entstand aber nicht zuletzt auch ein neuer Wissensraum, in dem technisches und logistisches Wissen eine Symbiose eingingen. Die schlüsselfertige Erstellung von Bauteilen dürfte die compagnie angespornt haben, Bautechniken zu verbessern und neue logistische Methoden zu entwickeln, da die Firmen die Erstellung der Bauteile selbst zu organisieren hatten und ihre Methoden nicht offen zu legen brauchten. Sie ließen sich wie Betriebsgeheimnisse hüten und konnten Wettbewerbsvorteile für die nächsten Ausschreibungen mit sich bringen. Bei der Errichtung von Kuppeln, die gern schlüsselfertig beauftragt wurden, lassen sich solche Entwicklungen beobachten. Die neue logistische Struktur ist also auch geeignet als Innovationsmotor für die Entwicklung von bautechnischem Wissen (siehe 2.9).602

Rom war Vorreiter für diese neue, mit der Bildung von privaten Bauunternehmen einhergehenden und die Großbaustellen revolutionierenden Baulogistik. Das Beispiel Mailand ist bereits benannt worden. In Ländern wie Spanien setzte sich das System nur langsam durch. Auf der Baustelle des Escorial konnte sich die Vergabepraxis ad unità, die Juan Bautista de Toledo auf der Peterbaustelle in Rom kennengelernt hatte, nicht durchsetzen, da der Bauherr die direkte Kontrolle über die ausführenden maestranze nicht verlieren wollte.603

Entscheidend für die Baustellen-Logistik waren aber nicht nur ökonomische Aspekte, sondern auch die traditionelle Aufteilung der Aufgaben nach Gewerken. Aufgabe der Maurer war bis mindestens zum Ende des 18. Jahrhunderts die Versorgung der Baustelle mit Maschinen, der Bau von Arbeits- und Lehrgerüsten sowie die Absteckung des Grundrisses (vgl. unten). Gleichzeitig fand aber eine weitere Ausdifferenzierung und Professionalisierung der Aufgaben statt. So lassen sich ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erstmals sogenannte facocchi und ferracocchi greifen, die sich allein um die Instandhaltung der Baumaschinen zu kümmern hatten. Bei den manovali sampietrini, den bei der Reverenda Fabbrica festangestellten und seit 1548 organisierten Bauhandwerkern, gab es ebenfalls eine starke Spezialisierung. Allein bei den Steinmetzen wurde zwischen sbozzatori (für grobe Zurichtung der Quadersteine zuständig), squadratori (für die präzise Zurichtung der Quadersteine zuständig), arrotatori (Schleifer), lustratori (Polierer), intagliatori (Graveure) und scultori (für die Bauskulptur zuständig) unterschieden. Natürlich gab es auch muratori (Maurer), falegnami (Tischler), fabbri (Schlosser), vetrari (Glaser) und stuccatori (Stukkateure).604

2.7.4 Baustellen-Organisation

Die Einrichtung der Baustelle ist der erste Schritt bei der Realisierung eines Bauwerks. Mit dem Ziel, die historische räumliche Organisation von Baustellen zu analysieren, stellt Marconi Quellen aus dem Rom des 17. und 18. Jahrhunderts und Traktate aus dem 19. Jahrhundert zusammen, die jedoch noch die Praxis der Barockzeit widerspiegeln. In Rom wurden die Baustellen durch ein zwei Meter hohes steccato (eine Pfahlreihe) abgezäunt. Die so definierte Baustelle bot im Idealfall Raum für die Lagerung und Bearbeitung von Material sowie die Voraussetzung für die Errichtung der Maschinen. Die Traktate empfehlen, mindestens drei Meter Platz zwischen Bauzaun und Bauwerk zu lassen. Die Errichtung des Bauzauns und das tracciamento dello spiccato dell’edificio, also die Herstellung des Umrisses des Gebäudes (Absteckung), sind Aufgaben der Maurer. Um Fluchten und rechte Winkel abzustecken, wurde die squadra agrimensoria verwendet, die in der Renaissance die groma ersetzt hatte (Abb. 2.47). Dahingegen wurden die Absteckungen komplexer kurvierter Grundrisse von den Autoren selbst gemacht. So wird Gian Lorenzo Bernini im Jahre 1658 dafür bezahlt, den auf der Form des Ovals beruhenden Grundriss von Sant’Andrea al Quirinale abzustecken. Die Markierung des Grundrisses erfolgte dann mit Schnüren und Pflöcken, die ein den Grundriss fixierendes Schnurgerüst bildeten. Die Pfosten (für die Hauptmauern) und Pflöcke (für untergeordnete Linien) blieben während der Bauphase stehen und erlaubten, jederzeit Schnüre zu Kontrollzwecken zu spannen. Statt Pfosten und Pflöcken empfiehlt Valadier die Verwendung von Böcken aus Pfählen und Traversen, auf denen die Fluchten markiert werden konnten.605

Abb. 2.48: Mit der Mauer aufwachsendes Arbeitsgerüst, aus: Formenti 1893, Teil 1, Taf. II.

Abb. 2.48: Mit der Mauer aufwachsendes Arbeitsgerüst, aus: Formenti 1893, Teil 1, Taf. II.

Entscheidende Voraussetzung für eine Baustelle ist die Versorgung mit Wasser. Baustellen haben einen großen Wasserbedarf. Wasser wird für das Löschen von Kalk eingesetzt, für die Zubereitung von Mörtel, Putz und Farben, für das Wässern der Ziegelsteine vor dem Einbau, für das Schneiden und Polieren von Marmor und Travertin sowie für das Schleifen der Ziegelsteinoberflächen (arrotatura) und der Fußböden (orsatura). In Rom wurden für die Wasserversorgung – wenn möglich – die Wasserleitungen genutzt, in anderen Fällen musste Wasser in Fässern herantransportiert werden. An entlegenen Orten lohnte es sich, einen Brunnen zu bohren. Allein für die Ausführung der Fundamente für die Fassade von St. Peter wurden im Oktober 1609 nicht weniger als 129 Karrenladungen Wasser verbraucht.606

Die Arbeitsgerüste waren Konstruktionen aus horizontalen und vertikalen Holzbalken. Die vertikalen Hölzer (candele) wurden aus mehreren Hartholzbalken zusammengesetzt und mit Seilen oder Metallbändern umwickelt. Sie waren 10–12 m lang, konnten verlängert werden und wurden im Abstand von vier Metern aufgestellt. Eine Diagonalaussteifung der Gerüste hatte sich im Rom der Frühen Neuzeit noch nicht durchgesetzt. Um Schwingungen zu unterdrücken, wurden die Gerüste nach unten durch Seile abgespannt. Die candele wurden alle zwei Meter biegesteif über Kopfbänder mit den horizontalen Balken verbunden. Diese wurden auf der anderen Seite in Löcher im aufwachsenden Mauerwerk gesteckt. Die Konstruktion hatte so stabil zu sein, dass an die candele Flaschenzüge zum Hieven von Baumaterial angebracht werden konnten. Die Etagenböden des Gerüstes bestanden aus fünf Zentimeter dicken Brettern; hochkant gestellte Bretter sicherten die Ränder. Zum Regenschutz wurden die Gerüste mit gewachsten Leinentüchern behängt. Ein mit der Beschreibung vergleichbares Gerüst zeigt Formenti (Abb. 2.48).607

Abb. 2.49: Piero di Cosimo, Bau eines Palastes (Sarasota/Florida, The John and Mable Ringling Museum of Art).

Abb. 2.49: Piero di Cosimo, Bau eines Palastes (Sarasota/Florida, The John and Mable Ringling Museum of Art).

Aus praktischen Gründen wurden die Materialien in unmittelbarer Nähe der Baustelle gelagert. Ziegelsteine und Natursteine wurden nach Möglichkeit direkt unterhalb des Gerüstes getrennt voneinander aufgeschichtet. Dort positionierte man auch Fässer mit Kalk und Wasser. Für längere Lagerung von Baumaterialien wurden auf Baustellen außerhalb der Stadtmauern Magazine gebaut. Das konnten einfache Schutzdächer oder sogar regelrechte Holzhäuser sein (casotti in legno), in denen Material und Werkzeug vor Wetter und Diebstahl geschützt waren. In engen innerstädtischen Situationen wurden die Erdgeschoss- und Nebenräume in den an die Baustelle angrenzenden Häusern als Lager für Baumaterial angemietet, etwa bei Sant’Agnese in Piazza Navona oder auf dem Montecitorio. Wurden die Räume dabei beschädigt, musste die Baustelle haften.608

Auf der Baustelle selbst wurden Lasten mit Hilfe von Tragestangensystemen (Abb. 2.49, Mittelgrund, Mitte) von einem Ort zum anderen gebracht. Das Prinzip war dabei das gleichmäßige Verteilen einer Last auf viele Schultern. Ein Beispiel für ein Tragegestell ist die barella, mit denen zwei Personen Mörtel, Kalk etc. tragen konnten.609

Wenn möglich wurde der Bauzaun so großzügig angelegt, dass innerhalb der Umfriedung Platz für das Wiegen von Wagen (das geschieht mit einer großen Laufgewichtswaage offenbar Rad für Rad) und für die Zubereitung und Bearbeitung von Baumaterial blieb. Solche Arbeitsbereiche wurden in der Regel überdacht. Wenn Platz vorhanden war, wurde auf der Baustelle ein Kalkbrennofen eingerichtet, in dem Kalksteine, Travertinreste etc. zu ungelöschtem Kalk verarbeitet wurden. Unabhängig davon, ob Platzmangel dazu zwang oder ob man den Aufwand nicht selbst treiben wollte, konnte ungelöschter Kalk auch im Handel gekauft und gut abgedeckt auf Karren auf die Baustelle gefahren werden. Das Löschen des Kalks hingegen fand in der Regel auf der Baustelle statt. Um den Kalk zu löschen, wurde auf der Baustelle ein abgelegener, schattiger und feuchter Ort ausgesucht und dort eine Grube ausgehoben (siehe Abschnitt 2.8.2). Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert entwickelte sich dann aber auch der Handel mit gelöschtem Kalk, d. h. die Arbeitsteilung im Bauwesen nahm weiter zu. Zimmerleute bekamen lange Verdachungen auf der Baustelle, um die Balken vorzubereiten. Auch die Steinmetzen hatten ihre Schutzdächer, unter denen sie bei jedem Wetter arbeiten konnten. Tischler hingegen arbeiteten in der Regel in ihrer eigenen bottega und lieferten die fertigen Produkte auf die Baustelle. Auch das Anmischen von Putzen und Farben erfolgte nicht auf dem Bauplatz, da dessen staubiges Ambiente unvorteilhaft war.610

Zu den Arbeitszeiten auf den Baustellen gibt es relativ wenige Informationen. In seinem Architekturtraktat schlägt Filarete vor, die Bauleute sollten vormittags vier Stunden und nach einer einstündigen Mittagspause weitere vier bis fünf Stunden arbeiten. Ob das die Regel für die Arbeitszeit war, ist nicht zu entscheiden. Ein Indiz für die Plausibilität dieser Angabe ergibt sich daraus, dass Filarete diese Arbeitsstunden seinem Landesfürsten vorschlägt, der die Bauleute zu bezahlen hatte. Zumeist blieb der Tag bis ins 19. Jh. die entscheidende Zeiteinheit – für England und Frankreich gibt es aus dem 15. Jh. Quellen, die den Arbeitstag so definieren, dass das Tageslicht vollständig ausgenutzt wird. Die Arbeit wird für drei Pausen unterbrochen, vor allem für eine Mittagspause von 11 bis 13 Uhr.611

2.7.5 Friktionen und Probleme

Als Beispiel für Friktionen und Probleme sollen Unfälle beim Bau und bei der Instandhaltung von Neu St. Peter aus dem Zeitraum 1538–1697 betrachtet werden. Diese sind im Archiv der Fabbrica di San Pietro dokumentiert. Dort wird das Schicksal von 200 sampietrini beschrieben, die bei der Arbeit zu Tode gekommen sind (caduti) oder schwer verletzt wurden und deren Fälle der Congregazione della Reverenda Fabbrica zugeleitet wurden. Häufigste Todesursache waren Abstürze von Gerüsten. Zahlreiche Arbeiter wurden unter Travertinmassen und unter einstürzenden Arbeitsgerüsten verschüttet. Es gab aber auch Fälle, wo Leute in ungelöschtem Kalk verbrannten, durch flüssiges Blei verletzt oder vom Blitz getroffen wurden. Den Betroffenen wurde eine Entschädigung gezahlt oder eine Vereinbarung mit dem Krankenhaus getroffen. Bei Todesfällen kam es nicht selten vor, dass die Söhne als sampietrini in die Reverenda Fabbrica aufgenommen wurden. Hier wurden – so Marconi – mittelalterliche Vorgehensweisen wiederbelebt.612

2.8 Materialwissen

2.8.1 Verwendete Materialien

Als Baumaterialien dienten im frühneuzeitlichen Italien Holz, Ziegelsteine und Natursteine, die regional sehr unterschiedlich ausfallen konnten. Marmor musste weit transportiert werden bzw. war über antike Bauwerke vorhanden. So fanden beinahe alle Marmorsorten im Italien der Frühen Neuzeit Verwendung. Die Komponenten für Mörtel, Putz und Schüttungen waren Kalk (calce) und Puzzolanerde (pozzolana). Hinzu kamen Schmiedeeisen für Armierungen, Blei für Verdachungen, Glas sowie Pech und Bitumen für Abdichtungen. Ein weiterer entscheidender Baustoff war Wasser (vgl. 2.7.4). Das Materialwissen auf den Baustellen soll vor allem am Beispiel Rom untersucht werden, da hier eine Reihe von Untersuchungen613 sowie spezifische Quellen wie die Traktate von Nicola Zabaglia (1743) und Girolamo Masi (1788) vorliegen.

2.8.2 Kalk

Scavizzi beschreibt die Kalk-Versorgung der Baustellen im Rom der Frühen Neuzeit.614 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich eine gute Baukonjunktur in Rom. Spätestens mit dem Pontifikat Pauls V. (1605–1621) kam es bei der Versorgung der Baustellen mit Kalk zu gelegentlichen Engpässen, die sich durch das ganze 17. Jahrhundert beobachten lassen. Die Produktion von Kalk war sehr stark durch die Behörden reguliert. Im Jahre 1658 wurden Preise für Kalk festgelegt, im Jahre 1673 Regeln geschaffen, die Monopole im Kalkhandel unterbanden und im Jahre 1674 wurden genaue Mischungsverhältnisse und Gewichte für verschiedene Kalksorten festgelegt (ungelöschter, gelöschter und gereifter Kalk). Kalk, der keine Wirkung entfaltete, wurde mit Strafen belegt. Die wichtigsten Orte der Produktion von Kalk waren Tivoli und Rom selbst. Gewichtseinheit war der Peso, der 430 Libbre für Kalk aus Rom und 400 Libbre für Kalk aus Tivoli entsprach. Zwischen dem Ende des 17. und dem Anfang des 18. Jahrhunderts wurden allein in Tivoli 31 Kalköfen gezählt, die im Durchschnitt 11 Brennvorgänge pro Jahr durchführten. Ein Brennvorgang dauerte zwischen 60 und 100 Stunden. Aus Tivoli wurden jährlich etwa 140.000 Pesi Kalk nach Rom transportiert. Ein kleinerer Kalkbrennofen konnte etwa 400 Pesi laden, maß 18 mal 18 Palmi im Grundriss (ca. 4 Meter) und war 20 Palmi hoch (ca. 4,5 Meter). Größere Kalkbrennöfen hatten eine zwei- bis dreimal so große Kapazität. Die Händler lieferten sowohl gelöschten wie ungelöschten Kalk. Für das Löschen des Kalks wurde auf der Baustelle ein abgelegener, schattiger und feuchter Ort ausgesucht. Nach Scamozzi, der sich auf Vitruv und Alberti bezieht, sollte für das Löschen des Kalks eine ca. vier bis fünf Piedi Vicentini (1,4–1,75 m) tiefe Grube ausgehoben werden, am besten in tonhaltigem Grund. Anderenfalls war die Grube mit Tonerde wasserdicht auszukleiden und in jedem Fall zu überbauen bzw. zu überdachen.615 Die Kalkschicht wurde mit einer ebenso dicken Schicht aus Sand abgedeckt. Das Wasser wurde gewissermaßen durch die Sandschicht in den Kalk hineingefiltert. Der Kalk wurde zur Reifung zwei bis drei Jahre in der mit Sand abgedeckten Grube belassen. Aus Quellen ist bekannt, dass für den Bau von Sant’ Andrea della Valle der Kalk (wohl in einem ganz vergleichbaren Verfahren) in Gruben auf der Baustelle gelöscht wurde. In der frühen Neuzeit waren jedoch die Reifungszeiten für Kalk nicht so lang wie aus den antiken Quellen überliefert wird. Eine Vorschrift aus dem 17. Jahrhundert besagt, dass der Kalk mindestens 15 Tage reifen musste, bevor er verwendet werden konnte. Für das Ende des 18. Jahrhunderts existiert eine Quelle, aus der hervorgeht, dass man den gelöschten Kalk nur wenige Tage abkühlen ließ, um ihn dann sofort zu verwenden. Tatsächlich ist im 18. Jahrhundert insgesamt eine Verschlechterung der Qualität des Kalks und eine Verteuerung festzustellen. Im Jahre 1776 gab es in Rom nur noch vier Kalkhändler.616

2.8.3 Puzzolanerde

Mörtel und Putze werden aus Kalk, Zuschlagstoffen (Sand) und Wasser angemischt. Scavizzi beschreibt, dass im frühneuzeitlichen Bauwesen Roms als Zuschlagstoff in der Regel Puzzolanerde (pozzolana) verwendet wurde.617 Mörtel wurde normalerweise im Verhältnis zwei Teile Puzzolanerde und ein Teil Kalk gemischt, wobei unter Zugabe von Wasser ein hydraulisch (also auch unter Wasser) aushärtender Mörtel entsteht. Puzzolanerde bekommt ihren Namen nach dem ersten Fundort Pozzuoli bei Neapel, wurde aber in Mittel- und Süditalien später an vielen Stellen gefunden, so unter anderem auch in den Bereichen südlich und östlich von Rom. Die Puzzolanerde wurde in Lizenz von kleineren Firmen im Tagebau gewonnen. Eine Quelle aus dem Jahre 1734 besagt, dass Puzzolanerde mit Hilfe von Stollensystemen unter Tage abgebaut wurde.618 Aus Baustellendokumenten aus dem 17. Jahrhundert geht hervor, dass die Puzzolanerde rein sein musste, also keine Ton- oder Schluffanteile enthalten durfte.619

2.8.4 Holz

Der Baustoff Holz ist in ganz Italien vorhanden. Holz wurde geschlagen und geflößt, sofern es für provisorische Konstruktionen diente. Sollte es für Dachstühle, Holzbalkendecken oder aufwendige Lehrgerüste Verwendung finden, wurde es, so ist es jedenfalls für Rom überliefert, bereits am Ort des Schlagens zu Balken und Brettern gesägt und als Ladung auf denselbem Flößen bzw. auf Booten oder auf Wagen transportiert (vgl. 2.7.1).620 Scavizzi beschreibt die Verwendung von Holz auf den römisch-frühneuzeitlichen Baustellen und bezieht dabei auch die Traktate von Nicola Zabaglia (1743) und Girolamo Masi (1788) mit ein.621 Im 17. und 18. Jahrhundert waren Fichten- und Tannenholz (abete) und Kastanienholz (castagno) die entscheidenden Materialien für den Holzbau in Rom. Aus diesen Hölzern wurden Pfetten (arcarecce), Haupttragbalken für Holzbalkendecken (carrarecce) und Ständer (colonne) sowie Zugbalken für Dachstühle hergestellt. Zugbalken hießen corde, sofern sie 10–15 m lang und 45 cm stark waren, und cordicelli, sofern sie zwischen 5,5–13 m lang und 20 bis 45 cm stark waren. Neben Fichten- bzw. Tannen- und Kastanienholz fand auch Pinien/Kiefernholz (pino) für konstruktive Holzbauteile Verwendung. Die benannten Holzsorten wurden auch für die Bohlen von Holzdecken sowie für anderes nach Maßen definiertes Schnittholz (legnotti, limoncelli, piane per tetti) verwendet. Bretter und Bohlen wurden zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert unter anderem aus Pappel (pioppo, gemeinhin albuccio genannt), Ulme (olmo), Pinie/Kiefer hergestellt. Für Bretter wurden außerdem Nussbaum (noce), Birnbaum (pero) und Eberesche (sorbo) verwendet. In den Lieferverträgen findet man auch Eiche (quercia) und Erle (ontano).

Das Holz kam aus verschiedenen Waldgebieten aus der weiteren Umgebung Roms. In den Sabiner Bergen konnte zwischen Oktober und März Holz geschlagen werden. Die Qualität eines Brettes hängt stark von der Position im Baumstamm ab, aus der es stammt. Mezzareccia heißt ein Brett, das aus der Mitte stammt, asciatone ein aus dem Randbereich des Stammes entnommenes, sich werfendes, also qualitativ schlechteres Brett. Bretter mit gebogenen Oberflächen wurden auch rodone, rondoncello oder stanghetta genannt. Fodero wiederum hieß ein Brett, das rundherum geschnitten ist. Bretter, die kürzer sind als 12 Palmi (ca. 2,70 m), wurden als mozzette bezeichnet. Bretter, die schmaler als ein Palmo sind (0,2234 m), hießen marmaglie. Die Bezeichnung mercantile steht für legname assortito, also paketweise verkauftes Schnittholz, das günstiger war als Schnittholz, das Stück für Stück ausgewählt wurde. Zur Ablagerung von Holz gibt es für das frühneuzeitliche Rom keine ausreichenden Informationen.622

2.8.5 Schmiedeeisen

Schmiedeeisen wurde für Armierungen, etwa im Kuppelbau, verwendet. Schmiedeeiserne Ringanker wurden in die Kuppel von St. Peter eingebaut. Es gibt Quellen für deren Verwendung, unter anderem für die Kuppeln von Santa Maria Assunta in Ariccia (ab 1662, Gian Lorenzo Bernini) und Sant’Agnese in Agone in Rom (1654, Francesco Borromini).623 Carlo Fontana verwendete schmiedeeiserne Anker in seinen Kuppelbauten und schrieb ihre Verwendung schließlich in den weithin wirksamen Regeln zum Bau einschaliger Kuppeln fest (Fontana 1694). Schmiedeeiserne Ringanker wurden auch für die Stabilisierung bestehender Kuppeln verwendet, etwa von Carlo Fontana für die Kuppel der Chiesa Nuova in Rom (1675) oder bei der Reparatur der Peterskuppel durch Giovanni Poleni in den Jahren 1743–1747.624 Die Ringanker wurden in Einzelteilen hergestellt, verbaut und dann mit Hilfe von Keilen unter Spannung gesetzt.

In hölzernen Dachbindern fand Schmiedeeisen ebenfalls Verwendung. Zumindest der horizontale Zugbalken (catena) wurde regelmäßig mit einer schmiedeeisernen Schlaufe an den vertikalen Hängebalken (monaco) gehängt. Vielfach dienten verkeilte schmiedeiserene Laschen (staffoni) dazu, die Holzelemente des Binders an den Auflagern zusammenzuhalten.625

2.8.6 Abdichtungen

Für Abdichtungen wurde cocciopesto verwendet. Cocciopesto oder coccio pisto ist ein Mörtel aus Ziegelsteinpulver, Sand und Kalk, der als wasserdichte Schicht unter Verdachungen Verwendung fand oder als Unterbau für Pflasterungen im Außenbereich.626 So wurde z. B. die Kuppel der cappella Paolina bei Santa Maria Maggiore in Rom mit einer Schicht aus cocciopesto bedeckt und darauf die eigentliche Bleideckung montiert.627

2.8.7 Ziegelsteine

Die Versorgung der Baustellen mit Ziegelsteinen (es sind immer gebrannte Ziegelsteine gemeint) wurde in Abschnitt 2.7 beschrieben. Zur Standardisierung von Ziegelmaßen vergleiche außerdem Abschnitt 2.2.

Ziegelsteine wurden verwendet für Mauern, für Fußböden, für die Errichtung von Bögen, Gewölben, Kuppeln, in hart gebrannter Form für sichtbar belassenes Ziegelmauerwerk an Fassaden. Ein Beispiel für die differenzierte Verwendung von Ziegelsteinen im römischen Bauwesen ist die Cappella Sistina (1585–87, an Santa Maria Maggiore).628 Die Mauern, Bögen, Pendentifs, aber auch das Kreuzgewölbe im Seitenschiff vor der Kapelle sowie die Wölbungen der Kapellen des Heiligen Hieronymus und der innocenti wurden aus tevolozze gebaut. Tevolozze sind aus dem Abbruch antiker Bauten gewonnene Ziegelsteine, die entweder als integre Ziegelsteine für Mauerwerk oder als Ziegelbruch-Mörtelgemisch für Schüttungen/Schichtungen Verwendung fanden. Durch ihre lange Lebenszeit sind tevolozze in ihren Poren verschlossen. Daher – so war die einhellige Meinung der Architekten der Frühen Neuzeit – sind sie besser haltbar und für statisch schwierige Bereiche geeignet. Für die andere Bauteile des Unterbaus der Cappella Sistina wurden neue Ziegel verwendet. Der Tambour besteht wiederum aus tevolozze mit zweischichtiger Außenschale, die intensiv miteinander verzahnt sind (in doppia fodera debitamente ammorsate). Das bedeutet, dass der Tambour aus einem geschütteten Kern in gemauerten Schalen besteht. Ein weiteres Beispiel für diese Baupraxis ist Sant’Agnese in Agone (1654), bei der der maschio, d. h. die Hinterfütterung der kuppeltragenden Bögen, aus tevolozza in eine 1 -steinige Schale aus Ziegelsteinen geschichtet wurde.629 Die Kuppel der Cappella Sistina besteht im Gegensatz zum Tambour aus neuen Ziegelsteinen. Im Innenraum wurden ebenfalls neue Ziegel verwendet. Dabei kamen die teuersten Ziegelsteine zum Einsatz, nämlich geschnittene und im Wasser geschliffene Ziegelsteine (mattoni tagliati arotati ad acqua) aber auch trocken geschliffene Ziegelsteine (mattoni rotati a secco). Hierbei handelt es sich um normierte Verfahrensweisen der Ziegelvor- und -nachbearbeitung, die eine bestimmte Produktqualität garantierten.630

Scavizzi beschreibt die Herstellung von Ziegelsteinen.631 Die Ziegelbrennöfen funktionierten im Sommer (meist von April bis September), da es nur dann warm genug war, um die Ziegel vor dem eigentlichen Brennvorgang ausreichend zu trocknen. In diesem Zeitraum mussten genügend Ziegelsteine hergestellt werden, um das florierende Bauwesen in Rom zu bedienen. Schon am Anfang des 17. Jahrhunderts waren Ziegelsteine – wie auch Kalk – knapp. Viele Ziegelbrennöfen befanden sich an der Porta Cavalleggeri südlich des Petersplatzes, da dort auch sehr gute Vorkommen roten und hellen Tons zu finden waren.632 Jeder Brennofen wurde fünf bis zehnmal pro Jahr genutzt und bei jedem Brennvorgang konnten bis zu 85.000 Ziegelsteine hergestellt werden. Die Konservatoren kontrollierten die Ziegelproduktion und es konnten nur Ziegelformen verwendet werden, die das offizielle Siegel trugen. Der Ton wurde zunächst homgenisiert, indem Tiere darüber liefen. Die feine Homogenisierung fand dann durch Menschenhand statt. Wenn die Quellen über eine Trocknungs- und Lagerungszeit von zwei Jahren sprechen, dann zitieren sie wahrscheinlich antike Vorschriften.633 Gemessen an der Baumaterialknappheit wird man davon ausgehen können, dass diese Lagerzeiten in der Praxis nicht eingehalten wurden. Aus dem Jahre 1610 datiert ein Verordnung, die die Herstellung von normalen Ziegelsteinen, großen Ziegelsteinen, Dachziegeln, Rohren etc. regelte. Gebrannte Ziegelsteine konnten in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des verwendeten Lehms verschiedene Farben (gelblich und rötlich) annehmen, ein Phänomen, das für Dekorationen genutzt wurde.634 Scavizzi vergleicht Ziegelmaße aus dem Jahre 1610 mit denen, die im 19. Jahrhundert üblich waren.635 Scavizzi nennt auch die Preise für Ziegelsteine, die immer zu 1000 Stück abgegeben werden. Normale Ziegelsteine kosteten etwas mehr als drei Scudi 30.

Über die konstruktive Verwendung von Ziegelsteinen und ihre differenzierte Verwendung zum Wohle der Bauwerkstabilität ist bereits berichtet worden. Baudekoration mit Ziegelsteinen spielte hingegen in der Italienischen Frühen Neuzeit nur eine untergeordnete Rolle, etwa für den Bereich der Fußböden. Ziegelstein- oder besser Terracottafußböden wurden bereits in der Antike benutzt und von Plinius beschrieben.636 Seit der Romanik sind sie in Oberitalien üblich. Seit dem Jahre 1241 wurden alle Straßen in Siena, die noch keine Steinpflasterung hatten, in terracotta gepflastert. Seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts lassen sich Terracottafußböden in zweifarbiger Musterung (rötlich-gelblich) nachweisen. Während in Frankreich und Deutschland bereits im Mittelalter Fußbodenziegel mit zweifarbigen bildlichen Darstellungen üblich waren, blieben in Italien vom 14. bis 17. Jahrhundert einfache gemusterte Ziegelsteinböden aus rötlichen und gelblichen Ziegelsteinen als ökonomische und dennoch ornamentale Fußböden üblich. Terracottafliesen wurden auch mit Maiolicadekoration versehen. Dazu wurde der bereits gebrannte Ziegel mit einer Glasur versehen (lucido smalto stannifero) und erneut gebrannt (biscotto). In Italien sind Maiolicafußbodenziegel seit dem 11. Jahrhundert üblich, wurden zunächst aber im Außenbereich, für die Fassadendekoration und in Einzelfällen für Dachhäute verwendet, seit dem 13. Jahrhundert auch für Fußböden. Während im 15. Jahrhundert maiolica an Fassaden nur noch in Ausnahmefällen vorkam, blieb ihre Verwendung für Fußböden üblich.637

Im durch den Ziegelbau dominierten Norditalien lebte die ältere Tradition, Baudekoration unter Verwendung von Formziegeln bzw. von Ziegeln mit aufgestempeltem Dekor auszubilden, auch im 15. Jahrhundert weiter. Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts standen immer mehr Ziegel zur Vefügung, die der Formensprache der Antike entsprachen. Beispiele sind in Pavia (u. a. Certosa, erster Hof), in Mantua (Sant’Andrea), in Cremona, in Mailand (u. a. Santa Maria presso San Satiro) und in Piacenza zu finden. An der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand mischen sich Formziegel mittelalterlicher Tradition und Formziegel all’antica.638

Außerhalb der Po-Ebene gibt es für die Verwendung von Formziegeln oder glasierten Ziegeln für dekorative Zwecke, etwa an Fassaden, praktisch keine Beispiele. In Rom wurden zwar am Ospedale Santo Spirito (ab 1473/74) die klassischen Ordnungen vollständig aus Ziegelstein ausgebildet, in diesem Fall muss aber vermutet werden, dass – im Gegensatz zu Norditalien – die Ziegel ursrünglich unter einer dünnen Putzschicht verschwanden. Das Beispiel steht allein und ab dem 16. Jahrhundert findet man keine Beispiele mehr. Wie erklärt sich das? Mit den Säulenordnungen und ihren feinen Details verfügte man in der Frühen Neuzeit über ein Gliederungssystem, das sich in Ziegelstein praktisch nicht nachbilden ließ, sondern größere Präzision erforderte, die sich nur in Putz oder Naturstein realisieren ließ. Sofern Gebälke und Profilierungen aus Putz gemacht wurden, spielten Ziegelsteine aber dennoch eine wichtige Rolle. Gebälke, Profile und sogar die Kapitelle wurden aus Ziegelsteinen vorgeformt und dann mit Mörtel in den Details ausgebildet. Für die Profilierungen wurden Schablonen verwendet. Bei der Kirche Sant’Andrea delle Fratte in Rom sind die Gebälke und Kapitelle nicht in Mörtel ausgeführt worden und man erkennt noch heute die Vorformung in Ziegelstein. Eine Ausnahme für eine Baudekoration aus Ziegeln sei dennoch benannt: Antonio da Sangallo der Jüngere ließ im ersten Obergeschoss der Fassade des Palazzo Farnese in Rom Muster aus rotem und gelbem Ziegelstein ausführen, die er in Anlehnung an Bauwerke aus der römischen Antike, wie etwa die Grabmonumente an der Via Appia Antica, entwickelte. Die Ornamentik am Palazzo Farnese sollte nicht unter Putz verschwinden, weil man ziegelrot lackierte Putzteile an Stellen der Fassade gefunden hat, wo die roten Ziegelsteine nicht lang genug waren.639 Diese Baudekoration blieb ein Einzelfall. Insgesamt aber schätzten die Architekten der Frühen Neuzeit die Schönheit von Ziegelsteinoberflächen, die vielfach sichtbar gelassen wurden und in diesen Fällen aus besonders hart gebrannten Ziegelsteinen mit sehr dünnen Mörtelfugen gemauert wurden. Diese Ziegeloberflächen wurden dann in Kontrast zu der aus Naturstein oder Putz erstellten Säulen- bzw. Pilastergliederung gestellt. So wurde die normale Mauerwerksoberfläche zum Ornament veredelt. Gleichzeitig wird durch die abstufte Materialwertigkeit die Ordnung (Naturstein) gegenüber dem Wandgrund (Ziegelstein) hervorgehoben.640

2.8.8 Naturstein

Die ausgeprägte Topographie Italiens bringt reiche Natursteinvorkommen mit sich, die sich von Region zu Region unterscheiden und die regionale Architektur maßgeblich beeinflussen. Rom etwa wird durch die Verwendung des Travertins, eines hellen, porösen Kalksteins geprägt, Florenz vor allem in der Renaissance durch die pietra serena, einen grün-grauen, wenig witterungsbeständigen Sandstein, sowie durch die pietra forte, einen beständigeren Sandstein.641 Naturstein und Marmor wurden für Fassaden und Innenraumausstattung wie Wände und Fußböden642 verwendet. Entscheidend für die Wahl der Natursteine war aber nicht nur ihr regionales Vorhandensein – mit der Renaissance und dem Wunsch, die Antike nachzuahmen änderte sich bisweilen die Vorliebe für bestimmte Natursteine. In Padua kam statt der bis dahin üblichen pietra grigia seit der Renaissance die pietra di Nanto zum Einsatz, ein goldockerfarbener Sandstein, der sich deutlich besser zum Einmeißeln detailreicher antikisierender Ornamentik eignete. Aus demselben Grund wurde in Mantua der bis dahin übliche rosso di Verona im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend durch den duro calcare azzurrognolo di Noriglio ersetzt.643

Scavizzi beschreibt die Verwendung von Naturstein im römisch-frühneuzeitlichen Bauwesen.644 Tuff wurde für Fundamente und Mauerwerk verwendet. Der Stein wurde an Stellen gebrochen, in denen auch Puzzolanerde extrahiert wurde. Die Abbauerlaubnisse für Tuff und Puzzolanerde wurden in Kombination vergeben. Tuffsteinbrüche lagen außerhalb der Porta San Paolo, der Porta Portese und der Porta Nomentana. Neben Tuff wurden der nicht besonders witterungsbeständige peperino und Travertin als Natursteine eingesetzt. Peperino wurde in den Albaner Bergen, vor allen Dingen in der Gegend von Marino abgebaut. Aus Tivoli kam der Travertin der besten Qualität. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Travertin auch in Monterotondo und Fiano abgebaut.

Die visuelle Kultur der Renaissance verlangte den Einsatz von Naturstein. Aus Kostengründen wurden neben echten Steinen auch steinvortäuschende Putze verwendet. Der Ersatz des Marmors (siehe folgender Abschnitt) durch gleichaussehende Putze wird schon von Alberti erwähnt, von Serlio ausdrücklich gutgeheißen und ist spätestens seit Anfang des 16. Jahrhunderts etabliert. Vorgetäuschter Travertin (finto travertino) kommt im Rom der Frühen Neuzeit regelmäßig vor. Das Prinzip, durch Putz und Bemalung Natursteine vorzutäuschen, die in derselben Fassade als Natursteine vorkommen, war spätestens seit dem 16. Jahrhundert in Rom üblich. Es ging dabei, wie Bruschi aus dieser Beobachtung schlussfolgert, weniger darum, den Betrachter zu täuschen, sondern vielmehr darum, die Ausdruckskraft antiker Vorbilder zu erreichen, die teilweise ihrerseits unter Verwendung dieser Techniken errichtet worden waren.645

2.8.9 Marmor und die Verwendung von Spolien

Marmor wurde in der Frühen Neuzeit neu gebrochen bzw. war über antike Bauwerke vorhanden. Bis weit ins 17. Jahrhundert hinein wurden zu diesem Zweck antike Monumente auseinandergenommen.646 Auch für den Bau seiner Familienkapelle an Santa Maria Maggiore (1607–1611 s. u.) hatte Paul V. erlaubt, Marmor aus den antiken Ruinen zu entnehmen. Aber auch frisch gebrochener Marmor wurde in der Kapelle verbaut. Er kam aus ganz Italien, Korsika647 und dem katalanischen Tortosa.

Marmor gibt es in den unterschiedlichsten Farben und Qualitäten. Die Marmorvorkommen verteilen sich über den gesamten Mittelmeerraum. Von überall her wurde der Marmor in der Antike nach Italien und vor allem nach Rom transportiert. Im Mittelalter und v. a. in der Frühen Neuzeit wurde sowohl antiker Marmor zweitverwendet wie neu gebrochener Marmor aus Spanien, Ägypten und Italien selbst verarbeitet. So ist es nicht verwunderlich, in der frühneuzeitlichen Architektur in ganz Italien fast alle Marmorsorten verwendet zu finden. Klapisch-Zuber beschreibt Organisation und Funktionsweise der Marmorbrüche in Carrara von 1300 bis 1600 (zur Organisation des Marmorhandels vgl. Abschnitt 2.7.2). Der anstehende Marmor wurde entlang der Adern und Schwachstellen (peli) gebrochen. Dabei kamen Hebelstangen und schmiedeeiserne Keile, die mit Hämmern in die Adern getrieben wurden, zum Einsatz. Zudem wurden hölzerne Keile in die Spalten gesteckt und dann mit Wasser zum Quellen gebracht. Für den Transport wurden die Steine grob bearbeitet (abbozzati) bzw. mit großen Steinsägen in transportable Stücke geteilt.648

Gnoli beschreibt anhand zahlreicher Beispiele, wie antiker Marmor im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit in Italien und insbesondere in Rom wiederverwendet wurde.649 Der aus Ägypten stammende Porphyr spielte als seltener und daher umso wertvollerer Stein eine wichtige Rolle. Porphyr ist meist rot, kann aber auch grün oder grau (Frankreich) sein. Im 13. Jahrhundert transportierten Venezianer zahlreiche Porphyr-Platten und -Säulen aus Konstantinopel nach Venedig. Die Bildhauer der Renaissance wurden durch den sehr harten Porphyr auf die Probe gestellt. Nach Vasari wurde zur Mitte des 16. Jh. die Kunst der Porphyr-Bearbeitung von Francesco Ferrucci da Fiesole, genannt il Tadda wiedergewonnen. Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde erneut Porphyr in Ägypten abgebaut.650 Der ebenfalls aus Ägypten stammende basanite (breccia verde) findet sich in Rom hingegen nur in Wiederverwendung.651 Aus Griechenland kamen verde antico, rosso antico und schwarze Marmorsorten (marmi neri) die letzteren beiden vom Peloponnes. Der giallo antico kam aus dem heutigen Tunesien, dem antiken Numidien. Pavonazzetto und bigio antico wurden hingegen in Kleinasien gebrochen. Africano kam aus der Ägäis. Im achteckigen Hof der Vatikanischen Museen gibt es Säulen aus africano. Einige Platten aus grünem africano wurden in der Sakristei von St. Peter wiederverwendet. Gnoli berichtet von einem großen Stück fluorite, das im 19. Jahrhundert bei Grabungen bei S. Maria die Monti entdeckt worden war und schließlich für das Antependium des Hauptaltars der Kirche Il Gesù wiederverwendet wurde.652 Alabastri oder onici kommen zumeist aus Ägypten. Alabastri cotognini wurden in der Cappella Paolina bei Santa Maria Maggiore wiederverwendet. In der Cappella Rucellai in Sant’Andrea della Valle und im Hauptaltar von Santa Cecilia wurde alabastro marino wiederverwendet, der wahrscheinlich ursprünglich aus dem heutigen Algerien stammt. In der Villa Albani wurde alabastro fiorito in Form einer großen verdreht kannelierten Säule (colonna baccellata) wiederverwendet. In der confessio von Santa Maria Maggiore wurden vier Säulen und im Tabernakel des Hochaltars in San Lorenzo in Via Panisperna acht kleine Säulen aus alabastro violetto ciliegino wiederverwendet.653

Aufgrund der seltsamen Formationen in ihrer Maserung sind sogenannte lumachelle in der Frühen Neuzeit regelmäßig Teil von Kunstkammern.654 Brocatello, feinteilig gelb-rot gegliedert und eine Spielart der lumachelle, kommt aus dem katalanischen Tortosa, wo die Steinbrüche in der Frühen Neuzeit wieder aktiviert wurden. Hauptabnehmer war offenbar Rom, wo im 17. Jahrhundert große Mengen verarbeitet wurden. Unter anderem wurde brocatello in der Cappella Paolina bei Santa Maria Maggiore verwendet.655

Der Begriff Brekzie (breccia) kommt aus der Geologie und steht für Gesteinskonglomerate, die unter hohem Druck ,zusammengebacken‘ worden sind. Eine breccia, die sich an Resten antiker Villen in Settebassi bei Rom fand, wurde im 16. Jahrhundert von römischen Natursteinhändlern als breccia di Settebassi bezeichnet und man vermutete, dass sich hier auch der zugehörige Steinbruch befunden hatte. Diese breccia di Settebassi wurde in der Cappella Niccolò Gaddi wiederverwendet, außerdem findet man sie in der Cappella Sistina (Santa Maria Maggiore) in Rom. Ergrabene Marmorstücke wurden regelmäßig verkauft. Gnoli spricht von archeologia commerciante. Die breccia di Tivoli oder breccia Quintiliana wurde im 16. Jahrhundert in Ruinen in Tivoli entdeckt und dann z. B. in der Cappella Rucellai (später Ruspoli) in Sant’Andrea della Valle wiederverwendet. Der cipollino rosso oder marmo di Caria kam von der Küste Kleinasiens. In der St. Denis Kapelle in San Luigi dei Francesi in Rom wurden zwei kleinere Säulen der Untersorte rosso brecciato verwendet. Einige Platten wurden für die Grabmäler Pauls V. und Clemens’ VIII. in der Cappella Paolina in Santa Maria Maggiore verwendet. Gialli brecciati sind [wohl wiederverwendet] in der Cappella Rucellai in Sant’Andrea della Valle sowie im Grabmal des Kardinals Toledo in Santa Maria Maggiore zu sehen.656

Der Einsatz antiker Bauteile (Spolien) in neuen architektonischen Kontexten im Rom der Renaissance ist gut erforscht657 und stand in einer langen Tradition. Seit den ersten christlichen Jahrhunderten ist Rom durch spolienreiche Architektur geprägt. Im mittelalterlichen Rom gab es immer wieder Phasen einer auf programmatischer Spolienverwendung beruhenden renovatio. Andererseits war das Mittelalter gerade im Privathausbau geprägt durch einen rein pragmatischen Gebrauch des antiken Materials als Baustoff.658

Satzinger gibt einen Überblick über den Gebrauch von Spolien im Rom des 15. Jahrhunderts.659 Nach Rückkehr der Kurie in die vom Verfall geprägte Stadt ordnete Papst Martin V. an, aus ruinösen Kirchen und anderen Bauten Marmor zu entnehmen, um den Fußboden von San Giovanni in Laterano zu erneuern. Hier sollte kein expliziter Antikenbezug hergestellt werden, sondern es ging darum, der Kirche überhaupt wieder Würde zu verleihen. Einen programmatischen Bezug zur Antike baute hingegen Nikolaus V. Mitte des 15. Jahrhunderts auf, indem er zwei antike Säulenschäfte von zwei Meter Durchmesser und 13,5 Meter Höhe von den Thermen des Agrippa nach St. Peter transportierte. Dort ließ er sie, so vermutet Satzinger überzeugend, als Triumphbogen wieder einbauen, der das Langhaus in den neuen Nikolauschor überleiten sollte. Damit sei das frühchristliche Motiv des Triumphbogens (San Paolo fuori le mura, 5. Jahrhundert) wieder aufgegriffen worden. Mit dem von Muffel beschriebenen Transport660 war zudem eine der Antike gleichkommende Ingenieursleistung erbracht worden. Einen ganz ähnlichen Bogen errichteten Innozenz VIII. und Alexander VI. in San Giovanni in Laterano (1491), wo zwei neun Meter hohe, wohl aus den Diokletiansthermen stammende Granitsäulen als Triumphbogen eingebaut wurden. Dieser prägt noch heute den Langhausabschluss der Kirche. Die bereits im Zusammenhang mit dem Opus quadratumopus quadratum benannte und heute zerstörte Benediktionsloggia von Alt-St. Peter (ab 1460) ist das erste große Zeugnis systematischen Spoliengebrauchs. Dort kamen zwei Serien von antiken Säulenschäften zum Einsatz. Gebälke und Bögen wurden aus neu gebrochenem Marmor aus Carrara geschlagen. Die Spolien repräsentieren auf der einen Seite materiell die Antike, auf der anderen Seite ist ihre Verwendung für einen Portikus vor einer Kirche typisch nachantik. Bei aller Modernität knüpft die Loggia zudem an den spolienreichen Altbau dahinter an. Um die Jahrhundertmitte wurden antike Säulen und Spolien als Zeugen der langen Geschichte des Christentums eingesetzt. Ein weiteres Beispiel ist das Ospedale di Santo Spirito, in dessen Höfen ca. 80 Spoliensäulen zum Einsatz kamen. Für den Hof des Palazzo della Cancelleria (ab 1486) wurden in den Jahren 1497–1502 Spoliensäulenschäfte unterschiedlicher stadtrömischer Herkunft aufwändig umgearbeitet und einander angepasst. Dabei kamen in Florenz gekaufte Marmorbearbeitungswerkzeuge zum Einsatz.661 Damit war auch die technische Beherrschung des Spolienmaterials wieder gegeben, ohne die der Einsatz von Spolien im 15. Jahrhundert eingeschränkt gewesen war. Im 16. Jahrhundert wurde die Neubearbeitung der Spolien dann zur Regel.

Mit Buntmarmor ausgestattete Familienkapellen in den römischen Kirchen gehörten seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert zu den wichtigsten Bauaufgaben. Dabei kamen Spolienteile und Spolienmarmor ebenso zum Einsatz wie neu gebrochener Marmor. Es stellt sich die Frage, in wie weit die Verwendung von Spolienmarmor im Vergleich zu neu gebrochenem Marmor einen Kostenvorteil brachte oder ob das Prestige, Spolien zu verwenden, sogar einen Aufpreis bedeutete. Für den Marmor wurden exorbitante Summen ausgegeben. Papst Sixtus V. zahlte nicht weniger als 88.500,95 Scudi für die Cappella Sistina an Santa Maria Maggiore (errichtet 1585–1586).662 Paul V. bezahlte sogar weit mehr als 150.000 Scudi für die von 1605 bis 1615 errichtete Cappella Paolina (Zwillingskapelle der Cappella Sistina) an Santa Maria Maggiore.663 Die Rohbaukosten der zugegebenermaßen sehr großen Kapellen werden in beiden Fällen ca. 20.000-30.000 Scudi nicht überstiegen haben.664 Zum Vergleich: Für die von Kardinal Alessandro Peretti Montalto zur Verfügung gestellten 80.000-90.000 Scudi gelang es, im Zeitraum 1608-1623 das halbe Langhaus sowie das Querhaus, den Chor und die 16,67 m im Durchmesser große Kuppel der Kirche Sant’Andrea della Valle zu errichten.665 Die Theatinerkirche ist im Innenraum bis in die Kuppellaterne 65,70 m hoch. Allein das Langhaus ist mit 29,30 m beinahe so hoch wie die bis in die Kuppellaterne ca. 34,50 m messenden Kapellen an Santa Maria Maggiore. Weitere Beispiele für Baukosten werden im Abschnitt 2.7.1 aufegführt.

Ein Großteil der Kosten für die Cappelle Sistina und Paolina ist der Ausstattung geschuldet, die in beiden Fällen bis zum Hauptgebälk komplett aus Marmor besteht. Neben der Cappella Gregoriana in St. Peter waren diese beiden Kapellen der Höhepunkt der mit Marmor ausgestatteten Kapellen in Rom.666 Sowohl Sixtus V. als auch Paul V. erlaubten den Abbruch antiker Monumente für ihre Bauprojekte.667 Für die Kapellen wurde jedoch auch Marmor wiederverwendet, der am Markt gekauft worden war.668 Zudem wurde frisch gebrochener Marmor aus ganz Italien, Korsika669 und dem katalanischen Tortosa bezogen. Dort waren die Steinbrüche in der Frühen Neuzeit wieder aktiviert worden. Hauptabnehmer war offenbar Rom, wo im 17. Jahrhundert große Mengen verarbeitet wurden.670 Die Päpste konnten zwar über die antiken Bauten Roms verfügen, aber auf dieser Grundlage keine Marmorausstattung für eine Kapelle zusammenbringen. Obwohl ein Teil des Marmors nicht gekauft werden musste, so war doch der Ausbau des antiken Materials aufwändig und teuer und die so erzielte Kostenersparnis wahrscheinlich überschaubar.

Dass die benannten Kosten für eine Marmorausstattung durchaus plausibel sind, zeigen kleine, privat finanzierte Kapellen mit Buntmarmorausstattung. Für die Ausstattung einer Kapelle in Sant’Andrea della Valle wurde mit Kosten in Höhe von 15.000–20.000 Scudi gerechnet.671 Geringer waren die Kosten für die Ausstattung der Kapellen in der Kirche Il Gesù, die im Grundriss kleiner und deutlich niedriger sind. Die um die Jahre 1646–1650 ausgeführte Marmorausstattung (inklusive Skulpturen) der Cappella Cerri in Il Gesù kostete insgesamt, d. h. inklusive der Bezahlung der Bearbeitung des Marmors und der Metallarbeiten 6.980,77 Scudi. Davon waren mindestens 3.939,10 Scudi allein in die Beschaffung des Marmormaterials investiert worden. Eine Säule aus verde antico kostete allein 180 Scudi, eine weitere aus bianco e nero antico 125 Scudi. Die in Sizilien neu gebrochenen Diasprosäulen kosteten hingegen inklusive Transport zusammen lediglich 125 Scudi. Der bianco e rosso di Francia kostete 375 Scudi. Das ist vergleichsweise wenig, wenn man die große Menge bedenkt. Der Kauf von Spolienmaterial erweist sich als teurer als Kauf und Transport neu gebrochenen Marmors aus Sizilien.672

Überschlägt man die mit Marmor auszustattende Oberfläche der Cappella Cerri (mit Fußboden und 3 Wänden), so erhält man eine Fläche von etwa 180 qm, während in den Cappelle Sistina und Paolina jeweils etwa 1000 qm, d. h. etwa 6 mal so viel Fläche zu bedecken war. Die Marmorausstattung würde in den Kapellen an Santa Maria Maggiore also hochgerechnet 42.000 Scudi kosten (wobei die schwer zu beziffernden Geldwertveränderungen hier unberücksichtigt bleiben müssen). Aus der Kostenaufstellung in den Libri di conti von Domenico Fontana für die Cappella Sistina lassen sich 20.351,40 Scudi (inklusive Skulpturen 33.833,56) den Aufwendungen zuordnen, die rund um die Verwendung des Marmors im Kapelleninneren entstanden sind. Mit Metall- und Vergoldungsarbeiten kommt man auf insgesamt 39.371,06 Scudi673 (d. h. man kommt der hochgerechneten Summe von 42.000 Scudi relativ nah). Für die Cappella Paolina wurde hingegen deutlich mehr Geld in kostbaren Marmor investiert. Insgesamt scheint die Verwendung von Spolienmaterial, das in Rom zur Verfügung stand, das Bauen nicht kostengünstiger gemacht zu haben. Finanzielle Anreize waren scheinbar nicht ausschlaggebend für die Verwendung von Spolienmaterial. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Antiker Marmor war eine Investition und brachte viel Prestige. Er kostete – zumindest beim Bau der Cappella Cerri – mehr als von weit her geholter, neu gebrochener Marmor.

2.8.10 Bekannte und relevante Materialeigenschaften: Architekturtraktate

In den voraufgehenden Unterabschnitten war bereits regelmäßig die Rede von Materialeigenschaften, die in Handelsbezeichnungen, wie z. B. mezzareccia und asciatone für Bretter, die aus der Mitte bzw. dem Randbereich eines Stammes gesägt werden und die sehr unterschiedliche Qualität haben, oder in Regeln zu Herstellung von Baustoffen bzw. der Überwachung der Herstellungsprozesse, wie z. B. beim Reinheitsgebot für Puzzolanerde, ihren Niederschlag fanden. Das aus den Quellen zur Baupraxis entnommene Wissen des voraufgehenden Abschnitts stellt jedoch nur eine Seite des Wissens dar. Hinzu kommt das in den Traktaten verschriftlichte Wissen zu den Baumaterialien.

Vitruv beschreibt im zweiten Buch (2.–7. und 9.–10. Kapitel) die Baustoffe Ziegel, Sand, Kalk, Puzzolanerde, Naturstein und Bauholz. Vitruv ist in der Renaissance ausgiebig studiert worden. Hier soll stellvertretend für die zahlreichen Texte die italienische kommentierte Ausgabe von Daniele Barbaro674 studiert werden, die auch für die folgenden Jahrhunderte eine erhebliche Bedeutung hatte. Außerdem werden Antonio Rusconis Studien thematisiert, deren Abbildungscorpus posthum im Jahre 1590 veröffentlicht wurde.

Abb. 2.50: Antonio Rusconi, Löschen von Kalk nach Vitruv, 2. Buch, 5. Kapitel, aus Rusconi 1660, 101 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.50: Antonio Rusconi, Löschen von Kalk nach Vitruv, 2. Buch, 5. Kapitel, aus Rusconi 1660, 101 (Bibliotheca Hertziana).

Daniele Barbaro kommentiert Vitruv ausführlich und erweitert die Textmenge um das zwei- bis dreifache. Barbaro ergänzt zeitgenössisches Wissen und zitiert nach Vitruv erschienene Schriften der Antike wie die Naturgeschichte Plinius’ des Älteren. Die Ergänzungen Barbaros beziehen sich direkt und ausschließlich auf die von Vitruv bearbeiteten Themen. Vitruv behandelt etwa die Metalle nicht. Barbaro spricht dieses Thema in seinen Kommentaren ebenfalls nicht an. Vitruv beginnt mit philosophischen Aussagen zum Material und begründet seine Ausführungen v. a. mit der – nach seiner Aussage – auf Pythagoras zurückgehenden Lehre von den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft.675 In den Kapiteln, die den einzelnen Baumaterialien gewidmet sind, beschreibt Vitruv, wie die Ausgangsmaterialien beschaffen sein müssen, bringt Beispiele aus den verschiedenen Ländern und benennt die Prinzipien des Herstellungsprozesses, nicht aber die praktischen, händisch-handwerklichen Aspekte der Herstellung. So benennt Vitruv beispielsweise die Arbeitsschritte des Brennens und des Löschens bei der Kalkherstellung, ohne aber Aussagen zu Bauweise oder Beschickung der Brennöfen zu machen. Vitruv beschreibt, zum Löschen werde der Kalk in eine Grube gefüllt und mit einer Art Axt/Hacke durchgearbeitet (Abb. 2.50). Die Maße dieser Grube oder andere praktische Information enthält Vitruv dem Leser aber vor.676 Auch Barbaro ergänzt keinerlei praktisches Wissen, obwohl er die damals übliche Überdachung der Kalkgrube hätte benennen können (s. o. Abschnitt 2.8.2). In seiner Beschreibung der Ziegelherstellung beschränkt Vitruv seine Ausführungen überraschenderweise auf luftgetrocknete Ziegel. In diesem Fall geht Barbaro über Vitruv hinaus und erläutert das Brennen der Ziegelsteine. Eine handwerkliche-praktische Beschreibung des Brennvorgangs liefert Barbaro dennoch nicht.

Die Vorgänge des Kalkbrennens und des Kalklöschens und das Materialverhalten in diesen Übergängen erklärt Vitruv mit Hilfe der vier Elemente. Auf derselben Grundlage erläutert er die unter Wasser abbindende und dann wasserfeste, sehr harte Puzzolanerde. Sie werde „durch Feuchtigkeit gehärtet“. Barbaro ist einverstanden mit diesen Erklärungsmodellen. Auch die Natursteineigenschaften leitet Vitruv aus den vier Elementen ab. So sei etwa Tuff tragfähig aber nicht witterungsbeständig und Travertin tragfähig und witterungsbeständig, aber feuerempfindlich. Vitruv empfiehlt, Natursteine nach dem Brechen zwei Jahre lang an offener Stelle zu lagern – so träten Fehler im Material zutage. Holz sei, so Vitruv, im Winter zu schlagen. Das Holz der Tanne sei leicht, steif und geriete schnell in Brand. Eichenholz hätte eine sehr gute Haltbarkeit wenn es in die Erde eingerammt sei, werfe sich aber leicht. Das Holz der Buche sei nicht witterungsbeständig. Erlenholz sei in der Erde lange haltbar und sehr belastbar. Kiefernholz werfe sich, sei aber sehr dauerhaft. Die vier Elemente bilden wiederum die Grundlage für diese Aussagen.

Auch Antonio Rusconi hatte eine italienische, kommentierte Vitruvausgabe geplant. Die Übersetzung lag 1553 vor, 300 Kupferstiche waren vorgesehen. Dennoch erschien die Ausgabe nicht, da der Florentiner Verlag Giolito wohl durch die Konkurrenz von Daniele Barbaros Vitruvausgabe, die durch einen langen Rom-Aufenthalt besser vorbereitet war, ein finanzielles Desaster fürchtete. Erst elf Jahre nach Rusconis Tod im Jahre 1579 wurden dann 160 der Kupfertafeln Rusconis in Buchform veröffentlicht. Eine sehr knappe Zusammenfassung des Vitruvtextes in italienischer Sprache begleitet die Abbildungen und soll sie verständlich machen. Wichtiger sind die Abbildungen selbst. Es war Rusconis Intention, die antiken Bautechniken darzustellen, also eine philologische Interpretation des Vitruvtextes zu liefern.677 Hinsichtlich der Materialherstellung geht Rusconi tatsächlich nicht über den Vitruvtext hinaus. Beim Löschen des Kalks verlangt Vitruv,678 den Kalk in der Grube mit einer Art Axt (Hacke) durchzuarbeiten. Rusconi zeigt genau das und nicht mehr in der Abbildung (Abb. 2.50). Pagliara vermutet, dass Rusconis Abbildungen das damalige Bauwesen in der Republik Venedig zeigten.679

Leon Battista Alberti (1485) schreibt im zweiten Buch seiner De Architectura über die Baumaterialien Holz (4.–7. Kapitel), Naturstein (8.–9. Kapitel), Ziegelstein (10. Kapitel), Kalk (11. Kapitel) und Sand (12. Kapitel). Für das Fällen und die Lagerung des Holzes zitiert Alberti verschiedene Autoren der Antike, unter anderem auch Vitruv. Erlenholz eigne sich für Gründungen in Sümpfen. Das Holz der deutschen Eiche sei hart, witterungsbeständig, sei für stark belastete Teile geeignet, werfe sich aber. Das Holz der Tanne sei leicht und steif, brenne aber leicht. Das von Alberti dargestellte Wissen spiegelt durchaus nicht die Praxis der Renaissance, sondern wurde aus sehr unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Kontexten zusammengetragen. Daher sind Widersprüche zu Vitruvs Aussagen nicht verwunderlich. Alberti sagt etwa, Buchenholz werde durch Wasser nicht angegriffen. Alberti verzichtet darauf, die Materialeigenschaften mit den vier Elementen zu erklären. Auch die Natursteine werden von Alberti ausführlich behandelt. Sie sollen im Sommer gebrochen werden und zunächst zwei Jahre lagern bevor sie verbaut werden. Alberti ist überzeugt, dass man durch Praxis und Erfahrung mehr über die Charakterisitken und die Verwendbarkeit der Steine lernen könne als aus den Büchern.680 Dennoch stellt Alberti einige allgemeine Aussagen zusammen, in denen er Gewicht, helle/dunkle Farbe, Körnigkeit, Porosität und Haltbarkeit, Bearbeitbarkeit etc. von Natursteinen in Beziehung setzt. Techniken zum Brechen der Steine werden nicht benannt. In den Kapiteln zu Kalk und Ziegelstein beschreibt auch Alberti – ähnlich wie Vitruv – allein die Prinzipien der Herstellung dieser Materialien, während die Gruben und Öfen, die zu ihrer Herstellung erforderlich sind, keine Erläuterung finden.

Sebastiano Serlio geht in seinen Büchern nicht auf Materialfragen ein.681 Andrea Palladio schreibt zu Beginn seiner im Jahre 1570 publizierten vier Bücher knapp über Bauholz, Natur- und Ziegelsteine, Sand, Kalk und ausführlich über Metalle und verzichtet wie Alberti, aber im Gegensatz zu Vitruv, auf jede naturphilosophische Grundlegung. Palladio benennt die Fundorte für die Materialien und die Prinzipien der Zubereitung. Zum Baustoff Holz zitiert Palladio explizit Vitruv. Auf die einzelnen Holzarten, ihr Vorkommen und ihre Verwendung geht Palladio allerdings nicht ein. Für die Ziegelproduktion sei im Herbst die Erde zu ergraben. Über Winter werde die Erde dann zerkleinert, im Frühjahr zu Ziegeln gestrichen. Vor dem Brennen müssten die Ziegel dann zwei Jahre trocknen. Eisen werde durch das Feuer gereinigt, Kalk im Feuer gebrannt und dann schrittweise angefeuchtet und an einer feuchten schattigen Stelle gelagert. Palladio liefert sehr abstrahierte Beschreibungen dieser Herstellungsprinzipien. Die Öfen oder Gruben, die für diese Prozesse erforderlich sind, werden wiederum nicht benannt. Schließlich beschreibt Palladio die spezifische Verwendung der verschiedenen Holz- und Metallarten.682

Vincenzo Scamozzi (1615) beschreibt in seinem siebten Buch die Baumaterialien Marmor (3.–6. Kapitel), Naturstein (7.–13. Kapitel), Ton, Ziegel, Terracotta (14.–16. Kapitel), Kalk (17.–19. Kapitel), Sand (20. und 22. Kapitel), Puzzolanerde (21. Kapitel), Holz (23.–26. Kapitel) und Metalle (27.–30. Kapitel). Scamozzi zitiert die Aussagen der antiken Autoren zu den Materialien sehr ausführlich im Original und berücksichtigt die Lehre von den vier Elementen, die er als Meinung Aristoteles’ bezeichnet. Anders als Vitruv bezieht Scamozzi die vier Elemente aber nur gelegentlich in seine Ausführungen ein, etwa wenn er erklärt, was beim Kalklöschen passiert. Auch Scamozzi trägt viele Aussagen zu Natursteinen aus der Literatur zusammen. Er beschreibt nacheinander die von den Alten, d. h. die von den Ägyptern, den antiken Griechen und Römern benutzten Natursteine, die aktuell in allen Teilen Italiens und Europas verwendeten Natursteine, wo man sie fand bzw. findet und welche Eigenschaften sie jeweils hatten bzw. haben. Scamozzi spricht im Rahmen der Kapitel über Ziegelsteine über verschiedene Erd-, Ton- und Lehmsorten und wo sie anzutreffen sind. Er sagt, seit wann Ziegelsteine gebrannt werden, spricht über Ziegelmaße, über Verwendung von Ziegelsteinen in Italien und Europa, und beschreibt im Gegensatz zu den oben zitierten Autoren ausführlich die Öfen und die handwerklichen Aspekte der Herstellung.683 Scamozzi spricht über Kalk (und in dem Zusammenhang auch über Gips) und über die verschiedenen Steine, die zur Kalkherstellung in der Antike verwendet wurden und diejenigen, die zu Scamozzis Zeit in Italien und Europa verwendet werden. Scamozzi beschreibt Machart und Maße des Brennofens und erklärt, wie die Steine darin aufzuschichten seien. In den Monaten März und April werde der Kalk gebrannt. Scamozzi weist darauf hin, dass zwei Arbeiter erforderlich sind, die sich abwechseln und das Feuer in Gang halten und beschreibt, dass die Dauer des Brennvorgangs von der Ofenform, der Qualität und Menge der verwendeten Steine und der Qualität des Feuers abhänge.684 Auch für das Löschen macht Scamozzi präzise praktische Angaben. Händler würden häufig, um den Kalk schnell zu verkaufen, denselben ungleichmäßig löschen, so dass er teils ungelöscht und teils ausgewaschen ist. In praktisch allen Städten Italiens würden die Regeln zur Kalk- und Mörtelherstellung nicht eingehalten und das Mauerwerk habe daher schlechte Qualität. Das Löschen des Kalkes sei vielmehr ein langer Prozess, bei dem das Wasser langsam und gleichmäßig verteilt werden müsse. Scamozzi beschreibt dann die Grube zum Kalklöschen. Das beste Verfahren sei es, den Kalk mit einer Sandschicht abzudecken, durch die das Wasser gleichmäßig in den Kalk einrieseln könne. Auch bei der Beschreibung des unter Wasser abbindenden Mörtels geht Scamozzi zunächst auf Vitruv ein und beschreibt dann die regional unterschiedlichen Materialien, die Verwendung finden, etwa die pozzolana in Rom und der grapillo in Neapel. Auch in Wien, Prag und Paris gebe es vergleichbare Materialien. Scamozzi kümmert sich ausführlich um Bauholz. Er klassifiziert Holz nach hellen (mehr Luft) und anderen Sorten (mehr Erde), nach Form und Gewicht sowie danach, welche Holzsorten im Gebirge und welche in der Ebene wachsen. Scamozzi beschreibt ausführlich die Holzarten Italiens und ihren aktuellen Gebrauch im Bauwesen, um anschließend auf die in der Antike eingesetzten Holzsorten einzugehen. Ebenso ausführlich geht Scamozzi auf die Metalle ein. Nach einer Definition der Metalle, die auf aktuellen Einsichten und auf Aussagen aus den Traktaten der Antike beruht, beschreibt er die Gewinnung von Gold, Silber, Kupfer, Blei, Eisen, Bronze und Messing sowie die Verwendung dieser Metalle im Bauwesen.

2.8.11 Bekannte und relevante Materialeigenschaften: Festigkeitslehre

Die Traktate von Vitruv bis Scamozzi bieten keine neuen Studien, sondern kompilieren Buch- und Erfahrungswissen zu den Baumaterialien. Im 17. und 18. Jahrhundert gewannen jedoch auch andere Herangehensweisen Bedeutung. Zum einen neue theoretische Überlegungen zur Bauwerksstabilität, die Bernardino Baldi und später Galileo Galilei aufstellten, indem sie die Aristoteles zugeschriebenen Mechanischen Probleme neu interpretierten. Zum anderen wurden beginnend mit dem 16. Jahrhundert und verstärkt seit dem späten 17. und 18. Jahrhundert die Belastbarkeit von Holzbalken, Natursteinsäulen und Metalldrähten empirisch bis zum Bruch getestet und damit das Wissen um Baumaterial systematisch ausgebaut. Um diese beiden Punkte soll es jetzt ausführlicher gehen.

Bernardino Baldi publizierte im Jahre 1621 einen Kommentar zu den Mechanischen Problemen, die Aristoteles, zumindest aber einem Autor aristotelischer Prägung zugeschrieben werden. Becchi hat gezeigt, dass Baldi von dem Problem, dass lange Holzstäbe bei gleicher Proportion (Länge : Durchmesser) biegsamer und zerbrechlicher sind als kurze Holzstäbe, ausging und erkannte, dass das Problem des Durchbiegens nicht allein mit dem Hebelgesetz erklärt werden könne, sondern daneben auch der innere Zusammenhalt des Materials, der unabhängig von der Länge des Holzstabes gilt, also die Materialfestigkeit, eine entscheidende Rolle spielt. Baldi unterschied also letztlich auf der einen Seite die Materialfestigkeit, eine Konstante, die für das verwendete Holz charakteristisch ist und auf der anderen Seite die Strukturmechanik, nämlich die Geometrie und Dimension des Holzstabes.685 Auch Galilei analysierte diese beiden Aspekte und stellte sie im Jahre 1638 als zwei neue Forschungsfelder vor.686

Die Trennung von Fragen des Materials und der Konstruktion war im Kontext der Aristoteles-Auslegungen etwas Neues – andererseits ist genau diese Trennung seit langer Zeit eine Selbstverständlichkeit. In der Baupraxis sind die Materialgewinnung, die oftmals an einem von der Baustelle weit entfernten Ort organisiert werden muss, einerseits und die Verarbeitung des Materials auf der Baustelle andererseits zwei logistisch und technisch weitgehend getrennte Prozesse. Bereits im Neolithikum lässt sich die zumindest zeitliche Trennung von Materialherstellung (und damit auch das Wissen um Qualität und Haltbarkeit des Materials) und Baustelle selbst nachweisen. So wurden Lehmziegel handgeformt und luftgetrocknet. In einem zweiten Schritt wurden die Lehmziegel dann verbaut. Die bereits zitierten Architekturtraktate und Vitruvkommentare der Renaissance behandeln Fragen der Baumaterialien und der Konstruktion in verschiedenen Büchern bzw. Kapiteln. Man kann die Hypothese aufstellen, dass Baldi und Galilei im Ergebnis dazu beitragen, zwei Wissensbereiche in Einklang zu bringen: Zum einen das intuitive Wissen der Bauleute um das Zusammenspiel der beiden in der Praxis seit jeher verankerten Kategorien Material und Konstruktion. Zum anderen die naturphilosophischen Erklärungsmodelle. Tatsächlich war einer der Ausgangspunkte der modernen Naturwissenschaften das Interesse der Naturphilosophen an Wissen und Weltsicht der Handwerker.687 Nikolaus Cusanus war hier ein Vorreiter.688 Die Handwerkstechniken wurden als tagtägliche, wenn auch von den Bauleuten selbst unhinterfragte Experimente mit der Natur verstanden. So lernte Galilei etwa vom Erfahrungswissen der Handwerker der Venezianischen Marinewerft (Arsenal).689 Das Hinterfragen dieser ,Experimente‘ galt als Weg, die Naturgesetze besser zu verstehen. Francis Bacon, Zeitgenosse Baldis und Galileis, fasste diese Herangehensweisen in seiner Instauratio Magna zusammen690 und stellte in einem Anhang zu seiner Publikation ein Dokumentationsprogramm zu den Handwerkstechniken (darunter die wichtigsten Baugewerke) auf, mit dem erklärten Ziel, auf dieser Grundlage die Wissenschaft systematisch voranzubringen.691 Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts kam es zunehmend zu einer Interaktion zwischen dem Bauwesen und der entstehenden modernen Naturwissenschaft. Die Interaktion wird ausführlicher in Abschnitt 2.12.3 dargestellt.

Abb. 2.51: Antoine Parent, Biegebelastbarkeit von Eichenholzbalken bestimmten Querschnitts und bestimmter Spannweiten, aus: Parent 1730, 29.

Abb. 2.51: Antoine Parent, Biegebelastbarkeit von Eichenholzbalken bestimmten Querschnitts und bestimmter Spannweiten, aus: Parent 1730, 29.

Abb. 2.52: Petrus van Musschenbroek, Zugtests mit Metalldrähten, Bruchbilder, aus: Musschenbroek 1729, Tafel XXI (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.52: Petrus van Musschenbroek, Zugtests mit Metalldrähten, Bruchbilder, aus: Musschenbroek 1729, Tafel XXI (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Gargiani gibt einen Überblick über Versuchsanordnungen und Versuchsreihen, mit denen man Materialeigenschaften empirisch näher kam.692 Leonardo Da Vinci hatte eine Versuchsanordnung für die Ermittlung der Horizontalkräfte in Bogenkonstruktionen konzipiert. In seinem Traktat von 1561 berichtet Philibert de l’Orme, er habe die Haltbarkeit eines von ihm erfundenen Traggerüsts aus Balken und Brettern im Hof seines Wohnhauses in Paris getestet.693 Um die richtigen Bäume für den Schiffbau zu pflanzen, bat die Royal Academy John Evelyn um Aussagen zur Belastbarkeit von Holz. Dieser führte im Jahre 1663 entsprechende Belastungstests durch. Ähnliche Versuchsreihen wurden auch an der Académie des Sciences in Paris gemacht (1669–1683) und von Edme Mariotte veröffentlicht.694 Es handelt sich um Belastungstests mit Holz verschiedener Querschnitte, wobei immer bis zum Bruch getestet wird. Pierre Bullet war im Jahre 1691 der erste, der die Ergebnisse solcher Belastungstests in Tabellenform abbildete. Antoine Parent publizierte im Jahre 1708 eine vierseitige Tabelle (Abb. 2.51), die Experimente aus dem Vorjahr wiedergeben. Dort wurden die Holzbalken in unterschiedlichen Lastfällen getestet und die Belastungswerte in der Tabelle aufgeführt. Bernard Forest de Bélidor beschrieb in einer Tabelle den Druck von Erdfüllungen auf Stützmauern und die erforderliche Dicke der Stützmauern selbst, wobei der innere Reibungswinkel des abzustützenden Erdmaterials für diese Tabelle von Bélidor als 45° angenommen wurde. Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon publizierte 1740/41 weitere Testreihen, und legte dabei besonderen Wert auf die Holzunregelmäßigkeiten und auf die Bruchstellen. Emiland-Marie Gauthey führte im Zusammenhang mit dem Bau von Sainte Geneviève in Paris Belastungstests für Natursteine durch, die er im Jahre 1774 publizierte. Seine Versuchsmaschinerie wurde an der École des Ponts et Chaussées nachgebaut.695

Alle Testreihen haben einen standardisierten Aufbau, so dass die Ergebnisse vergleichbar werden und systematisch Kenntnisse gewonnen werden können. Bei den Tests für die Belastbarkeit von Holzbalken spielen sowohl die Materialeigenschaften wie auch die Geometrie der Konstruktion eine Rolle. Dennoch werden diese Komponenten sehr wohl auseinandergehalten: Pierre Bullet sagt im Zusammenhang mit seiner Tabelle zur Dimensionierung von Holzbalken, die gute oder schlechte Qualität von Holz (also letztlich die Materialfestigkeit) gehöre in den Bereich der Physik und ließe sich anders als die strukturmechanischen Fragen nicht mit geometrischen Regeln lösen, sondern aufgrund von Erfahrung ließen sich einige generelle Regeln aufstellen. Bullet gibt das Holz in seiner Versuchsreihe als „Eiche“ an und trifft in seiner Tabelle Aussagen zur Haltbarkeit von Konstruktionen. Es geht ihm nicht um Materialkonstanten.696

Abb. 2.53: Petrus van Musschenbroek, Tabelle mit spezifischen Gewichten und Festigkeiten von verschiedenen Metallen, aus: Musschenbroek 1729, 671 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.53: Petrus van Musschenbroek, Tabelle mit spezifischen Gewichten und Festigkeiten von verschiedenen Metallen, aus: Musschenbroek 1729, 671 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Fall Petrus van Musschenbroek.697 Dieser publizierte im Jahre 1729 eine lange Serie von Materialtests (Zug-, Knick- und Biegeversuche). In Zugversuchen mit Metalldrähten ging es dabei ganz direkt um die Materialfestigkeit. Für jeden einzelnen Test hielt van Musschenbroek Material und Querschnitt der getesteten Metalldrähte ebenso fest, wie ihre Verformungen während des Tests, die Bruchbilder nach dem Versagen (Abb. 2.52), sowie die Last, die die Metalldrähte ausgehalten hatten, also ihre Festigkeit. Versuchsweise – wie er ausdrücklich sagt – synthetisierte und normalisierte van Musschenbroek die Zugfestigkeitswerte von Metallen in einer Tabelle (Abb. 2.53).698 Die Mathematiker Tommaso Le seur, Francesco Jacquier und Ruggiero Giuseppe Boscovich zitierten van Musschenbroek, als es darum ging, im Rahmen ihres 1743 gedruckten Gutachtens zu den Schäden an der Peterskuppel die Zugfestigkeit der eisernen Ringanker in der Kuppel zu definieren.699 Dabei griffen sie bezeichnenderweise nicht auf die in der Tabelle angebotenen Materialwerte van Musschenbroeks zurück, sondern auf die Beschreibungen der einzelnen Tests. Die Mathematiker zitieren van Musschenbroek und benennen mit 450 Libbre, die ein Eisendraht mit einem Durchmesser von Rheinischen Zoll im Versuch ausgehalten hatte, genau die Ergebnisse von van Musschenbroeks Experiment Nummer LXXVII.700 Sie fügten den von van Musschenbroek empirisch ermittelten Einzelwert in ihre strukturmechanischen Berechnungen der Peterskuppel ein. Die Normalisierung von Festigkeitswerten in Tabellenform war also in den Augen der anerkannten Fachleute noch nicht verlässlich, beruhten also vermutlich auf zu wenigen Messungen. Dennoch gab van Musschenbroek eine Denkrichtung vor, die von Erfolg gekrönt sein sollte. Die Normalisierung von Festigkeitswerten wurde auf der Grundlage sehr viel zahlreicherer Messergebnisse weiterverfolgt und die Tabellen setzten sich durch. An dem bei den Mathematikern zu beobachtenden Grundprinzip, Materialfestigkeitswerte in Formeln einzusetzen, die die strukturmechanischen Gegebenheiten einer Konstruktion abbilden, hat sich bis heute nichts geändert. Tabellenwerke bzw. Software-Bibliotheken mit Materialfestigkeitswerten oder Belastungsgrenzen sind fester Bestandteil statischer Berechnungsverfahren. Den langsamen Prozess der Normalisierung von Materialwerten in Tabellenwerken nachzuvollziehen, ist ein Desiderat der Bautechnikgeschichte.

2.9 Bautechniken

Bauten sind die entscheidenden Quellen für das Verständnis der Bautechnik701 im frühneuzeitlichen Italien. Da die Bauwerke in der Regel völlig intakt sind, geben sie jedoch – anders als die Ruinen antiker Architekturen – die ihnen zugrundeliegenden Bautechniken nicht ohne weiteres preis. Wichtig sind daher auch die mit der Errichtung dieser Bauten verbundenen Schriftquellen wie Ausschreibungsunterlagen (capitolati), Verträge und misure e stime, die seit dem 16. Jahrhundert zahlreich überliefert sind. Aussagen aus den Traktaten sind hingegen kritisch zu beleuchten. Die dort beschriebenen Bautechniken sind vielfach weit von der Baustellenpraxis entfernt.

2.9.1 Mauerwerkstechnik

Abb. 2.54: Andrea Palladio, Mauerwerksarten der Römischen Antike, aus: Palladio 1570 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.54: Andrea Palladio, Mauerwerksarten der Römischen Antike, aus: Palladio 1570 (Bibliotheca Hertziana).

Die verbreitetste Bauweise im frühneuzeitlichen Italien ist das Mauerwerk. Für Aussagen zu Arbeits- und Lehrgerüsten sei auf Abschnitt 2.7.4 verwiesen. Die erforderlichen Baumaterialien Ziegel- und Naturstein sowie Mörtel und dessen Qualität bzw. regionale Unterschiedlichkeit werden im Abschnitt 2.7 behandelt. Die Traktate der Renaissance beschäftigen sich mit der Mauerwerkstechnik. Ähnlich wie die Materialkapitel bieten auch die Kapitel zur Mauerwerkstechnik kein aktuelles, aus der Praxis der Baustelle hergeleitetes Wissen an, sondern eher ein quellenkundliches und architekturtheoretisches Wissen für gebildete Bauherrn und Architekten, die die (antike) Baukultur kennenlernen möchten – und dazu gehört neben Formensprachen und Bautypen auch die Bautechnik. So beschreibt beispielsweise Alberti nicht die Praxis des Mauerwerksbaus der Renaissance. Er versteht die Mauer als eines der sechs Grundelemente der Architektur und entwickelt zunächst eine begriffliche Fassung der Mauer und ihrer Bestandteile. Alberti erläutert die antiken Mauerwerkstypen und zieht dabei auch Textstellen anderer Autoren heran. Es geht ihm um die Prinzipien des Mauerwerksbaus der Antike, etwa um das Prinzip ,Schale und Füllung‘, um die horizontal durchbindenden Lagen und um allgemeine Grundsätze des Mauerwerksbaus, wie die Verstärkung der Ecken oder das Prinzip des Verbandes, bei dem jede Fuge in der nächsten Lage durch einen Stein überdeckt wird. Alberti erläutert aber in keinem Fall, wie diese Prinzipien händisch-handwerklich in die Tat umzusetzen sind.702 Das wäre auch ein unwahrscheinliches Unterfangen, enthält doch praktisches Wissen um die Bauausführung so viele händisch-handwerkliche Elemente, dass es on-the-job vermittelt werden muss und sich gar nicht gänzlich verschriftlichen lässt (vgl. Abschnitt 2.11). Baupraxis und Traktatwissen bleiben voneinander getrennt.

Abb. 2.55: Vincenzo Scamozzi: Mauerwerke; die Mauerwerke auf der linken Seite sowie O, Q, R, S, T, V und X waren in der Antike üblich; die Mauerwerke P, V, X, Y und Z waren in der Frühen Neuzeit üblich, aus Scamozzi 1615, Band II, 8. Buch, 8. Kapitel, 299 und 302 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.55: Vincenzo Scamozzi: Mauerwerke; die Mauerwerke auf der linken Seite sowie O, Q, R, S, T, V und X waren in der Antike üblich; die Mauerwerke P, V, X, Y und Z waren in der Frühen Neuzeit üblich, aus Scamozzi 1615, Band II, 8. Buch, 8. Kapitel, 299 und 302 (Bibliotheca Hertziana).

In den Traktaten der Renaissance spielt die Bautechnik der Römischen Antike insgesamt eine große Rolle. Das gilt natürlich zunächst für die Neuausgaben und Übersetzungen des antiken Vitruvtextes, etwa diejenigen von Cesariano (1521) und von Barbaro (1556/1567). Letztere enthält zunächst die Übersetzung von Vitruvs Beschreibung der in der Römischen Antike aktuellen Mauerwerkstechniken sowie eine Zusammenstellung verschiedenster historischer Schriftquellen zum Mauerwerksbau. Barbaro bleibt auch in seinem Kommentar eng am Vitruv-Original und geht nicht auf aktuelle Mauerwerkstechniken ein. Serlio (ab 1537) geht lediglich auf einzelne Aspekte der Bautechniken ein, die im Zusammenhang mit dem zweischaligen Mauerwerk behandelt werden. Auch Palladio (1570) stellt die antiken Mauerwerkstechniken vor und erklärt sie aus der Anschauung der Ruinen heraus (Abb. 2.54).703 Dabei sagt er explizit, das opus reticulatum sei zu seiner Zeit nicht mehr in Gebrauch – d. h. Palladio ist sich bewusst, hier eine antike Mauerwerkstechnik der Vollständigkeit halber vorzustellen: Das Vorbild ,Antike‘ wird bedient. Scamozzi (1615) stellt ebenfalls eine gelehrte, philologische Sammlung historischer Schriftquellen zum Mauerwerk zusammen und führt die in der Antike üblichen Mauertechniken auf. Dass es sich dabei um historisches Wissen handelt, wird auch bei Scamozzi deutlich, der antike wie auch zur Zeit der Renaissance aktuelle Mauerwerkstechniken zeigt (Abb. 2.55) und beschreibt,704 wie etwa massives Ziegelsteinmauerwerk und Natursteinquadermauerwerk. Dabei kann Scamozzis Traktat keineswegs als Anweisung für den aktuellen, praktischen Mauerwerksbau verstanden werden. Zwar gibt Scamozzi im Text Hinweise zur Mörtelherstellung, zur Ziegelherstellung (s. o. Abschnitt 2.7) sowie zu den Prinzipien des Mauerwerksbaus, wie Verband, Schale-Füllung, durchbindende Steinlagen, Verstärkung der Ecken. Dennoch kann man mit Scamozzis abstrakten Darstellungen in Schrift und Bild (Abb. 2.55) auf der Baustelle praktisch nichts anfangen: Das Vorgehen Schritt für Schritt wird nicht gezeigt. In den Abbildungen sind zudem Maßstabssprünge. Das opus reticulatum wird im Vergleich zu den in horizontalen Lagen gemauerten Ziegeln viel zu groß dargestellt. Zudem sagt Scamozzi nichts über Werkzeuge und definiert keinerlei baupraktische Dinge, etwa welche Konsistenz der Mörtel für die Herstellung eines opus reticulatum haben muss oder wie die leicht konischen Steine für das reticulatum zu schlagen sind. Wenn man auf Scamozzis Grundlage diese Mauerwerkstechnik wiederbeleben wollte, müsste man sich ihr per trial-and-error nähern und so lange auf der Baustelle probieren, bis die Ausführung der Mauer hinreichend funktioniert. Im Ergebnis wäre dann jedoch aller Voraussicht nach nicht die antike Bautechnik wiederbelebt worden. Vielmehr würde es sich um eine neue Bautechnik handeln.

Abb. 2.56: Jacopo Barozzi da Vignola, Palazzo Farnese, Piacenza, ab 1558 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.56: Jacopo Barozzi da Vignola, Palazzo Farnese, Piacenza, ab 1558 (Foto: H. Schlimme).

Die von Scamozzi gezeigten Mauerwerke (Abb. 2.55) haben zudem weder unteren Abschluss noch Krone noch ist klar, wo Innen und wo Außen ist, wie Mauerwerksverband und -aufbau an Fensteröffnungen oder Ecken zu behandeln ist, wie der Einbau von architektonischer Gliederung aus Naturstein vorzubereiten ist und wie eine Balkendecke oder ein Gewölbeansatz in das Mauerwerk einbinden. All das wird bei Scamozzi und in den anderen Traktaten nicht thematisiert. Der gebildete Bauherr und der entwerfende Architekt müssen dieses Wissen nicht haben. Vielmehr sind hier Leute von außerhalb des Adressatenkreises der Traktate gefragt, nämlich die Bauleute mit ihren Baustellen-Erfahrungen und regionalspezifischen Materialkenntnissen.

Abb. 2.57: Jacopo Barozzi da Vignola und Giacomo della Porta, Il Gesù, Rom, 1568–1584, Außenwand (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.57: Jacopo Barozzi da Vignola und Giacomo della Porta, Il Gesù, Rom, 1568–1584, Außenwand (Foto: H. Schlimme).

Ein gutes Beispiel für diese Kompetenzenteilung ist der nach Entwurf Vignolas ab 1558 errichtete Palazzo Farnese in Piacenza (Abb. 2.56), für den sich die den Handwerkern übergebenen Baupläne Vignolas identifizieren lassen (Abb. 2.26; vgl. Abschnitt 2.6.1). In den Plänen und in den dazugehörigen Ausschreibungsunterlagen von 1558 (capitolati) wurden lediglich Raummaße sowie Mauerwerksstärken angegeben. Die Bautechnik im Einzelnen sowie die Entwicklung konstruktiver Details blieben hingegen den Handwerkern überlassen.705 Der nicht fertiggestellte Palazzo Farnese in Piacenza zeigt, wie der Rohbau einer Mauer bautechnisch ausdifferenziert wurde. Regelmäßig und dicht an dicht angeordnete tiefe Höhlen im Mauerwerksverband ermöglichen die Anbringung des schweren und ausladenden geschosstrennenden Gesimses. Das Mauerwerk um die Fensteröffnungen wird zurückgenommen, um die Fensteraedikulen einbauen zu können. Im Tympanonbereich wird ein flachere Vertiefung belassen, die dann im Zusammenhang mit dem Einbau des Tympanons abgemauert wird (unten in Abb. 2.56). Die Fenstergewände waren ursprünglich ebenfalls deutlich ausgetieft; die Vertiefungen wurden zu einem späteren Zeitpunkt aber offensichtlich abgemauert, als klar wurde, dass die Fensteraedikulen nicht mehr eingebaut werden würden.

Abb. 2.58: Brunnen an der Rampa di San Sebastianello, ,abgeschnittene‘ Ziegelsteinschale, ca. 1570 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.58: Brunnen an der Rampa di San Sebastianello, ,abgeschnittene‘ Ziegelsteinschale, ca. 1570 (Foto: H. Schlimme).

Scamozzi beschreibt weitere, in der Renaissance übliche Mauerwerkstechniken. Neben massivem Ziegelsteinmauerwerk und Natursteinquadermauerwerk war gerade in Mittelitalien und in ländlichen Gegenden Bruchsteinmauerwerk üblich. In diesem Zusammenhang spricht Scamozzi von den in Rom üblichen Sichtziegelverblendungen oder –schalen.706 Die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Rom übliche Kombination eines in tevolozza errichteten tragenden Mauerquerschnitts mit einer Verblendung in Form einer halbsteinigen Ziegelsteinschale (fodera muraria in laterizio, cortina laterizia) beschreibt Scamozzi hingegen nicht. Tevolozza bezeichnet ein Mauerwerk, das aus wiederverwendeten, aus der Antike stammenden, zum Teil zerbrochenen Ziegelsteinen mit viel Mörtel aus Kalk und Puzzolanerde hergestellt wird. Durch ihre lange Lebenszeit sind die alten Ziegelsteine in ihren Poren verschlossen. Im Rom der Frühen Neuzeit war man davon überzeugt, dass tevolozza daher besser haltbar und für statisch schwierige Bereiche besonders geeignet war. So wurde etwa der Tambour der Cappella Sistina an Santa Maria Maggiore (1585–86) aus tevolozza in doppia fodera debitamente ammorsate, d. h. aus tevolozza mit beidseitiger eng verzahnter Ziegelsteinverblendung errichtet.707 Auch die Flankenwände der Kirchen Il Gesù (1568–84) und Sant’Andrea della Valle (1591–1623) wurden in tevolozza mit Ziegelsteinverblendung ausgeführt (Abb. 2.57). An der Rampa San Sebastianello in Rom ist eine ,abgeschnittene‘ Ziegelsteinverblendung zu sehen (Abb. 2.58).708 Ein weiteres Beispiel für die Verwendung von tevolozza ist der nach Entwurf Francesco Borrominis errichtete Tambour von Sant’Andrea delle Fratte (ab 1653). Dieser ist besonders aufschlussreich, da die tevolozza nicht mit einer Ziegelsteinschale verblendet oder – wie in diesem Fall geplant – verputzt wurde, sondern unvollendet blieb (Abb. 2.59).709

Abb. 2.59: Francesco Borromini, Sant’Andrea delle Fratte, Tambour, 1653–1663, tevolozza-Mauerwerk ohne Verputz (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.59: Francesco Borromini, Sant’Andrea delle Fratte, Tambour, 1653–1663, tevolozza-Mauerwerk ohne Verputz (Foto: H. Schlimme).

Varagnoli hat die cortine laterizie d. h. die Sichtziegelschalen im Rom der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts studiert.710 Dabei handelt es sich – wie oben bereits gesagt – um halb-steinige Vorsatzschalen, die das eigentlich tragende Mauerwerk verkleiden. In den Schriftquellen ist von fodere di facciata (Fassadenverkleidungen) oder incrostature (Inkrustationen) die Rede, die in der Regel weiter qualifiziert werden: fodere di mattoni arrotati stuccati e signiati, womit die Arbeitsschritte arrotatura, stuccatura und stilatura gemeint sind, die unten im Einzelnen beschrieben werden. Die Sichtziegelschalen waren die teuersten Ziegelsteinarbeiten. Wenn der Auftragnehmer lediglich die Verarbeitung, jedoch nicht die Beschaffung des Materials übernimmt (in den Quellen spricht man dann von a manifattura), beläuft sich die Quadratcanna (entspricht 5 m2) auf 65–90 Baiocchi. Wenn Arbeits- und Materialkosten abgerechnet werden (a tutta roba) liegen die Kosten bei 2 Scudi, d. h. etwa 3 mal so viel.711 Der hohe Preis des Materials erklärt sich, weil die am besten und am gleichmäßigsten gebrannten Ziegel aus den Bränden ausgewählt wurden. Die Verbindung zum rückwärtigen Mauerwerk wurde durch Bindersteine hergestellt. Diese wurden in den Ausschreibungsunterlagen (capitolati) vehement gefordert, aber – wie im Fall von Sant’Andrea della Valle – nicht gesondert vergütet. Daher waren die Bauleute gerade bei Verträgen a tutta roba geneigt, die Bindersteine selten oder gar nicht zu setzen.712 Beim Collegio Romano, der Casa Professa der Jesuiten und auf der Flanke von San Giovanni die Fiorentini sind die Bindersteine zahlreich, aber nicht regelmäßig. Im Übrigen ist die Präsenz von Bindersteinen generell sehr gering. Abgesehen von den Bindern sagen die capitolati wenig über konstruktive Details oder über die Ziegelsteinformate. Die Verwendung der üblichen Formate wird schlicht vorausgesetzt. Auch der Mauerwerksverband (l’apparecchio) wird in den capitolati nicht benannt.

Ein Verputz für Mauerwerk bestand üblicherweise aus den drei Schichten rinzaffo, arriccio und colla. Der rinzaffo ist die unterste Putzschicht, die aus Kalk und groben Zuschlägen wie Ziegelbruch oder Kies gemacht wurde. Die Aufgabe des rinzaffo war es, die Unregelmäßigkeiten des Mauerwerks auszugleichen. Die zweite Putzschicht, der arriccio, besteht aus Kalk und pozzolana sowie feinem Kies und Sand als Zuschlagstoffen. Der arriccio soll die Setzungen während des Abbindens des Mauerwerks ausgleichen und eine glatte Oberfläche für die Aufbringung der obersten Putzschicht colla bieten. Die colla kommt in den Baudokumenten in Rom seit dem 15. Jahrhundert vor. Colla ordinaria wird aus zwei Teilen Kalk und fünf Teilen feiner pozzolana gemischt. Durch die Beimischung von weiteren Zutaten wie Kohlenstaub, Marmor- oder Travertinmehl ergaben sich colle für Spezialanwendungen.713

2.9.2 Opus quadratum, zweischaliges Mauerwerk

Opus quadratum

Opus quadratum bezeichnet aus Natursteinblöcken hergestelltes Mauerwerk, das als römisch-antikes Mauerwerk schlechthin gilt. Als Beispiele können Bauten wie das Kolosseum in Rom benannt werden. Natursteinmauerwerk blieb in Italien durch das ganze Mittelalter hindurch üblich und wurde z. B. für Kirchenfassaden angewandt. Im mittelalterlichen Rom hingegen war der Ziegelsteinbau vorherrschend. Ab der Renaissance wurde das opus quadratum auch in Rom erneut verwendet, etwa für die heute zerstörte Benediktionsloggia von Alt-St.-Peter (ab 1460) und die Benediktionsloggia von San Marco (ab 1464, Abb. 2.60).714 Die Verwendung von Quaderwerk aus Naturstein oder Marmor spielte in der frühneuzeitlichen Architektur in Italien insgesamt eine wichtige Rolle. Über Materialgewinnung und Transport wurde an den entsprechenden Stellen berichtet.715 Aufgrund der hohen Transportkosten spielten die jeweils lokalen Natursteine die entscheidende Rolle. Wichtig bei der Wahl der Natursteine war aber nicht nur ihr Vorhandensein vor Ort. Mit der Renaissance und dem Wunsch, die Antike nachzuahmen, änderten sich bisweilen die Vorlieben und es kamen festere Natursteine zum Einsatz, die sich besser zum Einmeißeln detailreicher antikisierender Ornamentik eigneten. War im Mittelalter in Mantua der Rosso di Verona üblich gewesen, kommt ab dem 15. Jahrhundert der harte Azzurognolo di Noviglio zum Einsatz.716

Abb. 2.60: San Marco, Rom, Benediktionsloggia, ab 1464 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.60: San Marco, Rom, Benediktionsloggia, ab 1464 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.61: Sebastiano Serlio, 4. Buch (1537), LXVII r (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.61: Sebastiano Serlio, 4. Buch (1537), LXVII r (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.62: San Luigi dei Francesi, Rom, ab 1530, unvollendete Flanke mit Verzahnung zwischen Ziegelsteinmauer und Travertinfassade (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.62: San Luigi dei Francesi, Rom, ab 1530, unvollendete Flanke mit Verzahnung zwischen Ziegelsteinmauer und Travertinfassade (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.63: Giacomo della Porta, Palazzo Maffei, 1577–1583, unvollendet, zweischaliges Mauerwerk (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.63: Giacomo della Porta, Palazzo Maffei, 1577–1583, unvollendet, zweischaliges Mauerwerk (Foto: H. Schlimme).

Eine reine Natursteinquaderkonstruktion ist im frühneuzeitlichen Italien jedoch selten. Oft wurde eine Natursteinschale mit einer rückwärtigen Ziegel- oder Bruchsteinmauer verbunden. Serlio beschreibt in seinem Traktat zweischaliges Mauerwerk und diskutiert, wie die beide Mauerschalen aus Naturstein und Ziegelstein miteinander zu verbinden seien (Abb. 2.61).717 Serlio leitet die Verfahrensweisen wohl aus der Baustellenpraxis her, er idealisierte aber in vielen Fällen und präparierte die Prinzipien heraus, die er meinte, in den Verfahrensweisen zu erkennen. Die hohe konstruktive Logik in Serlios Ausführungen spiegelt die Praxis der Baustelle oft nicht wider. Serlio bevorzugt die Konstruktionen „A“ und „B“ (Abb. 2.61) und formuliert das Prinzip, nach dem bei diesen beiden Konstruktionen Natursteinschale (,Knochen‘) und Ziegelsteinschale (,Muskeln‘) die Tragwirkung gemeinsam aufbauen, wobei jede für sich eine beachtliche Dicke haben sollte. In der Realität der Baustelle wurde zwar sehr auf die gute Verzahnung von Naturstein- und Ziegelsteinschale und damit tatsächlich auf eine gemeinsame Tragwirkung geachtet, die Natursteine fallen jedoch deutlich dünner aus als in „A“ und „B“ gezeichnet (Abb. 2.622.63). Vor allem aber empfiehlt Serlio, beide Mauerschalen gleichzeitig aufzuführen, was hingegen in der Praxis regelmäßig nicht passierte, insbesondere bei Kirchenfassaden, die häufig in einem zweiten Moment mit einer Natursteinschale verkleidet wurden. Als Römische Beispiele seien benannt: San Giovanni dei Fiorentini (Rohbaufassade 1582–1618 unter Giacomo della Porta/Carlo Maderno; Fassadenverkleidung 1732–35 von Alessandro Galilei), Sant’Andrea della Valle (Rohbaufassade 1591–99 unter Francesco Grimaldi/Giacomo della Porta; Fassadenverkleidung 1661–67 von Carlo Rainaldi) oder San Carlo alle Quattro Fontane (Rohbaufassade 1638–41 unter Francesco Borromini; Fassadenverkleidung ab 1665 von Francesco und Bernardo Borromini).718 Etliche Fassaden, wie die von San Lorenzo in Florenz, zeigen bis heute den Ziegel- oder in diesem Fall Bruchsteinrohbau (Abb. 2.64). Das bedeutet, dass die Natursteinschale als Verkleidung aufgefasst wurde, und nicht als integraler Teil des Tragsystems, wie Serlio es beschreibt. Serlio erfasst diesen Teil der Baupraxis nicht. Wohl aber beschreibt er die Verkleidung des Mauerwerks unter Verwendung dünner Natursteinplatten, die mit Hilfe von tief einbindenden Profilsteinen mit Schwalbenschwanzköpfen zu verbauen sind (Abb. 2.61, „C“). Serlio missbilligt diese Konstruktion, gestattet ihre Anwendung jedoch, wenn es gilt, teures Marmormaterial zu sparen.719 Diese Bauweise wurde bis ins 15. Jahrhundert in Florenz und v. a. in Venedig praktiziert.720 Auch Alberti beschreibt diese Technik.721

Abb. 2.64: Filippo Brunelleschi, San Lorenzo, Florenz, Fassadenmauer, ab 1421, nach Brunelleschi’s Tod 1446 errichtet (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.64: Filippo Brunelleschi, San Lorenzo, Florenz, Fassadenmauer, ab 1421, nach Brunelleschi’s Tod 1446 errichtet (Foto: H. Schlimme).

Die visuelle Kultur der Antike und der Renaissance baute auf echten Naturstein. Bei Geldmangel waren aber steinvortäuschende Putze statthaft. Eine Natursteinverkleidung ließ sich auch aus Stuck nachahmen und die Steinmaserung aufmalen. Eine solche Handhabung ist an der Kurie im römischen Forum Romanum noch zu erkennen. Die Renaissance übernahm die Verfahren, Natursteinverkleidung zu simulieren, aus der Antike. Alberti benannte diese Möglichkeit und Serlio gestattete ausdrücklich, Marmor durch gleichaussehende Putze zu ersetzen. Vorgetäuschte Natursteinverkleidung diente im Selbstverständnis der Renaissance weniger dazu, den Betrachter zu täuschen, als vielmehr dazu, die Ausdruckskraft antiker Vorbilder zu erreichen.722

Die Architekten der Renaissance zitierten bisweilen die Ästhetik antiker Mauerwerkstechniken, ohne jedoch die antike Konstruktionstechnik zu übernehmen. So wurde beim Palazzo Rucellai, der 1446–51 nach Entwurf Albertis in Florenz errichtet wurde, ein opus reticulatum oberflächlich in die Natursteinverkleidung eingeschlagen (Abb. 2.65).723 An der Fassade des Palazzo della Cancelleria in Rom (ab 1489) wurde der Fugenschnitt des opus isodomum in die Oberfläche wenig einbindender, größerer Steinplatten eingemeißelt (Abb. 2.66).724 Auch der wahrscheinlich von Giuliano da Maiano errichtete Palazzo Giovanni Bono Boni (1464) zeigt opus isodomum, das ebenfalls nicht aus Steinblöcken sondern aus Steinplatten erstellt wurde.725

Abb. 2.65: Leon Battista Alberti, Palazzo Rucellai, Florenz, 1446–1451, man beachte das opus reticulatum im Sockel (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.65: Leon Battista Alberti, Palazzo Rucellai, Florenz, 1446–1451, man beachte das opus reticulatum im Sockel (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.66: Palazzo della Cancelleria, Rom, ab 1486, Fassadendetail (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.66: Palazzo della Cancelleria, Rom, ab 1486, Fassadendetail (Foto: H. Schlimme).

Der antikisierende Charakter des opus isodomum lag in seiner perfekten Regelmäßigkeit. Rustikamauerwerk mit unterschiedlich hohen Steinlagen, wie am Palazzo Rucellai zu sehen (Abb. 2.65), kommt hingegen aus einer anderen Wurzel. Die Rustika entwickelte sich aus dem unregelmäßigem Natursteinquaderwerk, das im mittelalterlichen Haus- und Palastbau in Florenz und in der Toskana üblich war. Das verfügbare Steinmaterial wurde nach Höhe sortiert und in verschieden hohen Schichten verbaut. Die Oberflächen der Steine wurden im späten Mittelalter zunächst rau und unbearbeitet belassen. Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurde die Steinmetztechnik verfeinert, ein Randschlag eingeführt und eine größere Regelmäßigkeit angestrebt.726 Die Rustika stellt eine gestalterische Überhöhung des unregelmäßigen Natursteinmauerwerks dar. Die Unregelmäßigkeit war gewünscht.

2.9.3 Steinmetztechnik

Aufgabe der Steinmetzen war es, einen Architekturentwurf mit (lokalem) Naturstein umzusetzen und zunächst aufgrund der Materialeigenschaften den geeigneten Steinschnitt festzulegen. Der Architekt wählte den zu verwendenden Naturstein wohl in der Regel nicht selbst aus. Das war die Aufgabe des Bauherrn unter Rücksprache mit den Steinmetzen. Das gilt zumindest für Vignola, der für den Palazzo Farnese in Piacenza und für die Madonna del Piano in Capranica hinsichtlich der Wahl des Natursteins nicht gefragt und beim Palazzo Farnese in Caprarola lediglich am Rande einbezogen wurde.727 Ob sich diese Aussage generalisieren lässt, wäre anhand vieler weiterer Fälle zu überprüfen. Ein gutes Beispiel für eine solche Arbeitsteilung zwischen Architekt und Steinmetz sind die von Vignola in der Regola publizierten Portalentwürfe, wie etwa der nicht ausgeführte Entwurf für das 6 x 3 m große Portal des Palazzo della Cancelleria in Rom (Abb. 2.67, links).728 Das Traktat benennt weder das Material, mit dem das Portal hätte ausgeführt werden sollen, noch werden Angaben zum Steinschnitt gemacht. Maße werden in Modulen und nicht in absoluten Zahlen vermerkt. Alle technischen Entscheidungen, die bei einer konkreten Realisierung eines Portals nach diesem Entwurf erforderlich werden, bleiben dem Steinmetz überlassen. Der Entwurf Vignolas war Grundlage für ein Portal des Palazzo Comunale in Bologna (1547) (Abb. 2.67, Mitte). Hier wurde das Portal mit einigen Abwandlungen in den Details, deutlich kleinerer Dimension, steilerer Proportion (2,90 x 1,33 m) und aus dem lokalen Naturstein masegna realisiert. Tuttle vermutet für dieses Portal eine direkte Beteiligung Vignolas.729 Aufschlussreicher ist das Portal des Palazzo Landi-Corradi in Todi (Abb. 2.67, rechts), für das Vignolas Portalentwurf ebenso Grundlage war. Das Portal ist im Lichten ca. 4,10 m hoch, entspricht in Proportionen und Details genau dem Entwurf Vignolas und hat lediglich eine breitere Balusterbrüstung. Für Todi vermutet Piccarreta auf der Grundlage der Restaurierungsberichte und auch aufgrund der detailgetreuen Übereinstimmung mit dem publizierten Entwurf eine Realisierung ohne jede Beteiligung Vignolas.730 Die lokalen Bauleute hätten den Bau des Portals allein auf der Grundlage des in der Regola publizierten Stiches begonnen. Klarer könnten Arbeits- und Wissensteilung nicht sein. Das Portal in Todi hat zwei Urheber: Vignola war der Autor des Entwurfs und die Steinmetze die Autoren der Realisierung. Sie konzipierten den Steinschnitt in Abhängigkeit vom gewählten Material und der Dimension des zu errichtenden Portals. Tatsächlich kannten die lokalen Steinmetze die örtlichen Natursteine und ihre Eigenschaften am besten.

Abb. 2.67: Links: Jacopo Barozzi da Vignola, Portal für den Palazzo della Cancelleria, aus Vignola 1562 (Bibliotheca Hertziana); Mitte: Palazzo Comunale, Bologna, Portal; rechts: Palazzo Landi-Corradi, Todi, Portal (Bibliotheca Hertziana, Archivio Fotografico).

Abb. 2.67: Links: Jacopo Barozzi da Vignola, Portal für den Palazzo della Cancelleria, aus Vignola 1562 (Bibliotheca Hertziana); Mitte: Palazzo Comunale, Bologna, Portal; rechts: Palazzo Landi-Corradi, Todi, Portal (Bibliotheca Hertziana, Archivio Fotografico).

Einen Überblick über die Travertinbau- und -bearbeitungstechnik in Rom gibt Marinozzi:731 In den capitolati aus dem Zeitraum vom Ende des 16. Jahrhunderts bis ca. 1630 wurden die Travertinarbeiten im römischen Bauwesen in pelle piana bzw. piani (plane Oberflächen), pelle scorniciata (profilgerahmte Flächen), scorniciati (Profile) und d’intaglio (Bildhauerarbeiten, also v. a. Kapitelle und Wappen) unterteilt. In den capitolati wird oftmals die Präsenz einer squadra completa vorgeschrieben, in der alle Kompetenzen vertreten sein müssen, die zur Travertinbearbeitung erforderlich sind: Dazu gehören scarpellini (Steinmetze), squadratori (Steinhauer), intagliatori (Bildhauer), lustratori (Polierer), sigatori (Steinsäger), garzoni. Die Steinbearbeitung war also weit ausdifferenziert und sehr arbeitsteilig organisiert. Wurden die Arbeiten a tutta roba vergeben, hatten also die auftragnehmenden Steinmetze die Aufgabe, das Baumaterial zu beschaffen, so wurde ihnen in der Regel der Steinbruch vorgeschrieben. War hingegen der Bauherr für die Beschaffung des Materials zuständig, so wurden die Steinblöcke nach Vermessung durch den Architekten oder einen Vertreter den Steinmetzen übergeben. Diese zersägten dann die Blöcke in die erforderlichen Teile (rochiare e fendere). Das wurde mit cunei (Keilen), mazze (Vorschlaghämmer) und subbie (Meißel) bewerkstelligt – lediglich für Marmor wurden Sägen verwendet, deren Blätter aus Eisenblech, Kupfer oder Blei gefertigt waren und je nach Steinhärte ein glatt oder gezahnt ausgebildetes Blatt aufwiesen. Anders als in den Traktaten beschrieben wurden die Travertinsteine nicht gelagert, sondern sogleich nach dem Brechen verbaut.

Abb. 2.68: Francesco Borromini, San Carlino (San Carlo alle Quattro Fontane), Rom, Fassade, ab 1665 (Foto H. Schlimme).

Abb. 2.68: Francesco Borromini, San Carlino (San Carlo alle Quattro Fontane), Rom, Fassade, ab 1665 (Foto H. Schlimme).

Die Steine waren – so berichtet Marinozzi weiter732 – so zu versetzen, dass die Schichtstruktur des Steins horizontal liegt und dass – so schreibt es etwa Alberti vor733 – die härteste Seite des Steins als Außenoberfläche verwendet wird. Diese Vorgabe wurde regelmäßig bei tragenden Elementen wie Pfeilern eingehalten, aber beispielsweise nicht bei Fensterleibungen, zumal sich die Steine in Richtung ihrer Schichtstruktur sehr viel leichter bearbeiten lassen. Es bestand für die Steinmetze zudem die Versuchung, bei Verträgen a tutta roba mit dem Material zu sparen und die Travertinsteine für Architrave und Fensterleibungen extrem dünn auszubilden. Über Regelungen in den capitolati versuchte man dem beizukommen und halbierte den Preis für Elemente, die in dieser Weise a tradimento hergestellt wurden. Waren die Steine einmal verbaut, ließ sich die Täuschung aber praktisch nicht mehr nachweisen. Die Profile wurden vom Architekten im Maßstab 1:1 als Zeichnung oder Modell zur Verfügung gestellt.734 Diese wurden auf ein Holzbrett übertragen, das mit Blech beschlagen wurde, um kantenscharf zu bleiben. Das Profil wurde auf dem zu profilierenden Stein hin- und hergeschoben. An den Enden des Steins wurden sogenannte regoli angebracht. Regoli sind offenbar Gipsabgüsse des Profils. Die Oberflächen der Travertinblöcke wurden mit sogenannten gradine behandelt. Für den Fall, dass sich aus Gründen der Porosität des Travertinmaterials einzelne Steinstücke lösten, wurde in den capitolati in der Regel vorgeschrieben, dass tasselli a coda di rondine (Flickstücke mit Schwalbenschwanzverzahnung)735 herzustellen seien, die ausschließlich mit stucco a fuoco zu versetzen waren. Bei stucco a fuoco handelt es sich, wie Baldinucci736 in seinem Wörterbuch beschreibt, um einen Stuck, der aus pece greca, cera gialla, e trementina con polvere di marmo besteht.737

Vor dem Versatz – so Marinozzi weiter738 – wurden die Travertinblöcke auf der unbearbeiteten Seite mit metallenen Stangen (spranghe) und Bolzen (perni) versehen. Dieser Arbeitsschritt wurde ferratura genannt. Die capitolati schreiben vor, die Metallteile mit Blei zu vergießen. Die Stangen und Bolzen konnten aus Eisen oder im Idealfall aus Bronze sein. Eisen hatte den Nachteil, dass sich Rostfahnen bildeten. Zudem führte Korrosion zu Steinabsplitterungen. Für das Versetzen freistehender Säulen schrieb Alberti vertikale Bolzen in der Achse der Säule vor.739 Ob diese aber tatsächlich verwendet wurden ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass die Steinblöcke an den Gebäudeecken besonders tief einbinden und die capitolati verlangten, die Mauern an den Ecken ggf. entsprechend zurückzuarbeiten. Die Blöcke wurden mit Kränen versetzt.740 Bezahlt wurde je nach Höhe über dem Boden, auf der der Stein zu versetzen war. Zum Versatz wurden die Blöcke auf der Oberseite mit Löchern versehen. Dort hinein wurde ein Wolf (ulivella)741 gesteckt, der sich beim Anheben spreizte und sich im nach unten breiter werdenden Loch verkeilte. In der Regel wurden die Steine durch die Maurer versetzt,742 z. T. unter Anwesenheit eines der Steinmetzen. Beim Marmor übernahmen hingegen die Steinmetze selbst den Versatz.

Eine ausgefeilte Steinschnitttechnik, wie sie sich in der Frühen Neuzeit v. a. in Frankreich und Spanien entwickelte,743 war in Rom in aller Regel nicht gegeben. So zeigt etwa die Petersfassade einen unregelmäßigen Steinschnitt.744 Es gibt jedoch Ausnahmen: Wie kompliziert nämlich der Steinschnitt mit den kurvierten Grundrissen und komplexen Aufrissen im römischen Hochbarock werden konnte, zeigt die Fassade von San Carlo alle Quattro Fontane (kurz San Carlino) in Rom. Aus dem einfachen Stütze-Balken-System der klassischen Säulenordnungen wurden sehr viel komplexere konstruktive Gesamtzusammenhänge, die eine ganz neue Systematik im Steinschnitt erforderlich machten745: Die ab 1638 bis 1641 errichtete Kirche San Carlino746 blieb zunächst mit einer im Rohbau belassenen Fassade stehen. Ab 1665 bis zu seinem Tod errichtete Borromini die untere Ordnung der Fassade nach neuem Konzept und unter Abbruch von Teilen der Rohbaufassade.747 Francesco Borrominis Neffe Bernardo errichtete ab 1675 die obere Ordnung (Abb. 2.68). Die zweigeschossige, dreiachsige Fassade hat einen doppel-s-förmig geschwungenen Grundriss. Borromini schuf ein dicht gedrängtes, plastisch ausformuliertes Fassadenrelief. In jedem Geschoss wechseln sich vier Rundsäulen mit Wandblöcken ab, die jeweils durch zwei übereinanderliegende und von Säulen-Gebälkrahmen bzw. Architravierungen umfangene Öffnungen (Figurennischen, Portal, Fenster) gegliedert sind. Plastizität und Kurvierung führen dazu, dass einzelne Blöcke der vollständig aus Travertin errichteten Fassade erheblich vorkragen; insbesondere im Zusammenhang mit dem unverkröpften Gebälk der unteren Ordnung, das den doppel-s-förmigen Schwung der Fassade ungestört zeigt und der gesamten Fassade optisch Zusammenhalt gibt. Gleichzeitig ergeben sich an dieser Stelle konstruktive Probleme.

Ceradini hat im Vorfeld der Restaurierung der Fassade ihren Steinschnitt präzise dokumentiert.748 Mit Hilfe von Abrechnungen, die aber lediglich den oberen Teil der Fassade betreffen,749 konnte Ceradini jeden einzelnen Steinblock identifizieren, seine Einbindetiefe ermitteln und nachvollziehen, wie die Steinblöcke ineinander verkeilt sind. Aus Ceradinis Ausführungen wird deutlich, dass die konstruktive Lösung der vorkragenden Architrave Teil einer ausgefeilten konstruktiven Durchbildung der gesamten Fassade ist. Die Konstruktion der Fassade ist Spiegelbild ihrer Form. Die Fassade übertrifft in Versatzgenauigkeit und technischer Ausführungsqualität insbesondere im Erdgeschoss mit seinem perfekt symmetrischen Steinschnitt den Durchschnitt vergleichbarer Bauten aus dem Rom des 17. Jahrhunderts bei weitem.750 In den konkaven Fassadenbereichen verzahnen sich die Natursteinblöcke perfekt mit der Rohbaumauer. Die konvex vorspringenden Fassadenbereiche und die ausladenden Gebälke bestehen hingegen vorwiegend aus großen Natursteinblöcken, die tief, d. h. etwa im Maß der Ausladung in das Mauerwerk einbinden (Abb. 2.69).751 Für die untere Ordnung, die es mit einer bestehenden Rohbaufassade zu verzahnen galt, kennen wir die Einbindetiefe der Steine nicht. An dieser Stelle kommt eine zweite Problematik hinzu: Aufgrund der von hinten gegen die Fassade drängenden Eingangsapsis ist die Fassade in ihrer Mittelachse gerade einmal 85 cm dick und wird zudem durch das Portal unterbrochen und im Bereich der Figurennische über dem Portal auf 20 cm Dicke reduziert. Das konvex ausladende Gebälk der Hauptordnung kragt mit seinem Kranzgesims im Bezug auf die Wandebene um nicht weniger als 1,35 m aus. Bezogen auf die Tiefe der Figurennische sind es 2 m. Ein Gegengewicht durch entsprechend tiefe Einbindung der Travertinblöcke wie in der oberen Ordnung ließe sich hier lediglich erreichen, wenn die Hauptgebälke des Innenraums und der Fassade aus durchgehenden Steinen bestünden. Das ist jedoch nicht der Fall, da Borromini die später realisierte Fassade zur Bauzeit der Kirche noch gar nicht konzipiert hatte. Borromini hat das ausladende Gebälk des unteren Fassadengeschosses offenbar durch die Auflast des oberen Fassadengeschosses fixiert und möglicherweise zusätzlich schmiedeeiserne Anker angebracht. Sicher ist es kein Zufall, dass der gesamte konvexe Mittelteil des ausladenden Kranzgesimses ein einziger Steinblock ist, auf den die gesamte Auflast des Fensterhäuschens wirkt (Abb. 2.69). Aber auch der Steinschnitt unter dem Kranzgesims ist aufschlussreich. Der Architrav wird im konvex vorspringenden Teil wohl aus Gewichtsgründen aus zwei Steinblöcken gebildet. Jeder der beiden Blöcke liegt auf der einen Seite auf einer der Freisäulen auf, während beide Blöcke in der Mittelachse der Fassade zusammenstoßen. Dort werden sie von den zwei ineinander geschachtelten, im Steinschnitt ablesbaren, der architektonischen Gliederung folgenden, massiven Pfeiler-Balkenrahmen unterstützt (Abb. 2.69). Die hochgereckten und weit nach vorn gezogenen Flügel der die Nische flankierenden Engel sollen den konvexen Vorschwung des Architravs optisch überbrücken – aber die Frage ist, ob hier nicht auch eine statische Wirkung der überaus kräftig ausgebildeten Flügel angenommen werden kann.752

Abb. 2.69: Francesco Borromini, San Carlino, Rom, Steinschnittdarstellung der Fassade, Ansicht (oben) und Grundriss (unten) (Quelle: Ceradini 1993, 57, 59).

Abb. 2.69: Francesco Borromini, San Carlino, Rom, Steinschnittdarstellung der Fassade, Ansicht (oben) und Grundriss (unten) (Quelle: Ceradini 1993, 57, 59).

Abb. 2.70: Francesco Borromini, San Carlino, Rom, Darstellung des Steinversatzes am Obergeschoss der Fassade (Quelle: Ceradini 1993, 58).

Abb. 2.70: Francesco Borromini, San Carlino, Rom, Darstellung des Steinversatzes am Obergeschoss der Fassade (Quelle: Ceradini 1993, 58).

Ceradini ist sicher, dass bei der Errichtung der Fassade von San Carlino die Steinblöcke zunächst versetzt wurden und in einem zweiten Schritt die Profile angebracht wurden (Abb. 2.70). Das gehe zwar aus den Schriftquellen nicht hervor, wohl aber aus dem Bauwerk selbst: Denn an einigen Stellen sei die Präzision, mit der die Profilierungen von einem Travertinblock auf den anderen übergehen, höher als die Versatzgenauigkeit der Travertinblöcke.753 Sollte Ceradinis Vermutung stimmen, wäre es interessant, zu ermitteln, wie sich die beiden Verfahrensweisen ,zuerst Profil schlagen – dann Steinblock versetzen‘ und ,zuerst Steinblock versetzen – dann Profil schlagen‘ zueinander verhalten.

In ihrem Fokus zur Kuppel des Florentiner Doms im vorliegenden Band berichtet Margaret Haines über die Errichtung des aus Naturstein zusammengesetzten Druckrings, der die Florentiner Domkuppel nach oben abschließt und das Fundament für die Kuppellaterne bildet. Vitale Zanchettin beschreibt die Errichtung des Tambours der Peterskuppel aus Travertin und geht dabei insbesondere auf die Kommunikation zwischen Baustelle und Steinbruch ein.754

2.9.4 Hebezeuge und Baumaschinen

Auf den frühneuzeitlichen Baustellen in Italien wurden regelmäßig Baumaschinen eingesetzt. Sobald ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung standen, wurde jedoch gern auf den Einsatz von Baumaschinen verzichtet. So fanden diese Geräte auf den Festungsbaustellen in der Toskana, aber auch bei den großherzoglichen Zivilbauprojekten, nur wenig Verwendung – dort stand aufgrund der comandate, also der Arbeitsverpflichtung der ortsansässigen Bevölkerung, reichlich Arbeitskraft zur Verfügung. Lamberini vermutet (ohne jedoch die Indizien dafür zu benennen), dass jeder Bauarbeiter die ,einfachen‘, täglich eingesetzten Maschinen rational anzuwenden wusste, so dass deren Beschreibung oder bildliche Darstellung entbehrlich war. Das gelte für capra (aus drei oder vier pyramidal zusammengestellten Holzbalken bestehender Kran), falcone (Ausleger), argano (Winde), curri (Rollhölzer), ulivella (Wolf), ruota calcatoria, taglia (Umlenkrolle) und paranco (Flaschenzug).755 Zu den größeren Maschinen gehörten neben Rammen für Pfahlgründungen und Maschinen für das Heben von Wasser756 vor allem die komplexeren Hebezeuge und Kräne, wie die antenne, also mit Seilen abgespannte, vertikale Balken, die wenig Platz beanspruchten und große Lasten heben konnten (Abb. 2.71). Zu Baumaschinen gibt es zahlreiche Publikationen.757 D’Amelio z. B. beschreibt, dass das Ausleihen von Baumaschinen eine wesentliche Einkommensquelle für die Reverenda Fabbrica di S. Pietro war. Dadurch wurden die römischen Bauleute nicht nur in die Lage versetzt, etwa im Vorfeld der Heiligen Jahre viele Baustellen gleichzeitig voranzubringen; das Verleihsystem spielte zudem eine entscheidende Rolle für die Verbreitung vertieften und dennoch praktischen und ungeschriebenem Wissen im Rom des 17. und 18. Jahrhunderts.758 Marconi bezieht sich ebenfalls auf die Reverenda Fabbrica, untersucht die Beziehung zwischen den Maschinentraktaten und den auf den Baustellen tatsächlich eingesetzten Baumaschinen und analysiert, wie technische Verbesserungen in diesem konservativen Umfeld durchgesetzt wurden. Beispielhaft untersucht sie, wie die antenna seit dem 16. Jahrhundert schrittweise verbessert wurde.759 Lamberini beschreibt, dass sich im späten 18. Jahrhundert in der Toskana die auf der Baustelle verwendeten Baumaschinen fest etabliert hatten, so dass der Florentiner Architekt Giuseppe del Rosso seine verbesserte Windenkonstruktion (argano) nur in der Provinz und zwar auf der Baustelle der Madonna delle Pozze in Dicomano ausprobieren konnte. Die Bauleute in den Städten wollten ihre vorhandenen Winden weiter nutzen und scheuten die Kosten für Neuanschaffungen. Über eine Entfernung von 25 km Luftlinie wurden Winden und Baumaschinen jedoch nicht transportiert (so weit liegen Florenz und Dicomano auseinander). Sie mussten also vor Ort in Dicomano neu gebaut werden. So ergab sich die Gelegenheit, die neue Windenkonstruktion zu testen. Durchsetzen konnte sich die neue Winde dennoch nicht. Als Zahnradkonstruktion konnte die Winde von deutlich weniger Männern bedient werden, andererseits war ein nicht weniger als 18 m (!) im Durchmesser messendes Zahnrad Teil der Konstruktion, das in kaum einem Magazin aufbewahrt werden konnte.760 Die Bauleute bevorzugten es, mehr Leute zum Bedienen der Maschinen bezahlen zu müssen, als mit sperrigeren, unpraktischeren Maschinen Personalkosten zu sparen.

Abb. 2.71: Cosimo Noferi, Nutzung einer antenna zum Versetzen von Dachbindern auf der Mauerkrone; Aufzeichnungen zur Tätigkeit der Accademia della Vachia, datierbar 1661 (Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Ms. Fondo Nazionale, II_46, f.60r; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo / Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.71: Cosimo Noferi, Nutzung einer antenna zum Versetzen von Dachbindern auf der Mauerkrone; Aufzeichnungen zur Tätigkeit der Accademia della Vachia, datierbar 1661 (Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Ms. Fondo Nazionale, II_46, f.60r; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo / Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.72: Alessandro Capra, Aufrichten eines Säulenschafts, aus: Capra 1678, 267 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.72: Alessandro Capra, Aufrichten eines Säulenschafts, aus: Capra 1678, 267 (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

In der Frühen Neuzeit wurden monolithische Säulenschäfte üblicherweise mit Hilfe eines massiven Holzgerüstes (castello) oder unter Einsatz einer capra (s. o.) aufgerichtet. Im Gerüst bzw. am Kran wurde eine Umlenkrolle oder ein Flaschenzug aufgehängt. Darüber wurde ein Seil geführt, an das der an seiner Oberseite mit einem Loch versehene Säulenschaft mit Hilfe eines Wolfes angehängt wurde. Die neuen Säulenschäfte aus pietra serena für San Lorenzo in Florenz (Filippo Brunelleschi) waren in den Jahren 1447–1448 mit castelli e appositi strumenti approntati nel 1447 aufgerichtet worden: carrucole, carrucoloni, ulivelle, taglie di bronzo.761 Belli hat entsprechende Quellen auch für die Aufrichtung der Säulen für Brunelleschis Findelhaus in Florenz gefunden.762 Als nach einem Brand Säulenschäfte im Dom von Mantua ausgetauscht werden mussten, verwandte Giulio Romano ab 1545 zum Aufrichten der Säulen ebenfalls ponti oder pontelli, also Gerüste, die aus fünf 30 Ellen langen Holzbalken bestanden. Dort wurden Umlenkrollen angebracht und die Säulenschäfte mit Seilen aufgerichtet.763 Dabei wurde dafür gesorgt, dass der Fuß des Säulenschaftes nicht den Boden berührte. Dazu wurde wohl ein quadratisches Holzbrett unter dem Säulenfuß angebracht.764 Auch Alessandro Capra zeigt die Aufrichtung einer Säule nach diesem Prinzip (Abb. 2.72).765 Es scheint, so Belli, als seien diese Techniken bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder in den Handbüchern beschrieben worden.766 Zum Beweis bringt Belli ein Foto von Restaurierungsarbeiten, die um 1900 am Portikus der Pazzi-Kapelle durchgeführt wurden. Dabei waren die Säulenschäfte aus pietra serena nach demselben technischen Prinzip ausgetauscht worden.767

Abb. 2.73: Francesco di Giorgio Martini, Aufrichtemechanismus für Säulen, Opusculum de Architectura, © The British Library Board, Ms. 197.b.21, c. 57r.

Abb. 2.73: Francesco di Giorgio Martini, Aufrichtemechanismus für Säulen, Opusculum de Architectura, © The British Library Board, Ms. 197.b.21, c. 57r.

Abb. 2.74: Domenico Fontana, Versetzung des Vatikanischen Obelisken, aus Zabaglia 1743, 143 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.74: Domenico Fontana, Versetzung des Vatikanischen Obelisken, aus Zabaglia 1743, 143 (Bibliotheca Hertziana).

Andere Maschinen zum Aufrichten von Säulen, die nicht mit Seilen, sondern mit hölzernen Gewindestangen arbeiteten und die u. a. von Francesco di Giorgio Martini (Abb. 2.73), Leonardo da Vinci, Giuliano da Sangallo, Philipp Mönch, Mariano di Jacopo (Taccola), Antonio da Sangallo dem Jüngeren, Roberto Valturio und Daniele Barbaro in Zeichnungen und Traktaten vorgeschlagen wurden,768 scheinen jedoch auf den Baustellen keine große Bedeutung gehabt zu haben.769

Man verfolgte, so vermutet Belli, mit diesen Maschinenentwürfen den Wunsch, eine überlegene antik-römische Maschinentechnologie bzw. zumindest die Vorstellung, dass es eine solche gegeben habe, wieder zu beleben.770 Im 16. Jahrhundert wurden diese Konzepte zunehmend nicht mehr weiter verfolgt; technologische Entwicklung und die oben beschriebene Baupraxis kamen sich wieder näher. Tatsächlich wurden selbst die riesigen Obelisken von Domenico Fontana nicht mit Gewindemechanismen, sondern ebenfalls mit Holzkastellen, Flaschenzügen und Seilen gehoben und versetzt (Abb. 2.74).

Für das Versetzen monolithischer Säulenschäfte hat man in der Frühen Neuzeit offenbar dieselbe Technik verwendet wie im antiken Rom. In einem in Capua gefunden römisch-antiken Relief ist ein dreibeiniger Kran zu erkennen, an dem eine Umlenkrolle (bzw. ein Flaschenzug) befestigt ist.771 Über ein von einer Tretmühle bewegtes Seil wird ein Säulenschaft gehoben. Auch Vitruv beschreibt im 10. Buch diesen dreibeinigen Kran.

2.9.5 Gewölbe- und Kuppelbau

Wölbkonstruktionen772 sind eine Frage von Konstruktionsmaterial und Geometrie. Der Gewölbebau kam im Mittelalter überall in Italien vor. Doch während in vielen Teilen Italiens und insbesondere in Rom seit dem Frühen Christentum offene Dachstühle verbreitet waren, verlangte die Architektur der Renaissance und insbesondere der Kirchenbau durchweg nach Wölbungen. Man orientierte sich dabei an den römisch-antiken Gewölbebauten. Nach Gargiani fanden in Florenz und Rom um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Kreuzgratgewölbe die weiteste Verbreitung. Auch der Nikolauschor für Neu-St-Peter sollte nach dem Vorbild der römisch-antiken Thermensäle große Kreuzgratgewölbe bekommen.773 Alberti benennt in seinem Traktat drei Arten von Wölbungen: a crociera (camura), also Kreuzgewölbe, a botte (fornix), also Tonnengewölbe, die Alberti aus den Triumphbögen herleitet, und sferica (recta spherica), also kugelförmige Kuppeln, aus denen sich Unterkategorien ergeben, wie die semisfera, also die Halbkugelkuppel, die volta a vela, also die Hängekuppel und die sferica angolare, also vier-, acht- oder anderseckige Klostergewölbe (vgl. Florentiner Domkuppel).774

Während die Kreuzgewölbe (als Kreuzrippengewölbe) auch im Mittelalter durchaus üblich waren, bekamen die Tonnengewölbe, die in den Bauten des Mittelalters allenfalls eine Nebenrolle gespielt hatten, die aber in den antiken Bauten und Ruinen vor Augen standen, in der Renaissance ein ganz neues Gewicht. Römisch-antike Tonnenwölbungen in Triumphbögen oder in der Maxentiusbasilika weisen in aller Regel Kassettierungen auf, die im Mittelalter gänzlich unüblich gewesen waren. Allein im 15. Jahrhundert entstanden Dutzende kassettierte Wölbungen u. a. in Florenz, Rom, Bergamo, Lodi, Lovere, Mailand, Mantua, Neapel, Piacenza, Pistoia, Urbino und Venedig.775 Dabei wurden die ortsüblichen Bauweisen eingesetzt, in Oberitalien wurden die Kassetten aus dem Ziegelsteinverband entwickelt, wie in Sant’Andrea in Mantua (Entwurf Alberti, ab 1472, Abb.2.75), in Florenz wurden – wie von Giuliano da Sangallo vielfach ausgeführt776 und von Giorgio Vasari777 beschrieben – mit Holzmodeln hergestellte und mit der Kassettengliederung versehene Kunststeine hergestellt, auf einer Schalung versetzt und mit einer tragenden Ziegelsteinwölbung überfangen. In Rom wurden die Wölbungen, wie die im andito des Palazzo Venezia (ab 1466; Abb. 2.76) oder später in Neu-St.-Peter (Bramante, ab 1506) als Konglomeratschüttung in eine Holzschalung realisiert.778 Pagliara vermutet, dass der Gebrauch der Konglomeratgewölbe in Rom und dem Latium eine seit der Antike ununterbrochene Tradition darstellt, zumal die erforderlichen Baustoffe immer vorhanden waren. Pagliara belegt das mit einer Reihe von Beispielen aus dem Mittelalter.779 In wie weit die Umsetzung einer neuen, aus der Antike importierten Formensprache mit den bestehenden Bautechniken zu baukonstruktiver Innovation führte, wird im Abschnitt 2.12.2 diskutiert.

Abb. 2.75: Sant’Andrea, Mantua, ab 1470, kassettierte Tonne im seitlichen Vestibül, ausgeführt 1530–1565 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.75: Sant’Andrea, Mantua, ab 1470, kassettierte Tonne im seitlichen Vestibül, ausgeführt 1530–1565 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.76: Palazzo Venezia, Rom, Vestibül, ca. 1466, Detail der Gusstonne mit Kassettierungen (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.76: Palazzo Venezia, Rom, Vestibül, ca. 1466, Detail der Gusstonne mit Kassettierungen (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.77: Palazzo Zuccari, 1592–1610, volta a schifo mit vier Lunetten über dem Vestibül (Foto: Enrico Da Gai).

Abb. 2.77: Palazzo Zuccari, 1592–1610, volta a schifo mit vier Lunetten über dem Vestibül (Foto: Enrico Da Gai).

Einfache Klostergewölbe (volta a padiglione), aber vor allem Klostergewölbe mit flachem bzw. nur geringfügig gewölbten Deckenspiegel (volte a schifo, Scamozzi spricht von volta a conca780), die mit und ohne Stichkappen (lunette) ausgeführt werden konnten, waren die verbreitetsten gewölbten Abschlüsse für Räume und Säle im Palastbau. Bonavia beschreibt die Situation in Rom und Umgebung anhand des Palazzo Altemps in Rom (ab 1480) und anhand der Villa Chigi (genannt Versaglia, 1664–71) in Formello und beleuchtet dabei Bautechniken und historische Reparaturtechniken.781 Die volta a schifo unter der Sala dei Palafrenieri im Palazzo Altemps hat einen nur gering gewölbten Deckenspiegel, Lunetten und wurde aus pezzame di tufo (Bruchsteinmauerwerk aus Tuff) errichtet. Die Bruchsteine aus Tuff wurden per Hand auf dem Lehrgerüst verteilt und in ein dickes Mörtelbett aus Kalk und pozzolana gesetzt. Die Gewölbeanfänger zwischen den Lunetten bestehen hingegen aus Ziegelsteinen und wurden im Verband mit dem Ziegelmauerwerk der aufgehenden Wände ausgeführt. Die Gewölbezwickel wurden mit Konglomerat gefüllt.782 Die gemischten Ziegel/Tuff-Konstruktionen wurden im 16. Jahrhundert in Rom – sicher auch unter dem Einfluss von aus der Lombardei und dem Tessin zugewanderten Bauleuten – mehr und mehr durch reine Ziegelsteinkonstruktionen ersetzt (Abb. 2.77). Die Gewölbeschalen der beiden gedrückten Kreuzgratgewölbejoche im Portikus der Villa Chigi in Formello wurden aus Ziegelstein hergestellt, die Gewölbezwickel mit tevolozza ausgefüllt. Der Bogen zwischen den beiden Kreuzgratgewölbejochen besteht aus pezzame di tufo. In diesen Bogen und in die beiden, den Portikus zu beiden Seiten begrenzenden Bögen sind drei unsichtbare schmiedeeiserne Anker eingelassen, die den erheblichen Horizontalschub des Gewölbes abfangen.783

Lehrgerüste und Lehrbögen waren, wie auch Arbeitsgerüste (siehe oben Abschnitt 2.7), von den Maurern zu erstellen. Der aus Holzbalken gezimmerte Unterbau heißt impalcatura und muss ausreichend robust sein. Die Schale oder Schalung, in die geschüttet wird bzw. auf der gemauert wird, heißt tavolato, besteht aus ca. vier cm dicken Weichholzbrettern (legno dolce). Die Außenseite wird mit dem Beil feinbearbeitet. Die Schale ruht auf gegeneinandergeschlagenen Keilen, so dass sie ohne Schwierigkeiten abgesenkt werden kann. Auch wenn die Lehrgerüste in Traktaten und Zeichnungen öfter abgebildet werden (Abb. 2.78) kommen sie in den Bauabrechnungen kaum vor. Da Gewölbe regelmäßig a tutta roba vergeben wurden (d. h. als Bauaufträge, die schlüsselfertig zu übergeben waren), wurden Details zu den Lehrgerüsten in den Abrechnungen nicht aufgeführt. Wie massiv die Lehrgerüste waren, lässt sich nur an entsprechenden Holzlieferungen ablesen, wo neben der Menge auch die Querschnitte angegeben sind. Die Traktate benennen zwar meist Kuppel- und Gewölbekonstruktionen, aber selten die Lehrgerüstkonstruktionen für ihre Errichtung.784 Alberti berichtet über die Herstellung der Kassettennegative (s. o.) und beschreibt auch den Bau von Lehrgerüsten, ihre Stehdauer und das Abbauen der Gerüste. Er geht jedoch nicht in konstruktive Einzelheiten.785 Vincenzo Scamozzi ist in seiner Idea dell’Architettura Universale einer der ganz wenigen, die sich mit Lehrgerüsten intensiver auseinandersetzen. Ein Kapitel befasst sich mit ordine che si deve tener nell’armar, e far sicuramente le gran Volte (Regeln, an die man sich halten muss beim Einrüsten und für die sichere Errichtung von großen Wölbungen).786 Unter Bezug auf die römischen Beispiele empfiehlt Scamozzi, die Lehrgerüste auf den gewölbetragenden Mauern aufzusetzen und sie mit Streben (puntelli) abzustützen (vgl. Abb. 2.78). Man könne die Balken entweder in Löcher in die Mauer einlassen oder auf gemauerte Konsolen stellen. Die Schale/Schalung gelte es, besonders robust auszuführen, damit sie das Gewicht der Wölbung tragen könne. Man möge, so Scamozzi weiter, nicht zu viel Zeit in die Perfektionierung der resultierenden Innenoberfläche des Gewölbes investieren, da diese nach der Ausschalung überarbeitet werden könne. Die Binder der Unterkonstruktion der Schalung sind regelmäßig alle 35 oder 70 cm anzubringen, so wie es bei Schiffen gemacht würde. Scamozzi bezieht sich vor allem auf geschüttete Gewölbe, wenn er empfiehlt, die Schalungsbretter in geringer Breite zu machen, damit sie die Form des Gewölbes besonders gut abbilden können. Die Ausschalung erfolg, indem ein Binder als Ganzer gleichmäßig abgesenkt wird. Bei Gewölben aus Kalk und Pozzolanerdeschüttungen muss mindestens drei Monate gewartet werden, bei anderen Gewölben doppelt so lange.787

Abb. 2.78: St. Peter, Rom, Lehrgerüst für die kuppeltragenden Bögen, Datierung wird nachgetragen, Uff. A 226 (Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, ; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.78: St. Peter, Rom, Lehrgerüst für die kuppeltragenden Bögen, Datierung wird nachgetragen, Uff. A 226 (Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, ; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Ein gut dokumentierter Fall eines Lehrgerüstes betrifft die Einwölbung des Langhauses von St. Peter mit einer Tonne im Jahre 1613. Dort gibt es in den Zahlungsdokumenten eine präzise Beschreibung der Menge, Art und Maße der Hölzer, die für das Lehrgerüst der Langhaustonne gekauft wurden. Es wurden nicht weniger als 1.300 starke und breite Erlenbretter (tavoloni d’ontano) gekauft, um 55, je 120 Palmi (ca. 27 m) lange Gerüstrippen (centine) herzustellen. Außerdem besorgte man 4.000 Zerreichenbalken für Lehrgerüst und andere Gerüste. Hinzu kamen 8.000 je 2,5 m lange Erlenbretter für die Schalung sowie Schnittholz für verschiedene Bauteile wie Streben, Hängesäulen, Unterzüge oder Querbalken. Die Holzbeschaffung umfasste zudem 112 Palmi (25 m) lange Zugbalken aus Kastanienholz. Da so lange Holzbalken nicht zu haben waren, wurden sie aus zwei, jeweils 80 und 56 Palmi (17,5 und 12,5 m) langen Teilstücken zusammengesetzt. Alternativ konnten sie auch aus dem ebenso robusten und resistenten Eichenholz geliefert werden.788 Zu den Tonnenwölbungen in St. Peter haben sich zudem zahlreiche, bis in die Details übereingehende bildliche Dokumentationen erhalten, nämlich in der Zeichnung Uff. 226 A (Abb. 2.78), in Giorgio Vasaris Fresko in der Sala dei Cento Giorni im Palazzo della Cancelleria, das u. a. den Bau von St. Peter zeigt (1546), in einem 1561 von Lafréry publizierten Stich von Jacob Bos sowie in den Traktaten von Carlo Fontana (1694) und Nicola Zabaglia (1743). Die Lehrgerüste für die Tonne von St. Peter haben eine aus massiven Holzbalken zimmermannsmäßig zusammengesetzte Tragkonstruktion, die auf dem Kämpfer der zu bauenden Wölbung aufsetzt. In einer gewissen Höhe wird eine Ebene aus horizontalen Balken eingezogen. Darauf kommt dann eine weitere tympanonartige Konstruktion aus massiven Holzbalken. Auf diese Binder werden vermittels radial gestellter Balken (colonnette/catene) die kurvig geschnittene Hölzer (centine) montiert, die die eigentliche Gewölbeform bilden und die dann mit Brettern beplankt werden (Abb. 2.79). Bei großen Gewölben wird der Zwischenraum zwischen der Lehrgerüstkonstruktion und der eigentlichen Gewölbelinie bzw. centina, zumindest oberhalb der horizontalen Ebene, mit Holzbalken ausgestopft (zu sehen in Abb. 2.78), oder auf andere Weise ausgefüllt, wie in dem Lehrgerüst aus dem Codex Mellon, f. 7v. (New York, Pierpont Morgan Library) dargestellt ist. Im unteren Bereich des Lehrgerüstes wird der Zwischenraum nicht massiv ausgestopft. Man war sich also offenbar darüber im Klaren, dass der untere Teil des Gewölbes nicht oder nur wenig auf dem Lehrgerüst lastet. Das bedeutet natürlich nicht, dass dieser Teil der Wölbung ohne Lehrgerüst gebaut wird – aber im unteren Bereich diente das Lehrgerüst im Wesentlichen dazu, die Geometrie zu kontrollieren, während der obere Teil des Lehrgerüstes das volle Gewicht des im Bau befindlichen Gewölbes tragen muss.

Bei kleineren Wölbungen, wie bei der oben erwähnten volta a schifo im Palazzo Altemps, wurden die Lehrgerüste in vereinfachter Weise errichtet: Eine Art mittig unterstützter, flach geneigter dreieckiger Dachbinder (cavalletto, s. u.) wurde durch die Raummitte gespannt und wurde zu einer Art Zeltdachkonstruktion vervollständigt. Diese bekam dann eine Schalung. Auf die Schalung wurde die Gewölbeform in Ziegelsteinschutt modelliert (pasticcio di scaglie di mattoni), darauf ein Rohrgeflecht verlegt und darauf wiederum das Gewölbe selbst gebaut.789

Die Hängekuppel ist untrennbar mit der geometrischen Form der Halbkugel verbunden und war als Gewölbetypologie Anfang des 15. Jahrhunderts von Filippo Brunelleschi (1377–1446) in Florenz eingeführt worden, etwa im Findelhaus (ab 1419) und in der alten Sakristei von San Lorenzo (1422–29). In seinem Architekturtraktat beschreibt Alberti die Hängekuppel als beschnittene Halbkugel, lässt also keinen Zweifel an ihrer Geometrie.790 Während der Errichtung einer Hängekuppel wurde ihre geometrische Form üblicherweise mit einer Stange garantiert, die mit ihrem einen Ende mittig unter der zu bauenden Wölbung schwenkbar befestigt wurde; mit ihrem anderen, freien Ende beschreibt die Stange die angestrebte Kugelform (Abb. 2.80).791 Die Hängekuppel wurde dann (zumindest in Florenz) ohne Einrüstung in Ziegelmauerwerk errichtet. Das gelingt, weil jede horizontale Ziegelsteinlage einen Druckring bildet, innerhalb dessen sich die einzelnen Ziegelsteine gegenseitig tragen und sich am Herunterfallen hindern. Der Bau einer Hängekuppel braucht Zeit, da jede Ziegelsteinlage zunächst abbinden muss, um als Druckring wirken zu können. Im Gegensatz zu Florenz sind Hängekuppeln in Rom gemessen am Bauvolumen selten. Zu den wenigen Beispielen gehören die Hängekuppeln über der Vierung von San Pietro in Montorio792 (ab 1472), in der Loggia der Villa Madama (ab 1518) von Raffael sowie die Hängekuppel in der Cappella Sforza an Santa Maria Maggiore, die ab 1561/62 nach Entwurf Michelangelos errichtet wurde. Zumindest letztere wurde offenbar in römischer Bautradition als Konglomeratschüttung auf Lehrgerüst errichtet.793

Abb. 2.79: Francesco Milizia, Lehrgerüstkonstruktion, aus Milizia 1781, fig. 17–fig. 18 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.79: Francesco Milizia, Lehrgerüstkonstruktion, aus Milizia 1781, fig. 17–fig. 18 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.80: Errichtung einer Hängekuppel, Schema (H. Schlimme).

Abb. 2.80: Errichtung einer Hängekuppel, Schema (H. Schlimme).

Wichtigstes Beispiel für eine polygonale Kuppel ist die Florentiner Domkuppel, die 1419–1436 nach Plan Filippo Brunelleschis errichtet wurde und die im Abschnitt 2.2 und im Beitrag von Margaret Haines und Gabriella Battista mit dem Titel „Fokus: Die Kuppel des Florentiner Doms und ihre Handwerker“ ausführlich behandelt wird. Die Konstruktion der Kuppel ist ausführlich studiert worden.794 Die über 40 m im Lichten messende Kuppel hat einen achteckigen Grundriss und wurde zweischalig mit Rippen ausgeführt. Bis zu einer bestimmten Höhe wurde die Kuppel in Naturstein errichtet, darüber in Ziegelstein. Der Druckring am oberen Kuppelabschluss, gleichzeitig Basis für die Laterne, besteht dann wieder aus Naturstein (siehe Haines/Battista). Wie die eben beschriebenen Hängekuppeln wurde auch die Florentiner Domkuppel ohne Lehrgerüst errichtet. Auch hier trägt sich jede Ziegelsteinlage wie ein Druckring selbst, muss aber zunächst abbinden. Daher dauerte die Einwölbung der Kuppel 17 Jahre. Hochkant gestellte Ziegelsteine (sog. spinapesce oder Fischgrätverband) halfen beim Einbau der jeweils nächsten Lage. Ein Problem der Kuppel war ihr achteckiger Grundriss. Die Ecken sind potentielle Diskontinuitäten im Ziegelsteinverband, die es jedoch im Sinne der Stabilität der Kuppel zu vermeiden gilt. Wenn man die Ziegelsteinlagen in jeder Kappe jeweils horizontal führt, so ergeben sich Knicke zwischen den Kappen, wo der Mauerwerksverband nicht nur um die Ecke geht, sondern richtig unterbrochen ist, weil kein Ziegelstein aus geometrischen Gründen Teil beider Kappen sein kann. Diese Knicke werden umso größer, je weiter die Kuppel nach oben wächst (Abb. 2.81, oben). Eine Kontinuität im Mauerwerksverband ergibt sich nur dann, wenn jede Ziegelsteinlage auf einer Kegeloberfläche liegt. Das bedeutet, dass die Lagen von der Mitte jeder Kappe bzw. Achteckseite zu den Ecken jeweils ansteigen und dann zur Mitte der nächsten Achteckseite wieder abfallen (Abb. 2.81, unten). So gibt es Ziegelsteine, die von einer Kappe um die Ecke in die benachbarte Kappe einbinden, also Teil zweier benachbarter Kappen sind und die daher eine Spezialform haben müssen. Dass die Ziegelsteinlagen von der Mitte jeder Kappe zu den Ecken jeweils ansteigen und dann zur Mitte jeder Seite wieder abfallen, ist am Bau deutlich zu sehen. Die Florentiner Domkuppel gilt als einer der Gründungsbauten der Renaissance. Entscheidend dafür ist die schiere Größe der Kuppel, die mit Großbauten der Antike mithalten kann. Das Wiederaufgreifen römisch-antiker Baukultur bedeutete eben auch, die Dimension antiker Bauten und damit auch die bautechnische Meisterschaft der Antike aufzugreifen.

Abb. 2.81: Domkuppel, Florenz, 1419–1436; oben: Kuppelgeometrie mit horizontal geführten Ziegelsteilagen in den Kappen; unten: Kuppelgeometrie mit Ziegelsteinlagen auf Kegeloberflächen; vgl. Mainstone 1969-1970 (Quelle: Rossi 1982, 5).

Abb. 2.81: Domkuppel, Florenz, 1419–1436; oben: Kuppelgeometrie mit horizontal geführten Ziegelsteilagen in den Kappen; unten: Kuppelgeometrie mit Ziegelsteinlagen auf Kegeloberflächen; vgl. Mainstone 1969-1970 (Quelle: Rossi 1982, 5).

Im Gegensatz zur Florentiner Domkuppel, die eine starke Außenwirkung aufbaut, sind die Kuppelbauten der Antike, allen voran das Pantheon in Rom, nach innen gekehrt und nicht auf Außenwirkung angelegt. Im Rom der Renaissance setzte sich die neue Außenwirkung von Kuppeln nur langsam durch. Die Kuppel von Santa Maria del Popolo (ab 1472) ist eher klein und aus dem Straßenraum kaum zu sehen. Sie trägt im Gegensatz zur Fassade praktisch nicht zur Außenwirkung der Kirche bei. Die Kuppeln aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind dann zwar städtebaulich wirksam, aber ihre Tamboure sind – immer im Gegensatz zu den gleichzeitig errichteten Fassaden dieser Kirchen aus Travertin – aus Ziegelstein erbaut und mit Lisenen sehr zurückhaltend gegliedert. Beispiele sind die Kuppeln von Il Gesù (Giacomo della Porta, 1577–84), der Madonna dei Monti (ders., ab 1580) oder der Cappella Sistina an Santa Maria Maggiore (Domenico Fontana. 1585–90). Die Kuppel von St. Peter (Giacomo della Porta, Domenico Fontana, 1588–90) ist dann die erste, deren Tambour eine mit -Säulen-Paaren, vollständigem Gebälk und Fensteraedikulen voll ausgebildete und ganz aus Travertin hergestellte architektonische Gliederung erhält. Sie ist also ganz auf Außenwirkung angelegt. Damit wird auch die Tambourkuppel, bestehend aus Bögen und Pendentifs (auf Vierungspfeilern), hohem durchfensterten Tambour, Kuppelschale und Laterne kanonisiert. In Rom entstehen sehr viele Tambourkuppeln, allen voran Sant’Andrea della Valle (Carlo Maderno, 1620–23, Abb. 2.82), die auch in der Gliederung des Äußeren der Peterskuppel bis in die Details folgt, San Carlo ai Catinari (Rosato Rosati, 1620), Sant’Agnese in Agone (Francesco Borromini, 1654), San Carlo al Corso (Pietro da Cortona, 1668/69), um nur die wichtigsten zu benennen.

Die Gliederung des Äußeren und die Außenwirkung der Peterskuppel sind natürlich lediglich ein Aspekt dieses Bauwerks. Der andere ist die Form der Kuppel, also das Profil. Für eine Kuppel dieser Größe mit 40 m Innendurchmesser standen zwei Vorbilder vor Augen: Zum einen die als Halbkugel ausgebildete Kuppel des Pantheons, deren Horizontalschub u. a. durch den Einbau der Kuppel in einen massiven Mauerwerkszylinder, der als Gegengewicht wirkt, ausgeglichen wird. Das war Vorbild für die in der frühen Renaissance v. a. in Norditalien verbreiteten Tiburiumskuppeln (tiburio = Schutzhäuschen). Das andere Vorbild war die Florentiner Domkuppel mit ihrem sehr steilen Spitzbogenprofil, das zusammen mit hölzernen Ringankern den Horizontalschub auffängt. Die Peterskuppel sollte möglichst die Halbkugelform all’antica aufweisen und gleichzeitig eine städtebauliche Wirkung im Sinne der Florentiner Domkuppel entfalten. Kuppeln in Halbkugelform zu errichten, war für die Architekten der Renaissance eine Herausforderung. Die Wölbung der von Michelozzo entworfenen Rotunde der Santissima Annunziata in Florenz (ab 1476) ist die erste Kuppel der Renaissance, die geometrisch genau eine Halbkugel darstellt und damit dem antiken Vorbild folgt. Wahrscheinlich wurde sie als Gusskuppel auf einer Ziegelsteinschale ausgeführt.795 Bezeichnenderweise hat sie aber keine Außenwirkung.

Bei der Peterskuppel gingen die Planungen mehrfach hin und her.796 Der Entwurf des ersten Architekten von St. Peter, Donato Bramante, wurde von Serlio überliefert.797 Der Schnitt der Kuppel ist im Inneren kreisrund ausgebildet und außen wie das Pantheon gegliedert, d. h. klar am antiken Vorbild orientiert. In der Zeit nach Bramante bewegten sich die Entwürfe für die Peterskuppel zwischen Rund- und Spitzbogenlösung und damit letztlich zwischen den beiden möglichen Vorbildern Pantheon und Florentiner Domkuppel. Während Antonio da Sangallo der Jüngere mit oval- und ellipsenförmig überhöhten Kuppelprofilen arbeitete, kehrte Michelangelo zu einer nur wenig abgewandelten Halbkugelform zurück. Giacomo Della Porta und Domenico Fontana realisierten die Peterskuppel schließlich mit leicht zugespitztem Querschnitt.798 In die Kuppel wurden mehrere schmiedeeiserne Ringanker eingebaut, deren Aufgabe es war, den Horizontalschub der Kuppelschale auszugleichen. Die Verwendung dieser Ringanker war im Kuppelbau in Rom üblich.

Abb. 2.82: Sant’Andrea della Valle, Rom, Kuppel, Carlo Maderno 1620–23 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.82: Sant’Andrea della Valle, Rom, Kuppel, Carlo Maderno 1620–23 (Foto: H. Schlimme).

Besonders aufschlussreich sind die Peterskuppelentwürfe von Antonio da Sangallo dem Jüngeren, die Thoenes799 und Benedetti800 grundlegend und unabhängig voneinander nachvollzogen haben. Thoenes beschreibt, wie Antonio da Sangallo der Jüngere im Laufe seiner Planungen für den Petersdom die Geometrie seiner Kuppelentwürfe immer mehr verfeinerte. Der Schnitt Uff. A 66 r (1538) (Abb. 2.83) zeigt eine im Außenbau halbkugelförmige Kuppel, die aber im Inneren – und darauf kommt es hier an – spitzbogig wie die Domkuppel in Florenz ausgebildet ist.801 Auch auf Antonios Zeichnung Uff. A 267 r,802 die im Zusammenhang mit seinem großen Holzmodell für St. Peter entstand, ist ein spitzbogiges Kuppelprofil zu sehen. Auf derselben Zeichnung beschreibt Antonio einen alternativen Kuppelquerschnitt, der mit einem Zirkel auf einem Zylinder auszutragen ist. Dabei verfolgte er das Ziel, den als unschön empfundenen Spitzbogen zu vermeiden. Thoenes hat die Konstruktion nachvollzogen und die nicht sonderlich signifikante Überhöhung eines Halbkreisbogens gefunden.803 Das Prinzip der Überhöhung und des kontinuierlichen Bogenzuges behielt Antonio aber für das Innenprofil der Kuppelschale im großen Holzmodell bei. Bei diesem Profil handelt es sich geometrisch um eine 2:3 proportionierte, stehende Ellipse. Auf diese Weise gelang es Sangallo, so Thoenes, das Ideal einer halbkugelförmigen Kuppel (Pantheon) zumindest in seiner geometrischen Kontinuität zu verwirklichen und dennoch eine statisch günstige Überhöhung (Florenz) zu bekommen. Thoenes vermutet, Sangallo habe die Regel Dürers für die Erstellung von Diagonalrippengeometrien bei Kreuztonnengewölben angewandt, die Dürer als für Steinmetze erforderliches Wissen beschreibt.804 Serlio zeigt eine ganz ähnliche, gegenüber dem Halbkreisbogen abgesenkte Kurve, die er ebenfalls aus dem praktischen Bauwesen herleitet.805 Geometrisch handelt es sich in beiden Fällen um Ellipsen, wenn auch in den Beschreibungen das Wort nicht fällt. Man kann bei den damaligen Bauleuten offenbar die Kenntnis dieser von Dürer und Serlio vorgestellten Kurven voraussetzen. Dürer nutzt aber das Wort ,Ellipse‘ (elipsis), sobald er in seinem Traktat die Kegelschnitte beschreibt.806 Auch Antonio da Sangallo der Jüngere kannte die Kegelschnitte.807 Um die Frage, bis zu welchem Punkt Kegelschnitte und etwa das neu herausgegebene Traktat von Apollonius im Bauwesen bekannt waren, kann im Rahmen des vorliegenden Bauwissen-Artikels nicht ausdiskutiert werden.808

Abb. 2.83: Antonio da Sangallo der Jüngere, Schnitt durch einen Entwurf für die Peterskuppel, 1538, Uff. A 66r, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.83: Antonio da Sangallo der Jüngere, Schnitt durch einen Entwurf für die Peterskuppel, 1538, Uff. A 66r, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Dieselbe Entwicklung vom Spitzbogenquerschnitt zur kontinuierlich durchlaufenden Querschnittlinie bei Antonio da Sangallos St-Peter-Entwürfen ergeben auch die Studien Benedettis, der Thoenes’ Analyse der Zirkel/Zylinder-Konstruktion einbezieht, bei der Analyse des Kuppelprofils im Sangallomodell aber ein polyzentrisches Oval findet.809 Tatsächlich lässt sich eine Halbellipse beinahe perfekt mit einem Halboval mit fünf Mittelpunkten abbilden. Anders herum geht es nicht ohne Weiteres, weil es für ein festes Breiten-Höhen-Verhältnis nur eine Ellipse, aber viele Ovale gibt. Wenn die Kuppelschale im Holzmodell im Profil genau die für den gegebenen Radius und die gegebene Höhe einzig mögliche Ellipse zeigt, dann wird das kein Zufall sein. Wie Thoenes vermutet auch der Autor die absichtsvolle Verwendung der Ellipse durch Antonio da Sangallo den Jüngeren. Über die Kontroverse Ellipse-Oval hinaus ordnet Benedetti die um 1546 datierte sogenannte Stockholmer Zeichnung (Nationalmuseum, Sammlung Cronstedt, Vol. 13. Nr. 1398), die Thoenes als Präsentationszeichnung außerhalb des Entwurfsprozesses versteht, und die ca. 1546–1549 datierte Stichserie nach Sangallos großem Holzmodell, die von Antonio Labacco hergestellt und von Antonio Salamanca verlegt wurde, in den Prozess ein.810 Im Salamanca-Stich wird der Kuppelquerschnitt nicht mehr als Ellipse, sondern als großes Oval dargestellt. Tatsächlich passt die Ellipse im Stich nicht.811 Das ist durchaus bezeichnend: Zwischen Sangallos Idee im Holzmodell (Ellipse) und der Darstellung in der Stichserie (Oval) liegt eine konzeptionelle Distanz, wenn auch der effektive geometrische Unterschied gering ist. Verbreitung fanden aber schließlich die Stiche und damit das Oval.812

Abb. 2.84: Sant’Andrea della Valle, Rom, Bauaufnahme mit dem 3D-Scanner, 2009, West-Ost-Schnitt durch die Innenoberfläche der Kuppelschale (Blickrichtung Norden, links) und Analyse der Geometrie (rechts) (M. Döring-Williams/H. Schlimme).

Abb. 2.84: Sant’Andrea della Valle, Rom, Bauaufnahme mit dem 3D-Scanner, 2009, West-Ost-Schnitt durch die Innenoberfläche der Kuppelschale (Blickrichtung Norden, links) und Analyse der Geometrie (rechts) (M. Döring-Williams/H. Schlimme).

Für Sant’Andrea della Valle war in Ermangelung einer genauen Bauaufnahme und auch in den jüngsten Studien immer angenommen worden, dass sie mit Spitzbogenprofil errichtet worden war. Tatsächlich weisen die Kuppeln von Sant’Andrea della Valle und ebenso diejenige von Sant’Agnese in Agone Ovalprofile auf, wie aktuelle Bauaufnahmen zeigen (Abb. 2.842.85). Als Architekt der Reverenda Fabbrica di San Pietro hat Maderno die Stiche von Labacco und Salamanca mit dem oval profilierten Peterskuppelentwurf vermutlich gekannt. Daher ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung, der Kuppel von Sant’Andrea della Valle ein Ovalprofil zu geben, vom Labacco-Salamanca-Stich inspiriert gewesen sein könnte. Bellini führt Borrominis Profil für Sant’Agnese (Wien, Albertina, Az.Rom 59) auf die Stichserie zurück.813 Villani bezeichnet die Ovalprofillösung, wie sie im Labacco-Salamanca-Stich dargestellt ist, als Ausnahmefall, der – abgesehen von ebendiesem Kuppelprojekt Borrominis für Sant’Agnese – keine Nachfolge gefunden habe.814 Tatsächlich jedoch, wie die jüngsten Bauaufnahmen gezeigt haben, wurden eben sowohl die Kuppel von Sant’Andrea della Valle als auch diejenige von Sant’Agnese mit Ovalprofil ausgeführt. Ergebnisse weiterer Bauaufnahmen sind abzuwarten.815

Abb. 2.85: Sant’Agnese in Agone, Rom, Bauaufnahme mit der Totalstation, 2008, halber Süd-Nord-Schnitt durch Innenoberfläche der Kuppelschale (Blickrichtung Westen, links) und Analyse der Geometrie (rechts) (H. Schlimme).

Abb. 2.85: Sant’Agnese in Agone, Rom, Bauaufnahme mit der Totalstation, 2008, halber Süd-Nord-Schnitt durch Innenoberfläche der Kuppelschale (Blickrichtung Westen, links) und Analyse der Geometrie (rechts) (H. Schlimme).

Dennoch geriet das Ovalkuppelprofil bald in Vergessenheit. Bereits Carlo Fontana (1638–1714), der der entscheidende Kuppelbauexperte im Rom um 1700 war816 und der nur rund eineinhalb Generationen jünger als Borromini war, kannte das Ovalprofil nicht mehr.817 dokumentiert Fontana auch die Kuppeln von Sant’Andrea della Valle und Sant’Agnese in Agone maßlich, ohne jedoch ihr ovale Profilierung zu berücksichtigen. Im Manuskript werden Kuppeln ausschließlich mit Spitzbogenprofil gezeigt. Siehe Schlimme 2011b. Warum waren die oval ausgerundeten Kuppelprofile so schnell in Vergessenheit geraten? In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Debatte um Rund- und Spitzbögen im Gewölbe- und Kuppelbau beinahe ideologisch geführt und der Spitzbogen aus ästhetischen Gründen abgelehnt worden. Konstruktive Überlegungen spielten, so Thoenes, eine untergeordnete Rolle. Allein Antonio da Sangallo dem Jüngeren war mit der Ellipsenform ein Kompromiss zwischen Ästhetik und Konstruktion gelungen.818 Zu Fontanas Zeit hingegen war diese Diskussion längst nicht mehr aktuell. Spitzbogenprofile wurden pragmatisch und aus technischen Erwägungen genutzt. Diese Überlegung kann dennoch nicht erklären, warum die ovalförmig ausgerundeten Kuppelquerschnitte eines Borromini nur eine Generation später nicht mehr bekannt waren.819 In seinem Tempio Vaticano gibt Fontana selbst wohl den entscheidenden Hinweis, wenn er sagt: Si rende difficoltosa a‘ Professori, also schwierig sei es für die Fachleute, die großen und unbequemen Maße (vaste e incomode misure) einer gebauten Kuppel zu ermitteln, und nur mit großem Zeitaufwand und Mühe möglich (con gran tempo e fatiga). Dennoch habe er mit den ihm zu Gebote stehenden, bescheidenen Mitteln (nostre debole applicazioni) ein Profil der Peterskuppel erstellt.820 Sobald eine Kuppel gebaut war, war ihr Profil schwierig zu messen und seine Geometrie geriet leicht in Vergessenheit. Fontana selbst kannte, entwarf, baute und propagierte ausschließlich Kuppeln mit Spitzbogenprofil. Hier ist unzweifelhaft Wissen verloren gegangen.821

Tambour und Kuppel von Sant’Andrea della Valle wurden vermutlich zum Teil aus tevolozza, zum Teil aus neuen Ziegelsteinen errichtet. Zum Einsatz kam der in Rom übliche hydraulische Mörtel aus Kalk und Puzzolanerde. Im Gegensatz zu neuen Ziegelsteinen bezeichnet tevolozza hingegen wiederverwendete, d. h. letztlich gut abgelagerte und in der Regel unregelmäßige und zerbrochene Ziegelsteine.822 Vermutlich wurde der Tambour aus tevolozza gebaut und anschließend mit Ziegelstein verkleidet.823 Das war die übliche Bauweise für Tamboure, die etwa für die Kuppeln der Cappelle Sistina und Paolina an Santa Maria Maggiore und der Santissima Trinità dei Pellegrini verwendet wurde.824 Welches Material für die Kuppelschale von Sant’Andrea della Valle zum Einsatz kam, konnte bislang nicht geklärt werden. Wahrscheinlich wurde ebenfalls tevolozza verwendet.825 Die Konglomeratbauweise für Wölbungen wurde im Laufe des späten 16. Jahrhunderts in Rom zunehmend durch Ziegelstein- oder tevolozza-Konstruktionen abgelöst, sicher nicht zuletzt durch die Zuwanderung von Bauleuten aus der Lombardei und dem Tessin.

Abb. 2.86: Carlo Fontana, Lehrgerüst für die Errichtung der Peterskuppel, aus Fontana 1694, 321 (Bibliotheca Hertziana)

Abb. 2.86: Carlo Fontana, Lehrgerüst für die Errichtung der Peterskuppel, aus Fontana 1694, 321 (Bibliotheca Hertziana)

Während die Florentiner Domkuppel ohne Lehrgerüst gebaut wurde, errichtete Giacomo della Porta die Peterskuppel auf einem Lehrgerüst. Carlo Fontana gibt uns in seinem Tempio Vaticano (1694) eine Vorstellung davon (Abb. 2.86). Die Konstruktion erinnert an die Lehrgerüstbinder für die Tonne des Langhauses von St. Peter (Abb. 2.78), nur dass die noch einmal deutlich größere Dimension eine drei- statt zweigeschossige Konstruktion erforderlich machte und dass die Binder im Kreis herum aufzustellen waren. So entstanden in der senkrechten Mittelachse komplizierte Knoten, die Fontana noch einmal herauszeichnet. Bei St. Peter gab es für jede Kuppelrippe einen Binder, also insgesamt 16 Stück. Fontana beschreibt, dass bei der Peterskuppel zunächst die Rippen auf den Lehrgerüstbogen aufgebaut wurden. Anschließend wurden die Kappen dazwischengemauert.826 Mit Lehrgerüst dauerte die Einwölbung der Peterskuppel lediglich 22 Monate – im Gegensatz zu 17 Jahren ohne Lehrgerüst in Florenz. Solche Lehrgerüste waren die übliche Bauweise für Tambourkuppeln. Auch die Kuppelschale von Sant’Andrea della Valle wurde offenbar auf einem vermutlich aus acht Bindern bestehenden hölzernen Lehrgerüst errichtet. Dafür spricht schon die charakteristisch kurze Bauzeit von fünf bis sechs Monaten.827

Abb. 2.87: Carlo Fontana, Regeln für die Errichtung einschaliger Kuppeln, Kuppelprofil, aus Fontana 1694, 376, Ausschnitt (Bibliotheca Hertziana)

Abb. 2.87: Carlo Fontana, Regeln für die Errichtung einschaliger Kuppeln, Kuppelprofil, aus Fontana 1694, 376, Ausschnitt (Bibliotheca Hertziana)

Die Innenoberflächen der Kuppelschalen wurden regelmäßig mit himmelsdarstellenden Fresken ausgemalt. Wichtige Beispiele sind Sant’Andrea della Valle (Giovanni Lanfranco, 1625–28) und Sant’ Agnese in Agone (Sebastiano Corbellini nach Entwurf Ciro Ferris, 1689). Um auch in der Kuppel von Il Gesù ein Fresko ausführen zu können, war es erforderlich, die Rippen abzuschlagen. Darüber, ob das statisch möglich sei, entbrannte ein Streit. Die Rippen wurden aber schließlich entfernt und das Fresko 1672–83 von Giovanni Battista Gaulli ausgeführt.828

Das Kuppelbauwissen war bis ins späte 17. Jahrhundert weitgehend ungeschrieben geblieben. Serlio gibt als Kuppeldicke den siebten Teil des Kuppelinnendurchmessers an und schlägt ein Halbkugelprofil vor.829 Scamozzi bevorzugt zwar Kuppeln mit halbkreisförmigem Profil, bezeichnet aber spitzbogig überhöhte Kuppeln als stabiler. Scamozzi benennt jedoch nicht die genaue Lage der Mittelpunkte der beiden Kreisbögen und spricht auch nicht über die Dicke der Kuppelschale.830 Huerta gibt einen Überblick über Erfahrungswissen und Faustregeln im Gewölbe- und Kuppelbau insbesondere vor Carlo Fontana.831 Fontana ist mit seinen 1694 im Rahmen des Tempio Vaticano veröffentlichten Regeln zum Bau einschaliger Kuppeln dann tatsächlich der erste, der einen vollständigen Satz Kuppelbauregeln und auch ein Kuppelprofil entwickelt und publiziert (Abb. 2.87). Die Grundlage und Entstehung dieser Regeln wird im Abschnitt 2.12.1 nachvollzogen. Zur europaweiten Wirkung dieser Reglen siehe Abschnitt 2.12.2.

2.9.6 Dachstühle aus Holz

Neben den Lehrgerüsten im Gewölbebau waren Dachstühle die wichtigsten Konstruktionen aus Holz. Der üblicherweise in der Frühen Neuzeit in Italien genutzte Dachbinder (capriata) ist folgendermaßen aufgebaut (Abb. 2.88, „A“): Zwei Sparren (puntoni), die das Dachprofil bilden, werden gegeneinander gestellt. Ein horizontaler Zugbalken (catena, asticciola) verbindet die unteren Balkenenden der Sparren. Der Zugbalken nimmt die Horizontalkräfte auf und hindert die Sparren daran, auseinanderzudriften. Eine vertikale Säule (monaco) verbindet den Firstpunkt mit dem Zugbalken. Sie wird von zwei Sprießen (saette) stabilisiert. Diese Streben unterstützen gleichzeitig die Sparren. Im 14. und 15. Jahrhundert gab es in den Manuskripten und Traktaten lange Diskussionen über die Verbindung zwischen Säule und Zugbalken. Dabei ging es um die Frage, ob die Säule auf dem Zugbalken lastet oder ob andersherum der Zugbalken an der Säule aufgehängt wird. Im 17. Jahrhundert wurde der Dachbinder in letzterer Version verstanden und die Säule also als Hängesäule interpretiert.832 In dieser Weise verstand sie z. B. Cosimo Noferi in seiner zwischen ca. 1658 und 1662 entstandenen Travagliata Architettura (Abb. 2.88, „A“). Noferi sagt explizit, dass die Säule keinerlei Gewicht in den Zugbalken einleiten sollte. Um dies effektiv zu vermeiden, bestand er darauf, eine Lücke zwischen den beiden Elementen einzufügen.833 Die zugschlüssige Verbindung zwischen beiden Elementen wurde durch eine schmiedeeiserne Schlaufe hergestellt.834

Abb. 2.88: Cosimo Noferi, Tomo primo della Travagliata Architettura, Quarto Discorso, Prima Figura, datierbar 1658–1662 (Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Ms. Gal. 122; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo / Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.88: Cosimo Noferi, Tomo primo della Travagliata Architettura, Quarto Discorso, Prima Figura, datierbar 1658–1662 (Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Ms. Gal. 122; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo / Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze; Reproduktion nicht gestattet).

Noferi empfiehlt für eine Spannweite von 15 bis 25 Florentinischen Braccia (ca. 8,50–14,50 m) die Konstruktion „A“ (Abb. 2.88). Für größere Spannweiten von 25 bis 40 Braccia (ca. 14,50–23,50 m) sei eine verstärkte Konstruktion erforderlich (Abb. 2.88, „B“). Da es für die größeren Spannweiten Balken nicht in der erforderlichen Länge gibt, muss das Zugband gestoßen werden. Viele schmiedeeiserne Elemente halten die Holzbalken zusammen. Die von Noferi gezeigte Konstruktion ist ungewöhnlich. Üblicherweise wird die mittige Hängesäule bei weiter spannenden Dachbindern in zwei seitliche Hängesäulen aufgelöst. Valeriani zeigt die Grundtypen der in Mittelitalien vorkommenden Dachwerke (Abb. 2.89) und dokumentiert verschiedene Kirchendächer in Rom bis in alle Details.835 Das ca. 16 m weit spannende Dach von Sant’Andrea della Valle ist durch eine moderne Stahlkonstruktion ersetzt worden, zeigt aber im Bereich oberhalb der Chorapsis noch die originale Dachkonstruktion vom Anfang des 17. Jahrhunderts. Zu sehen ist ein Binder mit zwei seitlichen Hängesäulen und gestoßenem Zugbalken (Abb. 2.90)

Abb. 2.89: Simona Valeriani, Die Grundtypen der in Mittelitalien vorkommenden Dachwerke: A einfaches Hängewerk, B Hängewerk mit Sprießen, C einfache palladiana mit seitlichen Hängesäulen, C1 einfache palladiana mit mittlerer und seitlichen Hängesäulen, D doppelte palladiana mit seitlichen Hängesäulen, D1 doppelte palladiana nur mit mittlerer Hängesäule (Quelle für Abbildung und Bildunterschrift: Valeriani 2006, 31, mit freundlicher Erlaubnis).

Abb. 2.89: Simona Valeriani, Die Grundtypen der in Mittelitalien vorkommenden Dachwerke: A einfaches Hängewerk, B Hängewerk mit Sprießen, C einfache palladiana mit seitlichen Hängesäulen, C1 einfache palladiana mit mittlerer und seitlichen Hängesäulen, D doppelte palladiana mit seitlichen Hängesäulen, D1 doppelte palladiana nur mit mittlerer Hängesäule (Quelle für Abbildung und Bildunterschrift: Valeriani 2006, 31, mit freundlicher Erlaubnis).

Abb. 2.90: Sant’Andrea della Valle, Rom, Dachbinder mit zwei Hängesäulen und gestoßenem Zugbalken, Anfang 17. Jh. (Foto: H. Schlimme, Genehmigung des Ministero degli Interni, Protocollo 0010636 vom 07/10/2009)

Abb. 2.90: Sant’Andrea della Valle, Rom, Dachbinder mit zwei Hängesäulen und gestoßenem Zugbalken, Anfang 17. Jh. (Foto: H. Schlimme, Genehmigung des Ministero degli Interni, Protocollo 0010636 vom 07/10/2009)

2.9.7 Mess- und Aufschnürungstechniken

Beim Messen im Bauwesen ging es in der Frühen Neuzeit in erster Linie um das Vermessen von bereits ausgeführten Teilen eines Bauwerks. Solche misure e stime waren regelmäßig die Grundlage für Abrechnung und Bezahlung der Bauleute.836 Dabei kamen Maßstäbe (pertiche) und Knotenschnüre zum Einsatz. Flächen- und Körpermaße wurden dann durch einfache Rechenoperationen ermittelt. Das Messen von Bauteilen ist eine einfache geometrische Anwendung. Die seit dem 13. und 14. Jahrhundert in Italien und Europa weit verbreitete, in Abakusbüchern (Arithmetik, Algebra, Geometrie) verschriftlichte und in Rechen- und Abakusschulen unterrichtete praktische Geometrie, die v. a. für den kaufmännischen Bereich wichtig war, dürfte als Grundlage für die Vermessung von Bauteilen ausgereicht haben.837 Die Aufnahme antiker Bauten erforderte darüber hinaus ein philologisches Verständnis der Objekte.

Abb. 2.91: Bartolomeo Rocchi, Stadtraumaufnahme, Rom, 1553, Uff. A 4176, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.91: Bartolomeo Rocchi, Stadtraumaufnahme, Rom, 1553, Uff. A 4176, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz (mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Ein weiteres Anwendungsfeld für Messtechniken war die Landvermessung (Feldmessung). Traktate, wie die von Cosimo Bartoli (1589) oder Giovanni Pomodoro (1599) sind Gesamtdarstellungen der praktischen Geometrie und behandeln auch die Feldmessung. Einen Überblick über die europäischen Traktate zu diesem Thema gibt Knobloch.838 Die Feldmessung überschneidet sich mit dem Bauwissen v. a. wenn es darum geht, die Form eines Grundstücks oder Stadtraums und seine Fläche zu bestimmen. Dafür gab es Verfahren, die allein auf Fluchten und Streckenmessung beruhten, also im Feld mit Seilen, Stangen sowie Knoten- und Messschnüren bzw. auf dem Papier mit Lineal und (Mess-)Zirkel zu realisieren waren. Zur Flächenbestimmung wurden die Grundstücke in Dreiecke geteilt, einzeln berechnet und anschließend aufsummiert. Pomodoro, dessen italienischsprachiges Traktat im Laufe des 17. Jahrhunderts nicht weniger als sechs Neuauflagen erfuhr, beschreibt zunächst diese Techniken und wendet sich dann den Instrumentenmesstechniken zu, also etwa dem Einsatz der squadra oder des Quadranten. Letzterer war ein vom Astrolabium abgeleitetes Winkelmessgerät, das von Astronomen eingesetzt wurde und spätestens seit dem 13. Jahrhundert auch in der Landvermessung Anwendung fand. Camerota zitiert als ersten Hinweis darauf Leonardo Fibonaccis Pratica geometriae von 1220.839 Die Anwendung der squadra mobile zur Feldmessung wurde von Ottavio Fabri (1598) beschrieben. Quadrant und squadra mobile waren Grundlage für eine grundsätzlich andere, auf Punkt- und Winkelmessung beruhende, instrumentenbasierte Feldmess- und Zeichentechnik. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gab es in diesem Bereich offenbar einen wichtigen Entwicklungsschub. Neben Pomodoro gab es ein Reihe weiterer Traktate, in denen Feldmess- und Zeicheninstrumente nicht allein beschrieben, sondern darüber hinaus Vorschläge für ihre Weiterentwicklung gemacht wurden.840

Abb. 2.92: Antonio Bianchini, squadra mobile mit Kompass, 1564 (Museo Galileo, Firenze – Fotografia di Franca Principe; Inv. No. 2511).

Abb. 2.92: Antonio Bianchini, squadra mobile mit Kompass, 1564 (Museo Galileo, Firenze – Fotografia di Franca Principe; Inv. No. 2511).

Abb. 2.93: Giovanni Pomodoro, Vermessungsinstrumente, aus Pomodoro 1624, Taf. I (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.93: Giovanni Pomodoro, Vermessungsinstrumente, aus Pomodoro 1624, Taf. I (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Ein Beispiel für ein instrumentenbasiertes Aufmaß ist eine Stadtraumaufnahme (Abb. 2.91), die Bartolomeo Rocchi vor 1553 im Vorfeld der Errichtung der römischen Hauptkirche der Jesuiten Il Gesù (1568–1584) von der Piazza Altieri gemacht hat.841 Offenbar wurde dafür eine mit Kompass versehene squadra mobile verwendet, die an die jeweilige Häuserfront gehalten und abgelesen wurde (Abb. 2.922.93). Die Breiten der Häuser- und Grundstücksfronten werden in der Vermessungsskizze in Palmi angegeben. Acht Hauptwindrichtungen (Abb. 2.94) sind Grundlage für die Richtungs- bzw. Winkelangaben auf dem Blatt. Winkel werden, wie in der Astronomie im 16. Jahrhundert üblich, gegen den Uhrzeigersinn und mit 360° Vollkreis gemessen. Jedes Sternzeichen erhält 30°, was den 30 Tagen entspricht, die je Sternzeichen vergehen. Das entspricht 45° je Windrichtung. Jede Winkelangabe besteht aus einer Windrichtung und einer Zahlenangabe zwischen 0 (justo) und 44. Die Zahl bezeichnet denjenigen Winkel, der zur Windrichtung hinzugerechnet werden muss. In der Angabe ponente 27 bezeichnet ponente eine westliche Begrenzung des Platzraums. Die Richtungen werden also vom Stadtraum her verstanden. Ponente 27 bezeichnet also eine Stadtraumbegrenzung auf der Westseite des Platzes, die 27° gegen den Uhrzeigersinn, also nach Südwesten verdreht ist. Pomodoro zeigt diese Art der Stadtraumvermessung in seinem Traktat (Abb. 2.95).

Abb. 2.94: Windrose (H. Schlimme).

Abb. 2.94: Windrose (H. Schlimme).

Abb. 2.95: Giovanni Pomodoro, Stadtraumvermessung, aus Pomodoro 1624, Taf. I (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.95: Giovanni Pomodoro, Stadtraumvermessung, aus Pomodoro 1624, Taf. I (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo; Reproduktion nicht gestattet).

Die Aufnahme bestehender Bauten und Situationen ist über die gezeichneten Ergebnisse zumeist gut dokumentiert. Anders sieht es beim Abstecken zu errichtender Bauten aus. Dort kann in der Regel lediglich auf Schriftquellen zurückgegriffen werden. Diese systematisch zusammenzutragen, wäre ein Desiderat. Zwei Beispiele für solche Quellen seien hier benannt. In der ersten, in das Jahr 1475 datierten Quelle bittet der Marchese Lodovico II. Gonzaga in einem Brief seinen Architekten Luca Fancelli darum, mit den squadre am nächsten Tag (13. September 1475, ein Mittwoch842) nach Cavallara zu kommen um ein Gebäude abzustecken. Zwölf Schnurknäuel (gumiselli de laza) würden dafür besorgt.843 Die zweite Quelle zum Abstecken ist 1554 datiert. Es handelt sich um einen Bericht über das Abstecken einer kleinen Festung (Rocca o Castellina) in Norcia durch den Architekten Jacopo Barozzi da Vignola. Die Absteckung fand nach einer Messe und im Beisein des Regenten, des Kardinals und des Vizelegaten statt.844 Die beiden Absteckungen fanden nicht an besonderen Tagen statt, wohl aber (im zweiten Fall) wurde zuvor eine Messe zelebriert. In beiden Fällen waren höchstrangige Personen unmittelbar beteiligt. Das Abstecken war in beiden Beispielen Aufgabe des Architekten und wurde (nachweisbar im ersten Fall) unter Zuhilfenahme von langen Schnüren und squadre realisiert.

2.9.8 Statik

Das Wissen der Frühen Neuzeit um Statik und Strukturmechanik beschreibt Becchi im vorliegenden Band im Beitrag „Fokus: Architektur und Mechanik“. Zum Thema siehe auch Abschnitt 2.12.3.

2.9.9 Festungsbau

Die zahlreichen Kriege, die drohenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den vielen kleinen Staaten und die Konkurrenz der Großmächte in Italien führte zu einer besonderen Blüte des Festungsbaus. Entscheidende Herausforderung im Festungsbau war die immer größere Reichweite der mit Eisenkugeln und Schießpulver arbeitenden Kanonen. Federico da Montefeltro beschaffte im Jahre 1449 Kanonen, die Kugeln von 300 Libbre (etwas mehr als 100 kg) Gewicht feuern konnten.845 Gargiani beschreibt zwei verschiedene Festungsbautraditionen in Italien, die am Ende des Jahrhunderts konvergierten.846 Auf der einen Seite stünden Mailand, Rom und Neapel, wo Festungen mit Rundtürmen auf hoher Böschung (scarpa) errichtet wurden. Mit festen Natursteinen als Baumaterial stellten sich diese Festungen dem Beschuss entgegen. Der unter Nikolaus V. errichtete Rundturm in der Befestigung des Vatikan etwa wurde aus peperino erbaut. An der Adriaküste gab es hingegen Bergfestungen, die auf die verschiedensten Angriffsmethoden, und eben nicht nur auf Kanonenbeschuss, ausgelegt waren. Diese Festungen bekamen in der Regel aus Ziegelstein errichtete, polygonale Türme und die Eingänge flankierende rivellini. Polygonale Türme und Mauern sind für die Verteidigung günstig, da man vom einen Turm den anderen mit Schusswaffen bestreichen und auf diese Weise verteidigen kann. Das Prinzip war bereits seit Langem üblich und auch Alberti spricht in seinem Traktat von Türmen, die sich gegenseitig schützen. Außerhalb der Marken wurde auch in Siena und dem zugehörigen Territorium mit polygonalen Festungen experimentiert. Mariano di Jacopo detto il Taccola hielt diese Tradition 1449 in einem Traktat fest.847 Alberti machte in seinem De Re Aedificatoria einen bautechnisch interessanten Vorschlag: Mauern sollten mit Hilfe von davorgebauten, mit weichem Stein (Bimsstein, Tuff) oder Gips gefüllten Bogenreihen gegen Kanoneneinschläge resistent gemacht werden. Es ging also nicht um Festigkeit, sondern kontrolliertes Nachgeben der Mauern war gefragt. Diese Ideen wurden von Leonardo, Giuliano da Sangallo und Francesco di Giorgio aufgegriffen. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts hatte sich die Vorstellung einer resistenza dinamica, bei dem die Festungswerke ,weich‘ sind und den Kanonenbeschuss gewissermaßen abfedern, allgemein durchgesetzt.848

Ausgehend vom Italien um 1500 verbreitete sich das Konzept flacher polygonaler Ecktürme (Bastionen) und damit die bastionäre Festung im Laufe der folgenden 100 Jahre in ganz Europa: Breite Erdwälle mit oder ohne Futtermauer wurden weniger hoch ausgebildet als bei den bis dahin üblichen Maueranlagen. Durch Polygonalität in Verbindung mit geometrischer Perfektion gelang es, die toten Winkel bei der Bestreichung der Kurtine (Außenmauer) mit Schusswaffen, d. h. bei der Verteidigung der Festung zu eliminieren. „Die geometrischen Prinzipien drängten zum Bau symmetrischer Idealfestungen, deren Entwürfe auch den theoretischen Diskurs bestimmten. In der Praxis konnte dies üblicherweise nur bei gleichzeitiger Neuanlage von Planstädten in ebenem Gelände verwirklicht werden“.849 In Italien ist Palmanova (ab 1593) das entscheidende Beispiel. Verbesserte Artillerie- und Angriffstechnik führten im 16. Jahrhundert zu weiteren Neuerungen im bastionären Festungssystem. So wurden z. B. ravelins, d. h. vorgeschobene Festungsbauwerke oder Gegenminengänge zur Bekämpfung feindlicher Stollenbauten üblich. Die Durchsetzung einer Reihe von Musterlösungen ließen den Festungsbau zur Wissenschaft werden.850 Als Teil der Architektur war der Festungsbau Thema in den teilweise bereits erwähnten Traktaten Albertis, Filaretes und Francesco di Giorgio Martinis aus dem 15. Jahrhundert. Auch die Traktate von Pietro Cataneo (1554) (Abb. 2.30) und Vincenzo Scamozzi (1615) umfassen alle Bereiche des Bauwesens und damit auch den Festungsbau. Auf der anderen Seite entstanden zahlreiche Schriften, die allein den Festungsbau behandeln.851 Im deutschsprachigen Raum sind die Traktate von Albrecht Dürer (1527) und Daniel Specklin (1589) zu nennen. Von den zahllosen italienischen Texten seien diejenigen von Niccolò Tartaglia (1537), Pietro Sardi (1618) und Bonaiuto Lorini (1592) benannt. Letzterer erfuhr bereits im Jahre 1609 eine zweite Auflage und gilt als eines der einschlägigen Festungsbautraktate des 17. Jahrhunderts in Italien. Francesco de Marchis posthum 1599 publiziertes Traktat enthält das damals umfangreichste Kompendium von Festungsentwürfen für reale und fiktive Situationen. International führend wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der französische Festungsbau unter Sébastien Le Pêstre de Vauban. „Angesichts der vielen Variationen des bastionären F[estungsbaus] und ihrer engen gegenseitigen Bezüge ist es problematisch, eine Entwicklungslinie von ,veraltet‘ zu ,modern‘ zu konstruieren. So boten auch frühe Konzepte (wie die Daniel Specklins von 1589) auch im 18. Jahrhundert direkte Anknüpfungspunkte für neue Entwürfe. Allerdings übten die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts immer effektiver werdenden Methoden des Angriffs bei der Belagerung und die kontinuierlich zunehmende Wirksamkeit der Artillerie einen erheblichen Innovations-Druck aus“.852 So nahm der Befestigungsring eine immer größere Oberfläche ein (zum Verhältnis zwischen Festungsbau und städtebaulicher Planung siehe 2.6.4).

2.10 Bauleute und Bauprozess

Die Konzeption eines Bauwerks, der Entwurf, wurde im Verlauf der Frühen Neuzeit zunehmend als eigenständige intellektuelle Leistung verstanden. Als Ergebnis der Arbeit des Architekten galt der in Zeichnungen dargestellte Entwurf, der dann in einem zweiten Schritt realisiert wurde. Diese mit dem neuen Selbstverständnis des Architekten (und einem höheren sozialen Rang) einhergehende Trennung von Planung und Realisierung wurde mit den 1563 bzw. 1593 in Florenz und Rom gegründeten Akademien zementiert, in denen baupraktisches Wissen weitgehend ausgeklammert wurde (s. o. Abschnitte über die Akademien). Die Professionalisierung einer Bauplanung verlangte von den Architekten aber auch, sich ganz neues Wissen anzueignen, etwa Massen-, Flächen- oder Kostenrechnungen. Kaufmännisch denkende Auftraggeber verstärkten diesen Trend. Baldassarre Peruzzi etwa erstellte in den Jahren 1531/32 auf den Entwurfszeichnungen für den Umbau der Kirche San Domenico in Siena gleich eine Berechnung der erforderlichen Mauerwerksmasse und einen Kostenvoranschlag.

In weiten Teilen des Bauwesens ist in der Frühen Neuzeit eine Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung bzw. eine Professionalisierung zu beobachten. Im 15. und vor allem im 16. Jahrhundert führten die Dimension einzelner Projekte und der Wunsch gegenreformatorischer Auftraggeber nach rascher Ausführung dazu, Aufträge zu teilen und nach Ausschreibung (auf der Grundlage der bereits erwähnten Massenberechnungen) in Form von schlüsselfertig zu erstellenden Bauabschnitten zu vergeben. Dieser Übergang von einer Bezahlung nach Tagelohn hin zu einer Bezahlung nach Werk brachte Vorteile für Handwerker, die sich in compagnie, also Baugesellschaften/Baufirmen, zusammenschlossen, um die teilweise großen Aufträge schultern zu können. Die compagnie mussten den ganzen Ablauf von der Materialgewinnung bis zur Übergabe beherrschen, hatten aber die Möglichkeit, die Leistung selbst zu erbringen bzw. ganz oder teilweise weiterzuvergeben. Zu den nach dem Niveau des Fachwissens organisierten Hierarchien Meister – Geselle – Lehrling kamen jetzt neue, auf der organisatorisch-logistischen Ebene angesiedelte Hierarchien, nämlich Auftraggeber – Auftragnehmer. Mit der compagnia entstand aber nicht zuletzt auch ein neuer Wissensraum. Die schlüsselfertige Erstellung von Bauteilen dürfte die compagnie angespornt haben, Bautechniken zu verbessern und neue logistische Methoden zu entwickeln, um Wettbewerbsvorteile zu gewinnen. Auch Transportwesen und Baustoffhandel wurden im Verlauf des 15. Jahrhunderts zunehmend kommerzialisiert. Das Wissen verteilte sich auf immer mehr Fachleute, die im Idealfall in Konkurrenz standen, so dass sich das Wissen erweiterte und man zunehmend spezialisierte Leistungen bei Firmen einkaufen konnte (s. o. Abschnitt 2.2.5).

Die Trennung von Planung und Realisierung führte zudem zu einer Trennung von Entscheidungskompetenzen. Zum einen gab es Entscheidungen, die beim Entwurf eines Bauwerks vom Architekten getroffen wurden und zum anderen solche, die im Laufe der Realisierung auf der Baustelle gefällt wurden. Dabei zeigt sich, dass den Bauhandwerkern der Frühen Neuzeit in der Regel die Entscheidungen in Konstruktionsfragen zustanden. Vielfach wählten sie – und nicht der Architekt – zusammen mit dem Bauherrn auch den Naturstein aus, wie für Vignolas Baustellen nachgewiesen werden konnte.853 Die Architekten hingegen entwarfen ausführungsneutral bzw. delegierten die Entscheidungen zur Konstruktion an die Baustelle, die in der Renaissance eine große Autonomie besaß. Die Bauleute verwandten in aller Regel die ihnen bekannten, lokalen Bauweisen. Von ein- und demselben Architekten entworfene kassettierte Wölbungen wurden regionsabhängig in verschiedener Weise ausgeführt: Die unter Beteiligung Albertis entstandenen Kassetten in Rom als Konglomeratschüttung und in Mantua in Ziegelsteinverband; Bramantes Kassetten hingegen in Mailand als Terracottaverkleidung und in Rom ebenfalls als Schüttung.854 Für Vignolas Palazzo Farnese in Piacenza lassen sich die den Handwerkern übergebenen Baupläne Vignolas identifizieren. Diese Pläne sowie die erhaltenen Ausschreibungsunterlagen zeigen, dass Vignola in Gestaltungsfragen entschied und Raummaße sowie Mauerwerksstärken vorgab, die Festlegung der Bautechnik im Einzelnen sowie die Entwicklung konstruktiver Details aber den Handwerkern überlassen blieben (Abschnitt 2.9.1). Komplexere Elemente wie Wölbungen wurden in engem Austausch zwischen Architekt und Baustelle entschieden.855

2.11 Arten des Wissens und ihre Tradierung

2.11.1 Grundlegende Quellen des Wissens

Eine der grundlegenden Quellen des Bauwissens im Italien der Frühen Neuzeit waren die Erfahrungen, die man auf den Baustellen machen konnte. Soweit die Baustellen regelmäßig vorkommende Bauaufgaben, wie städtisches Wohnhaus, Kreuzgang eines Klosters, Bogenbrücke o.ä. betrafen oder soweit dort laufend angewendete Bauweisen wie z. B. Holzdecken für kleine und mittlere Spannweiten oder zweischaliges Mauerwerk Verwendung fanden, vermittelt die Baustellenpraxis bewusst und gezielt erfahrungsbasiertes Wissen, also ein Wissen um Verfahren, die von der Konzeption und Dimensionierung über das ins Werk setzen bis zum vorhersehbaren Ergebnis genau kontrolliert werden können.

Natürlich sind auf der Baustelle immer wieder ad-hoc Lösungen erforderlich, die man improvisieren musste und nicht mit den Standardbauweisen, also nach Stand der Technik handhaben konnte. Das war etwa erforderlich, wenn übliche Bautypen in größerer Dimension zu errichten waren oder wenn neue Formensprachen oder Bauaufgaben realisiert werden mussten. Wie unten (Abschnitt 2.12.2) anhand von Beispielen ausführlich dargestellt wird, war das regelmäßig Anlass für Innovation. Aber ebenso wichtig sind ad-hoc Lösungen im Rahmen des alltäglichen Improvisierens auf der Baustelle, etwa wenn bestehende Gebäude umgebaut wurden. Vielfach wurden existierende Wohnhäuser in neue, größere Paläste integriert. Die Bauteile wurden aus Kostengründen nicht abgebrochen, sondern weiterverwendet. Ebenso wurden in bestehenden Bauten erhebliche statische Eingriffe vorgenommen, ohne dass es dafür Grundlagen in den Standardbautechniken gab. Solche Eingriffe sind selten in einer Weise dokumentiert, die es erlaubt, sie heute nachzuvollziehen; schon gar nicht war solches ,Umbauwissen‘ traktatwürdig.856 Vielmehr musste erfinderisch agiert werden, wobei sich jeder Einzelfall anders darstellte. Die Erfahrung, die man auf der Baustelle machen konnte, bezog sich in solchen Fällen weniger auf die einzelnen Bautechniken. Vielmehr erwarb man die Fähigkeit, einzuschätzen, wie man an die Lösung spezieller Probleme herangehen konnte. Solches Wissen beruht auf Erfahrungen, die unter nicht kongruenten Bedingungen gemacht wurden.

Weitere spezifische Quellen des Bauwissens in der Frühen Neuzeit in Italien waren die Bauten und Ruinen der Antike, die genau vermessen und studiert wurden und die als bautypologische und formensprachliche Vorbilder für die Architektur seit der Renaissance entscheidend waren. Hinzu kamen die aus der Antike überlieferten Schriftquellen zum Bauwesen wie Vitruv, Frontinus und Plinius der Jüngere,857 die studiert, kommentiert, übersetzt und für den aktuellen Gebrauch der Architekten, Bauleute und Auftraggeber neu herausgegeben wurden (s. o. Abschnitt 2.4.1). Bautypen und Formensprachen wurden in den Traktaten der Renaissance systematisch dargestellt und vielfach aus der historischen Literatur hergeleitet. Das Traktatwissen kann als aufgrund von Quellen bewiesenes oder doch zumindest aufgrund von Quellen gesichertes Wissen bezeichnet werden. In Traktaten dargestellte Theorien zur Bauwerksstabilität858 gab es ebenso wie genaue Aufstellungen von Baumaterialien und ihren Eigenschaften. Erstere zeigen jedoch eher das Interesse der Naturphilosophie an Handwerkstechniken und dem Bauwesen (s. u. Abschnitt 2.12) und bekamen nur langsam eine Rolle im Bauwesen selbst. Letztere waren eher Summen des Wissens zu Materialien, die auf ausgiebigem Studium aller verfügbaren Schriftquellen beruhten und Architekten und Auftraggebern eine gelehrt begründete Wahl der Materialien ermöglichten und auf der Baustelle keine entscheidende Rolle spielten. Erst mit van Musschenbroek859 wurden mathematische Beschreibungen von Materialeigenschaften gemacht, die für die Entwicklung der Berechnungsverfahren im Bauwesen entscheidend wurden (Abb. 2.52, 2.53; vgl. Abschnitt 2.8.11 und 2.12.3).

Auch Bautechniken wurden in den Traktaten der Renaissance beschrieben. Bautechniken enthalten jedoch so viele händisch-handwerkliche Elemente, dass sie auf der Baustelle durch aktive Teilnahme am Arbeitsprozess erlernt werden müssen. Es handelt sich also um Wissen in Köpfen. Damit kommen wir zu den Existenzformen des Wissens.

2.11.2 Existenzformen des Wissens und ihre Tradierung

Personales Wissen

Für diesen Abschnitt wird die Unterscheidung zwischen personalem Wissen (Wissen in Köpfen) und objektiviertem Wissen (Wissen in Schriften, Bauten und anderen Objekten) zugrunde gelegt. Personales Wissen ist Wissen, das sich nicht verschriftlichen lässt und das aus Objekten nicht hergeleitet werden kann, aber natürlich auch solches, das nie verschriftlicht worden ist. Positiv formuliert ist personales Wissen an die einzelne Person gebunden und durch ihre Individualität maßgeblich geprägt. Das kann eine Art und Weise sein, eine Aktion auszuführen, ein persönlicher Stil oder einfach ein eigenes Verständnis einer Verfahrensweise oder eine persönliche Systematik, mit objektiviertem Wissen umzugehen. Ein großer Bereich personalen Wissens ist das Händisch-Handwerkliche am Wissen um die Ausführung von Bauten, das sich nicht verschriftlichen lässt, sondern durch aktive Teilnahme am Arbeitsprozess erlernt werden muss. Ob das in einer Gilde formalisiert erfolgte, also zum Beispiel in einem Meister-Lehrling-Verhältnis, etwa in der römischen Università dei Falegnami (Zimmermannsgilde)860 oder weniger formalisiert durch Anlernen auf der Baustelle, ist dabei gar nicht so entscheidend. Wichtiger ist vielmehr, dass beim learning on the job im Kopf des Lernenden eine persönliche Version des vermittelten Wissens entsteht. Auch beim Studium eines Traktats entsteht im Kopf des Lesenden eine persönliche Version des dort vermittelten Wissens. Dennoch stellt das Traktat als solches eine objektivierte Version des Wissens dar (s. u.).

Auch die Planungspraxis der Architekten ist vielfach personales Wissen, etwa das Wissen darum, wie eine Entwurfsidee im Hinblick auf die Bauausführung zu entwickeln ist, in einer Zeichnung oder in einem Modell darzustellen ist und welche Informationen und Entscheidungen darin zu treffen sind.861 Dieses Wissen eigneten sich die angehenden Architekten in der Frühen Neuzeit ebenfalls on the job an, etwa indem sie für und mit Carlo Fontana (1638–1714) arbeiteten. Die didaktische Aktivität Fontanas hatte mehrere Standbeine. Zum einen spielte Fontana in der Accademia di San Luca eine entscheidende Rolle, war im Jahr 1686 sowie von 1693 bis 1699 prinicipe der Akademie862 und hatte einen entsprechenden Einfluss auf die Ausbildung der Architekten.863 Zum anderen und sicher nicht weniger entscheidend für Fontanas Wirkung auf seine eigene und auf die nachfolgende Generation von Architekten war sein privates studio, in dem er junge Kollegen on the job anlernte und in seine aktuellen Projekte einband. In Fontanas studio wurden zahllose Zeichnungen und anderes Material aus der professionellen Aktivität des Meisters zu Studienzwecken vorgehalten.864

Objektiviertes Wissen in Schriften

Von objektiviertem Wissen in Schriften, Zeichnungen und Stichen kann gesprochen werden, wenn darin absichtsvoll Wissen für eine Überlieferung zusammengestellt wird, das zur Instruktion und Information anderer Personen gedacht ist. Baurechnungsbücher oder Skizzen, die während des Entstehungsprozesses von Bauten entstehen, um diesen Prozess zu lenken oder zu dokumentieren und die in der Frühen Neuzeit zahlreich erhalten sind, stellen kein objektiviertes Wissen in Schriften dar. Sie können aber gleichwohl aufgearbeitet werden und als Instruktionen etwa zur Rechnungsbuchführung dienen. So wurden beispielsweise Francesco Borrominis Bauabrechnungen und misure e stime vom Collegio di Propaganda Fide für ein Salvatore Casali zugeschriebenes Traktatprojekt aufbereitet, das in Manuskriptform erhalten ist.865

In die Kategorie „Objektiviertes Wissen in Schriften und Bildern“ gehören in der Frühen Neuzeit Traktate, gedruckte Bücher, Manuskripte, Einzelstiche, Stichpublikationen. Über Schriften wird das Wissen Dritten zugänglich, ohne dass diese die Erfahrungen selbst machen mussten. Dieses Wissen kann auch über räumliche und/oder zeitliche Distanz in anderen Kulturkreisen rezipiert werden. Die Entwicklung des Buchdrucks und der graphischen Vervielfältigungstechniken wie Holzschnitt oder Kupferstich verstärkten diesen Effekt in der Frühen Neuzeit. Große, oftmals öffentlich zugängliche Bibliotheken entstanden ebenso wie der Wunsch, alles vorhandene Wissen in gedruckter Form zusammenzustellen. Die Architekturtraktate und kommentierten Vitruvübersetzungen haben die Beschäftigung mit Fragen des Bauwesens in einer bis dahin unbekannten Breite ermöglicht. Die Kanonisierung einer zunächst in Italien und schließlich in ganz Europa verbindlichen Architektursprache erklärt sich gerade auch vor diesem Hintergrund. Im 17. Jahrhundert wurde insbesondere die römische Architekturkultur in Publikationen und Vorlagenstichen verbreitet. Die Kenntnis einschlägiger Publikationen und Buchbesitz wurden entscheidend für den beruflichen Erfolg der Architekten.

Was gab es für Schriften im Italien in der Frühen Neuzeit? Die Architekturtraktate der Renaissance wie die von Leon Battista Alberti (1485) oder Vincenzo Scamozzi (1615), aber auch die meisten der kommentierten Vitruvausgaben, etwa die überaus einflussreiche Ausgabe von Daniele Barbaro (1556/1567), stellten die Grundprinzipien der Architektur vor und wollten die abstrakte Idee von Architektur und den kulturellen wie praktischen Wert, den Architektur besitzt, vermitteln. Absolute Qualitätsbegriffe, die in der Römischen Antike als am besten verwirklicht angesehen wurden, sind der Kern dieser Taktate.

Lehrbücher

Es gab in der Renaissance aber auch Traktate, allen voran das von Sebastiano Serlio, die als Regelbücher und summierte Erfahrungsberichte von Praktikern anzusprechen sind. Serlio stellte Entwurfsprozesse und Entwurfsprinzipien als Regeln und Rezepte vor. Im Jahre 1537 erschien der erste Teil von Serlios Architekturtraktat, und zwar das vierte Buch mit dem Titel Regole generali di architettura sopra le cinque maniere degli edifici, in dem Serlio die fünf Säulenordnungen erläuterte. In diesem Zusammenhang stellte Serlio auch idealisierte Beispielbauten und Entwürfe vor und beschrieb Schritt für Schritt den jeweiligen Entwurfsprozess. So erläuterte Serlio beispielsweise, wie man eine Kirchenfassade entwirft (Abb. 2.9). Auch in dem im Jahre 1575 posthum erschienenen siebten Buch legt Serlio Entwurfsmethoden schriftlich nieder und beschreibt, wie man Schritt für Schritt mit Spoliensäulen und anderen Spolienelementen neue Architektur entwerfen kann und was es dabei zu beachten gilt. Das Entwerfen mit Spolien war im 16. Jahrhundert durchaus verbreitet und Serlio ist der einzige, der diese Praxis in Traktatform reflektiert.

Der Leser mag den Eindruck gewinnen, durch die Lektüre des Buches das Entwerfen erlernen zu können. Das ist von Serlio durchaus beabsichtigt. Er will praktische Regeln für die Erstellung von Architektur vermitteln und damit eine Lücke schließen. Denn das aus der Antike überlieferte Vitruvtraktat ist unübersichtlich. Man muss sich Entwurfsprinzipien mühsam aus den verschiedenen Büchern zusammensuchen. Die zahlreichen Vitruvkommentare gingen philologisch mit dem Vitruvtext um, d. h. sie betrieben eher Archäologie im modernen Sinne, als Grundlagen für ein aktuelles Entwerfen zu liefern. Der erwähnte Alberti schrieb auf Latein und legte eine kaum zu überschätzende neue Grundlegung der Architektur vor, ist aber im Moment des konkreten Entwurfs ebenfalls nicht unmittelbar hilfreich.

Serlios neuartige didaktische Aufbereitung von Entwurfsprozessen wandte sich in der Einleitung explizit auch an mittelmäßige Zeitgenossen, die durchaus imstande wären, den Entwurf von Architektur zu erlernen. Giovanni Paolo Lomazzo (1538–1600) kritisierte promt, Serlio habe eine Schwemme phantasieloser Architekten in Italien zu verantworten. Das lässt sich auch positiv sehen. Architektur und Entwurfsprinzipien waren lehrbar geworden und Serlio hatte das erste neuzeitliche Lehrbuch geschrieben. Dass ein Lehrbuch Talent, Entwurfspraxis und den Aufbau eines persönlichen Wissens zum Entwerfen nicht ersetzen konnte, wohl aber dazu beitragen konnte, vorhandenes Talent auszubilden, war den Menschen im 16. Jahrhundert vollkommen klar.

Neben der Theoretisierung von Entwurfsprozessen wurde in den Traktaten vor allem die antike Architektursprache systematisiert. Das Studium der Antike in Nachzeichnungen (Abb. 2.6) war für Architekten geboten, die bei den Auftraggebern, die all’antica leben wollten, Erfolg haben wollten. Diese Studien bauten aufeinander auf, wie Hubertus Günther nachvollzogen hat.866 Sebastiano Serlios drittes Buch (erschienen 1540) ist dann die erste zusammenhängende systematische Veröffentlichung antiker Bauten, ebenso Palladios viertes Buch aus dem Jahre 1570. Als Essenz der antiken Architektursprache kristallisierten sich die Säulenordnungen heraus, die Serlio als erster in einer Abbildung zusammenfasste. Vignola kümmerte sich in seinem Traktat (1562) dann nur noch um die Säulenordnungen, deren Morphologie und v. a. Proportionen durch die ganze frühe Neuzeit entscheidend bleiben sollten (s. o. Abschnitt 2.4.1).

Neben diesen Traktaten gab es weitere Architekturpublikationen mit didaktischem Charakter. Im 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde insbesondere die neuzeitlich römische Architekturkultur in Publikationen und Vorlagenstichen verbreitet. Beispiele dafür sind Valerien Regnarts Publikation aus dem Jahre 1650, das von Giovanni Giacomo de Rossi herausgegebene und von Giovanni Battista Falda gestochene Nuovo Teatro delle Fabbriche, et Edificii, in Prospettiva di Roma Moderna (4 Bde., Rom 1665–1699), Faldas weitere Publikationen zu Brunnenarchitekturen (1685, 1691), und Domenico De Rossis Studio di architettura civile von 1702, 1711 und 1721.867 Der De Rossi/Falda zeigt perspektivische Gesamtansichten nach dem Vorbild der Veduten, während Domenico De Rossi systematisch gemessene Ansichten, Schnitte und Grundrisse von ganzen Architekturen und Architekturdetails vorstellt (Abb. 2.96).868 Aktuelle Architektur in Traktaten vorzustellen war jedoch keineswegs neu. Auch dafür ist letztlich wieder Serlio ein Vorläufer, der in seinem dritten Buch über die Architektur der Antike auch aktuelle Bauten und Projekte von Bramante, Raffael und Michelangelo vorgestellt hatte.869 Palladio präsentierte in seinem Traktat u. a. seine eigenen Bauten. Vignola publizierte 1573 seinen Entwurf für die Fassade von Il Gesù, der zugunsten eines Entwurfs von Giacomo della Porta nicht realisiert worden war, als Einzelstich. Im 17. Jahrhundert verstärkte sich diese Tendenz. Von Guarino Guarinis Traktat Architettura Civile wurden kurz nach Guarinis Tod zunächst nur die Abbildungen publiziert,870 d. h. v. a. Guarinis eigene Entwürfe. Erst 50 Jahre später erschien auch der Text dazu.871 Auch Francesco Borromini plante einen Traktat mit seinen eigenen Bauten. Erst lange nach seinem Tod erschienen Bände zu Sant’Ivo (1720) und dem Oratorium der Filippiner (1725).872 Es handelt sich hierbei um eine andere Form von Traktaten, wo nicht Text illustriert wird, sondern die Abbildungen entscheidend sind, die lediglich legendenhaft kommentiert werden. Aber diese Traktate haben genauso didaktischen Anspruch. Dafür ist letztlich der bereits benannte Imperativ Albertis ausschlaggebend, der die Architekten aufgefordert hatte, vorbildliche Bauten zu studieren und eine persönliche Sammlung von Nachzeichnungen anzulegen. Der Besitz von Stichen und Vorlagenbüchern war da natürlich praktisch. Die Architekten hatten teilweise riesige Sammlungen, wie aus Nachlassinventaren deutlich wird.

Abb. 2.96: Michelangelo, St. Peter, Flankenfassade, Bauaufnahme und Stich Alessandro Specchi, aus De Rossi 1702, Taf. 14 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.96: Michelangelo, St. Peter, Flankenfassade, Bauaufnahme und Stich Alessandro Specchi, aus De Rossi 1702, Taf. 14 (Bibliotheca Hertziana).

Die Bibliotheken der Architekten

Die privaten Bibliotheken der Architekten sind zum Teil bereits erforscht worden. So gibt es das Inventar der Bibliothek Carlo Madernos, das unmittelbar nach seinem Tod erstellt wurde.873 Die Bibliothek Francesco Borrominis umfasste 459 Titel, davon allein 123 zur Architektur.874 Einen guten Überblick über den Stand der Forschung gibt ein vor wenigen Jahren erschienener Sammelband zu Bibliotheken italienischer Architekten.875 Interessant für eine Wissensgeschichte der Architektur ist jetzt die Frage, wie die Architekten das umfangreiche, in Traktaten und Stichpublikationen verfügbare Wissen um beispielhafte Bauten, architektonische Lösungen, Formensprachen und Bautypen bewältigten. Eine Strategie im 18. Jahrhundert waren die sogenannten libri di disegni, also Zeichnungsbücher. In solchen Zeichnungsbüchern versammelten Architekten Ausschnitte aus Büchern, Einzelstiche, eigene und erworbene Zeichnungen, oft mit zeichnerischen oder schriftlichen Kommentaren. Marco Rosario Nobile hat auf dem Studientag La biblioteca dell’architetto, der am 29. November 2008 in der Bibliotheca Hertziana stattfand, solche Bücher aus dem Sizilien der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorgestellt. Vom Format her passten diese libri di disegni in eine Tasche. Vermutlich nahmen die Architekten sie zu den Bauherren mit, um mögliche bauliche Lösungen vorschlagen zu können. Diese Bücher waren freilich irgendwann nicht mehr aktuell, wurden wieder auseinandergenommen oder gingen verloren. Das Anlegen von Zeichnungsbüchern und andere Strategien, mit Wissen umzugehen, sind wiederum personales Wissen, das ein Architekt im studio seines Lehrers oder durch den Besuch einer Akademie gewinnen konnte.

Objektiviertes Wissen in Bauwerken

Die gebauten Ergebnisse von Architektur enthalten das Wissen um Formensprachen und Bautypen, das durch das Studium und die Vermessung solcher Bauten extrahiert werden kann. Das war Teil der Strategie der Architekten des 15. und 16. Jahrhunderts, um Architektursprache und Typologien der Architektur der Römischen Antike zu erforschen. Das bautechnische Wissen hingegen, das zur Herstellung dieser Bauten erforderlich war, konnte und kann nur sehr bedingt aus dem gebauten Ergebnis rekonstruiert werden. Dieses Wissen enthält so viele händisch-handwerkliche Elemente, dass die Vermittlung auf einer aktiven Baustelle erfolgen muss (learning on the job). Genau in der mündlichen und handlungspraktischen Vermittlung liegt die begrenzte Gültigkeit praktischen Wissens, das durch Nicht-Gebrauch verloren gehen kann. Das wird am Beispiel des Florentiner Ponte a Santa Trìnita deutlich (Abb. 2.97). Die von Bartolomeo Ammannati (1511–1592) in den Jahren 1568–1571 errichtete dreibogige Brücke war 1944 gesprengt und 1954–1957 in den Formen Ammannatis rekonstruiert worden.876 In langen und kontroversen Diskussionen hatte man sich dafür entschieden, die Brücke nicht unter Verwendung von Stahlbeton, sondern mit den Konstruktionsmethoden des 16. Jahrhunderts wieder aufzubauen. Dies gelang nicht, da es sich beim Brückenbauwissen Ammannatis, der Ingenieure der Parte Guelfa und der Bauhandwerker um praktisches, zumeist ungeschriebenes Wissen handelte. Die aus der Brückenruine ablesbaren, ausdifferenzierten konstruktiven Charakteristika erklärten sich nicht von allein.877 Die Ingenieure der Nachkriegszeit waren letztlich gezwungen die komplexe Bauweise des 16. Jahrhunderts auf ein Schema zu reduzieren. Das in die äußere Schale aus pietra forte eingebrachte Kalkmörtelkonglomerat Ammannatis wurde durch eine Betonschüttung ersetzt. Wie beim schichtenweisen Einstampfen des Konglomerats vorzugehen gewesen wäre, hätte 1954 auch niemand mehr erläutern können. Das praktische Brückenbauwissen des 16. Jahrhunderts war im Zuge der technischen Entwicklung im Brückenbau im 19. und 20. Jahrhundert verloren gegangen und ließ sich in den fünfziger Jahren wie auch heute nicht aus Bauten, Bildquellen und Traktaten rekonstruieren.878 Man konnte also den Ponte a Santa Trìnita im Abstand von 400 Jahren nicht zweimal mit derselben Technik errichten.

Abb. 2.97: Bartolomeo Ammannati, Ponte a Santa Trìnita, 1568–1571 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.97: Bartolomeo Ammannati, Ponte a Santa Trìnita, 1568–1571 (Foto: H. Schlimme).

Institutionalisiertes Wissen

Institutionen, die die Anwendung bestimmten Wissens und bestimmter Standards gewährleisten sollen, also auch bestimmte Qualitätsstandards in Bauprozessen, wurden weiter oben im vorliegenden Beitrag behandelt. Neben den verordnungsgebenden Stadtregierungen in den Stadtrepubliken (Abschnitt 2.2.4) sind lokale Baubehörden (Maestri delle Strade in Rom, Abschnitt 2.2.7, Parte Guelfa in Florenz, Abschnitt 2.2.6) beispielhaft behandelt worden. Hinzu kommen Dombauhütten wie die Opera del Duomo in Florenz (Abschnitt 2.2.1) oder die Reverenda Fabbrica in Rom (Abschnitt 2.2.2).

2.12 Wissensentwicklung und Innovation

2.12.1 Das Verhältnis von Theorie und Praxis

Abb. 2.98: Carlo Fontana, Santa Margherita in Montefiascone, Kuppel, 1670–73 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.98: Carlo Fontana, Santa Margherita in Montefiascone, Kuppel, 1670–73 (Foto: H. Schlimme).

Abb. 2.99: Daniele Barbaro und Andrea Palladio (Zeichner), Rundtempel-Rekonstruktion, aus Barbaro 1567, 198 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.99: Daniele Barbaro und Andrea Palladio (Zeichner), Rundtempel-Rekonstruktion, aus Barbaro 1567, 198 (Bibliotheca Hertziana).

Ein Beispiel für die theoretische Erfassung in der Praxis bereits gut kontrollierter Sachverhalte sind Gutachten, Verteidigungsschriften, bei denen Bautechniken erläutert oder verteidigt und dabei oft erstmals schriftlich gefasst wurden. Nicht selten mündeten solche Schriften in Veröffentlichungen.879 Ein Beispiel für solche Verschriftlichungsprozesse sind die Kuppelbauregeln von Carlo Fontana.880 Im Jahre 1673 hatte Carlo Fontana die Kuppel des Doms in Montefiascone auf einem Unterbau aus dem 15. Jahrhundert errichtet (Abb. 2.98). Da sich schnell Risse gebildet hatten, war Fontana gezwungen, eine Rechtfertigung zu verfassen, für die er alle Informationen über Kuppeln zusammentrug, derer er habhaft werden konnte. Er wies nach, dass seine Kuppel den Regeln Vitruvs, den Regeln aus den frühneuzeitlichen Traktaten und zudem der konsolidierten römischen Praxis zum Bau von Tambourkuppeln entsprach. Auf der Grundlage aktueller Bauaufnahmen römischer Tambourkuppeln zeigt sich jedoch, dass Fontanas Dokumentation bestehender Kuppeln lücken- und teilweise fehlerhaft ist. Auf der anderen Seite erweisen sich die zur Rechtfertigung der Baupraxis zitierten ,Regeln‘ Vitruvs und der anderen Autoren als Wunschdenken bzw. als aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen zum Gewölbe- und Kuppelbau (vgl. Abschnitt 2.9.5). Nur ein Beispiel: Daniele Barbaro hatte etwa in seiner Vitruvübersetzung von 1567 im Zusammenhang mit der Rekonstruktion eines Rundtempels eine Aussage Vitruvs zu einem pyramidenförmigen Tempelaufsatz als Dreieck verbildlicht und in derselben Abbildung auch die Kuppel eingetragen, die man in der Renaissance üblicherweise auf Rundtempeln rekonstruierte (Abb. 2.99). Fontana übernahm diese zufällige Überlagerung von Kuppel und Dreieck nun als ,Regel‘ Vitruvs – ob in gutem Glauben oder nicht lässt sich nicht beantworten – und fand diese Regel, d. h. das Dreieck in seiner Kuppel in Montefiascone wieder, aber nur weil er die nach konsolidierter Baupraxis errichtete Montefiasconer Kuppel in seiner Rechtfertigung falsch und idealisierend darstellte und sie im Nachhinein als paradigmatische Umsetzung vor allem Vitruvianischer ,Regeln‘ präsentierte. Hier wird also letztlich eine funktionierende Baupraxis zusätzlich rückwirkend vitruvianisiert (Theoriebezug als Legitimation für Praxis). Angesichts der Lücken- und Fehlerhaftigkeit und Heterogenität des von ihm zusammengetragenen Materials zum Kuppelbau ist Fontanas Fähigkeit, einen Zusammenhang zu sehen und damit neues Wissen zu generieren umso beachtlicher, v. a. wenn man den Erfolg der Regeln für einschalige Kuppeln betrachtet, die Fontana v. a. auf der Montefiascone-Erfahrung aufbaute und die er im Jahre 1694 im Rahmen des Templum Vaticanum veröffentlichte (Abb. 2.87). Diese Regeln haben über Fontanas Schüler eine enorme Wirkung in ganz Europa gehabt. Dass nicht baustellenrelevante Aspekte in den Vordergrund treten, scheint ein Charakteristikum von Verschriftlichungsprozessen im frühneuzeitlichen Bauwesen zu sein. Fontana bezieht sich zur Rechtfertigung einer an sich konsolidierten Kuppelbaupraxis auf die bei den Architekten damals noch immer hoch im Kurs stehende Autorität Vitruv. Vitruv ist insgesamt ein Orientierungspunkt für das Bauwesen bis ins 18. Jahrhundert.881

2.12.2 Innovations-Anstöße: Interaktionen von praktischem und theoretischem Wissen

Praktisches Wissen um die Bauausführung ist das Wissen um Handlungsweisen und wird durch Regeln repräsentiert. Da diese Handlungsweisen physische Werkzeuge, Hilfsmittel und in bestimmter Weise gebrauchte Materialien einbeziehen, wie zum Beispiel diejenigen, die für die Herstellung einer Wölbung oder zur Aufrichtung eines Dachstuhls erforderlich sind, wird praktisches Wissen von vornherein in einem kulturell, historisch und naturräumlich-geographisch spezifischen Kontext generiert, erlernt und weitergegeben. Es wird – wie bereits oben gesagt – in der Regel durch aktive Teilnahme am Arbeitsprozess (Erfahrung) und durch mündliche Weitergabe der Regeln tradiert.882 Die eigenhändige Teilnahme an der Baupraxis ist geboten, zumal sich die manuellen Aspekte der Nutzung der Werkzeuge, das Wissen darum, in welcher Situation welche Verfahrensweise sinnvoll ist oder das Wissen um Charakter und Qualität von Baumaterialien nicht gänzlich schriftlich fassen lassen. Die Einbindung praktischen Wissens in kulturelle und naturräumliche Kontexte bringt es mit sich, dass praktisches Wissen der Tendenz nach ortsspezifisch ist und durch Ausbaufähigkeit und Anpassbarkeit langfristig wirksam bleiben kann. Praktisches Wissen ist bedingt mobil. Voraussetzung ist der Transfer von Menschen.

Theoretisches Wissen entsteht, wenn über menschliche Handlungsweisen nachgedacht wird. Theoretisches Wissen kann das Resultat systematischer Reflektion über die römisch-antike Architektur sein, wie sie von der Architekten der Renaissance unternommen wurde, also das Wissen über Formensprache und Bautypologien der römisch-antiken Architektur. In der Regel wird theoretisches Wissen schriftlich oder bildlich dargestellt und dabei abstrahiert und oftmals verallgemeinert. Das macht theoretisches Wissen austauschbar auch ohne dass sich Menschen direkt begegnen, d. h. es lässt sich in andere kulturelle, historische und naturräumlich-geographische Kontexte transferieren, ist insgesamt einfacher zu verbreiten und leichter mobil als praktisches Wissen. Diese Charakteristik wurde durch Buchdruck und graphische Vervielfältigungsverfahren seit dem 15. Jahrhundert verstärkt.

Aus den Definitionen wird deutlich, dass die Verbreitung der Wissenskategorien ,praktisch‘ und ,theoretisch‘ mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten stattfindet – und das sorgt für Reibung. Was bedeutet das für das Bauwesen? Könnte die Interaktion von Wissensbeständen, die unterschiedlichen Tradierungsmechanismen folgen, der eigentliche Kern und Ausgangspunkt von Innovation im Bauwesen sein?

Ein gutes Beispiel dafür ist die bereits oben (Abschnitt 2.9.5) erwähnte Kassettierung von Kuppeln und Tonnenwölbungen.883 Sie standen in antiken Bauten und Ruinen besonders eindrucksvoll vor Augen. Über Dokumentationen in Manuskripten und Traktaten verbreitete sich die Formensprache der Kassettierungen schnell in ganz Italien. In Rom und Umgebung war es seit der Antike über das Mittelalter bis in die Renaissance üblich geblieben, Gewölbe in eine Schalung zu schütten. Dies ist ein Beispiel für die Langlebigkeit praktischen, baukonstruktiven Wissens.884 Die Kassettierung von Wölbungen hingegen war im Mittelalter gänzlich unüblich, so dass man mit dem Einschalen und Schütten der Kassettierungen im Rom der Renaissance keinerlei Erfahrung haben konnte. Man musste ganz neu lernen, die Negativformen für die Kassettierungen herzustellen. Dabei passierten interessante Fehler: Für die kassettierte Tonne im Vestibül des Palazzo Venezia (um 1466) wurden die Kassettennegative aus Erde auf die Schalung geschichtet. Bei der Schüttung verrutschten die Negative jedoch und die misslungene Wölbung wurde im Rohbau belassen. In St. Peter wurden die Negative der Kassetten dann, wie eine Zeichnung Antonio da Sangallos der Jüngeren zeigt (Florenz, Uff. 53A r.), aus Holzbalken auf die Schalung aufgebaut (ab 1506). Dieses verbesserte Verfahren brachte den Erfolg. Man hatte dazugelernt, im trial-and-error-Verfahren eine neue Bautechnik erfunden und Innovation erzielt. In jeder Region wurden die Kassettierungen entsprechend der dort vorherrschenden Techniken realisiert. In Florenz wurden – wie von Giuliano da Sangallo vielfach ausgeführt und von Giorgio Vasari885 beschrieben – mit Holzmodeln hergestellte und mit der Kassettengliederung versehene Kunststeine hergestellt, auf einer Schalung versetzt und mit einer tragenden Ziegelsteinwölbung überfangen. In Oberitalien lernte man, die kassettierten Gewölbe ganz aus Ziegelsteinverbänden herzustellen, etwa bei Sant’Andrea in Mantua (ab 1470).886 Federico Gonzagas Versuch (1479), die Gusstechnik nach Mantua zu übertragen, schlug fehl.887 Die regionaltypische Ziegelbauweise setzte sich durch. Die Übernahme von Formensprache aus der Antike führte zu Innovation in regionaltypischen Bautechniken. Sie wurden an neue Formerfordernisse angepasst und erweitert. Man kann hier eine Interaktion zweier Kulturräume, Römische Antike und Italienische Renaissance, über eine zeitliche Distanz erkennen.

Ein weiteres Beispiel soll eine Interaktion über eine räumliche Distanz vorstellen. Die Übertragung von in der Frühen Neuzeit in Italien neu entstandenen Bauformen, wie die der römischen Tambourkuppel, in andere Länder Europas, bedeutete in den ,Empfängerländern‘ regelmäßig eine baukonstruktive Herausforderung, die zu Innovation innerhalb der dort üblichen Bautechniken führte. Mit Fontanas Veröffentlichung der Regeln für den Bau einschaliger Kuppeln im Templum Vaticanum 1694 (vgl. oben Abschnitt 2.12.1) stand den Architekten erstmals eine vorbildliche Kuppelkontur (Abb. 2.87) für die Errichtung von Tambourkuppeln nach römischem Vorbild zur Verfügung. Fontana hatte eine ganze Reihe von Schülern, die dann in ganz Europa tätig wurden: unter anderem James Gibbs, Filippo Juvarra, Johann Bernhard Fischer von Erlach, der eher Gast als Schüler war, und Johann Lucas von Hildebrandt.

Abb. 2.100: James Gibbs, Entwurf für die Radcliffe Library, aus: Gibbs 1737, pl. 5 (RIBA Library Books & Periodicals Collection); rechts: Übereinanderlagerung des Enwurfs von Gibbs mit Carlo Fontanas Kuppelprofil (vgl. Abb. Ch.13;Fig.90).

Abb. 2.100: James Gibbs, Entwurf für die Radcliffe Library, aus: Gibbs 1737, pl. 5 (RIBA Library Books & Periodicals Collection); rechts: Übereinanderlagerung des Enwurfs von Gibbs mit Carlo Fontanas Kuppelprofil (vgl. Abb. Ch.13;Fig.90).

James Gibbs entwarf die Kuppel für die Radcliffe Library in Oxford888 offenbar auf der Grundlage des Kuppelprofils seines Lehrers Carlo Fontana. Ein erster Entwurf folgt geometrisch genau diesem Profil (Abb. 2.100). Zunächst wird also zusammen mit der Bauform ,Tambourkuppel‘ auch die römische Konstruktionsweise aus Ziegelstein mit direkt aufliegender Bleideckung nach England übertragen. Die englischen Handwerker hatten jedoch keine Erfahrung mit Steinkuppeln. Die Auftraggeber überzeugten Gibbs schnell davon, dass es gescheiter und auch viel billiger sei, die Kuppel als Holzkonstruktion auszuführen. Fontanas Kuppelprofil passt dementsprechend weder innen noch außen zur in Oxford ausgeführten Kuppel (Abb. 2.101). Statt offener Laterne mit steinernem Druckring, wie Gibbs es zunächst geplant hatte, gibt es keine offene Laterne sondern eine hölzerne Mittelsäule, die alle Druckkräfte aus den im Kreis herum gestellten hölzernen Bindern aufnimmt. Die knaggenartige Verdickung auf halber Höhe der Säule ist typisch für die damalige Holzkonstruktion in England.889 Die sichtbare Innenschale der Kuppel wurde als Holzverbretterung hergestellt.

Abb. 2.101: James Gibbs, Entwurf für die Radcliffe Library, aus: Gibbs 1747, pl. IX (RIBA Library Books & Periodicals Collection).

Abb. 2.101: James Gibbs, Entwurf für die Radcliffe Library, aus: Gibbs 1747, pl. IX (RIBA Library Books & Periodicals Collection).

Abb. 2.102: Caspar Walter, Holzkuppelkonstruktion, aus Walter 1769, Taf. 16 (Bibliotheca Hertziana)

Abb. 2.102: Caspar Walter, Holzkuppelkonstruktion, aus Walter 1769, Taf. 16 (Bibliotheca Hertziana)

Auch für die Kuppeln der Peterskirche (ab 1702) und der Karlskirche (1715–1737) in Wien, die von Fontanas Schülern Hildebrandt bzw. Fischer von Erlach errichtet wurden, wurde die italienische Konstruktion verändert. Zwar gibt es in beiden Fällen eine steinerne Innenschale, jedoch wurde unter Einfügung eines wohl aus klimatischen Gründen erforderlichen Luftzwischenraums eine hölzerne Außenschale darüber errichtet. Besonders interessant für den deutschsprachigen Raum ist zudem die Kuppel der Benediktinerklosterkirche in Ettal. Hier hatte Henrico Zuccalli in einer ersten Bauphase (1714–20) eine steinerne Kuppel nach römischem Vorbild gebaut. Nach Bauunterbrechungen und Planänderungen bekam diese im Jahre 1747 eine hölzerne Außenschale, die freitragend über die Steinkuppel gebaut wurde. In Ettal steht also ein Beispiel für eine reine Holzkuppelkonstruktion mit offener Laterne vor Augen. Die auf der Außenschale der Kuppel erkennbaren Rippen ahmen römische Steinkuppeln nach. Sie ergeben sich aber nicht aus der Holzkonstruktion, sondern sind als Holzkästen nachträglich oben auf die Holzkonstruktion aufgebaut worden. Im Inneren besteht die Konstruktion aus drei nach oben immer stärker geneigten, liegenden Stühlen.890 Die Konstruktion ist eine Adaption der im deutschsprachigen Raum allgemein üblichen zimmermannsmäßigen Dachkonstruktionen auf die Kuppelform. Streben verbinden die liegenden Stühle miteinander zu komplexen Bindern, Rähme verknüpfen die Binder. Der Druckring am Laternenfuß wird durch liegende, fachwerkartige Auskreuzungen zwischen den Bindern ersetzt. Die süddeutschen und österreichischen Lösungen für Holzkuppeln fanden auch Eingang in die Zimmermannstraktate. Dabei ist v. a. das Traktat von Caspar Walter aus dem Jahre 1769 zu nennen (Abb. 2.102).891 Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Tambourkuppel nach römischem Vorbild in England, Österreich und Süddeutschland als Bautyp und in ihrer formensprachlichen Ausprägung aufgegriffen, jedoch regelmäßig in kreativer Adaption und Innovation der jeweiligen ortsüblichen Bautechniken realisiert wurde.

Wir haben Beispiele gesehen, bei denen eine Formensprache oder ein Bautyp in andere Epochen und Kulturräume importiert und die lokale Bautechnik adaptiert wurde. Der Import von Formen kann eben rasch über Traktate und Stiche erfolgen, während – wie oben aus den Definitionen deutlich wurde – die Mobilität des praktischen Wissens um die Bauausführung immer den Transfer von Fachleuten erfordert. Es gibt aber auch viele Fälle, wo das Wissen um die Bauausführung in andere Regionen vermittelt wurde. So haben die zahlreichen Bauleute, die aus der Lombardei und später aus dem Tessin nach Rom kamen, sicher dazu beigetragen, dass gegen Ende des 16. und im 17. Jahrhundert der Bau von Kuppeln aus Ziegelstein eine immer größere Bedeutung bekam und die Konglomeratkonstruktionen ablöste.

2.12.3 Innovations-Anstöße: Interaktion zwischen Bauwesen und entstehender moderner Naturwissenschaft

Ein weiterer Innovations-Anstoß892 im frühneuzeitlichen Bauwesen war die Interaktion mit der entstehenden modernen Naturwissenschaft (vgl. auch Becchi im vorliegenden Band im Beitrag „Fokus: Architektur und Mechanik“ und Abschnitt 2.8.11). Einer der Ausgangspunkte der modernen Naturwissenschaft waren Wissen und Weltsicht der Handwerker. Techniken, und gerade auch die Bautechnik, wurden als tagtäglich durchgeführte Experimente mit der Natur verstanden. Es galt, diese Techniken zu hinterfragen, um den Gesetzen der Natur auf die Spur zu kommen, wie es Francis Bacon in seiner Instauratio Magna von 1620 zum Ausdruck gebracht hatte. Galilei lernte etwa von den Handwerkern des Venezianischen Arsenals.893 Bacon stellte Dokumentationsprogramme für Handwerkstechniken auf.894 Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ergab sich dann eine Interaktion zwischen Bauwesen und Naturwissenschaft. Zu nennen sind die Entwicklungen, die zur Gründung der Akademien in London und Paris führen. In Italien sind neben der Accademia die Lincei und der Accademia del Cimento v. a. die Accademia della Vachia zu nennen, die im Rahmen des Projektes „Wissensgeschichte der Architektur“ wiederentdeckt wurde.895 Hier wurde der experimentorientierte Ansatz der Naturwissenschaften auf Technologie und v. a. auch das Bauwesen übertragen. Das führt zu einer Reihe von Neuerungen. Man dokumentierte Wissensbestände aus dem Bauwesen, die bis dahin nicht für traktatwürdig gehalten wurden, aber für den täglichen Baubetrieb ganz entscheidend waren, zum Beispiel das Thema Umbau bestehender Gebäude. In einem konkreten Fall aus der Akademie ging es darum, zwei gewölbte Räume zu einem großen gewölbten Raum zusammenzulegen, ohne dass die Geschosse darüber abgetragen werden. Es ging den Akademikern zudem darum, Erfahrungswerte der Bauleute quantifizierbar zu machen. Sie entwickelten zum Beispiel ein Verfahren, um Zu- und Abflüsse von Brunnenbecken auf Grundlage der Hydromechanik-Traktate vorauszuberechnen.

Abb. 2.103: Evangelista Torricelli, Reparatur gerissener Säulenschafte (Graphik: H. Schlimme).

Abb. 2.103: Evangelista Torricelli, Reparatur gerissener Säulenschafte (Graphik: H. Schlimme).

Die Akademie war ein öffentlicher Diskussionszirkel, bei dem Professoren der Mathematik und Naturwissenschaft, Künstler, Architekten, Ingenieure sich außerhalb ihrer Institutionen bewegten. Die Akademie lebte von der Diskussion zwischen Leuten unterschiedlicher Ausbildung. Die anlässlich der Neuerrichtung des Daches von San Giovannino in Florenz von den Akademikern neu entwickelte Dachkonstruktion ist besonders aufschlussreich896 (Abb. 2.104). Diese Episode macht die Paradigmenwechsel deutlich, die die Akademiker befördern wollten: Auch oder gerade die Nicht-Baufachleute unter den Akademiemitgliedern wurden in die Lösung von Bauproblemen einbezogen. Zudem wurden in den teilweise ausführlichen Kommentaren zu den Lösungen die physikalischen Grundlagen der Baukonstruktionen dargelegt, eine Vorgehensweise, die in den frühneuzeitlichen Architekturtraktaten keineswegs üblich war, aber Nachfolge finden sollte. Die Diskussion zu San Giovannino wurde öffentlich abgehalten, man lud zur Teilnahme ein und wollte auch die nicht ausgeführten Konstruktionsvorschläge im Sinne eines Forschungsberichts veröffentlichen. Und schließlich wurden die Dachbinder fertig montiert auf das Dach transportiert (Abb. 2.71) und die Baustelle auf diese Weise rationalisiert. Letztlich setzte die Accademia della Vachia den neuen, die Baupraxis hinterfragenden Umgang mit dem Wissen bzw. die systematische und programmierte Erweiterung des Wissens um, wie sie von Galileo Galilei bzw. von Francis Bacon in seiner Instauratio Magna gefordert worden war.

Abb. 2.104: Cosimo Noferi, Tomo primo della Travagliata Architettura, Quarto Discorso, Quinta Figura, datierbar 1658–1662 (Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Ms. Gal. 122; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo / Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.104: Cosimo Noferi, Tomo primo della Travagliata Architettura, Quarto Discorso, Quinta Figura, datierbar 1658–1662 (Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz, Ms. Gal. 122; mit Erlaubnis des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo / Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze; Reproduktion nicht gestattet).

Abb. 2.105: Giovanni Poleni, Versagensmechanismus der Peterskuppel, aus Poleni 1748, Tafel H, 238 (Bibliotheca Hertziana).

Abb. 2.105: Giovanni Poleni, Versagensmechanismus der Peterskuppel, aus Poleni 1748, Tafel H, 238 (Bibliotheca Hertziana).

Auch in London und Paris gab es Überschneidungen und eine laufende Diskussion zwischen Naturwissenschaft und Bauwesen.897 So lehrte Philippe de La Hire seine Gewölbetheorie sowohl an der Académie Royale d’Architecture als auch an der Académie Royale des Sciences.898 An der Royal Academy in London waren der Neubau von St Pauls Cathedral und damit zusammenhängende Konstruktionsprobleme ein wichtiges Thema.899 Die Interaktion zwischen Bauwesen und entstehender moderner Naturwissenschaft institutionalisierte sich schließlich ausgehend von Frankreich in den polytechnischen Schulen.

Aus dieser empirischen Herangehensweise ergab sich auch eine neue Vorstellung von der Standfestigkeit von Bauten (vgl. Becchi im vorliegenden Band: „Fokus: Architektur und Mechanik“). Besonders aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist eine kurze Abhandlung von Evangelista Torricelli (1608–1647), dem Nachfolger Galileo Galileis als Mathematiker des Großherzogs der Toskana (Abb. 2.103). In Florenz konnte Torricelli beobachten, dass Säulenschäfte, die der Länge nach gerissen waren, mit Eisenringen erfolgreich repariert wurden, etwa in den Portiken der Pazzikapelle und der Kirche Santa Maria Maddalena dei Pazzi oder in Santo Spirito. Torricelli war überrascht, dass schlanke Eisenringe in der Lage waren, dem Gewicht, das die Säulen zu tragen hatten, entgegenzuwirken. Er akzeptierte aber nicht einfach, dass diese Technik funktionierte, sondern entwickelte ein Erklärungsmodell. Zunächst stellte sich Torricelli einen Steinbalken vor, der an eine Wand gelehnt ist. In Torricellis Modell rutscht dieser Balken unter seinem eigenen Gewicht nach unten, auch wenn die Reibung das in der Wirklichkeit verhindern würde. Anschließend versuchte Torricelli zu verstehen, welche Kraft A notwendig ist, um zu verhindern, dass der Balken unter seinem eigenen Gewicht P nach unten rutscht (Abb. 2.103, links. Torricelli erkannte, dass das Verhältnis der Kräfte P und A dem Verhältnis der Strecken a und b des Dreiecks entspricht, das die Lage des Steinbalkens beschreibt. In seinem Manuskript Galileiana 147 aus der Nationalbibliothek in Florenz beschreibt Torricelli das ausführlich. Torricelli stellt sich sodann vor, dass der Säulenschaft, der der Länge nach durchgerissen ist, sich wie vier solcher Balken verhält und der Eisenring verhindern muss, dass diese vier Balken sich in eine noch schrägere Position verschieben. Das Verhältnis der Kräfte P und A entspricht dem Verhältnis der Linie, die die halbe Säulenhöhe beschreibt und der Linie, die die halbe Rissbreite beschreibt. Der Riss in der Säule ist sehr viel schmaler als im mittleren Schema (Abb. 2.103) zu sehen. Vielmehr stellt sich der Riss so dar wie im rechten Schema. Ein dünner Eisenring reicht also aus. Beide Schemata geben Skizzen aus Torricellis eigenem Manuskript wieder.900

Anhand dieser Episode werden wesentliche Aspekte der naturwissenschaftlichen Herangehensweise an das Bauwesen deutlich. Den Handwerkern reicht es in der Regel, dass eine Bautechnik funktioniert. Torricelli hingegen hinterfragt, wie von Bacon und Galilei gefordert und praktiziert, eine tagtäglich angewandte Handwerkstechnik mit dem Ziel, den Gesetzen der Natur auf die Spur zu kommen. Die historischen Aspekte der Säulen und Säulenordnungen oder Traktate wie das von Vitruv spielen dabei bezeichnenderweise keine Rolle. Die Säule wird nicht als Figur und als organisches Ganzes verstanden, sondern einfach als ein Körper aus einem bestimmten Material und als Element, das sich im Versagensfall wie eine Maschine verhält und zu einem mechanisch-beweglichen System wird. Die Architekten der Renaissance hatten das ganz anders gesehen. Die Säulenordnungen wurden für sie durch Morphologie und Proportion zu Figuren, die ästhetischen und konstruktiven Erfordernissen gleichermaßen gerecht wurden. Für die Renaissance konnte eine Säule vor allem auch deshalb Lasten tragen, weil sie eine dem menschlichen Körper analoge Figur hat. Bei Torricelli spielt all das keine Rolle mehr. Er kümmert sich beispielsweise auch nicht um Albertis Interpretation der oberen und unteren Ausladung eines Säulenschaftes als Versteinerung von Bronzeringen, die in der Antike die hölzernen Säulenschäfte daran hindern sollten, der Länge nach durchzureißen.901 Torricelli schätzt die Technik mit den Eisenringen nicht deshalb, weil sie auch von den Antiken genutzt worden war. Seine Analyse ist vielmehr ein Beispiel für ein mechanistisches Weltbild und für den Wunsch, der Bautechnik mit mathematischen Verfahren eine weitere Dimension zu geben.

Philippe de La Hire (1640–1718), der als Naturphilosoph und späterer Direktor der Académie d’Architecture ebenfalls für den Einzug naturwissenschaftlicher Herangehensweisen in das Bauwesen gesorgt hatte und der vor allem für seine Arbeiten zur Gewölbemechanik bekannt ist, erklärt das Versagen von Wölbungen und Kuppeln ebenfalls mit einem mechanischen Modell (vgl. Abb. 2.105).902 Ein frühes Beispiel für die praktische Anwendung dieser Verfahrensweisen ist das Gutachten der Mathematiker Tommaso Le Seur, Francesco Jacquier und Giuseppe Ruggiero Boscovich zu den Schäden an der Peterskuppel aus dem Jahre 1743.903 Die Mathematiker versuchten in ihrem Traktat, mit einem, an den Gewölbetheorien La Hires orientierten Bewegungsmodell alle zuvor präzise kartierten Risse in der Kuppel zu erklären. Das Modell besagt, dass die lastende Laterne die Kuppelschale am Fuß aufgespreizt wird, den Tambour nach außen lenkt und dafür sorgt, dass die Strebepfeiler vom Tambour abreißen (vgl. Abb. 2.105). In einem zweiten Schritt ermittelten die Mathematiker das Gewicht der Bauteile und quantifizierten aus der Geometrie der Kuppel heraus die Momente, d. h. die Hebelkräfte, die die oberen Bauteile ausgehend von der Laterne auf die jeweils darunter liegenden Bauteile ausüben. In einem dritten Schritt berechneten sie, ob die vorhandenen, bauzeitlichen, eisernen Ringanker dieser Belastung standhalten können bzw. welchen Querschnitt zusätzliche Ringanker haben mussten. Dazu verwendeten sie Festigkeitswerte, die Petrus van Musschenbroek durch Belastungstests an Eisenfäden empirisch ermittelt und publiziert hatte (vgl. Abschnitt 2.8.10).904 Hier ist erstmals eine statische Berechnung im modernen Sinne des Wortes nachweisbar. Die Mathematiker rechneten sich an den Versagensfall heran und vollzogen die Statik der Peterskuppel mathematisch nach. Während es heute selbstverständlich ist, dass jedes einzelne Bauwerk für sich berechnet wird, war das um die Mitte des 18. Jahrhunderts durchaus nicht üblich. Vielmehr wurde pauschal proportioniert und dimensioniert, etwa auf der Grundlage von Carlo Fontanas Kuppelprofil (Abb. 2.87 und Abschnitt 2.9.5).

Es ist interessant zu beobachten, wie dieses Berechnungsverfahren von den praktischen Bauleuten mit ihrem Erfahrungswissen angegriffen wurde. Im Rahmen der Begutachtung der Schäden an der Peterskuppel in den Jahren 1742/43 waren ca. 20 Gutachten und Gegengutachten entstanden, unter anderem dasjenige des Architekten Lelio Cosatti.905 Cosatti sagt, die Mathematiker schätzten die Rolle der Laterne gänzlich falsch ein. Die Laterne sei kein Problem, sondern vielmehr ein Element, das die gesamte Kuppel stabilisiere. Brunelleschi habe in seinem Testament die sofortige Errichtung der Laterne auf der Florentiner Domkuppel vehement gefordert, damit die Kuppel Stabilität erhalte. Es entspräche zudem der Erfahrung Baumeister, dass Spitzbogen im Scheitel zu belasten seien, um ein Ausknicken nach oben zu vermeiden. Cosatti sah sich gezwungen, ein Erfahrungswissen aufzuschreiben, das offenbar ganz selbstverständlich in Gebrauch war. Er zitierte vor allem mit Brunelleschi eine unantastbare Autorität – stand die von ihm errichtete Kuppel doch bereits 300 Jahre lang ohne größere Probleme.906

Zwar finden aus heutiger Sicht in den Gutachten der Mathematiker die interessanten Dinge statt, aber damals wurde das durchaus nicht so gesehen. Cosattis Erfahrungswissen war ebenso präsent. Die Mitte des 18. Jahrhunderts gilt in der Forschung noch immer häufig als der Zeitpunkt, ab dem von einer naturwissenschaftlich durchdrungenen Bautechnik gesprochen werden kann. Obwohl die Bautechnikgeschichte längst zu einer differenzierten Sichtweise gelangt ist, wird das Nachwirken nicht wissenschaftlicher Elemente ab der Mitte des 18. Jahrhunderts als Thema oftmals ausgeblendet. Vielmehr gilt es, die kontinuierliche Bedeutung und langfristige Wirksamkeit praktischer Baustellenerfahrung herauszustellen. Dieses hat eine entscheidende Rolle als Ausgangspunkt, Korrektiv und Gegenspieler in Prozessen der Verwissenschaftlichung von Bauwissen.

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Zolla, A. (2003). Castel San Giovanni (San Giovanni Valdarno). In: Arnolfo di Cambio urbanista Ed. by E. Guidoni. Civitates: Urbanistica, archeologia, architettura delle città medievali 8. Rom: Bonsignori 39-58

Fußnoten

Hermann Schlimme erstellte folgende Textteile: Abschnitt 2.1: „Die Frühe Neuzeit in Italien“ (vollständig); Abschnitt 2.2 „Bauverwaltung“, einleitender Absatz und Unterabschnitt „Städtische Statuten und Bauvorschriften“, „Capitolati, cottimo und andere bauspezifische Organisationsformen“, „Die Capitani di Parte Guelfa und die Ufficiali di Torre“ und „Maestri delle Strade, Rom“; Abschnitt 2.3 „Bauplanung und Entwurf: Grundsätzliches“ (vollständig); Abschnitt 2.4 „Architekten: Vorbild ‚Antike‘ und institutionelles Umfeld“, Unterabschnitt „Erforschung der Antike als Selbstausbildung der Architekten im 15. und frühen 16. Jahrhundert“, „Entwurfsleitendes Motiv ‚Antike‘“, „Die Accademia del Disegno“; Abschnitt 2.5 „Planung und Wissen um Umweltbedingungen“, einleitender Absatz; Abschnitt 2.6 „Planungs- und Entwurfstechniken“, einleitender Absatz und Unterabschnitt „Zeichnungen“ und „Modelle“; Abschnitt 2.7 „Logistik“ (vollständig); Abschnitt 2.8 „Materialwissen“ (vollständig); Abschnitt 2.9 „Bautechniken“ (vollständig); Abschnitt 2.10 „Bauleute und Bauprozess“ (vollständig); Abschnitt 2.11 „Arten des Wissens und ihre Tradierung“ (vollständig), Abschnitt 2.12 „Wissensentwicklung und Innovation“ (vollständig). Dagmar Holste erstellte folgende Textteile: Abschnitt 2.4 „Bauplanung/ Entwurf: Qualifikation für den Entwurf und entwurfsleitende Motive“, Unterabschnitt „Die Querelle des Anciens et des Modernes“ und „Die Accademia di San Luca“; Abschnitt 2.5 „Planung und Wissen um Umweltbedingungen“, beide Unterabschnitt „Wissen über den Bau in Erdbebengebieten am Beispiel von Sizilien und Kalabrien“ und „Bauen unter Berücksichtigung von Klimafaktoren“; Abschnitt 2.6 „Planungs- und Entwurfstechniken“, Unterabschnitt „Vom Territorium zum dekorativen Detail: Städtebaulicher Entwurf in der Frühen Neuzeit“, „Vom Territorium zum dekorativen Detail: Das Beispiel der Stadtbaugeschichte von Turin“ und „Vom Territorium zum dekorativen Detail: Filippo Juvarras Tätigkeit am Turiner Hof“. Jens Niebaum erstellte folgende Textteile: Abschnitt 2.2: „Bauverwaltung“, Unterabschnitt „Kuppel von Santa Maria del Fiore“, „Reverenda Fabbrica di San Pietro“ und „Santa Maria delle Carceri, Prato“; Abschnitt 2.6 „Planungs- und Entwurfstechniken“, Unterabschnitt „Zum Problem der Planungstiefe in der Renaissance“. Die Autoren danken Hanno Tiesbrummel (Bibliotheca Hertziana, MPI für Kunstgeschichte, Rom) und dem Team vom Berliner MPI für Wissenschaftsgeschichte für die redaktionelle Bearbeitung des Textes.

Die Aussagen aus den Teilen 2.1.2 und 2.1.3 beruhen auf den Aussagen aus den einschlägigen Handbüchern, unter denen Procacci 2006 und Hoppe 2009 hervorzuheben sind.

Beispiel ist ein Rechnungsbuch für San Lorenzo in Florenz aus den Jahren 1441–53, das von einem Angestellten der Medici-Bank geführt wurde. Das Rechnungsbuch war nach allem Anschein nach dem Verfahren der doppelten Buchführung angelegt (debito-credito) und wäre in besonderer Weise geeignet, Möglichkeiten des Wissenstransfers zu exemplifizieren.

Siehe zum Bau der Kuppel des Florentiner Doms den Beitrag von Margaret Haines und Gabriella Battista im vorliegenden Band.

Die Literatur zum Neubau des Florentiner Domes ist überaus umfangreich. Als Ausgangspunkt empfiehlt sich Saalman 1980, 32–57, mit der älteren Literatur; zum ursprünglichen Projekt sind die seither erschienenen Arbeiten von Franklin Toker besonders wichtig, Toker 1978 und Toker 1983. Grundlegend ist die Edition der Dokumente bei Guasti 1887, wesentlich für den institutionellen Hintergrund schließlich Grote 1959.

Saalman 1980, 176; Grote 1959, 40f.. Schon 1303 war die Opera von der Kommune für ein Jahr der Goldschmiedezunft (Arte Por Santa Maria) anvertraut worden; vgl. Grote 1959, 37.

Saalman 1980, 176. Vgl. dazu die Chronik Giovanni Villanis (Buch. X, Kap. 195): „E’ lanaiuoli ordinarono, ch’ogni fondaco e bottega di tutti gli artefici di Firenze tenessono una cassettina, ove sì mettessono il danaro di Dio, di ciò che si vendesse o comperasse: e montava l’anno, al cominciamento, libbre duemila.“ Zit. nach Guasti 1887, 29, Nr. 33. Zu den auf diese Weise eingenommenen Summen, die schon sehr bald wesentlich bescheidener gewesen zu sein scheinen, vgl. Haines 1989, 95f. Anm. 25.

Am 12. Juli 1366 trat die Opera an die Arti della Seta (oder di Por S. Maria) und dei Medici e Speziali (zu der ersteren gehörten die Goldschmiede, zur letzteren die Maler) mit der Bitte um Entsendung von Spezialisten heran, um über den Dombau zu beraten; am 20. Juli folgte eine entsprechende Anfrage an die Zunft der Steinmetzen. Aus dieser Initiative ging schließlich jene Gruppe von Malern und Steinmetzen hervor, die das im November 1367 gegen die capomaestri Jacopo Talenti und Giovanni di Lapo Ghini endgültig angenommene Dom-Modell entwickelten. Vgl. zu den Ereignissen Saalman 1980, 45ff.; auch Grote 1959, 86ff.; u. Lepik 1994, 34–38.

Die Einrichtung beratender ad hoc-Kommissionen spielte auch in den politischen Entscheidungsprozessen der Republik Florenz eine wesentliche Rolle; man griff also am Dom auf ein bewährtes Instrument zurück, hinter dem sich eine republikanische Mentalität ebenso verbirgt wie ein entwickeltes Gespür für öffentliche Rechenschaftspflicht. Vgl. dazu Haines 1989, 91f..

Dazu ausführlich Lepik 1994, 27–38, mit Dokumenten und der älteren Literatur.

Es handelte sich um die Baumeister Fra’ Jacopo Talenti und Fra’ Francesco da Carmignano von S. Maria Novella, Neri di Fioravante und Giovanni di Lapo Ghini sowie der Maler Taddeo Gaddi; vgl. Guasti 1887, 103. Talenti, Neri, Ghini und Gaddi hatten bereits in den Gutachterkommissionen mitgewirkt, die am 15., 16. und 17. Juli 1355 zur Begutachtung von Francesco Talentis Gesamtprojekt für den Dom bestimmt worden waren und dann auch (freilich ohne definitives Ergebnis) über die Pfeilerformen zu befinden hatte; s. Guasti 1887, 83 f..

Ausführlicher zu diesen Vorgängen Haines 1989, 99–107.

Guasti 1857, 15, Nr.11 (Cupola 2001–2009, O0201074.009va); vgl. Lepik 1994, 60f., zur Bedeutung gerade des Aspektes der Kostenerstattung.

Guasti 1857, 9–11, Nr. 1f.; Haines 1989, 111.

Saalman 1980, 69f., auch zum folgenden.

Guasti 1857, 36, Nr. 71 (16. April 1420) (Cupola 2001–2009, O0201077.034a). Die Tätigkeiten der provisores werden umschrieben als „ad providendum, ordinandum, et construi, ordinari, fieri et hedificari faciendum.“ Es handelte sich also um eine überwachend-beratende Tätigkeit. Vgl. auch Haines 1989, 114f..

Nach der Schilderung Manettis hatten sowohl Ghiberti als auch Brunelleschi mächtige Befürworter in der Stadt. Dass man beide zu gleichrangigen provisores ernannte, könnte als Versuch von Opera und Zunft zu verstehen sein, jede organisierte Opposition gegen das Projekt zu vermeiden; s. Haines 1989, 114f..

Guasti 1857, 38–41 hier 41, Nr. 75 (Cupola 2001–2009, O0202001.170vb). Brunelleschi erhält ab 1. März 1426 (st. c.) 100 fl. pro Jahr und muss dafür „diebus quibus in prefata Opera laborabitur stare morari, et moram continuam in prefata Opera adhibere, sub pena admissionis sui salarii“. Vgl. Saalman 1980, 126. Ghiberti hatte seit Juli 1425 bis Februar 1426 (st. c.) kein Gehalt mehr bezogen.

Zu den Maschinen Prager and Scaglia 1970; Saalman 1980, 148–171. – Verschiedentlich wird in der Literatur behauptet, Brunelleschi sei ab 1433 alleinverantwortlicher Bauleiter der Kuppel gewesen (so etwa Ippolito and Peroni 1997, 17). Das beruht auf einer irrtümlichen Angabe Guastis, die dieser nachträglich korrigierte (Guasti 1857, 45, Nachsatz zu Nr. 84 (Cupola 2001–2009, O0202001.178b); errata corrige ebd., 188). Offenbar wurde diese Korrektur von einigen Forschern übersehen (nicht hingegen z. B. von Krautheimer and Krautheimer-Hess 1982, 414, Dig. 192). Ghibertis Gehalt wurde bis Juni 1436 weitergezahlt; auf die kollegiale Bauleitung wurde niemals gänzlich verzichtet. Ich danke Margaret Haines (Florenz) für Hinweise in dieser Angelegenheit.

Das Ernennungsdekret der Proveditoren liegt in zwei Fassungen vor, die sich u. a. im Hinblick auf die Laufzeit des Vertrags unterscheiden. Das Exemplar in den Büchern der Domopera, vgl. Guasti 1857, 35–37, Nr. 71 (Cupola 2001–2009, O0201077.034a), sieht eine Bestallung bis zur Vollendung der Kuppel vor („a principio usque ad finem“), dasjenige in den Akten der Arte della Lana (entdeckt von Alfred Doren) eine Ernennung „per donec remoti fuerint.“ Bei letzterem dürfte es sich um die schließlich verbindliche Fassung gehandelt haben. Vgl. Fabriczy 1907, 14f.. Warum man ab 1426 jährliche Vertragserneuerungen für nötig hielt, wissen wir nicht; möglicherweise veranlasste die Tatsache, dass man bei immer stärkerer Neigung der Kuppel in eine besonders kritische Phase der Arbeiten eintrat, die Opera zu besonderer Vorsicht.

Guasti 1857, 54f., Nr. 116–118 (Cupola 2001–2009, O0202001.220vc, O0202001.221h, O0202001.221vb).

Guasti 1857, 81, Nr. 221 (Cupola 2001–2009, O0202001.040ve): „Deliberaverunt quod nullus magister scharpellator et murator Opere, qui stat super Cupola ad laborandum, nec aliqua alia persona que laboraret super dicta Cupola, possit diebus quibus laboratur descendere quolibet die semel seu una vice etc.“ Vgl. ebd., Nr. 222 f. (O0202001.054a, O0202001.065i), 225 (O0202001.078m).

Guasti 1857, 80 Nr. 217: 7. Februar 1425 [Kreidetafel] (Cupola 2001–2009, O0204009.096va); 16. Februar 1425 [Uhr] (O0204009.097a) und Nr. 227 (29. Dezember 1428); Saalman 1980, 190. Im August 1427 wurde zu gleichem Zweck beschlossen, „quod caputmagister Opere, expensis Opere, debeat tenere super Cupola unum oriogium pro appuntando dictos magistros“ (vgl. Guasti 1857, 82, Nr. 223 (O02002001.065i)).

Am 6. Mai 1433 erhält ein Ziegelbrenner eine Zahlung für die „fornaciata de’ chuocere del nostro lavorio“ (vgl. Saalman 1980, 190, 274, Dok. 270.1, mit falschem Datum; vgl. Cupola 2001–2009, O0204013.054i). Vgl. auch Manetti 1970, 93–95 (ll. 1021–1026). Bereits seit 1401 bestand die Regelung, dass die Meister zum Schärfen ihrer Werkzeuge nicht den Schmied aufsuchten, sondern dieser täglich zwei Rundgänge unternahm, um sie einzusammeln und wieder auszuteilen.

Guasti 1857, 80, Nr. 219 (Cupola 2001–2009, O02002001.028vb): „Considerantes pericula que possunt cotidie imminere magistris muratoribus qui stant super Cupola ad murandum, propter vinum quod necessario retinetur super dicta Cupola, [deliberaverunt] quod […] non permictat quoquomodo portari […] vinum quod non sit linfatum per tertiam partem ad minus etc.“

Guasti 1857, 82, Nr. 226 (24. Februar 1428) (Cupola 2001–2009, O0202001.078va). Hier wird festgehalten, dass solche Arbeiter, die auf der Kuppel arbeiten, sich aber später für eine Arbeit am Boden entscheiden, eine Gehaltskürzung um ein Viertel in Kauf zu nehmen haben.

Ebd., 83, Nr. 232 (17. September 1432; hier in der Edition von Haines) (Cupola 2001–2009, O0202001.168vf): „Item deliberaverunt quod quando super cupola non potest laborarii, quod magistri muratores qui laborant super dicta cupola non possint laborare inferius cum scharpello, et quod quinque ex eis possint laborare in arricciando et faciendo ea que sunt extra laborerium scharpelli, hac forma, videlicet: quod omnes magistri superius laborantes imbursentur et extrahantur quinque, qui quinque pro illa die possint et laborare teneantur illa die tantum; et sic quolibet die fiat extractio quinque, videlicet eo tempore quo super cupola non laboratur.“ Vgl. Saalman 1980, 191.

Zitiert nach Saalman 1980, 76, § 5: „E da lato della volta dentro si pongha per parapetto assi che tenghino la veduta a’ maestri, per piu loro sicurta“. Zu den Dokumenten von 1425 ebd., 118, sowie die Regesten ebd., 264, Nr. 208.

Zum folgenden bes. Fabbri 2003, 199f.; Haines 2002, 21f. (der Beitrag von M. Haines geht teilweise zurück auf einen älteren Beitrag derselben Verfasserin (Haines 1994); im folgenden wird ausschließlich nach der Arbeit von 2002 zitiert).

Hierzu und zum folgenden ausführlich Haines 2002, 23ff.; Fabbri 2003, 201–203/09.

Dies ein Spitzenwert, der im Jahr 1388 erreicht wurde (fl. 13.734); in den Vorjahren hatten die Einkünfte zwischen 9.336 und 11.474 fl. oszilliert. Vgl. Haines 2002, 40, Tab. 1.

So etwa 1368, als der Italien-Zug Karls IV. die Republik bedrohte, oder 1402 im Krieg gegen Gian Galeazzo Visconti. In den beiden Jahren nach 1402 nahm die Opera pro Jahr nur knapp 4.000 fl. ein. S. ebd., 33 f., 41 f. u. a.; Fabbri 2003, 202, 209.

Daher wurden die Notare 1361 gesetzlich verpflichtet, von ihnen aufgesetzte Testamente an die Opera zu melden. Vgl. Haines 2002, 24, Anm. 16.

Ausführlich behandelt von Giorgi and Moscadelli 2001, auf deren Ergebnissen die folgenden Darlegungen basieren.

Weitere Zuwendungen, wie die Rendite aus opera-eigenen Immobilien oder private bzw. testamentarische Spenden, machten einen eher geringen Teil des Gesamtaufkommens aus.

Das folgende ist eine Kurzfassung von Niebaum 2013; siehe dort für ausführlichere Belege.

Frommel 1976, 60. Dagegen stellte die Florentiner Domopera ihre maestri und manovali in saisonalen Turni jeweils unmittelbar an; vgl. Haines 1985, I, 89–115, hier bes. 90.

Frommel 1983, 126f.; Frommel 1984, 109–111. Zur Bedeutung solcher unternehmerisch tätiger capomastri s. Ait and Vaquero Piñeiro 2000, 154f..

Die Ernennungsbreven bei Pastor 1955–61, IV.1, 544, Anm. 2f., u. 545 Anm.1; Shearman 2003, I, 186–189; zum tatsächlichen Beginn der jeweiligen Amtszeit s. Frey 1910, 50f., 58f..

Raffael, Giocondo und Giuliano erhielten jeweils die erhebliche Summe von 300 Golddukaten, Antonio ab 1516 die Hälfte. Vgl. ebd.

Lingohr 2006, 304–306. In Mailand wurden 1490 Amadeo und Dolcebuono gemeinsam zu architecti der Domes ernannt. Schofield 1989, 186f., Nr. 214, 219f..

Er wird erstmals am 4. August 1514 mit dieser Amtsbezeichnung erwähnt; vgl. Frommel 1976, 80, Anm. 79; zu diesem Dokument auch Niebaum 2013, 65, Anm. 30.

Ait and Vaquero Piñeiro 2000, 158; vgl. Goldthwaite 1980, 90–94, über opere im Florenz des 14./15. Jahrhunderts. hatte sich wiederholt an Kommissionen zur Auswahl von Entwürfen beteiligt und wurde in anderen Fällen auch als externe Autorität herangezogen. Hierzu sei nur genannt: Kent 2004.

Das Rechnungsbuch ist ediert in Sella 2002, 515–522. Demnach hatte man 1514 und 1515 immerhin mehr als das Anderthalbfache dessen zur Verfügung, was im intensivsten Jahr unter Julius II., 1510, verbaut worden war (hierzu Frommel 1976, 64, Abb. 5).

Vgl. die Stimmen bei Günther 1997, 67–112, hier 99. Von den Einnahmen für 1515 kam nur knapp ein Drittel, 1516 weniger als die Hälfte und 1517 nicht einmal ein Viertel der verfügbaren Gelder in der Fabbrica an; vgl. Niebaum 2013, 67f..

Die Bulle abgedruckt im Magnum Bullarium Romanum, 24 Bde., Turin 1857–72, VI, 48–50; für die im folgenden zitierten Passus vgl. auch Niebaum 2013, 68–70.

Vgl. die Wahlordnung der Florentiner Domopera von Ende 1333 bei Guasti 1887, 37–41, Nr. 42, hier 38: „operarii […] in construendo et hedificando et pro construendo et hedificari et construi faciendo habeant plenam baliam auctoritatem et potestatem, prout et sicut in omnibus et per omnia per comune Florentie consulibus Artis lane commissum est“. Vgl. dazu Grote 1959, 45f.; Haines and Riccetti 1996, 267–294, hier, 270f..

Vgl. die Schilderung der Vorgänge bei Bredekamp 2000b, 63–72, und jüngst Bellini 2011, I, 50–56. Die Quellen bei Bardeschi Ciulich 1977.

Hierzu ausführlich Bredekamp 2008, 147–155.

Vgl. Francia 1977, 49; und Niebaum 2013, 72, Anm. 64; sowie oben, Anm. 15.

Zur persönlichen Schöpfung: Thoenes 2006, 37–83, hier 71–76. Zur Rolle der Deputierten Niebaum 2013, 71f..

Der Bau verfügt über eine weitgehend vollständige Dokumentation und kann zudem als vergleichsweise gut erforscht gelten. Zur Baugeschichte vgl. Morselli and Corti 1982 (mit einem erheblichen Teil der baugeschichtlich relevanten Dokumente); Davies 1995; Cerretelli 2005 (mit weiteren Dokumenten); demnächst Niebaum (in Vorb.).

Vgl. etwa Zänker 1971, 21–23. – In Pavia hatte sich bereits 1492 eine Bruderschaft von Paveser Laien, die Nobili Deputati, gegründet, um die Madonna di Canepanova zu errichten; ihr gesellte sich 1507 eine zweite Bruderschaft hinzu, die sich schon im folgenden Jahr mit der ersten vereinigte.

Zur Entstehung des Baues Nessi 1992, 57ff..; Campagna 2003; Niebaum 2013.

ASPo, P. E. 2004, c. 1r/v (Oktober 1485, damals gehörten die Spedalinghi der lokalen Spitäler der Misericordia und des Dolce sowie der Propst der Pfarrkirche anscheinend zur Opera hinzu); P. E. 2007, c. 1r; P. E. 1569, c. 1r. Die Vierzahl der Operai hatte bereits Innozenz VIII. in seiner Bulle festgesetzt (vgl. Anm. 80). – In Pistoia, wo sich das Wunder in einer Pfarrkirche ereignet hatte und diese im Neubau aufgehen sollte, gab es fünf Operai, wobei ihr Rektor den fünften Platz besetzte; vgl. Belluzzi 1993, 6f..

Die beiden ersteren werden ihrerseits im Oktober 1485 den Operai zugerechnet (s. vorige Anm.).

ASPo, Statuten der Opera (laut Aufschrift 1542 niedergeschrieben, aber 1485 formuliert), Kap. 3.

Hier wurde für mindestens zehn Jahre eine Steuer von 4 denari je Lira auf alle kommunalen Zölle, d. h. etwas mehr als 1,5 %, beschlossen, eine Regelung, die zum März 1491 in Kraft trat; vgl. Belluzzi 1993, 9f. u. 11, Anm. 41.

Vgl. die Chronik der Ereignisse in Prato, Bibl. Roncioniana, Ms. 86, ediert in Gagliardi 2005, 124.

Vgl. etwa ASPo, P. E. 1288 (Einnahmen- und Ausgabenbuch des spedalingo der Misericordia ab 9. Juli 1484).

Ebd., P. E. 2004, c. 1v.

Ausführlich beschrieben in den Statuten, ebd., Kap. 6.

ASPg, Sezione Spoleto, CRS 81. Dort haben sich einige dieser bigliettini aus der Mitte des 16. Jahrhunderts erhalten.

Vgl. die Statuten (wie Anm. 92), Kap. 6. Der Provveditore hatte über das Inventar der Opera Buch zu führen (ebd., Kap. 7).

In Pistoia oblag die Buchführung für den Neubau nach den Statuten von 1494 dem Provveditore; sie sollte das Giornale sowie die Entrate e uscite umfassen, war also gewissermaßen ‚schlanker’ als in Prato. Allerdings wurde dem Provveditore bald ein Kämmerer zur Seite gestellt, der die Zahlungen nach den polizze des Provveditore vornehmen und ein eigenes Buch führen sollte. Vgl. Belluzzi 1993.

Wie sehr die Abwesenheit des Architekten einen Bau verzögern konnte, davon legen die Kirchen Albertis in Rimini und Mantua Zeugnis ab. So lud der Bauherr von S. Sebastiano in Mantua, Markgraf Ludovico II. Gonzaga, am 28. Juli 1463 den in Rom weilenden Alberti nach Mantua ein und erklärte ihm, vor seiner Ankunft mit dem Bau nicht fortfahren zu wollen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Morselli and Corti 1982, Nr. 35; die Gratifikation wird gewährt „gratia et amore et ex urbanitate, et ut vulgo dici solet, per cortesia et pro discretione, postquam dictum edificium dicti oratorii perductum est, opera et industria dicti Iuliani, ad finem debitum et optatum exceptis ornamentis, iuxta formam dicti sui moduli“.

Ebd., 91 ff., Nr. 10 u. passim.

Ebd., 109–111, Nr. 32 (23. November 1488).

Tragbar 2006, 3117. Am MPI für Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main gibt es eine umfangreiche Sammlung der italienischen Stadtstatuten aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit.

Mündliche Information von Klaus Tragbar.

Vgl. Conforti 2001, 15–16. Capitolati sind bisweilen auch Thema von Einzelstudien, von denen hier nur zwei beispielhaft herausgegriffen werden sollen: Altavista 2005 kümmert sich um das capitolato, das im Zusammenhang mit dem 1625–27 in Genua errichteten Palazzo di Gerolamo de Marini entstand. Hier wird aber das capitolato allein genutzt, um die Entstehungsgeschichte des Palastes nachzuvollziehen. Curcio 1990 hat die 1704–1705 datierten capitolati für den Bau der Biblioteca Bertoliana in Vicenza ausgewertet. Die capitolati – daher der Name – wurden getrennt nach Steinmetz-, Mauer-, Zimmermanns-, Tischler-, Fussbodenleger- und Glaserarbeiten aufgestellt. Dem capitolato der Maurerarbeiten war ein Grundriss beigefügt.

Curcio 2000, 63–64. Das Manuskript, das den Titel Origine, e Lode dell’architettura trägt, wird in der Bibliothek des Museo di Roma aufbewahrt, n. 5837.

Die capomaestri sind teilweise namentlich bekannt, vgl. Cerchiai and Quiriconi 1976, 205–207.

Lamberini 1991; das Traktatmanuskript über den Erdfestungsbau wurde von Giovanni Battista Belluzzi verfasst und von Lamberini 1980 publiziert.

Für Francesco I: Cerchiai and Quiriconi 1976; für Federico I: Gallerani and Guidi 1976.

Eine Kopie des Statuts von 1410 aus dem Jahre 1480 ist veröffentlicht in Scaccia Scaccia Scarafoni 1927.

Verdi 1991, 55–56; Quellen zu solchen Prozessen publiziert Verdi 1997, 87–173.

Quellen wie das registro die gettiti (1554–55) sowie ein Band Taxae viarum (1535–1583), letzterer publiziert in Re 1920, Anhang I, 65–79, zeigen die Aufgaben der Maestri; vgl. Verdi 1991, 58.

Re 1920, Anhang II, 79–85 listet die Namen für den Zeitraum 1425–1583 auf. Für die Namen der Maestri delle Strade in den Zeiträumen vor 1425 und nach 1583 vgl. Schiaparelli 1902, 23–25 bzw. Nicolai 1829, 151–161.

Bentivoglio 1994a, 14, Anm. 12; die zitierten Sottomaestri werden im Band 30, f. 44, Archiv der Presidenza delle Strade (Archivio di Stato di Roma) namentlich benannt.

Aussagen ermittelt aus der Zuccaro Forschungsdatenbank der Bibliotheca Hertziana.

Die liber patentium werden im Archiv der Presidenza delle Strade (Archivio di Stato di Roma) aufbewahrt. Zwei der Bücher, die die Jahre 1641–1655 betreffen, haben sich hingegen im Archiv der Doria Pamphilj erhalten und sind publiziert in Bentivoglio 1994a; Bentivoglio 1994b.

Zum Begriff disegno vgl. Kemp 1974.

Auch zu anderen Städten gibt es solche Studien. Zu Venedig vgl. Becker 2002; zu Urbino vgl. De Carlo 1966.

Vgl. Portoghesi 1971, 533–590. Portoghesi macht eine haustypologische Untersuchung. Broise 1989, 616–617, interessiert sich v. a. für den Umbau mittelalterlicher Häuser im Rom der Renaissance und zieht die Ripetta-Bebauung zum Vergleich heran. Zanchettin 2003/2004, 237–243 beschreibt die Entstehung der Ripetta-Bebauung im Zusammenhang mit der Entstehung der Via Ripetta.

Ob es einen schematischen Gesamtplan gab, lässt sich nicht sagen. Zanchettin 2003/2004, 238 hält dies für möglich.

Der erste Teil des folgenden Unterabschnitts wurde aus Schlimme 2009, 340–342, übernommen und leicht überarbeitet.

Alberti 1485, 9. Buch (9. Kapitel): „Was es alles an Bauwerken gibt, an allen Orten, welche nach der Meinung und dem übereinstimmenden Urteil der Leute sich bewähren, wird er auf das eingehendste betrachten, abzeichnen, ausmessen und will deren Modelle und Kopien besitzen“; zitiert ist die Übersetzung von Theuer (Alberti 1991), S. 516.

Dazu zählen der 1368–83 in Florenz lehrende Giovanni Dondi, oder Niccolò Niccoli, um den sich Anfang des 15. Jahrhunderts die Florentiner Humanisten scharten. Günther 1988, 14–17, 24.

Man denke an die 1462 gegründete Accademia Platonica in Florenz. Lentzen 1995 stellt die Entwicklung ausführlich dar.

Pacioli 1509 berichtet von diesem Humanistenzirkel im Hause Riarios. Giovanni Sulpicio redigierte die Neuauflage des antiken Vitruvtextes: Vitruvius 1486. Vgl. Daly Davis 1989, 422ff..

Zur Accademia Vitruviana vgl. Orazi 1982, 95–99; Daly Davis 1989, 187–196; Daly Davis 1994, 11–18; Günther 2002. Im Jahre 1542 formulierte Claudio Tolomei in einem Brief an den potentiellen Mäzen Conte Agostino Landi das Arbeitsprogramm der Akademie. Das nur zu kleinem Teil verwirklichte Programm der Akademie wurde 1547 durch Tolomei veröffentlicht und wurde so dem immer bedeutender werdenden römischen Antiquariatswesen zugänglich; Daly Davis 1989.

Zu Vignolas Rom-Aufenthalt vgl. Vignola 1583; zu Philibert de l’Orme vgl. Daly Davis 1989, 187.

Benvenuto Cellini sagte, die künstlerische, aber auch die technische Beherrschung des Materials seien entscheidend, während Architekt ein jeder werden könne, der ein wenig gelesen habe. Vincenzo Danti sagte, Architektur sei auf Regeln und Ordnungen reduziert, so dass heutzutage jeder Architekt werden könne. In der Antike, als die Ordnungen entwickelt worden seien, sei Architektur hingegen eine Arte del Disegno gewesen. Dies mag verdeutlichen, als wie weitgehend die Normierung der antiken Architektursprache in den Traktaten damals wahrgenommen wurde. Vgl. Burioni 2004.

Grundlegend Di Teodoro 1994 und Di Teodoro 2003. Der Brief liegt in drei Versionen vor. Er ist publiziert in Castiglione 1733, 429–436. Zudem gibt es zwei handschriftliche Fassungen in München und Mantua. Die genaue Datierung des zwischen 1513 und 1520 entstandenen Briefes ist strittig. Vgl. auch Shearman 1977, 136–140; Pane 1985; Ray 1987.

Münchener Manuskript c.78v/3v, Di Teodoro 2003, 136. In der gedruckten Version, Castiglione 1733, findet sich der Hinweis auf Bramante nicht mehr.

Castiglione 1733, 430. Im Münchener Manuskript wortgleich mit Unterschieden in der Schreibweise. Im Mantuaner Manuskript heißt es „magni edifici,“ sonst wortgleich mit Unterschieden in der Schreibweise.

Ray 1987, 223–225; die Literatur zu den Villen der Renaissance ist extrem umfangreich. Einen Überblick gibt Burns 2010 bzw. Burns 2012.

Serlio zeigt Bramantes, Raffaels und Peruzzis Planungen für St. Peter. Hinzu kommen Bramantes Tempietto bei S. Pietro in Montorio. Es folgen Bramantes oberer und unterer Belvederehof, Raffaels Villa Madama und die Villa Poggio Reale bei Neapel.

Vasari 1550, Dedicatoria.

Lomazzo 1585, Sechstes Buch, Kap. XLVI Composizioni de gli edifici in particolare; in der Ausgabe von Roberto Paolo Ciardi: Lomazzo 1973–1975, Bd. 2, 355.

Der folgende Unterabschnitt wurde aus Schlimme 2009 übernommen und leicht überarbeitet.

Herauszuheben sind die Monographien von Jack Ward 1972 bzw. Jack 1976, Barzman 1985 bzw. Barzman 2000 und Waźbiński 1987 sowie weitere Studien Barzmans, und die Aufsätze von Bencivenni 2001, Burioni 2004, Carrara 2008 und Schlimme 2009.

Am 24. Mai 1562 wurden die Gebeine des Michelangelo-Schülers Jacopo da Pontormo (1494–1557) in Anwesenheit der größten Florentiner Künstler und Architekten feierlich in die neue Künstlerkapelle in der von den Medici protegierten Kirche Santissima Annunziata überführt. Bei dieser Gelegenheit stellte Giorgio Vasari seinen Plan vor, die Compagnia di San Luca, eine zu Zeiten Giottos 1349 gegründete religiöse Bruderschaft der Künstler, neu zu beleben. Kurze Zeit später beschloss man die Gründung einer Akademie, die von den herausragenden Künstlern gebildet werden und der Ausbildung der jungen Leute dienen sollte; vgl. Kapitel 1 der Statuten von 1563, transkribiert bei Pevsner 1973, 296–304; Original im Archivio di Stato di Firenze, Cod. Magliabecch., 399; zur Gründungsgeschichte der Akademie vgl. neben den in der voraufgehenden Anm. benannten Titeln auch Carofano 1994.

Vgl. Kemp 1974.

Burioni 2004, 394–395. Vgl. hierzu auch Bencivenni 2001, 154: Verglichen mit Malern und Bildhauern gebe es in der Akademie sehr wenige Architekten. Die Architekten, die in Ämter gewählt wurden, wären immer gleichzeitig auch Maler oder Bildhauer gewesen. Das gelte für Giorgio Vasari, Francesco da Sangallo, Bernardo Buontalenti, Bartolomeo Ammannati oder Alessandro Pieroni und dies bliebe auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts so.

Hier zitiert Burioni 2004 die Selva di Notizie von Borghini: Abgrenzung gegenüber den Maurern f. 19–20; gegenüber den Zimmerleuten f. 24. Vgl. Carrara 2006.

Statuten von 1563, transkribiert bei Pevsner 1973, 296–304; Original im Archivio di Stato di Firenze, Cod. Magliabecch., 399.

Ebd., C[apitolo] I.

Waźbiński 1987, 299; die Briefe Paggis sind abgedruckt in: Bottari 1822-1825, Bd. VI, 83, sowie in Barocchi 1971, 191–219.

Laut den Statuten aus dem Jahre 1563 gab es Euklidvorlesungen, in den Jahren 1569–1570 las Pier Antonio Cataldi Euklid, 1570–1574 Egnatio Danti, ab 1589 Ostilio Ricci, ab 1593/95 Antonio Santucci. Lorenzo Sirigatti unterrichtete im späten 16. Jahrhundert Kosmographie und Perspektive an der Akademie. Im Jahre 1639 wurde der Mathematiklehrstuhl von der Universität Florenz an die Akademie verlegt. Für eine ausführlicherer Zusammenfassung des Mathematikunterrichts an der Akademie vgl. Schlimme 2009, 333–335.

Alberti 1485, 9. Buch (5. Kapitel).

Barzman 1985, 381–399; Barzman 2000, 163–172. In seinem Traktat Delle perfette proporzioni von 1567 sagt Vincenzo Danti, er habe 83 Leichensektionen ausgeführt und an ebenso vielen teilgenommen, die von anderen Experten ausgeführt worden waren; Danti 1567, 209; vgl. Waźbiński 1987, 287.

Spini war im Jahre 1567 in die Akademie aufgenommen worden. Waźbiński 1987, 215–234. Das Traktat trägt den Titel: I tre primi libri sopra l’instituzioni de’ greci et latini architettori intorno agl’ornamenti che convengono a tutte le fabbriche che l’architettura compone (Die ersten drei Bücher über die Anleitungen der Griechen und der Lateiner [Römer] hinsichtlich der Ornamente [Gliederungen], die allen Architekturen gemeinsam sind). Das in das Jahr 1569 datierbare Traktatmanuskript von Gherardo Spini umfasst ca. 170 beidseitig beschriebene und illustrierte Seiten, wird in der Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig aufbewahrt und wurde 1980 erstmals veröffentlicht.

Barzman sagt, Vincenzo Borghinis Äußerungen in seiner Selva di notizie (Notizenkonvolut) über die Rangfolge der Künste mache deutlich, dass Architekturlehre sich v. a. auf die Gliederung der Bauten im Sinne der klassischen Architektursprache konzentrierte; Barzman 1985, 408. Zu Vincenzo Borghini vgl. auch Carrara 2000 und Carrara 2006.

Der Brief ist abgedruckt in Barocchi 1962, 117–123; vgl. Waźbiński 1987, 300.

Archivio di Stato di Firenze, Accademia del Disegno, No. 24; vgl. Zangheri 2000, 8.

Ammannatis Traktatmauskript wird in den Uffizien aufbewahrt (3382A bis 3464A) und wurde 1970 publiziert.

Das Manuskript besteht aus 70 Blättern mit Abbildungen auf der einen und beschreibendem Text auf der anderen Seite. Es wird in den Uffizien in Florenz aufbewahrt und wurde 1962 zunächst in Polen, 1970 dann in Italien veröffentlicht.

Vasari wünschte sich, dass er „poterla un’giorno (cosi compiacendosi quella) servirla in qualche cosa“, d. h. dass er eines Tages in die Dienste des Großherzogs eintreten könne: Vasari 1970, 56.

Die hier und im Folgenden referierten Ausführungen zu der Querelle des Anciens et des Modernes basieren im Wesentlichen auf: Kruft 1991, 144ff.. und Freigang 2004, 128ff.. Bibliographische Angaben zu den grundlegenden Quellenwerken der Querelle bei Freigang 2004, 128f., Anm. 13 u. 14.

Eine solche Architekturauffassung tritt insbes. in Claude Perraults Kommentar seiner Vitruvübersetzung (1673) und seinem Säulentraktat (1683) sowie der Parallèle des Anciens et des Modernes (1688–97) seines Bruders zutage. Freigang 2004, 128.

Kruft 1991, 144f.; Kruft verweist hier im Zusammenhang der von der Akademie vertretenen Positionen vor allem auf Louis Hautecoeur und La Bruyère.

Kruft 1991, 146; die Aussage geht auf Henry Lemonnier zurück (Angabe der Quelle Kruft 1991, 146 Anm. 17).

Zu arbiträrer und positiver Schönheit und den diesbezüglichen Darlegungen s. Freigang 2004, 129f. und Kruft 1991, 150ff..

Kruft 1991, 151f.; Zitat Perrault 1683, I; hier zitiert nach Kruft 1991, 152.

Die im Text gemachten Angaben zu Antoine Desgodets sind entnommen aus: Rousteau-Chambon 2008, Madonna 2008, Cellauro and Richaud 2008, sowie Kruft 1991, 153f..

Kruft 1991, 153f; zu Desgodets’ Vorgehensweise bei der Aufmessung s. Rousteau-Chambon 2008, 18ff..

„[…], on ne peut dire que les mesures y soient justes ni que le goût et toutes les particularités des originaux s’y trouvent exactement rapportées dans la vérité puisque la plupart de ces choses sont différentes dans les livres de ces architectes et qu’il est constant que même avant les remarques qui font voir qu’ils n’ont pas dit les choses comme elles sont, ils s’étaient déjà démentis les uns les autres.“ Antoine Desgodets zitiert nach Rousteau-Chambon 2008, 18.

Rousteau-Chambon 2008, 13, 28f; vgl. Kruft 1991, 154. Für die Stipendiaten der französischen Akademie in Rom blieb das Werk fast zweihundert Jahre lang maßgebend. Mehrere Ansätze zu einer aktualisierten Neuauflage spiegeln das Wiederaufleben des Interesses an dem Buch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; 1779 wurden die Édifices antiques unverändert von C.-A. Jombert Pâris le fils wiederaufgelegt; eine französisch-englische Ausgabe von G. Marshal erschien 1771–1775, eine italienische, von G. Valadier herausgegebene Fassung hingegen erst 1822. Nähere Angaben bei Rousteau-Chambon 2008, 29f..

In Bezug auf die Architektur hieß es in der Rede: „Quanto l’Architettura, diciamo che l’Architetto deve concepire una nobile Idea, e stabilirsi una mente, che gli serva di legge e di ragione, consistendo le sue inventioni nell’ordine, nella dispositione, e nella misura, ed euritmia del tutto e delle parti. Ma rispetto la decoratione, & ornamenti de gli ordini sia certo trovarsi l’Idea stabilita, e confermata si gli esempi de gli Antichi, che con successo di lungo studio, diedero modo a quest’arte; quando li Greci le costituirono termini, e proportioni le migliori, le quali confermate da i più dotti secoli, e dal consenso, e successione de’ Sapienti, divvennero leggi di una mervigliosa Idea, e bellezza ultima, che essendo una sola in ciascuna specie, non si può alterare, senza distruggerla.“ Bellori 1672, Vorwort; zitiert nach Kieven 1999, 193.

Kruft 1991, 113f., 229; Lexikonartikel zur Idea von Andreas Beyer in: Pfisterer 2003, 148.

Vgl. Kruft 1991, 114.

Ein Beispiel hierfür ist ein Zitat von F. Martinelli in Bezug auf Sant’Ivo alla Sapienza in Rom: „Si che fu scelto il Cav. Borromino, al quale per la vivezza dell’ingegno, per la prattica delle regole Vitruviane, e per l’assuefattione ad imitare l’opere de migliori professori d’architettura antichi Greci, e Romani, non dava travaglio il miscuglio de’ cantoni, e delle difficoltà, dalle quali veniva travagliato, et essercitato l’ingegno.“ Fioravante Martinelli: Roma ornata dall’architettura, pittura e scoltura [1660–1663], 274r, v, in D’Onofrio 1969, 1–382, 216.

„Onde pur troppo la deformano quelli che con la novità la trasmutano, mentre alla bellezza sta vicina la brutezza, come li vizii toccano le virtù. Tanto male riconosciamo pur troppo nella caduta del romano imperio, col quale cadero tutte le buone arti, e con esse più d’ogn’altra l’architettura“; Bellori 1672, Vorwort; zitiert nach Kieven 1999, 193. Zu den Zitaten des Fließtextes s. Anm. 216, in der die vorangehende Passage zitiert ist.

Cipriani 2009, 345; Salvagni 2008, 33f; Hager 2000a, 117. Die nachfolgend gemachten Ausführungen zum Abschnitt über die Accademia di San Luca basieren im Wesentlichen auf: Cipriani 2009, Salvagni 2008, Hager 2000a, Hager 2000b, und Kieven 1999, 188ff..

Eine Ausnahme bildet das Jahr 1604, in welchem mit Ottaviano Mascarino ein Maler und Architekt das Amt innehatte; Cipriani 2009, 348, Anm. 13; genauere Angaben zur Besetzung des Amtes und zu den Statuten bei Hager 2000a, 117. Die ersten, die ihrer Rolle als Architekten wegen das Amt bekleideten, waren Girolamo Rainaldi (1640–41) und Giovan Battista Soria (1648); Kieven 1999, 188; Hager 2000a, 118.

Zur Ausrichtung der Architekturlehre der einzelnen accademici in den Anfangsjahren der Akademie s. Hager 2000a, 117f..

Kieven 1999, 188; Hager 2000a, 118; Scott 2000, 128. Der Entwurf für die neuen Statuten von 1670 enthält bereits eine ausdrückliche Nennung der Architekten; verabschiedet und veröffentlicht wurden diese allerdings erst 1715; Cipriani 2009, 348, Anm. 13.

„l’architetto è l’unico a disporre di tutte le indispensabili conoscenze per trasformare una chimera in un progetto.“ Carlo Fontana zitiert nach Cipriani 2009, 353.

Als Medium der internationalen Verbreitung besaß das illustrierte Werk zur römischen Barockarchitektur von Domenico De Rossi (1708–21) die wichtigste Bedeutung; Kruft 1991, 121.

Hager 2000a, 118. Zu den Architekten, die im 18. Jahrhundert das Amt des principe bekleideten, s. Hager 2000a, 118ff..

Näheres zu der Prüfung der Authentizität bei Hager 2000a, 119.

Zu Fuga in diesem Kontext siehe Anm. 242.

Quatremère de Quincy z. B. schrieb rückblickend: „I moderni, ereditando l’arte e le regole dai Greci, non trovarono altr’obbligo di sottomettervisi che quello derivante dal gusto; arbitro troppo spesso variabile. La diversità de’ costumi e della religione, il cambiamento de’ tempi e de’ climi resero in vari punti inapplicabili ai nuovi bisogni dell’arte di edificare i principi rigorosi e le maniere degli antichi.“ de Quincy and Chrysostome 1985, 223f..

Vgl. Kieven 2000a, 545, 548, 554; Kieven 1988, 22, 29; Kieven 1987, 260. Fugas Fähigkeit, aus pragmatischen Gründen einen Wechsel der Formensprache zu vollziehen, wird besonders gut anhand seiner Entwürfe für den Palazzo della Consultà in Rom evident. Diese veranschaulichen den Übergang zu einem neuen, der antibarocken Haltung seines Auftraggebers Neri Corsini entsprechenden Stil, der den Einsatz von gerader Linie, rechtem Winkel und eine strenge Handhabung der Ornamente erforderte. Kieven 2000a, 548; Kieven 1988, 24; Kieven 1987, 260. .

Zu den neuen, vor allem in England in dem intellektuellen Zirkel um Lord Shaftesbury diskutierten Reformideen siehe z. B. Kieven 2000b, XLIVf..

Vgl. Kieven 2000c, 191; Kieven 1999, 184. Neben Fuga favorisierte Clemens XII. auch Alessandro Galilei, der ebenfalls Florentiner war.

Cipriani 2009, 348ff.. Bei Cipriani, ebd., genauere Auflistung der laut zweier Verzeichnisse verfügbar gewesenen didaktischen Quellen. Im Verlauf des späteren 18. Jahrhunderts wichen die Zeichnungen als Lehrmittel gedruckten Handbüchern; Cipriani 2009, 349. Die frühesten noch erhaltenen Wettbewerbszeichnungen sind jene des concorso von 1677; Hager 2000a, 119.

Rede vom 5. September 1665; Hager 2000a, 119.

Kieven 1999, 199. „Non vorrei […] che alcune credesse che, sotto nome di ragione d’Architettura io intendessi di prescrivere le forme de’ Greci, e de’ Romani come leggi dell’arte, sebbene siano esemplari. Per ciò che appartiene alle forme, io stabilisco che queste debban dipendere dall’uso, e dal modo diverso col quale ce ne serviamo“ (Giovan Battista Passeri, zitiert nach Kieven 1999, 199; Juvarras Schüler Passeri hatte 1714 seine in Rom gemachten didaktischen Erfahrungen aufgeschrieben).

„Ad id quidem hoc devenit studium celebrandi sui operibus istiusmodi, ut etiam urbes posteritatis gratia in sua suorumque nomina condiderint. […] Alii non tam impensae magnitudine quam novis aliquibus inventis fructum posteritatis captavere.“ Alberti 1966, 653. In der deutschen Übersetzung von Theuer lautet die Stelle: „Ja das Bestreben, sich in Werken zu feiern, ging so weit, daß man sogar Städte des Nachruhmes halber auf seinen Namen oder den der Seinigen gründete. […] Andere suchten nicht so sehr mit einem solchen Aufwand von Mitteln als durch irgendeine neue Idee die Frucht des Nachruhms zu pflücken.“ Alberti 1991, 402.

„Adunque si vede quanta lode porgano simile invenzioni all’artefice. Pertanto consiglio ciascuno pittore molto si faccia famigliare ad i poeti, retorici e agli altri simili dotti di lettere, già che costoro doneranno nuove invenzioni, o certo aiuteranno a bello componere sua storia, per quali certo acquisteranno in sua pittura molte lode e nome“; De pictura 1436, 94, Anm. 54 ; hier zitiert nach Grassi and Pepe 1994, 433f..

Zitiert nach Kieven 1999, 184.

Hager 1998, 41–54, Kapitel Le inondazioni del Tevere. Die mit den Baumaßnahmen verbundenen Namen sind Domenico Fontana im 16. Jahrhundert sowie u. a. Carlo Fontana und Cornelius Meyer im 17. Jahrhundert. Vgl. Cornelius Meyer, Modo di far navigabile il Tevere da Perugia a Roma, Roma, Biblioteca dell’Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana, 34.K.16 (Cors. 1227), Roma 1676 mit Illustrationen von Gaspar van Wittel. http://www.lincei-celebrazioni.it/miniatura/2scienze.html (besucht am 20. Mai 2013).

Zu natürlichen Extremereignissen u. deren Auswirkungen vgl. insbes. Körner 1999b.

Guidoboni 1999, 62; zum Thema Erdbebenprävention in der Antike s. auch: Giuffrè 1988, 11.

Alberti, Leon Battista: De re aedificatoria, Buch I, Kapitel VIII; Textlaut in der dt. Übersetzung nach Theuer: „Es besteht in Venedig eine sehr nützliche Einrichtung des Architekten der Markuskirche. Nachdem er nämlich den Grund der ganzen Kirche so dicht als möglich festigte, ließ er mehrere Brunnen offen, daß, sollten sich einmal unterirdische Beben zeigen, diese leicht einen Ausweg fänden.“ (Alberti 1991, 46).

Guidoboni 1987, 215; Pugliano 1994, 44. Bei Guidoboni auch Angabe der Textstelle bei Aristoteles, Auflistung weiterer das Thema behandelnder antiker Autoren mit Nennung der jeweiligen Textstellen sowie weitergehende Ausführungen.

Bei dem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Traktat Libro, o Trattato de diversi terremoti, raccolti da diversi Autori, per Pyrro Ligorio cittadino romano, mentre la città di Ferrara è stata percossa et ha tremato per un simile accidente del moto della terra, ms., Bd. 28 des handschriftl. Werkes von Ligorio, Archivio di Stato di Torino; ausführlicher dazu Guidoboni 1987, 218, Anm. 14.

Ebd., 219–224, 228; Tobriner 1997, 26.

„[…] conviene fare delle fortezze sopra de vani et nelle cantonate et fare i muri ricepienti / [I muri] è di necessità legarli con possenti ferri acciò che non si squassano, et se bene tremano tutti insieme si sostentano. Et perciò anchora per necessità correbbe che si facessero i muri eguali, et egualmente stringarli, acciò che niuno possi forzare quelli della parte di fuori, né da essi scioglierli; pertanto tutti li muri grossi et con honesta sostanza, et ben ligati insieme nelle cantonate o con opera di muro o con chiavi di marmo o di ferro, tutti son immovibili“, P. Ligorio, Delli rimedi contra i terremoti…, c. 59r, c. 60v; zitiert nach Guidoboni 1987, 226, 227.

Barucci 1997, 42; zur Quellenangabe s. Anm. 1, 49 (Di Somma, Agatio (1641). Historico racconto de li terremoti della Calabria dell’anno 1638. Neapel: Camillo Cavallo. 66f. )

Vgl. die insgesamt etwas voneinander abweichenden Angaben zu dem Erdbeben bei: Dufour 1981, 525; Guidoboni 1999, 61; Tobriner 1997, 32; sowie unter: http://www.6aprile.it/docs/Articoli/Rapporto_Barberi/Volume_2/sic_n.PDF (Regione Sicilia – Note storiche; vor allem der Auszug aus: E. Boschi et al., Catalogo dei forti terremoti in Italia dal 461 a.C. al 1990, SGA – Istituto Nazionale di Geofisica, Bologna; zuletzt gesehen am 29.7.2012); und http://it.wikipedia.org/wiki/Terremoto_del_Val_di_Noto (29.7.2012).

Vgl. die ausführlichere Erörterung des Themenkomplexes bei Guidoboni 1999, 52–57 (Kapitel 3.1: Conséquences économiques); Körner 1999a, 31.

Pugliano 1994, 35 (Kapitel 2.3: La trasformazione dell’edilizia storica/Dispositivi giuridici).

Zu den o. g. Angaben im Kontext der offiziell getroffenen Maßnahmen u. des Herzogs von Camastra vgl. die Webseite: http://www.6aprile.it/docs/Articoli/Rapporto_Barberi/Volume_2/sic_n.PDF (29.7.2012): Regione Sicilia – note storiche (den Auszug aus Dufour and Raymond 1993); sowie Dufour 1981, 529; und Dufour and Raymond 1990, passim, 62 (Anm. 27 zu De Grunembergh).

Ausführliche Diskussion der angewandten Methoden bei Tobriner 1997, 26–32.

Tobriner 1997, 36; das Thema ist ausführlicher erörtert bei: Tobriner 1985 und: Dufour and Raymond 1987, bes. 14–20.

Zu dem schwierigen Prozedere der Entscheidungsfindung vgl. bes. die ausführliche Darlegung in Dufour and Raymond 1990, 11–20, 26–30. Der Entschluss zur Verlegung erfolgte wahrscheinlich sogar trotz des Widerspruchs des Herzogs von Camastra; vgl. hierzu und zu den von Giuseppe Lanza in diesem Kontext vorgebrachten Argumenten, ebd., 26, 27.

Vgl. ebd., 27.

Ebd., 11, 30–33 (Kapitel 4: L’intervento di Angelo Italia); und Dufour and Raymond 1987, 23–26.

Tobriner 1989, 92; die im folgenden nach Tobriner (ebd.) zitierte Stelle lautet: „… per avere ogn’uno degl’abbitanti il commodo di poter quardarsi delle scosse della Terra (che Dio ci liberi) col mezzo di poter uscire dalle proprie case e riconevarsi nei Piani med/i per così sfugire dai pericoli di poter essere colpiti anche dalle rovine dello lor case“; Paolo Labisi: La scienza dell’architettura civile, ms., Biblioteca Comunale di Noto, 1773, IV, ff. 9v, 10.

Brief vom 15. März 1693; Dufour and Raymond 1990, 62, Anm. 27.

„Somministra con indefessa assistenza impulso ai Cittadini di gareggiare all’innalzamento delle novelle fabbriche nei designati limiti dell’organizzata pianta la quale con grido di universal godimento fu dall’accuratezza di segnalati Architetti (secondo i dettami da lui suggeriti) ideata con la cruciera di due ben concertati stradoni a guisa di Palermo, …“ (Privitera, F. (1695). Dolorosa tragedia rappresentata nel Regno di Sicilia nella citta di Catania…, Catania: Paolo Bisagni.; hier zitiert nach Fichera 1934, 42).

Stich; 387 x 507 mm; publiziert in Mongitore 1727. Angaben entnommen aus: La Duca 1975, Bd. 1 (Text), 144f., Anm. 50, Bd. 2 (Tafeln), Tav. IX.

Federzeichnung auf Papier, aquarelliert, 805 x 538 mm; aufbewahrt in der Biblioteca Comunale di Monreale. Angaben entnommen aus und abgebildet z. B. bei: La Duca 1975, Bd. 1, 140f., Anm. 48.

Zu Vorangegangenem vgl. Pugliano 1994, 37–39.

„Ne’ terreni paludosi possono fabricarsi i Fondamenti non continuati, ma con pilastroni ben grossi, e fra essi si volteranno archi, […] che saranno più sicuri. Io mi sono ancor servito d’una tal maniera in terreno sodi, ed è riuscita molto soda la fabrica, e di minore spesa, molto più se l’Edificio verrà composto di colonne, o pilastri, di modo che sotto essi incontrassero il pilastrone del Fondamento; ed in tal caso s’accelererà la fabrica, e si risparmierà la spesa.“ Ebd., 61f.

Vgl. Pugliano 1994, 38, 50 (Anm. 36); Barucci 1997, 46. „Non devesi questa massa piantare o fondare in terra, ma posare soltanto sopra un pavimento di pietre più grande della pianta della casa“ (Milizia 1972, dritter Teil, Buch III, Kap. IX, 497; vgl. Pugliano 1994, 50, Anm. 36).

Labisi, Paolo: La scienza dell’architettura civile, 1773, ms., Biblioteca Comunale di Noto, 1v.

Wolff, Christian: Gli elementi dell’architettura civile di Cristiano Volfio, tradotti dal latino da F.M. Sortino, 1746, ms., Biblioteca Comunale di Noto.

Die Elementa architecturae civilis bilden ein Kapitel des Wolffschen Traktats Elementa Matheseos Universae: Wolff 1715, Teil II, 931–1002; Abb. der craticola auf Taf. XII, Abb. 19. Bei Labisis Illustration handelt es sich um eine getreue Kopie des Wolffschen Originals.

Zur Fundament-craticola, zu Wolffs Traktat und Labisis Übernahme vgl. insbes. Barucci 1997, 42f., Fig. 1; Tobriner 1997, 34 (Fig. 11), 39; Tobriner 1989, 187–190. Wolffs Traktat war in jenen Jahren in Sizilien verbreitet; in Noto gab es eine Reedition von 1732 (Barucci 1997, 46).

A. Mongitore: Memorie dei pittori…, 1742, ms., Biblioteca Comunale di Palermo, f. 130r-v.: Amico „cooperò mirabilmente al riparo di Palaggi e Chiese malmenate dal terremoto del 1726, anche contro l’opinione di molti, che stimavano doversi atterrare e rifabbricarsi: sicché si guadagnò la stima universale di tutti, salendo in alto grido il suo nome.“ Zitiert nach Pugliano 1994, 49, Anm. 26; zu den Angaben vgl. Pugliano 1994, 36 und Mazzamuto 2003, 16.

Vgl. Schlimme 2006d, 58. Die Manuskriptstelle lautet folgendermaßen: „Per quanto poi spetta à chiudersi le fissure fatte dalli continui movimenti, […] facilissimamente si prattica con interpollargli alcune catene di Pietra ben soda fatte nella forma si veggiono espressate nella dietro Pianta lettera [4v.] I. e collocate nello spaccato interiore della Cupola, delle quali catene ne porto tutta la sperienza per averle à meraviglia provate nel riparare le grandi rovine accadute nella Città di Palermo pe(r i)l Terremoto dell’anno 1726 delle quali mirabilmente se ne distingue l’unione dei Peli occasionati dalle fiere scosse del Terremoto in molte magnifiche fabriche di Case, e Tempij di detta Capitale […]“; ms., Biblioteca Apostolica Vaticana, Cicognara V 3849, 4r, 4v; hier zitiert nach der Transkription in Schlimme 2006d, 61.

In nur drei Fällen stellt Amico eigene Entwurfslösungen vor; s. dazu Mazzamuto 1987, 118.

Pugliano 1994, 43; ein Beispiel für eine direkte Thematisierung von Erdbeben bildet die von Napoli und Amico vorgenommene Auseinandersetzung mit der antiken Erdbebenprävention durch Entlüftungsschächte; vgl. ebd., 43f.

„nè per assicurarlo [il muro] sarebbono di bisogno legature, o catene grosse di ferro, le quali oltre il dispendio, non recano molta sodezza, e portano deformità alla fabbrica.“ (Amico 1726, I, Teil II, Kap. XVIII, 64f). Vgl. Pugliano 1994, 42.

Amico 1726, I, Teil II, Kap. XVIII, 65: „quanto più le mure s’alzano, tanto più si diminuiscono, facendo quelle del primo solaro più sottili de i fondamenti, quelle del secondo più sottili del primo, e così appresso. […] Il muro s’alzerà sempre a piombo, e che col suo mezzo caschi sopra il mezzo di quello di sotto; onde il muro riesca in forma piramidale…“ Vgl. Pugliano 1994, 44f..

Pugliano 1994, 48; Tobriner 1997, 37; Nobile 2004, 156; bei Nobile und Tobriner findet sich der Verweis auf folgende, nicht publizierte Arbeit als Informationsquelle: La Duca, Rosario (1995). Terremoti, norme antisismiche ed architettura a Palermo tra Settecento e Ottocento, Laurea Honoris Causa, Facoltà di Architettura, Università degli Studi di Palermo. Palermo.

Vgl. Tobriner 1997, 37; Nobile 2004, 154; Nobile 1996, 87. Nobile verweist auf die im Zusammenhang mit der Baustelle von SS. Salvatore durch einige der Gutachter vorgeschlagene Möglichkeit der Anwendung einer leichteren Kuppelschale (ebd., 88, Anm. 27); hierzu s. auch Nobile 2004, 154.

Nobile 1996, 87; Nobile 2004, 154; Lazzara war Schüler von Paolo Amato, welcher Beziehungen nach Spanien unterhielt, ein Faktum, weswegen Nobile eine Einflussnahme spanischer Traktate auf die Entwicklungen in Sizilien für wahrscheinlich hält. Im Besonderen verweist Nobile auf die Theorie und die Kuppeln encamonadas von Fray Lorenzo De San Nicolas (Arte y uso de la Arquitectura. Madrid 1633–1664); vgl. Nobile 1996, 87, 88 Anm. 30.

Nobile 1996, 86; Tobriner 1997, 37; Nobile 2004, 152; vgl. Nifosì 1988, 37f., Anm. 3. Gagliardi führte folgendermaßen aus: „questo [dammuso] deve farsi finto con l’ossatura di legname virgoni con gisso sotto e sopra, non già reale, e ciò unicamente per più facilmente resistere alle scosse del terremoto, che suole più offendere a li dammusi reali che a quelli finti; und fügt noch hinzu: Per non aggravare però di maggiori spese che vi concorrono nel dammuso finto questo ingegnere relante è di sentimento di farsi il dammuso regalino“; zitiert nach Nobile 2004, 152.

opus craticium, einige Beispiele erhalten in Pompeji und Herkulaneum; Barucci 1997, 46 und Anm. 16.

Vgl. Barucci 1997, 42, 46. Durch den mangelnden lokalen Bestand an hochstämmigen Bäumen war auf Sizilien ein Einsatz nur in limitierter Form möglich. Eine Anwendung hölzerner Armierungen lässt sich im Kontext der postseismischen Bauaktivität nach 1693 in Ostsizilien konstatieren; für diesen Fall weisen zudem Dokumente den Einsatz kalabresischen Holzes für die Errichtung provisorischer Baracken nach; ebd., 42.

Barucci 1997, 46; zur portugiesischen gaiola s. auch Tobriner 1997, 36 (Abb. 14–15), 39.

Die casa baraccata ist ausführlich beschrieben und diskutiert in Tobriner 1983, bes. 133–135.

Vgl. Giuffrè 1988, 13; Barucci 1997, 46, 48; Tobriner 1983, 135; Tobriner 1997, 29. Zur schriftlichen Fixierung der Gesetze auf der Basis von Richtlinien, die der Ingenieur Francesco La Vega erstellte, vgl. Tobriner 1983, 134f..

„Al principio […] per ripararsi dalle piogge e dal caldo, facevano [gli uomini] le coperture di canne e frondi: ma perchè queste coperture potessero resistere alle piogge dell’inverno, le fecero aguzze, e così coprendo di loto i tetti inclinati, davano scolo alle acque.“ Vitruvio Pollione 2005, Buch VI, Kap. I, 26.

„Saranno gli edifizj privati ben disposti, se dal bel principio si rifletterà agli aspetti, e ai climi, ne’ quali si fabbrica; imperciocchè è fuor di dubbio, che abbiano a essere diverse le fabbriche, che si fanno nell’Egitto da quelle nella Spagna, diverse quelle del Ponto da quelle di Roma, e così anche negli altri paesi: giacchè una parte della terra è sottoposta al corso del sole, un’altra ne resta lontana; e l’altra, che è nel mezzo, è temperata. Laonde siccome la costituzione del cielo riguardo alla terra, per l’inclinazione del zodiaco, e per il corso del sole, è naturalmente dotata di diverse qualità, con questa stessa regola conviene formare gli edifizj secondo il temperamento de’ luogi, e i varj aspetti del cielo.“ Ebd., Buch VI, Kap. I, 132.

Ebd., Buch VI, Kap. I, 134f.

„Sotto il settentrione si hanno a fare le abitazioni a volta, il più che si può riparate, non aperte, anzi rivolte agli aspetti caldi: ne’ luoghi meridionali all’incontro sottoposti alla veemenza del sole, perchè vi si muore dal caldo, si debbono fare aperte, e rivolte o a tramontana, o a greco: così coll’arte si ripara al danno, che sarebbe da se la natura; si prenderà negli altri paesi della stessa maniera un temperamento corrispondente al loro clima.“ Ebd., Buch VI, Kap. I, 132.

„[…] la prima avvertenza che l’architetto debba avere è di considerare in che clima, plaga, ovvero provincia si ha a fare l’edifizio, e la complessione di quel luogo avvertire: perocchè il sole per i suoi varii moti diversamente discorre sopra la terra abitabile, varie zone causando, come l’esperienza ne insegna, onde varie complessioni e qualità non solo nelle piante e animali produce, ma ancora nelle pietre e loci diversi. Per questo altre considerazioni sono necessarie ad uno edifizio in Egitto, altre in Alamania, altre in Ispagna, altre in Italia, altre nella parte opposta ad Ispagna [Anm.: Vitruvio VI. 1]; […]. E per questo le case da farsi sotto il mezzogiorno, debbono verso il settentrione con lumi e con stanze più usate e abitate esser volte: e per contrario quelle sotto settentrione verso mezzogiorno: […].“ Martini 1841, Buch II, Kap. I (.

Ebd., Buch II, Kap. VIII (Delle varie specie di case private, e delle parti interne di esse. Dei tetti e dei giardini), 178.

„A perfezione eziando della casa, è da dividere quella in due parti, in una delle quali siano ordinate le stanze e abitazioni per il verno, e nell’altra parte la state: e quella parte debba essere con maggiore diligenza ordinata, il quale loco dominasse (sic). Le stanze per il verno sieno volte, come è detto, a mezzogiorno, sieno in volta e piccole: quelle per la state per contrario volte verso borea, ample e aperte.“ Ebd., Buch II, Kap. I, 158.

„[…] è da avvertire che poca grossezza di muro è sufficiente a resistere al freddo, ma volendo ostare al caldo bisogna fare i muri grossi: […].“ Ebd., 158.

„La universale altezza non sarà manco di piedi XXI, ma dove sarano luoghi mezzani et picoli, quelli si amezzarano, et dove alcuna camera sarà troppo alta per abitarvi al tempo freddo, se gli farà un suolo morto a quella bassezza che vorà il padrone, facendovi un sottocielo dipinto e dorato.“ Serlio 1994, Buch VI, 38v, (.

„[…] è da avere avvertenza che essendo ne’ luoghi bassi l’aere molto grosso, generalmente è infetto, e in luoghi eminenti per contrario troppo sottile e penetrativo: fa adunque di bisogno per conservazione della sanità, nei luoghi bassi edificare con più solari, e più abitare le stanze alte che le basse: e così per contrario nei luoghi montuosi e alti, dove è sottile l’aere, edificare da basso e fare lato l’edifizio e non alto; la qual regola in Italia poco si osserva, anzi quasi il contrario in molte città si vede usarsi.“ Martini 1841, Buch II, Kap. I, 158.

„I primi uomini, come si legge in Vitruvio, fecero i coperti delle abitazion loro piani, ma, accorgendosi che non erano difesi dalle pioggie, costretti dalla necessità, cominciarono a farli fastigiati, cioè colmi nel mezo. Questi colmi si deono fare e più e meno alti secondo le regioni ove si fabrica, onde in Germania, per la grandissima quantità delle nevi che vi vengono, si fanno i coperti molto acuti e si cuoprono di scandole, che sono alcune tavolette picciole di legno, overo di tegole sottilissime, ché, se altramente si facessero, sarebbono dalla gravezza delle nevi ruinati. Ma noi, che in regione temperata viviamo, dovemo eleggere quell’altezza che renda il coperto garbato e con bella forma, e piova facilmente. Però si partirà la larghezza del luogo da coprirsi in nove parti, e di due si farà l’altezza del colmo, perché, s’ella si farà per il quarto della larghezza, la coperta sarà troppo ratta, onde le tegole over coppi vi si fermeranno con difficultà; e se si farà per il quinto, sarà troppo piana, onde i coppi, le tavole e le nevi, quando vengono, aggreveranno molto.“ Palladio 1980, Buch I, Kap. XXIX (.

„Let thus much suffice at the present for the Position of the severall Members, wherein must bee had as our Author doth often insinuate, and especially lib. 6. cap. 10. a singular regard, to the nature of the Region: […].“ Wotton 1969, 9; sowie: „But let mee here adde one observation; That our Master (as appeareth by divers passages, and particularly lib. 6. cap. 9) seemes to have beene an extreame Lover of Luminous Roomes; And indeede I must confesse that a Franke Light, can misbecome noe A Edifice whatsoever, Temples onely excepted; […]. Yet on the other side we must take heede to make a House (though but for civill use) all Eyes, like Argus; which in Northerne Climes would be too could, In Southerne, too hot: And therefore the matter indeede importeth more then a merry comparison.“ Ebd., 55f.; vgl. Kruft 1991, 260.

Scamozzi 1982, Bd. 2, Buch VIII, Kap. XXII ( (Königliche, sakrale oder profane Gebäude erfordern unterschiedliche Dächer, wiederum andere Gebäude von minderem Rang. Andere müssen auch angewandt werden, wo ein gemäßigtes Klima herrscht; und in Spanien, Frankreich und Deutschland andere als hier in Italien und nochmals andere in weiteren unterschiedlichen Ländern.).

Ebd., 343: „Qui nell’Italia per la maggior parte si fanno i coperti non meno alti, che il quinto della loro lunghezza, nè più del quarto, dove concorrono molte acque: e da queste due misure del più, e del meno, noi ne componiamo una sola, che viene ad esser una delle quattro parti, e meza, overo de i duoi nomi della lunghezza, della quale ne habbiamo trattato à lungo altrove, & che riesce ottimamente alla vista de’ Frontespici, e serve anco molto bene à portar via l’acque piovane.“

Ebd., 345 (Was die Höhe der Dächer in Deutschland und auch in Frankreich und anderen Ländern, wo viel Schnee und Wind regieren, betrifft, sorgen sie [die Bauleute] bei ihren Dächern – insbesondere bei sehr großen Gebäuden – mit Hilfe eines gleichseitigen Dreiecks [gemeint ist der Dachquerschnitt] dafür, dass der Regen von den Dächern abfließt; und zwar, damit der Schnee nicht darauf liegen bleibt, der in der österreichischen Stadt Wien und der böhmischen Stadt Prag sowie in vielen anderen Städten sehr lange liegenbleibt.).

Ebd. 344 (In Deutschland beachten sie [die Bauleute] eher aus einem gewissen Brauch als aus Notwendigkeit, die Dächer ihrer Häuser und Paläste sehr steil und mit flachen viereckigen oder in Fischschuppenform gemachten Dachziegeln zu gestalten, wie man es bis zu den Grenzen Lothringens sehen kann.).

Ebd., 345: „Nella Franca Contea di Borgogna, à differenza della Germania, usano i loro coperti assai piani, come ad angolo retto, overo del Pentagono, ò dello essagono; poiche il paese non è tanto sotto posto alle nevi, e ne’loro coperti adoprano legnami de Rovi, & Olmi, e simiglianti duri, e forti, & i cuoprono di lastoline di pietra più, e meno gentili; […].“

„Nach dem, was wir in Deutschland und Frankreich beobachtet haben, machen die ersteren die Dächer besonders steil; weil in Frankreich, wo es bisweilen starke Winde gibt, die den Regen nach oben treiben, und mit besonderer Vehemenz der Circio-Wind, oder Maestro Tramontana, der den Häusern die Dächer abdeckt, […]. Und in Deutschland fällt viel und häufig Schnee, der aufgrund der großen Dachneigung nicht liegen bleibt. Wären sie [die Dächer] flach oder wenig geneigt, würde er [der Schnee] diese stark belasten und die Bauten gefährden“. Ebd., 345.

Ebd., 345: „E per dir anco assai della Frãcia, essi fanno i loro tetti in varij modi, e per la maggior parte gl’usano in forma del triangolo in trascorso, equilatero, altri poi come à Cialon Città grande, e bella posta sopra alla Marne, li fanno alquanto più piani de’ nostri d’Italia, e come à dire del quinto della larghezza, e pur li cuoprono de coppi; di modo che si vede, che vanno variando secõdo la qualità della materia, c’hanno da coprire, come le acquaie piane, le lastre d’Arduosa, e simiglianti, che non hanno sponde.“

Scamozzi 1959, 48; der vollständige Satz lautet dort: „Coprono tutte le case de coppi come da noi nella Lombardia; e qui è da notare che tutti i coperti sono piani più de nostri, di modo che non è vero che per il paese, ma per la qualità della materia principalmente, che sono le acquarie piane, l’arduosa, e simiglianti fano i coperti acuti.“; darüber hinaus Scamozzi 1982, Band 2, Buch VIII, Kap. XXII, 344. Vgl. auch die Anmerkung von Franco Barbieri in Scamozzi 1959, 110, Anm. 53; sowie Pérouse de Montclos 2001, 43.

„Et sur le 29e chapitre du mesme livre [Palladio, Buch I], où il est parlé des couvertures, l’on est aussy demeuré d’accord que leurs élévations doivent avoir rapport aux différens pays, qui demandent qu’il y en ait de plus droites à cause des neiges et des vents, et aussy selon les différentes matières dont elles sont couvertes; celles de plomb, qui sont les plus pesantes, seront plus plates et moins élevées que celles de tuilles, et celles de tuille moins que d’ardoise, en sorte qu’on peut eslever les combles depuis l’équierre jusques au triangle équilatéral.“ Lemonnier 1911, 39.

Colbert 1979, Bd. V, 247 (19. Observations sur les plans et élévations de la façade du Louvre, envoyés de Rome par le Cavalier Bernin. [1664]). Ein Auszug aus der Textstelle lautet: „2° Il est pareillement nécessaire de considérer le climat sous lequel ce grand palais doit estre situé, les matières avec lesquelles il doit estre construit, les maistres qui le doivent habiter, et les officiers qui doivent prendre soin de sa conservation.“ Vgl. Tadgell 1980, 327.

Colbert 1979, Bd. V, 247 (Nach allbekannter Erfahrung ist sicher, dass die Menge an Regen und Schnee, die im Winter auf Paris fallen, verhindert, dass Terrassen – und nicht einmal die flachen Dächer – dies länger als zwanzig oder dreißig Jahre überdauern können). Siehe auch das Zitat in der folgenden Anm.

Pour ce qui concerne le climat. Il est certain que depuis le mois d’octobre jusqu’au mois de may, le froid et l’humidité, per la quantité de pluie e de neige, sont tels qu’ils obligent à avoir du feu dans les appartemens pendant tout ce temps, c’est-à-dire sept à huit mois de l’année. En sorte qu’il est nécessaire, dans les bastimens de France, de chercher plutost à se garantir du froid que du chaud, qui n’est jamais assez grand pour donner de l’incommodité au plus qu’un mois ou six semaines de l’année; encore cela arrive-t-il assez rarement. De plus, il est encore certain que cette abondance de pluie et de neige, jointe au vents, a fait connoistre jusqu’à présent, par un nombre infiny d’expériences, qu’il est impossible de maintenir des terrasses, ni mesme presque des combles plats, n’y ayant en France nulle matière qui y ayt pu résister jusqu’à présent. Et cette humidité qui reste d’un si long hyver en dedans des maisons est telle, qu’il est nécessaire de les exposer à l’air et au soleil, tout autant qu’il est possible.“ Ebd., 260 (21. Mémoire des observations qui ont été faites sur les Beaux dessins du bâtiment du Louvre envoyés au roi par le Cavalier Bernin).

Chantelou 1981, 209 (23 septembre 1665): „L’après-dînée, j’ai mené M. l’abbé d’Argenson voir le Cavalier. Il lui a fait accueil et m’a prié de lui faire voir les dessins du Louvre. Après les avoir bien considérés, il a été fort aise que les grands combles à la mode en aient été bannis et la vue des cheminées.“ Vgl. Pérouse de Montclos 2001, 44.

Chantelou 1981, 26 (7 Juni 1665) (Als er [Bernini] die großen Dächer der Tuilerien sah, hat er gesagt, dass der Fehler, welcher in der Höhe der Dächer stecke, sich wahrscheinlich nicht in einem Zuge eingeschlichen habe. Man erhöht sie [die Dächer, die vor Zeiten flach gewesen sind] zuerst ein wenig, danach ein bisschen mehr und schließlich in so überzogener Weise, dass sie fast so hoch sind wie das übrige Gebäude, – und dies, ohne dass das Auge die schreckliche Unförmigkeit bemerkt).

Krause 1996, 331, Anm. 53; zur Einflussnahme nationaler Eigenheiten auf das Bauwesen s. auch Pérouse de Montclos 2001, passim.

In einer Sitzung des Jahres 1766 hieß es: „on a continué de s’entretenir sur les différentes manières de couronner un édifice, soit par des combles, soit par des balustrades, et les différens avis, ainsi que les différens usages suivis jusqu’à présent et la difficulté de donner de bonnes raisons pour préférer l’une à l’autre a empêché la Compagnie de rien décider sur cette question, et, après avoir balancé la solidité avec l’agrément, on n’a pas cru pouvoir donner un avis unanime pour préférer les terrasses avec balustrades aux combles apparens.“ Lemonnier 1922, 258f. (28e juillet 1766).

Dach mit schwacher Dachneigung; Jacques-François Blondel spricht von diesen Dächern: „si peu apparentes, qu’il semble que leurs bâtiments soient couverts en terrasse, ce qu’on appelle à Paris, bâtir à l’Italienne.“ Blondel 1772, Bd. III, 252 (Kap. V, Perfection de l’art / De la proportion, de la forme et de la décoration des combles en général).

Vgl. Blondel 1772, Bd. III, Kap. V, die Unterkapitel De la proportion, de la forme et de la décoration des combles en général und Des différentes espèces de terrasses ( 250–262).

Blondel 1771, 235 (Kap. VI, Des batiments d’habitation, élevés dans les villes et a la campagna / Des batiments élevés dans les villes / Des palais): „Nous croyons aussi qu’il seroit à propos d’éviter les combles apparents qu’on remarque au Luxembourg; que ces sortes d’édifices seroient terminées plus convenablement par des balustrades, comme au Palais Bourbon; […].“ Und auf Seite 246 (Kap. VI, Des châteaux): „Nous croyons que leur partie supérieure seroit terminée plus convenablement que tout autre édifice, par des combles apparents; […].“

Vgl. Pérouse de Montclos 2001, 46. Nachdem J.-F. Blondel die Klimaabhängigkeit der Dachgestaltung beschrieben hat („Toutes ces Couvertures doivent avoir plus ou moins d’élévation, & être plus ou moins inclinées, selon les lieux où l’on bâtit“.), stellte er fest, daß in Frankreich die unterschiedlichsten Dachformen verwendet worden sind [„Nous remarquerons que nos Architectes François ont néanmoins beaucoup varié sur la hauteur qu’ils ont donnée à leurs couvertures; que souvent même ils les ont supprimées tout-à-fait, […]“], und schlußfolgerte daraus, daß es also nicht die Temperatur sei, von der die Wahl abhänge [„Par ces différentes citations, il est aisé de concevoir que ce n’est pas la température de l’air, que nos Architectes ont consultée, puisqu’on remarque tant de différence dans l’application des Couvertures de nos édifices, tous élevés sous un même ciel: […]“]. Blondel, der eine scheinbare Willkürlichkeit in der Dachgestaltung offensichtlich nicht billigt, möchte diese nur erlaubt sehen, wo das Dach den Charakter des Gebäudes zu unterstreichen hilft („cette diversité, dans la construction des toits, bien loin de mériter indistinctement nos éloges, ne doit avoir lieu, que dans le cas ou la différente hauteur des Combles & la diversité de leurs formes, peut ajouter au caractere du monument.“). Blondel 1772, Bd. III, Kap. V, 251ff..

Das Motiv niedriger und hinter einer Balustrade versteckter Dächer war zuvor allerdings schon beim Château de Saint-Germain-en-Laye angewendet worden. Vgl. Tadgell 1980, 334.

Ebd.

Die Ursprünge des Mansarddaches gehen auf die Louvregestaltung durch Pierre Lescot zurück; namengebend war jedoch François Mansart, der es weiterentwickelte und erst richtig einführte. Das bewohnbare und dadurch besser nutzbare Mansarddach entwickelte sich in der Folge von Versailles zu einem der wichtigsten Merkmale der Architektur des Königreichs. Siehe Pérouse de Montclos 2001, 45.

Ausführlicher zur kulturellen Umorientierung in Wien und zum Bekanntwerden Fischers bei: Lorenz 2002, bes. 102, 104ff..

Genaueres dazu bei Lorenz 1992, 32; Schneider 1978, 98.

Gartenpalais Leeb im Augarten, Wien, um 1691; Gartenpalais Strattmann in Neuwaldegg vor Wien, 1692–1697; Gartenpalais Schlick-Eckhardt, Wien, um 1695; Ahnensaal des Schlosses in Frain, 1688/89; Jagdschloss Starhemberg in Niederweiden (auch Schloss Engelhartstetten genannt), um 1693; Hoyos-Stöckl im Park von Schloss Klesheim bei Salzburg, 1694; Schloss Schönbrunn, Wien, ab 1696. Hinweise zu einer im Nachhinein erfolgten Umgestaltung der Dachregion durch das Aufsetzen von Steildächern finden sich in den vorgenannten Fällen z. B. bei: Aurenhammer 1973, 44, 108f..; Sedlmayr 1976, 251, 257, 259; Lorenz 1992, 68, 76, 79, 81; Kreul 2006, 158, 162, 180.

Vgl. Lorenz 1992, 122; Sedlmayr 1976, 270; Kreul 2006, 234; Aurenhammer 1973, 109ff.. Ein erhaltenes Holzmodell legt die Annahme nahe, dass die Veränderungen wohl noch vor Fertigstellung des Baus vorgenommen wurden (Kreul 2006, 234).

Siehe Kapitel „Bauwissen im Früh- und Hochmittelalter“ von Günther Binding im vorliegenden Band, Abschnitt „Baupläne“. Dort weitere Literatur.

Alberti 1485, 2. Buch (1. Kapitel).

Thoenes and Roccasecca 2002; zu den Schnittperspektiven vgl. Lotz 1956; Frommel 1994, 14, benennt die Kombination von Schnitt und Perspektive als übliche Darstellungsform seit dem 15. Jahrhundert.

Zu Ravenna und Bramantes Peterskuppel: Frommel 1994, 8–9, 18–21. Zu Bramantes Peterskuppel: Thoenes and Roccasecca 2002, 327–331.

Zum sogenannten Raffael-Brief vgl. Thoenes and Roccasecca 2002, 321–327 sowie Di Teodoro 2003 und Di Teodoro 1994. Auch Vincenzo Scamozzi und Guarino Guarino hießen die Scaenographia gut: siehe Kieven 1991.

Für den ganzen Absatz vgl. Camerota 2006b, 10–21, 35–82.

Scamozzi 1615, Buch 1, Kapitel 14; vgl. Kieven 1991.

Ausführlich in Schlimme 2011a, 380–384.

Schlimme 2011a, 384–388. Carpino 1997, 67, vermutet, das Vorhandensein eines Maßstabs sei ein Indikator für ,Bauplan‘.

Kieven 1991; Schlimme 2011a, 387; zu Peruzzi vgl. Wurm 1984; zu Antonio da Sangallo dem Jüngeren vgl. Frommel 1994 und Frommel and Adams 2000; zu Mascarino und den Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. die Forschungsdatenbank für Architekturzeichnungen Lineamenta 2007 (besucht am 10. 4. 2013).

Carpino 1997, 67, beobachtet das bei Francesco di Giorgio Martini und Giuliano da Sangallo.

Vgl. Artikel modine von Antonucci in: Antonucci et.al. 2004.

Zu den Profilschablonen der Renaissance vgl. ausführlicher Cooper 1994; aus dem 18. Jahrhundert haben sich z. B. Profilschablonen von Francesco Borromini für Sant’Agnese in Agone erhalten (Wien, Albertina); zum 18. Jahrhundert gibt es Schablonen im Manuskript Dresd. Ms L. 8. der Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, http://www.deutschefotothek.de/ (besucht am 7. 4. 2012).

Das Kapitel zur Architektur des Mittelalters von Günther Binding im vorliegenden Band benennt ein Wachsmodell für die Kirche Saint Germain in Auxerre aus dem 9. Jahrhundert sowie ein hölzernes Modell, das um 1400 in der Dombauhütte in Ulm entstand.

Millon 1995; zum Sangallo-Modell siehe insbesondere Benedetti 2009 und Thoenes 1995 sowie Thoenes 1996; zum Modellmuseum in St. Peter siehe Hager 1997; zu den St.-Peter-Modellen jüngst Conforti 2008 mit einem Katalog der in der Fabbrica aufbewahrten Modelle.

Vgl. Contardi and Curcio 1991, 12; Curcio 2000, 60; zum Sakristeimodell vgl. Hager 2000a; Juvarras Sakristeimodell ist zur Hälfte mit vollplastischer Architektur gemacht, in der anderen Hälfte des Modells ist die architektonische Gliederung gezeichnet und aufgeklebt. Vgl. Conforti 2008; über die Rolle der Architekturmodelle in Rom zwischen 1680 und 1750 gibt es zahlreiche Studien. Grundlegend ist Contardi and Curcio 1991; zu einzelnen konkreten Modellen: Contardi 1991, Hager 1991, Pinto 1991a, Pinto 1991c, Pinto 1991b; vgl. zudem Curcio 2000.

Vgl. Oechslin 2011. Im November 2009 fand eine internationale Tagung zum Thema „Modelle und Architektur“ an der TU München statt, die erste in einer Tagungsreihe zu Architekturmodellen.

Alberti 1912, 511; vgl. dens. 1966, 847 (IX.8): „Haec igitur vitia ut vitentur, iterum atque iterum admoneo, priusquam opus aggrediare, totam rem et ipse tecum pensites et una peritos consulas, exemplaribus ad modulos diductis. Ex quibus velim bis ter quater septies decies cum intermissis tum resumptis temporibus omnes repetas futuri operis partes, quoad a radicibus imis ad summam usque tegulam nihil neque abditum neque propatulum neque magnum neque parvum toto sit in opere futurum, quod non tibi et diu et multum percogitatum perconstitutum destinatumque habeas, quibus rebus locis ordine numeroque locasse adiunxisse praefinisseque deceat aut praestet.“

Alberti 1912, 511f.; vgl. dens. 1966, 849 (IX.9): „nihil relinquet, cui non quasi legem modumque praescribat“.

Alberti 1912, 521; vgl. dens. 1966, 865/867 (IX.11).

Manetti 1970, 117: „La natura o l’usanza, che diro meglio, di Filippo, poi che egli ebbe qualche anno fatto sperienza di molte cose intorno al fatto della architettura, era che modeglj, che faceva per gli edificj, che gli occhorevano, egli facieva, che intorno a fatti delle simitrie poco v’appariva, ma attendeva solamente a fare fare le mura principalj et la rispondenza di qualche menbro sanza ornamenti o modi di capitellj o d’architravj, fregi et cornicj ect; perche con l’arme sue medesime egli era di poi dato di molte noie e rincrescimenti, none intendendo el tutto, faciendosi molti bellj delle cose sue.“ S. dazu Lepik 1994, 84–87.

Albertis Entwurf samt zugehörigen Beschriftungen überliefert eine Kopie Antonio Labaccos (Uff. A 1779; mit Rekonstruktionsversuch des Aufgehenden von Labacco selbst). Aus der reichen Literatur zu diesem Blatt seien hier nur als jüngere Titel genannt: Böckmann 2004, 59ff. u. passim; Samperi 2006, 469, Nr. 78; Davies 2008; Niebaum 2013. – Vgl. ferner die Zeichnung Uff. A 4378r, die nach Günther 1988, 92–97, von Cronaca stammt und sich auf eine Idee Luca Landuccis für eine Kirche des hl. Johannes Ev. in Florenz (1505) bezieht, während Frommel 2005, 77, darin die Aufnahme eines antiken Tempels sieht. Vgl. hierzu jedoch Niebaum 2013.

Calzona and Volpi Ghirardini 1994, Nr. 13: „Item non ho messo pollexe alqunno alli ussi per ttema di non fallire perché lo preditto messer Battista non ne dillibrò come, perché per mollti modi si se fal all’antiga li seramenti d’ussi e io non voria fare cosa che si avesse a reffare per non essere fatta al piazere della S. V.“

Vgl. die Briefe Ludovico Gonzagas an Alberti bzw. an seinen Sohn Kardinal Francesco Gonzaga, vom 13. bzw. 19. Oktober 1464 bei Calzona and Volpi Ghirardini 1994, Nr. 64f..

Bei den fraglichen Zeichnungen Bramantes handelt es sich um Uff. A 1, 8v, 20r/v und 7945r/v. Aus der immensen Bibliographie sei hier nur verwiesen auf Wolff Metternich 1987, 13–52, 73–99; Thoenes 1994; Niebaum 2001/2002, 94–136, 144–156; Jung 2004, jeweils mit älterer Literatur. Zum Problem der Unfertigkeit des Modells von 1506 grundlegend Bruschi 1987 sowie Niebaum 2008. Zum Modell und seiner partiellen graphischen Überlieferung Frommel 1984b, 256; ders. 1994, 608.

Niebaum 2008.

Nach Serlio 1540, 38, fertigte Bramante den Entwurf „prima ch’ei morisse“. Zur Kuppel Kraus and Thoenes 1991/1992 u. Hubert 1992.

Zu diesem Strategiewechsel etwa Thoenes 1997, 445f. (ed. Thoenes 2002, 481).

Ausführlich zu diesem Projekt Frommel 1984, 245–247, 270–273.

Vgl. z. B. Uff. A 70, 78, 257; dazu etwa Frommel 1984, 274f., 296, 266; Frommel, in: Evers 1995, 332, 338; Bruschi, in: Frommel and Adams 2000, ad ind.

Zu diesen Zeichnungen Frommel 1984, 299–302; Frommel, in: Evers 1995, 336.

Dokumentiert für Santa Maria del Fiore in Florenz (1367) und San Petronio in Bologna (1390); vgl. Satzinger 2005, 60, und die Belege bei Lepik 1994, 183–186, Kat. 6-–8 bzw. 186f., Kat. 10. Von Antonio di Vincenzos Modell für San Petronio sind sogar die Grundmaße bekannt; es maß mit rekordverdächtigen 15,20 x 11,6 m nahezu das Doppelte von Sangallos Holzmodell. Überdies gibt es im späten 14. Jahrhundert bereits Belege für die farbige Fassung von Modellen, etwa bei einem Gesamtmodell für den Mailänder Dom von 1391/92 und Brunelleschis „nuovo et ultimo modello“ von 1420 (vgl. Lepik 1994, 142f. und die Quellen ebd., 188, Kat.11, n. 4 bzw. 197 f., Kat. 31, n. 3).

Monica Visioli, in: Evers 1995, 220–229 (mit weiterer Literatur). Sogar der Groteskendekor der Pilasterschäfte sowie skulpturale Elemente sind in diesem Modell mit erstaunlicher Präzision und Ausführlichkeit geklärt. Es unterscheidet sich insofern nachdrücklich von jenem älteren Modell des Doms, das 1488 bei Cristoforo Rocchi in Auftrag gegeben worden war und „omissis ornamentis“ ausgeführt werden sollte. Vgl. Lepik 1994, 225–227, Kat. 82 und 232 f., Kat. 93.

Schon aus diesem Grund ist es irreführend, das Modell als eine „fetischhafte“ Ersatzhandlung für die Errichtung des Baues selbst zu sehen (so Thoenes 1995, 106; Bredekamp 2000b, 60). Aber auch die sehr erheblichen Fortschritte des Baues selbst stehen dem entgegen, wie bereits Satzinger 2005, 60, betont.

Cod. Destailleur D, Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Kunstbibliothek, HdZ 4151, f. 85; vgl. ebd., 574–583.

Vgl. den Libro delle congregationi che si facevano der Deputierten (ARFSP, Arm. 29 A 583): „decreverant prout infra […] quoad architectos et eorum salaria ma(n)daru(n)t no(n) satisfieri nisi incoato modello dicte basilice q(uod) ad eorum officia spectat.“ Vgl. Francia 1977, 45.

Ebd., 232, Kat. 93, n. 4.

Vgl. seinen Brief an Bartolomeo Ferratino in: Michelangelo Buonarroti 1965–1983, IV, 251; dazu Thoenes 2006, 63–65 m. Anm. 9.

Zu diesem Problem Millon and Smyth 1976, 162–184; Brodini 2005, auch Maurer 2004, 122–126. Der Fehler bestand, soweit aus Michelangelos Äußerungen in zwei Briefen an Vasari (s. die beiden folgenden Anm.) hervorgeht, darin, dass der Bauleiter für alle drei Kappen ein und denselben Lehrbogen benutzt hat.

Michelangelo Buonarroti 1965–1983, V, 113, Nr. MCCLXI (1. Juli 1557).

Michelangelo Buonarroti 1965–1983, V, 117, Nr. MCCLXIII (17. August 1557): „Messer Giorgio, perché sia meglio intesa la dificultà della volta che io vi mandai disegniata, ve ne mando la pianta, che non la mandai allora.“ Dabei bezieht er sich auf den in der vorigen Anm. zitierten Brief, der entsprechende, für Vasari offenbar unverständliche Skizzen enthielt (es handelt sich um eine Aufrissprojektion des gesamten Gewölbes sowie um den Grundriss einer Kappe, der freilich nicht entsprechend bezeichnet und in einen Halbkreis einbeschrieben ist). Die Darstellung im zweiten Brief gibt den Grundriss des gesamten Gewölbes. Vgl. zu diesem Problem Brodini 2005; Thoenes 2006, 72.

Dass diese Problematik mitverantwortlich für den Fall war, gab er in dem Brief an Vasari auch zu: „ma è stato per non vi potere andare spesso per la vechieza.“

Morselli and Corti 1982, Nr. 6. Für jeden Arbeitstag in Prato standen Giuliano 30 soldi, ein Pferd sowie Spesen zu.

Die Ausführungen zum Thema der Idealstadt basieren auf: Tönnesmann 2006; Krau 2006; Witthinrich 2006; Nerdinger 2006; Hoppe 2003; de Bruyn 1996; Oechslin 1993; und Benevolo 1993a.

Guidoni 2003, 9ff..; zu den Terre nuove fiorentine siehe auch Guidoni et.al. 2003 sowie Zolla 2003.

Vgl. de Bruyn 1996, 56; Alberti 1991, bes. 180ff; z. B. ist hier auf S. 201 in Bezug auf die Anlage der Militärstraße innerhalb der Stadt zu lesen: „Nähert sie [die Militärstraße] sich der Stadt und ist das Gemeinwesen berühmt und mächtig, so soll es gerade und breite Straßen haben, welche zur Würde und zum Ansehen der Stadt beitragen. […] Innerhalb der Stadt aber soll sie nicht gerade, sondern wie ein Fluß hierhin und dorthin und wieder nach derselben früheren Seite in weicher Biegung gekrümmt sein. Denn außerdem, daß sie dort, wo man sie weiter überblicken kann, die Stadt größer erscheinen läßt, als sie ist, trägt sie in der Tat auch zur Schönheit, Zweckmäßigkeit und zu den wechselnden Bedürfnissen der verschiedenen Zeiten außerordentlich bei. Und wie schön wird es sein, wenn sich einem beim Spazierengehen auf Schritt und Tritt allmählich immer neue Gebäudeansichten darbieten, so daß jeder Hauseingang und jede Schauseite mit ihrer Breite mitten auf der Straße aufmarschiert und daß, ob zwar anderswo eine zu große Weite unschön und auch ungesund, hier sogar ein Übermaß von Vorteil ist.“

Vgl. Adams 2002, 546, 548f.; die Verbesserung der Kanonen geht auf die französischen Artilleristen Jean und Gaspard Bureau zurück, die die Schlagkräftigkeit durch eine neue Art des Schießpulvers und die Verwendung von Eisen- statt der bisherigen Steinkugeln steigern konnten (ebd., 546). Für De Bruyn bilden Idealstadtplanungen „Bestandteil umfassender sozialräumlicher Rationalisierungsprozesse“, die sich vornehmlich dann durchsetzten, wenn Bedarf an der Erneuerung der Befestigungsstrukturen bestand; de Bruyn 1996, 30.

Die erfolgreiche Invasion der Armee Karl VIII. von Frankreich, die aufgrund der fortschrittlichen Technologien kaum aufzuhalten gewesen war, machte den Italienern 1494/95 die Überlegenheit der neuen Kanonen sehr nachdrücklich bewusst, wenngleich Veränderungen in der Art der Verteidigung auch schon vorher eingesetzt hatten; Coppa 2002, 69; Adams 2002, 546, 548.

Die Werke und Schriften des zu seiner Zeit führenden Militärarchitekten Franceso di Giorgio Martini gehören z. B. in diese Phase des Übergangs; vgl. Coppa 2002, 78f., 82. Die ersten Ansätze einer neuen Art der Verteidigung traten gegen Ende des 15. Jahrhunderts entweder als Neukonstruktionen oder als Verstärkungen bestehender Befestigungsstrukturen auf; Adams 2002, 552. Als Beispiele dieser Übergangsphase nennt Adams u. a. die Festungen von Civita Castellana, Nettuno und Poggio Imperiale von Antonio da Sangallo il Vecchio, jene von Treviso von Fra’ Giocondo oder die Verstärkung der Florentiner Befestigungen durch Michelangelo (Adams 2002, 553f.).

Vgl. insbes. die Ausführungen von Adams zu Antonio da Sangallo il Giovane, der eine bedeutende Rolle in dieser Entwicklung spielte; z. B. die Fortezza da Basso in Florenz oder die für die Päpste Leo X., Clemens VII. und Paul III. ausgeführten Werke. Adams 2002, 555ff..

Vgl. Stober 1991, 101; Kruft 1985, 123; Robotti 2005, 299f.. Zur Thematik des Festungsbaus s. auch den gleichnamigen Abschnitt im vorliegenden Kapitel.

Bis zu dieser Zeit war der Architekt für die Gesamtheit der Aufgaben, einschließlich jener des capomastro in fortificazioni und artista creatore zuständig gewesen. Oechslin 1993, 421.

Coppa 2002, 69. So behandeln z. B. Serlio und Palladio die Militärarchitektur nicht mehr in ihren Traktaten. Allerdings war die Trennung von Zivil- und Militärarchitektur keine absolute, und z. T. wurden beide auch weiterhin von einer Person abgehandelt, wie dies bei den Traktaten von Pietro Cataneo (1554, 1567) und Vincenzo Scamozzi (1615) der Fall ist. Coppa 2002, 70; Kruft 1991, 122.

Vgl. Coppa 2002, 83. Traktate über militärarchitektonische Themen wurden allerdings nicht ausschließlich von Militäringenieuren geschrieben, sondern auch von Vertretern einer anderen Gruppe, der Intellektuellen, die dem höfischen Umfeld zugehörten; s. Coppa 2002, 83; Robotti 2005, 300.

Giovan Battista Bellucci, Nuova inventione di fabricar fortezze, di varie forme…, Venedig 1598, Kap. I; zitiert nach Kruft 1991, 126; zu Bellucci s. Kruft 1991, 125f..

de Marchi 1599, f. 29; hier zitiert nach Kruft 1991, 127. Zu de Marchi s. Kruft 1991, 126f..

„A Fare qual si voglia Fortezza ò Città, si ricerca prima un Architetto che sappi fare i disegni, et condurre la fabrica, et un Soldato prattico, et esperto nella Militia, che conosca il sito dove si deve fare la Fortezza, che si possa defendere da nemici. Ancora ci vuole un valente, et dottissimo Medico, per sapere conoscere l’aria, l’acqua, et li frutti buoni. Doppò si ricerca un’ huomo consummato nell’Agricoltura, che conosca il paese se sarà fruttifero, et si vi saranno acque, pascoli, legna, et terreni per seminare ogni sorte di grano, et piantar vigne; et vi vorebbe ancora uno, che fosse ingeniosissimo, et giudicioso nelli arte Minerali, acciò sappia conoscere se vi sono minere di cosa per la quale, il Prencipe si possa prevalere. Ci bisogna ancora un sapientissimo Astrologo, quale sappia dir sotto a qual Clima sia il Sito, et saper l’Anno, et Mese, il Giorno, l’Hora, et Ponto, che s’ha da dar principio, a qual si voglia fabrica, per habitatione de Popoli, come ho veduto fare alli miei giorni, e come si legge, che si faceva anticamente. Et questo si fa acciò si possano conservare la fabrica, e gli habitatori con felicità.“ de Marchi 1599, 1. Buch, 5v. (Kap. XIX: Gli huomini, che vogliono per fare la Fortezza). Dazu auch Kruft 1991, 126.

Vgl. Adams 2002, 552; Coppa 2002, 74, 79; Kruft 1991, 123. Zitat: Francesco di Giorgio Martini, Trattati di architettura, ingegneria e arte militare, hg. von C. Maltese, 2 Bde., Milano 1967, Bd. 1, 3; hier zitiert nach Adams 2002, 550.

de Marchi 1599, 2. Buch, Kap. XXXVI. Hier zitiert nach Robotti 2005, 305 (das Zeichnen auf Papier, das Herstellen von Modellen und das Schreiben von Texten über den Festungsbau notwendig sind, weil man anderenfalls keine gute Arbeit mit dem Geist leisten kann, wenn zuvor keine Arbeit mit Papier und Modell erfolgt).

Vgl. Kruft 1991, 129. Zur Bevorzugung der Kreisform für die Stadt durch Vitruv s. Coppa 2002, 73.

Hoppe 2003, 119. Mit steigendem Abstand vom Mittelpunkt der Straßen nimmt auch die Fläche zwischen den Radien zu, was für große Stadtbauvorhaben oder spätere Erweiterungen hinderlich ist (ebd.). Palmanova wird als die bekannteste Verwirklichung einer Stadtfestung mit Radialsystem angesehen; vgl. Pepper 2007, 228.

Im Auftrag und unter Mitwirkung von Vespasiano Gonzaga ab 1556 erbaut; die ideelle Planung unterlag Girolamo Cataneo; zu Sabbioneta s. z. B. Robotti 2005, 302f..

Hoppe 2003, 114. Der Entwurf für die Stadt von Francesco Laparelli ist an Cataneos Vorschläge angelehnt; s. Coppa 2002, 81; Kruft 1991, 87.

Oechslin spricht von der „Omnipräsenz der Geschichte“, wenn es sich um die Idee der Stadt handelt. Oechslin 1993, 427.

Vgl. Oechslin 1993, 424, 426, 448f; ausführlich zu den Legenden und Mythen das Kapitel „La città. Mito e storia“ bei Oechslin 1993, 424ff..

Zum nachfolgenden Exkurs über die damaligen Darstellungsmodi: Marías 1999, 219–229.

François Michel Le Tellier de Louvois (1641–1691).

Aus funktionalen Gründen, damit die Stadtmodelle für militärische Zwecke brauchbar blieben, mussten diese stets der aktuellen Situation angepasst werden. Natürlich konnte dem Anspruch an ein solcherart dynamisch verstandenes Stadtmodell in der Realität nicht immer Folge geleistet werden, wodurch die Modelle bisweilen ihren militärischen Nutzen verloren und zu ,Spielzeugen‘ der Fürsten wurden. Marías 1999, 227.

Thomas Morus, De Optimo Reipublicae Statu Deque Nova Insula Utopia Libellus Vere Aureus, 1516. Zum Idealstadtgedanken der Staatsromane vgl. z. B. Tönnesmann 2006, 62ff.; Nerdinger 2006; Witthinrich 2006; de Bruyn 1996. Morus’ Utopie, die der literarischen Gattung ihren Namen verlieh, stützte sich auf das der Wirklichkeit entnommene Vorbild der Höfe der Beginengemeinschaften, s. Witthinrich 2006, 87; Nerdinger 2006, 275. Überdies kann angenommen werden, dass es sich bei Morus’ Inselstaat um einen Gegenentwurf zum damaligen Königreich England handelte, s. de Bruyn 1996, 62.

Albrecht Dürer, Etliche underricht zu befestigung der Stett, Schloß, und flecken, Nürnberg 1527. Für die Reformationsanhänger bildete die Quadratstadt von Morus das „Urbild des protestantischen Städtebaus“ schlechthin, De Bruyn 1996, 65.

In der Alten Welt hatte es insgesamt gesehen nur wenige reale Anlässe für die Planung und Errichtung gänzlich neuer Stadtanlagen gegeben. Hingegen war infolge der Entdeckung und Eroberung des amerikanischen Kontinents jenseits des Atlantiks ein erhöhter Bedarf an neuen urbanen Zentren entstanden, so dass die in Europa entwickelten Ideen jetzt vermehrt in der Neuen Welt – wenngleich z. T. auch auf Kosten der ursprünglichen Qualität und mit Tendenz zum Schematismus – in die Praxis umgesetzt werden konnten. Vgl. dazu Benevolo 1993a, 91, 101.

Vgl. z. B. Kruft 1991, 124; Hoppe 2003, 117f; das Gitterschema wurde in den spanischen Kolonien sogar per Gesetz – 1573 durch den König erlassen – für Städtegründungen vorgeschrieben (Hoppe 2003, 117). Kruft nennt einen Holzschnitt mit der Darstellung Tenochtitláns als denkbare Quelle für Dürers quadratischen Stadtentwurf; Kruft 1991, 124.

Tommaso Campanella, Politicae Civitas Solis Idea Reipublicae, 1623. Als Inspirationsquelle wird Herodots Beschreibung der Mederhauptstadt Ekbatana genannt, s. Nerdinger 2006, 281.

Oechslin 1993, 421 (eine mögliche Konkretisierung der grundlegenden Reflektionen über die Aufgabe des Architekten, also ein Sonder- oder beispielhafter Fall einer Transkription, welche anderenfalls im allgemeinen Sinne seiner Rolle innerhalb der Gesellschaft verbindlich wäre).

René Descartes: Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les science, 2. Teil, 11f.; im Folgenden zitiert nach Descartes 1988, 579f.: „[…] souvent il n’y a pas tant de perfection dans les ouvrages composés de plusieurs pièces, et faits de la main de divers maîtres, qu’en ceux auxquels un seul a travaillé. Ainsi voit-on que les bâtiments qu’un seul architecte a entrepris et achevés ont coutume d’être plus beaux et mieux ordonnés que ceux que plusieurs ont tâché de raccomoder, en faisant servir de vieilles murailles qui avaient été bâties à d’autres fins. Ainsi ces anciennes cités, qui, n’ayant été au commencement que des bourgades, sont devenues, par succession de temps, de grandes villes, sont ordinairement si mal compassées, au prix de ces places régulières qu’un ingénieur trace à sa fantaisie dans une plaine, qu’encore que, considérant leurs édifices chacun à part, on y trouve souvent autant ou plus d’art qu’en ceux des autres; toutefois, à voir comme ils sont arrangés, ici un grand, là un petit, et comme ils rendent les rues courbées et inégales, on dirait que c’est plutôt la fortune, que la volonté de quelques hommes usant de raison, qui les a ainsi disposés. Et si on considère qu’il y a eu néanmoins de tout temps quelques officiers, qui ont eu charge de prendre garde aux bâtiments des particuliers, pour les faire servir à l’ornement du public, on connaîtra bien qu’il est malaisé, en ne travaillant que sur les ouvrages d’autrui, de faire des choses fort accomplies.“

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es in ganz Europa zur Auflösung der Befestigungsringe, wenn man sie nicht einfach stehenließ. Die Bastionärsysteme hatten das wichtigste strategische Mittel der Defensive gebildet, bis es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Einsatz von Artillerie kam, deren Zerstörungskraft sie nicht mehr standhalten konnten. Zum Ausbau der Ortschaft Versailles zur Stadt s. Krause 1996, 55f..

Stober 1991, 101. Viele Landesherren zogen es vor, ihre Residenz fernab der alten Residenzstadt in offener Landschaft zu errichten, wo ihren Gestaltungswünschen keine Grenzen durch die vorhandene Bebauung gesetzt waren. Als ein Musterbeispiel für diesen Zusammenhang gilt allgemein die Residenz in Caserta, die durch den Juvarra-Schüler Luigi Vanvitelli entworfen und größtenteils auch erbaut wurde (Baubeginn 1751), und die ein besonders sprechendes Exempel der einheitlich barocken Durchgestaltung eines für den Bau neu erschlossenen Terrains abgibt. Zu diesem Themenkomplex siehe insbes. Fagiolo 2004.

Zur Konfrontation von Versailles mit dem vergleichbaren Projekt der Veneria Reale des Turiner Hofes s. Krause 1996, 53f.. Einem Brief von 1669 lässt sich entnehmen, dass die Piemonteser Planung in Frankreich bis ins Detail bekannt gewesen ist; ebd., 53f.

Krause 1996, 46. Eigentlicher Prototyp für eine offenere Konzeption, obgleich wegen seiner geringeren Bedeutung weniger bekannt, ist das Schloss Vaux-le-Vicomte (Einweihung 1661), bzw. sein nach ,französischer Art‘ angelegter Garten, der als erster eine komplette Landschaft ausbildete, deren regelmäßige, symmetrische Anordnung bis zur Horizontlinie reichte. Vorbildcharakter hatte neben Versailles und den anderen königlichen Schlössern auch die Stadt Paris mit ihren regelmäßigen Platzanlagen, den Boulevards und ihrem insgesamt offenen Charakter. Premier architecte von Versailles war 1668 Louis Le Vau. Zu den einzelnen Phasen der Baugeschichte von Versailles und den wiederholten Um- und Neuplanungen zwischen 1668–1678 s. Krause 1996, 28–59.

In Anlehnung an das Motiv des Dreistrahls, das auf die Tridente-Planung Sixtus V. – des sog. ,Vaters der Urbanistik‘ – zurückgeht; Sixtus V. hatte die ersten urbanistisch orientierten Eingriffe in das mittelalterliche Stadtbild Roms unter Sixtus IV. (Erbauung des Ponte Sisto) und Julius II. (Anlage der Via Giulia) weitergeführt.

Die Baubehörde bestand seit 1621; s. Stober 1991, 104.

Stober 1991, 104. Federzeichnung von D. Hieronymus Righettinus (Pianta prospettica di Torino e della corona delle Terre Sabaude, 1583); ebd.

Theatrum Statuum Regiae Celsitudinis Sabaudiae Ducis Pedemontii Principis Cypri Regis …, 2 Bde., Amsterdam 1682. Folgeeditionen angegeben bei Comoli Mandracci 1992, 9 Anm. 24. An dem Atlas waren zwei Herrschergenerationen beteiligt. Ausführliche Erläuterung des Theatrum Sabaudiae in angegebenem Zusammenhang bei Jöchner 2003, 68-71; Zitat ebd., 71.

Von 1632 bis 1649 erster Hofarchitekt.

Vgl. z. B. Jöchner 2003, 73; Comoli Mandracci et.al. 1990, 134, 138; Comoli Mandracci 1992, 12ff.. Bei Comoli Mandracci 1992, 14, Abb. der Zeichnung Vaubans (Turin, Archivio di Stato, Corte, Carte topografiche per A e B, Torino n. 1/12).

Roggero Bardelli 1989, 76. Brief vom 5. Oktober 1680. Der angesichts des Resultats entstehenden Wirkung eines ,organischen‘ und linearen Prozesses der Stadtentwicklung zum Trotz, hatte es über einen so langen Zeitraum hinweg natürlich immer auch wieder Diskussionen über die Form des äußeren Bastionärgürtels, die Gestaltung der urbanen Repräsentanzräume und über die Kriterien für die innerstädtische Parzellierung gegeben. Ebd., 76.

Beschreibung von Aufriss und Gliederung der Häuserfassaden bei Kessel 1995, 42f.

Als Ergebnis internationaler diplomatischer Verhandlungen bei Kriegsende (Frieden von Utrecht, 1713).

Vgl. Jöchner 2003, 67, 78ff.. Durch ihre Entstehungsgeschichte erinnerte die Kirche an den Sieg über Frankreich von 1706 und damit an den Erhalt Siziliens und der Königswürde. Zitat ebd., 86.

Jöchner nennt dies „Innehaben des Raums“; Jöchner 2003, 81.

Santa Maria al Monte von Ascanio Vitozzi, spätes 16. Jahrhundert.

Zur Interpretation der Zeichnung vor allem Jöchner 2003, 80ff..

Für die im Folgenden gemachten Angaben zu Stupinigi wurden konsultiert: Defabiani 2002; Passanti 2002; Gritella 1987.

Vgl. Comoli Mandracci 1999, 364; Comoli Mandracci 1989, 74; Krause 1996, 54. Versailles ist ebenfalls von einem Netz aus Satelliten umgeben; Paris besitzt eine solche ,Krone‘ aus den Lustschlössern nicht des Königs, sondern der Hofleute. Krause 1996, 54.

Vgl. z. B. Comoli Mandracci and Roggero Bardelli 1984, 185; dort findet sich ebenfalls die entsprechende Passage der Quelle zitiert.

Zu der istruzione s. Gritella 1987, 58ff..

Vgl. z. B. Roggero Bardelli 1989, 127; zur Baustelle von Stupinigi unter Filippo Juvarra s. das Kapitel IV bei Gritella 1987.

Neben Bänden wie Pentrella 1984, Pasini 1985, Guillaume 1991, Della Torre 1992, Conforti 2002, Lanconelli and Ait 2002, Crouzet-Pavan 2003, Schlimme 2006e, Schröck et.al. 2013 sind die den Baustellen gewidmeten Kapitel in den diversen Bänden der Storia dell’architettura italiana (Francesco Dal Co Gesamtherausgeber) zu nennen. Um Baustellen geht es zudem regelmäßig in einer weiter gefassten Bautechnikgeschichte/Construction History, siehe u. a. die internationale Tagung Teoria e pratica del costruire: saperi, strumenti, modelli (Ravenna 2005) sowie die International Congresses on Construction History (Madrid 2003, Cambridge 2006, Cottbus 2009, Paris 2012) und die entsprechenden Tagungsberichte.

Scavizzi 1983 geht es zwar in erster Linie um die Geschichte der Konstruktionstechniken, aber auch Transport (49–52) und Organisation der Arbeit (63–91) sowie Kostentabellen mit Einheitspreisen aus dem Jahre 1666 (93–98) sind Teil der Publikation. Scavizzi 1991 beschreibt den Schiffsverkehr auf dem Tiber, der für den Materialtransport nach Rom entscheidend wichtig war. Wallace 1994 behandelt die unternehmerischen und logistischen Kompetenzen Michelangelos. Cupelloni 1996 analysiert die Konzeption der Baustellen, das technische Wissen und die Realisierung von der griechischen Antike bis Brunelleschi. Nobile 2002 beschreibt die Architektur in Sizilien in der zweiten Hälfte des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und geht dabei vor allem auf die Organisation der Bauleute und die Organisation der Baustelle ein. Marconi (2004) studiert die Baustelle in Rom vom 16. bis 18. Jahrhundert und ihre Logistik.

Die Themen reichen von der Petersbaustelle unter Julius II. (Frommel 1976) über die übergreifende baulogistische Organisation im Turin des 18. Jahrhunderts (Carbone 1986), Baustellen im Piemont Anfang des 17. Jahrhunderts (Vinardi 1989), die Organisation der Baustelle der Superga in Turin (Palmas 1990), Festungsbaustellen in der Toskana (Lamberini 1991), die Baustelle der Uffizien in Florenz (Conforti 1994/1995), Baustellen im 15. und 16. Jahrhundert in Verona (Calabi 2000), Borrominis Baustellen (D’Amelio 2001), Berninis Baustelle Petersplatz (D’Amelio 2003b) bis hin zu Veränderungen an der Kuppel von Il Gesù in Rom (D’Amelio 2003a), und die Baustellen Carlo Borromeos in der Diözese Mailand (Coscarella 2004). Zu Baustellen aus der Renaissancezeit vgl. außerdem Sabatino 2005, Salvi 2005, Chiappafreddo 2007 (2008), Altavista 2013, zu Baustellen aus der Barockzeit vgl. außerdem Pasini 1985, Tabarrini 2006, Marconi 2007/2008, Vesco 2010 und Vaquero Piñeiro 2010.

Zu den Bootstypologien und ihren Maßen vgl. Scavizzi 1991, 88. Marconi (2004, 126) beschreibt die kostensparende Transportmethode mit Flößen. Vgl. auch den Artikel chioda in: Antonucci et.al. 2004.

Boucheron 1998, 439–494, Kapitel Les matériaux de construction.

Gemessen an den Personen auf dem Blatt ist der Travertinblock ca. 1,5 x 1,1 x 1,2 m also ca. 2 m3 groß. Bei einem spezifischen Gewicht von Travertin von ca. 2600–2720 kg/m3 ergibt sich ein Gewicht von etwa 5,3 Tonnen.

Marconi 2004, 73–75; bei einem spezifischen Gewicht von Marmor von 2400–2700 kg/m3 dürfte jede Säule etwa drei Tonnen gewogen haben.

Zur lizzatura vgl. Lamberini 1998/1999, 284–285.

Die Versetzung des Vatikanischen Obelisken wird von Fontana 1590 beschrieben, vgl. Fontana 1694. Die Libri dei conti (Abrechnungsbücher) von Domenico Fontana wurden publiziert in Guidoni et.al. 1987, 52. Jüngere Literatur zum Transport des Vatikanischen Obelisken: Curcio 2003, Marconi 2008, Becchi 2011.

Bei einem spezifischen Gewicht von Marmor von ca. 2400–2700 kg/m3 und einem Volumen von ca. 91,5 m3 ergibt sich ein Gewicht von etwa 233 Tonnen.

Vgl. Artikel pianella in: Antonucci et.al. 2004.

Bernardi and Vaquero Piñeiro 2007, 521–522. Zur Figur des Unternehmers in der Frühen Neuzeit vgl. Vérin 1982. Martinelli 1996 analysiert am Beispiel der Dombaustelle in Como hingegen aus Sicht der operatori minori.

Marconi 2004, 12, 38–41; ein Beispiel für die Aktivität von Bauleuten aus dem Ticino in Rom gibt Vicioso 1998.

Dieses Beispiel bringt Marconi 2004, 192.

Marconi 2004, 82–83; Liste der Traktate in Anm. 12, 82. Valadier, so berichtet Marconi, beschreibt eine Technik, die heute noch auf den Baustellen üblich ist und die der Autor bei Baustellenpraktika in Deutschland in den Jahren 1987/88 kennengelernt hat.

Marconi 2004, 51–52; die Dokumente liegen im AFSP, arm.1, rip.A, vol.11, Materie diverse (1538–1697), fasc.2, Assistenza a invalidi e morti sul lavoro della Reverenda Fabbrica. Suppliche varie, cc.3r–182v.

Zu nennen sind zunächst Scavizzi 1983 und Marconi 2004. Die Verwendung von Baumaterialien in der Romagna im 18. Jahrhundert wird von Veggiani 1985 analysiert.

Scavizzi 1983, 29–30. Zur Situation in der Lombardei siehe Fieni 2000.

Scavizzi 1983, 30–31, beschreibt die Reglements.

Antonucci, Artikel pozzolana in: Antonucci et.al. 2004.

Ausführlich Fiorani 2001; vgl. auch Antonucci, Artikel coccio pisto in: Antonucci et.al. 2004.

Marconi 2004, 62–63; zum Begriff tevolozza vgl. auch Glossar Marconi 2004, 283.

Antonucci, Artikel mattoni rotati in: Antonucci et.al. 2004.

Idem.; die Quelle gibt den Stand von 1823 wieder, aber das war – so liest es sich bei Scavizzi – auch vorher schon so.

Masi 1788, 32–33, spricht von zwei Jahren Lagerzeit; zitiert bei Scavizzi 1983, 31–32.

Dreßen 2008, 20–23. Dreßen führt im Katalog 86 Beispiele für italienische Terracottafußböden aus dem 15. Jahrhundert in Italien auf (ebd., 336–389). Zum römischen 17. Jahrhundert vgl. Maura Bertoldi in Bertoldi et.al. 1983, 84–90.

Vgl. Bruschi 1988, der dieses Fassadenkonzept beschreibt. Auch Serlio 1619, 4. Buch 136 benennt dieses System (zit. bei Bruschi 1988, Anm. 2).

Für einen Überblick über ganz Italien vgl. Scamozzi 1615, 7. Buch, Kapitel 8, 10, 11, 12.

Dreßen 2008 führt im Katalog 54 italienische Steinfußböden aus dem 15. Jahrhundert auf, 283–336.

Bruschi 1988, 121–122; vgl. Serlio 1619, 4. Buch 155; Alberti 1485, 6. Buch (11. Kapitel), 7. Buch (10. Kapitel), 9. Buch (5. Kapitel).

Gnoli 1988, zum africano siehe 178; zum fluorite siehe 229.

Vgl. Bredekamp 1993/Bredekamp 2000a; die Sammlung des bologneser Universalgelehrten Ulisse Aldrovandi enthielt Zufallsbilder in Marmorblöcken; Kapitel Naturform und Antike Skulptur, 19–26.

Gnoli 1988, zur breccia di Settebassi siehe 233; zur breccia di Tivoli oder breccia Quintiliana siehe 253–256; zum rosso brecciato siehe 245; zur archeologia commerciante siehe 246–248.

Zur Spolienverwendung im 15. Jh. in Rom vgl. Satzinger 1996, zu Spolien in St. Peter vgl. Dittscheid 1996, Bosman 2004; für die frühe Neuzeit in Rom insgesamt vgl. Bentivoglio 1987, Moore 1996.

Für den gesamten Absatz: Satzinger 1996.

Nikolaus Muffels Beschreibung der Stadt Rom liegt publiziert vor: Muffel 1876, hier 48.

Libri dei conti von Domenico Fontana, publiziert in Guidoni et.al. 1987, 54.

Der Architekt Domenico Fontana bekommt im November 1587 eine Zahlung von 23.000 Scudi. Es ist aber nicht klar, ob diese Zahlung mit den Rohbaukosten identifiziert werden kann; Guidoni et.al. 1987, 54.

Vgl. Tuena 1989.

Sixtus V. ließ das Septizonium abbrechen. Zu Paul V. vgl. Marconi 2004, 73–75.

In den Libri dei conti von Domenico Fontana (Guidoni et.al. 1987, 54) lassen sich einige der Zahlungen, die im Rahmen der Errichtung der Cappella Sistina geleistet wurden, als Zahlungen an Privatleute für Marmor, der offenbar auf deren Grundstücken ergraben worden war, identifizieren; vgl. zum Markt für ergrabenen Marmor Vaquero Piñeiro 2008. Für die Cappella Paolina trägt Marconi 2004 (75, Anm. 194 und 195) Quellen zusammen, die vom Besorgen des Marmors für die Kapelle berichten; vgl. auch Gnoli 1988, 217-218.

Marconi 2004, 73–75 (Cappella Paolina).

1. Auflage 1556, 2. Auflage 1567; 1567 auch lateinische Vitruvausgabe Barbaros.

Zu den vier aristotelischen Elementen, zu den Theorien Paracelsus’ sowie zu den damit konkurrierenden Atomismus-Theorien im 17. und 18. Jahrhundert vgl. Klein and Lefèvre 2007, 40–49.

Vitruv, 2. Buch, 5. Kapitel.

Rusconi 1590. Zu Rusconi und der Geschichte seiner Vitruvausgabe vgl. Bedon 1996.

Vitruv, 2. Buch, 5. Kapitel.

Alberti 1485, 2. Buch (8. Kapitel).

Serlios Bücher erschienen einzeln zwischen 1537–1575. Im Jahre 1584 werden die sieben Bücher als Gesamtausgabe gedruckt. Von dieser Publikation gab es im Jahre 1619 eine zweite Auflage.

Palladio 1570, 1. Buch, Kapitel 2–6.

Becchi 2004, vgl. v. a. 65–69. In seinem Beirag zum vorliegenden Band „Fokus: Architektur und Mechanik“ geht Becchi von Baldis Analysen aus und gibt einen Überblick über die disziplinäre Entwicklung der Strukturmechanik.

Galilei 1638; für eine Analyse vgl. Kurrer 2002, 167–176. Vgl. außerdem Benvenuto 1991, insbesondere den zweiten Teil zur Resistenza Solidorum.

Überblick dazu in Schlimme 2006a, 67–72.

Cusanus 1937 (1988).

Musschenbroek 1729, Tabellen 671–672, beschreibender Text 668–672.

Le Seur et.al. 1743. Zu den Gutachten über die Schäden an der Peterskuppel vgl. Schlimme 2006c, 2856–2859.

Le Seur et.al. 1743, zitieren auf 25–26 ihres Textes das Experiment LXXVII von van Musschenbroek, Musschenbroek 1729, 505.

Die Geschichte der Bautechnik ist ein großes Forschungsfeld. Zur Bautechnik im Italien der Frühen Neuzeit vgl. u. a. De Feo et.al. 1994/1995, Della Torre 1996, Giovanetti 1997, Galliani and Franco 2001, Conforti and Hopkins 2002, Fiengo and Guerriero 2003, Gargiani 2003a, Marconi 2004, Fiorani and Esposito 2005, Ricci 2007, Gargiani 2008 (die entsprechenden Kapitel), Gargiani 2012 (die entsprechenden Kapitel), nur um einige Überblicks- und Sammelwerke zu benennen. Weitere Literatur wird jeweils bei den Unterkapiteln benannt. Zu benennen sind die Aktivitäten und Publikationen der Associazione Edoardo Benvenuto, des Museo Galileo – Istituto e Museo di Storia della Scienza (Florenz), der Associazione Italiana di Storia dell’Ingegneria A.I.S.I. (Neapel) sowie die internationale Tagung Teoria e pratica del costruire: saperi, strumenti, modelli (Ravenna 2005), die International Congresses on Construction History (Madrid 2003, Cambridge 2006, Cottbus 2009, Paris 2012) mit den entsprechenden Tagungsberichten, sowie Construction History. International Journal of the Construction History Society.

Alberti 1485, 3. Buch (6.–11. Kapitel).

Palladio 1570, 1. Buch, Kapitel 9–1. Zum calcestruzzo in der Traktatliteratur der Renaissance vgl. Conti 1993.

Scamozzi 1615, 8. Buch, 8. Kapitel (antike Mauerwerkstechniken); Teile des 9. Kapitels (moderne Mauerwerkstechniken), 11. Kapitel.

Scamozzi 1615, 8. Buch, 9. Kapitel.

Zu letzterer vergleiche Pallottino 1999, 331–332.

Vgl. zum unvollendeten Tambour von Sant’Andrea delle Fratte: Bellini 2001.

Bertoldi et.al. 1983, 78–84. Zu Sichtziegelsteinoberflächen in den Marken vgl. Licastro 2003.

1 Scudo = 100 Baiocchi.

Vgl. die Artikel rinzaffo, arriccio und colla von Antonucci in: Antonucci et.al. 2004. Vgl. außerdem Esposito 2001.

Vgl. Abschnitt 2.7.1 sowie 2.8.

Gargiani 2003a, 230–232; vgl. Abschnitt 2.8.

Serlio 1537, 4. Buch, LXVI v.

Serlio 1537, 4. Buch, LXVI v.

Gargiani 2003a, 181–182; Alberti 1485, 2. Buch (7. Kapitel).

Bruschi 1988, 120–122; Alberti 1485, 6. Buch (9. Kapitel); Serlio 1537, 4. Buch, f. 155 v in der Ausgabe von 1619; vgl. Schlimme 1999a, 142. Siehe auch Pagliara 2002.

Pagliara 1998/1999, 240–242: Pagliara beschreibt den Erfolg des opus reticulatum im Mittelalter und in der Renaissance.

Pagliara 1998/1999, 238–239, benennt diese Diskrepanz. Gargiani 2003a, 340–345 analysiert die Verwendung von opus isodomum.

Vgl. Gargiani 2003a, 39–42, der diesen Übergang beschreibt. Zur Rustika in Florenz vgl. Eckert 2000.

Ebd.

Alberti 1485, 3. Buch (7. Kapitel).

Vgl. Abschnitt 2.6.1.

Zum Begriff tassello vgl. Bonavita in: Antonucci et.al. 2004.

Zum stucco a fuoco vgl. Antonucci in: (Antonucci et.al. 2004).

Alberti 1485, 6. Buch (12. Kapitel).

Zu den Hebetechniken siehe 2.9.4.

Zum Begriff ulivella vgl. Marconi in: Antonucci et.al. 2004.

Das bestätigt auch Ceradini 1993, 54–55.

Vgl. Abbildung 5 in: Benedetti 2006, 16.

Die folgenden zwei Absätze sind einem Aufsatz des Autors entnommen: Schlimme 2012, 342–343.

Zu San Carlino seien die jüngsten Gesamtdarstellungen benannt: Portoghesi 2001; Degni 2007.

Das entscheidende Dokument, eine Misura e stima des Architekten Bernardo Borromini, liegt unter der Signatur Ms. 77b, doc. 60 im Archivio di San Carlino alle Quattro Fontane in Rom; Inhaltsangabe in Gammino 1993, 71.

Das Beispiel zu Konstruktion und Steinschnitt der Fassade von San Carlo alle Quattro Fontane in Rom ist einem Aufsatz des Autors entnommen: Schlimme 2012, 342–343.

„Libre doe per pertigoni numero 50 per far ponti in chiesa per metter le colonne in opera dal canto dove era el battistero“ (Piva 1988, 151); „Libre tre per assoni doi di noce di braccia 15, tutti doi per far biette [Keile] per metter sotto li pontelli per metter le colonne di marmo in opera“ (Piva 1988, 152); „Libre quaranta sei, soldi diece per travi cinque di braccia trenta l’uno per attaccar le taglie [Umlenkrollen für Seile] per tirar su le colonne“ (Piva 1988, 154); „Libre sei et soldi dodeci per libbre 44 di corda più forte … per metter le colonne in opera“ (Piva 1988, 152); vgl. Gargiani 2008, 136, der auf diese Quellen hinweist.

„Libre tre per pezzi doi di travello [quadratische dicke Holzbretter] di bracci 15 l’uno … per metter in pié per tirar la colonna in opera, che non tocca el primo pezzo da basso per non romperla“ (Piva 1988, 154). Weitere, unklare Quellen aus dem Rechnungsbuch: „Libra una et soldi diece per doe antenne per far una scala forte per le colonne“ (Piva 1988, 154); „Soldi otto per storoli quattro per metter sotto le colonne lavorate condotte in San Pietro“ (Piva 1988, 151); „… soldi otto per tre scudelle et una sponga che s’usano quando le colonne si mettono in opera“ (Piva 1988, 152).

Belli 2008, 99, Abb. 5.

Vgl. Belli 1991; Gargiani 2003a, 35; Belli 2008, 101–113; vgl. auch die Database Machine Drawings: http://dmd.mpiwg-berlin.mpg.de/home (besucht am 10.5.2011).

Gewölbe- und Kuppelbau ist ein großes Thema in der Bautechnikgeschichte. Um nur die jüngsten Monographien und Sammelwerke zu benennen: Conforti 1997, Sakarovitch 1998, Becchi and Foce 2002, Ochsendorf 2002, Bellini 2004, Huerta 2004, Addis 2007 (die entsprechenden Kapitel), Villani 2008, Bellini 2011.

Gargiani 2003a, 92–93: In Rom Sant’Onofrio auf dem Gianicolo (ca. 1446), der Kreuzgang von Santa Francesca Romana, Schiff von Santa Maria del Popolo (ab 1472).

Gargiani 2003a, 121–124. Alberti 1485, 7, 7. Buch (11. Kapitel) und 3. Buch (14. Kapitel): dort berichtet Alberti über die Florentiner Domkuppel.

Schlimme 2010; zu den kassettierten Wölbungen vgl. Pagliara 1998/1999; Pagliara 2002; Gargiani 2003a, 220–223, 462–465; Wolff Metternich and Thoenes 1987, 188; Belluzzi 1993; Frommel 1976; Frommel 1991, 180–181; Sanpaolesi 1964; Beispiele für kassettierte Wölbungen aus dem 15. Jahrhundert: Florenz: Pazzi-Kapelle, Skaristei von Santo Spirito, Giuliano da Sangallos kassettierte Wölbungen in Florenz und Umgebung werden in der folgenden Anmerkung benannt; Rom: Vestibül des Palazzo Venezia, Santa Maria del Popolo (Bramantechor); Bergamo: Santo Spirito; Lodi: Santuario di Santa Maria Incoronata; Lovere: Santa Maria in Valvendra; Mailand: Santa Maria presso San Satiro; Mantua: Sant’Andrea in Mantua, Vestibül und Seitenkapellen im Inneren; Neapel: Castel Nuovo; Piacenza: Santo Spirito (Hauptschiff); Pistoia: Cattedrale San Zeno, Madonna dell’Umiltà (Vestibül); Urbino: Palazzo Ducale, Tonnen unter dem Thronsaal und Loggienfassade; Venedig: Palazzo Ducale (Decken im Scarlatti-Saal und im Erizzo-Saal), Santa Maria dei Miracoli (Tonne im Langhaus), Santuario di Santa Maria delle Grazie presso Curtatone.

Giuliano da Sangallo hat eine Reihe kassettierter Tonnenwölbungen ausgeführt, und zwar in der Casa Bartolomeo Scala (ca. 1472–1480), in der Villa di Agnolo di Tovaglia (Mitte 1490er Jahre), im Palazzo Giuliano della Rovere in Savona (ca. 1495), im studio von Giuliano da Sangallos eigenem Palast im Borgo Pinti in Florenz (ab 1491) sowie im Portikus (ca. 1494) und im salone (16. Jahrhundert) der Villa Medici in Poggio a Caiano.

Alberti 1485, 7. Buch (11. Kapitel) beschreibt den Bau einer kassettierten Wölbung als Konglomeratschüttung und war – so vermutet Gargiani 2003a, 211f. – wohl beim Bau der Wölbung des andito des Palazzo Venezia zugegen. Vgl. auch Wolff Metternich and Thoenes 1987, 188 und Pagliara 1998/1999, 235, 251 sowie Pagliara 2002, 544, Anm. 116.

Pagliara 1998/1999, 233, 249ff.: Im 2. Jh. v. Chr. gab es die ersten Konglomeratgewölbe in Latium und Kampanien. Während es aus dem 7. bis 9. Jahrhundert nur wenige und zweifelhafte Beispiele gibt, haben sich aus dem Zeitraum vom 11. bis zum 14. Jahrhundert eine Reihe von Gussgewölben erhalten, etwa in den Konventen Sant’Oliva in Cori (14. Jh.) und San Martino ai Monti (Anfang 13. Jh.). Es gibt die Tonnenwölbung von Santa Prassede (11.–12. Jh.), die Cappella S. Giuliano in S. Paolo fuori le mura (vor dem Ende des 12. Jh.), die gewölbten Räume im Vatikanischen Palast aus dem 13. Jh., die Ruine der Kirche in Ninfa und die Castelli della Valle del Sacco aus dem 12. bis 14. Jahrhundert; vgl. Schlimme 2010, 53.

Alberti 1485, 3. Buch (14. Kapitel).

Scamozzi 1615, Band II, Buch VIII, Kap. XV, 325.

AFSP, arm.1, rip.B, vol. 16, Artisti diversi (1542–1675), n.24, c.110r., siehe Marconi 2004, 195.

Alberti 1485, 3. Buch.

Zu San Pietro in Montorio vgl. Cantatore 1997.

Zu den folgenden Absätzen vgl. Schlimme 2011b, 132–134.

Siehe hierzu die ausführlichen Studien von Christof Thoenes: Kraus and Thoenes 1991/1992; Thoenes 1994; Thoenes in: Millon and Magnago Lampugnani 1994, Kat. 348, Kat. 359, Kat. 367, Kat. 370, Kat. 372; Thoenes 1995; Thoenes in: Evers 1995, Kat. 127, Kat. 128, Kat. 131, Kat. 132; Thoenes 1996 bzw. Thoenes 2002; Thoenes 1997; Thoenes 1998; Thoenes 2000, Uff A 66r, UffA 87r, Uff A 267r.

Benedetti 1992; Benedetti 1994a; Benedetti 1994b; Benedetti 1995; Benedetti 2009. Arnaldo Bruschi macht bereits ähnliche Überlegungen, ohne jedoch die Kuppelprofile geometrisch zu analysieren und veweist auf die ältere Literatur zu dieser Frage: Bruschi 1988, 232–251.

Zu Uff. A 66 r vgl.: Thoenes, in; Millon and Magnago Lampugnani 1994, Kat. 348; Thoenes, in: Evers 1995, Kat. 127; Thoenes 2000, Uff. A 66r. Uff. steht kurz für das Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi in Florenz.

Zu Uff. A 267 r vgl.: Thoenes, in: Millon and Magnago Lampugnani 1994, Kat. 359; Thoenes 2000, Uff. A 267r.

Thoenes, in: Millon and Magnago Lampugnani 1994, Kat. 359; Thoenes 1996 bzw. Thoenes 2002; Thoenes 2000, Uff. A 267r.

Thoenes hat die Kuppel des Sangallomodells vermessen und als Ellipsenkonstruktion identifiziert: Thoenes, in: Millon and Magnago Lampugnani 1994, Kat. 372, aber ohne Abbildungen publiziert; Thoenes, in: Evers 1995, Kat. 132, Anhang, 377f.; Thoenes 1996 bzw. Thoenes 2002; Thoenes 1997; Thoenes 1998; Dürer 1525, CIIIr, Abb. 33.

Serlio 1545, 13v und 14r.

Dürer 1525, CIIIv–CVr.

Zu Antonio da Sangallo des Jüngeren Kenntnis der Kegelschnitte vgl. Thoenes 1997, Postscriptum und Zanchettin 2011. Dort weitere Literaturhinweise.

Das Traktat des griechischen Mathematikers war neu aufgelegt worden: Pergaeus 1537. Dieser Absatz wurde aus Schlimme 2011b, 132–133 übernommen und leicht überarbeitet.

Benedetti 1992; Benedetti 1994a; Benedetti 1994b; Benedetti 1995; Benedetti 2009; zur Stichserie Salamancas vgl. auch Thoenes, in: Millon and Magnago Lampugnani 1994, Kat. 370; Thoenes, in: Evers 1995, Kat. 131.

Der Autor des vorliegenden Textes hat das geometrisch geprüft.

Dieser Absatz wurde aus Schlimme 2011b, 133–134 übernommen und leicht überarbeitet.

Dieser Absatz wurde aus Schlimme 2011b, 134 übernommen und leicht überarbeitet.

Neben der Kuppel in Montefiascone (1670–1672/73) baute Fontana die Kuppeln der Kirche Santa Maria dei Miracoli in Rom (ab 1677) und der Cappella Cybo in Santa Maria del Popolo in Rom (1682–1684). Zudem wurde nach Fontanas Plan (wenn auch mit Veränderungen) in den Jahren 1686–1732 die kuppelüberwölbte Kirche des Collegio di Sant’Ignazio in Loyola ausgeführt (1738 geweiht). Fontana erstellte viele weitere Kuppelentwürfe und -gutachten. Er war einer der ersten, der bestehende Kuppeln systematisch dokumentierte, Kuppelbauwissen zusammentrug, diese Informationen schriftlich niederlegte und publizierte. Zu Fontana vgl. Hager 2003. Schriften Fontanas zum Kuppelbau sind neben dem bereits zitierten Tempio Vaticano v. a. folgende Manuskripte: Carlo Fontana, Dichiaratione Dell’operato nella Cuppola di MonteFiascone Colla difesa dalla censura (1673) und Discorso Sopra le caggioni onde derivano li difetti, che giornalmente si scorgano nella Cuppola o Volta della Chiesa Nova di Roma & per li proposti rimedij al suo bisognoso riparo (1675), Manuskripte, Biblioteca Estense, Modena, Ms. Camp. 379 = γ.B.1.16. Einen Überblick über Fontanas publizierte und unpublizierte Schriften gibt Bonaccorso 2008, 157.

In seinem Manuskript von 1673, in dem er Informationen zu gebauten römischen Tambourkuppeln zusammenträgt, um seine Kuppel in Montefiascone zu verteidigen (s. u. Abschnitt 2.12.2), dokumentiert Fontana auch die Kuppeln von Sant’Andrea della Valle und Sant’Agnese in Agone maßlich, ohne jedoch ihr ovale Profilierung zu berücksichtigen. Im Manuskript werden Kuppeln ausschließlich mit Spitzbogenprofil gezeigt. Siehe Schlimme 2011b.

Die voraufgehenden Zeilen wurden aus Schlimme 2011b, 135 übernommen und leicht überarbeitet.

„Si rende difficoltosa (sic!) a’ Professori, per le vaste, & incommode misure, che non sono permesse, se non con gran tempo, e fatiga, la cognizione di esse. Nulla di meno vi abbiamo supplito; mediante le nostre deboli applicazioni, e portiamo con ogni fedeltà nella seguente Tavola il Profile, ò sia Sezione della Cupola con il rimanente sino al Piano del Pavimento, dove appariscono le linee delle Regole“, Fontana 1694, 329; vgl. Döring-Williams and Schlimme 2011, 211.

Villani 2008, 95–96, Anm. 18, 175. Im Sommer und Herbst 1622 wurden umfangreiche Mengen Puzzolanerde und tevolozza geliefert. Archivio di Stato di Roma, Sant’Andrea della Valle, b. 2161, fasc. 160, ff. 69r, 69v. und f. 72r. In Tabelle 5 auf S. 253 sagt Villani jedoch, der Tambour sei möglicherweise aus Ziegelstein errichtet worden. Von der Ziegelsteinvorsatzschale hinsichtlich des Tambours ist auch die Rede in einer anderen stima: Archivio di Stato di Roma, Sant’Andrea della Valle, b. 2162, fasc. 161, f 1r. Bereits Pallottino 1999, 331–332, wies auf letzteres Dokument hin. Dort berichtet Pallottino generell über die Bauweise aus tevolozza und Ziegelsteinvorsatzschale, die sich zwischen dem Endes des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts in Rom durchsetzte.

Villani 2008, Tabelle 5, 253.

Serlio 1584, 203–205. Die Originalausgabe des 5. Buches erschien 1547 in Paris.

Baldi 1621, 102ff., diskutiert von Becchi 2004, 82ff.. Becchi benennt als weitere Beispiele die Manuskripte von Giovanni Battista da Sangallo und Guidobaldo del Monte. Sangallos Skizzen von Dachbindern befinden sich in einem Exemplar der ersten nachantiken Ausgabe des Vitruvtextes (Vitruvius 1486), die als anastatischer Nachdruck zur Verfügung steht (Rowland 2003). Im anastatischen Nachdruck sind die Skizzen auf den Seiten 89 und 271 zu finden. Del Monte, Meditatiunculae Guidi Ubaldi […], Bibliothèque Nationale de France, Paris, M Lat. 10246. Zur Entwicklung der Dachbinder in Rom vergleiche jüngst: Valeriani 2003; Valeriani 2005; Valeriani 2006.

BNCF, Ms., Galileiani 122, Discorso quarto, f. 65r.

Vgl. für diesen Absatz: Schlimme 2006a, 80.

Vgl. 2.2.5 und 2.7.3.

Knobloch 2001b, 121–150; zu den älteren Traktaten vgl. Artikel quadrante von Filippo Camerota in: Antonucci et.al. 2004.

Vgl. Artikel quadrante von Filippo Camerota in: Antonucci et.al. 2004; vgl. Knobloch 2001a, v. a. 155f. Knobloch berichtet, der Quadrant sei bereits in der griechischen Antike beschrieben worden. Bei Camerota und Knobloch werden jeweils auch weitere Messinstrumente beschrieben.

Vgl. zu diesem Absatz auch Schlimme 2006b, Problem 39, 241. Zum im Text erwähnten Entwicklungsschub vgl. die Traktate von Fabri 1598, Romano 1595, Pifferi 1595, Galilei 1606; vgl. dazu Camerota 2000.

Exakter Wochentag ermittelt auf folgender Seite: http://www.adoption.de/init_kalender.htm (27.07.2010).

„Magistro Luce. Vogliamo che domane tu vegni da nui a Borgoforte et porti cum te li squadri et havemo anche scripto a Petro Philippo che ne mandi xii gumiselli de laza da tirare corde, perché zobia di matina deliberamo andare a Cavallara per dessignare et squadrare quella casa lì et tu sai che in questi principii el discipulo non può far bene senza il magistero; però te aspectamo domane cum li squadri, advisandote che non te teniremo desviato se non un zorno. Saviole, xii septembris 1475.“ (Hervorhebung in der Quelle), Archivio di Stato di Mantova, Archivio Gonzaga, copialettere, busta 2893, libro 79, carta 57r., zitiert nach Carpeggiani and Lorenzoni 1998, 246; außerdem publiziert in: Brown 1971, 155; Vasic Vatovec 1979, 399; Calzona 2002, 268 (Dank an Jens Niebaum für den Hinweis auf diese Quelle).

„A laude e gloria di Dio, alla conservazione dello Stato ecclesiastico, alla esaltazione dei buoni, alla confusione e perpetua dispersione dei tristi. Celebrati dapprima i divini ufficî nella Chiesa di S. Benedetto, ove collegialmente intervennero il Magnifico, in ambo le Leggi Dottore, Sebastiano Atracino, Governatore e Luogotenente nella Terra di Norcia per l’Illmo. e Rmo. Sig. Fulvio della Cornia, Cardinale Perugino, di Ascoli e Norcia Vice-Legato degnissimo, ed i Magnifici Signori Consoli, cioe l’Illmo. Francesco Silvestri Priore e gl’infrascritti suoi colleghi, non che cinque del numero de’ quaranta Conservatori della Pace, unitamente all’Eccmo. Architetto Jacopo Barozio detto il Vignola. Così collegialmente congregati pertanto, celebrati i divini Uffizî, si condussero presso al Palazzo del Magnifico Sig. Governatore, dal qual punto, distendendosi verso la Porta detta delle Cerescie, fu disegnata la detta Rocca o Castellina per la pace perpetua del popolo Nursino.“ (Hervorhebungen in der Quelle) datiert 28. August 1554, zitiert nach: Patrizi-Forti 1968, 6. Buch, 475.

Alberti 1485, 4. Buch (4. Kapitel); vgl. Gargiani 2003a, 264, 269.

Einen Überblick über die Festungsbautheorie gibt Kruft 1991, 9. Kapitel; vgl. auch Lamberini 1991 zum Erdfestungsbau in der Toskana im 16. Jahrhundert.

Boato and Pittaluga 2003 über einen Umbau im Genua des 17. Jahrhunderts; Bonavia 1997 über die Reparatur und den Umbau von Gewölben im Palazzo Altemps in Rom und in der Villa Chigi in Formello; Schlimme 2006b, 192–194, über die Accademia della Vachia, die sich die Aufgabe stellte, zwei gewölbte Räume in einen zu vereinigen, ohne die Geschosse darüber abzureißen.

Baldi 1621; vgl. den Beitrag von Antonio Becchi „Fokus: Architektur und Mechanik“ im vorliegenden Band und den Abschnitt 2.8.11.

Anderson 2009; vgl. zum Thema auch Garofalo 2010 und Farr 2000.

Zur Lehre an der Accademia di San Luca (und zur Rolle der concorsi) vgl.: Cipriani 2000; Giusto 2003; Manfredi 2008; Cipriani 2009.

Bonaccorso 1998; vgl. den entsprechenden Absatz zu den studi di architettura in Curcio 2000, 61f..

Curcio 2000, 63–64; das Salvatore Casali zugeschriebene Manuskript ist Lode di architettura betitelt, ca. 1762 datierbar und wird im Museo di Roma in Rom aufbewahrt (n. 5837).

Zur Verbreitung der römischen Architekturkultur in Vorlagenwerken vgl. jüngst Antinori 2013.

Serlio 1540, XXXVII–XLIIII.

Entscheidend ist die jüngste Monographie: Belluzzi and Belli 2003. Dort sämtliche ältere Literatur. Zu der bereits in der Vergangenheit geäußerten Vermutung, der Entwurf für die Brücke stamme von Michelangelo, vgl. jüngst Masini 2010; zum Brückenbau im 15. Jahrhundert vgl. Gargiani 2003a.

Der Einsatz mehrerer meterlanger Anker aus pietra serena im oberen Bereich der Pfeiler blieb ebenso ungeklärt wie der Sinn von horizontalen Schichten aus Sand, Kies und Lehm in den Pfeilern. Belluzzi and Belli 2003, 176, 223f., 231f..

Auch die jüngste historische Aufarbeitung aller Archivquellen und Bauabrechnungen des 16. Jahrhunderts erlaubt die Rekonstruktion einer manuellen Bauanweisung nicht: Belluzzi and Belli 2003.

Zum Beispiel Kuppelbauwissen Fontanas: Schlimme 2011b.

Diese Definition von praktischem Wissen folgt derjenigen aus dem Vortrag, den Jürgen Renn am 14.11.2006 aus Anlass der Evaluierung des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (Berlin) in englischer Sprache gehalten hat. Der Vortrag leitete die Präsentation verschiedener Projekte ein, unter anderem des Projekts „Wissensgeschichte der Architektur“.

Vgl. Calzona and Volpi Ghirardini 1994, 85; Dokumente ebd. doc. 137, 198.

Holzer and Köck 2008, dort auch weitere gebaute Beispiele für Holzkuppeln.

Die Interaktion zwischen Bauwesen und entstehender moderner Naturwissenschaft ist ein viel bearbeitetes Forschungsfeld. Vgl. u. a.: Heyman 1972, Galluzzi 1977, Aveta 1997, Benvenuto 1991, Di Pasquale 1996, Halleux 2002, Kurrer 2008, Becchi and Foce 2002, Sakarovitch 2002, Becchi 2004, Schlimme 2006a, Bösel and Camerota 2004, Niglio 2007, Kurrer 2008, Como 2010, Valleriani 2010, Payne 2012, Becchi et.al. 2013 und die Buchreihen Between Mechanics and Architecture, Basel 1995 (begonnen von Patricia Radelet de Grave und Edoardo Benvenuto) und Studies in the History of Civil Engineering, Aldershot 1997–2001 (Joyce Brown Gesamtherausgeber) um nur wenige Titel beispielhaft zu benennen. Einen Überblick über das Forschungsfeld gibt die Bibliotheca Mechanico-Architectonica. An Open Source Digital Library Between Mechanics and Architecture (http://www.bma.arch.unige.it/ besucht am 6. Juni 2013).

Schlimme 2006a gibt einen Überblick über die Interaktion beider Bereiche.

Robert Hooke hatte Idee, dass die umgedrehte Kettenlinie eine ideale Gewölbegeometrie ist. Die Innenkuppel der nach Entwurf Christopher Wrens errichteten St. Paul’s Cathedral in London erhielt diese Geometrie, siehe Heyman 1998.

Alberti 1485, 1. Buch (10. Kapitel).

Becchi and Foce 2002, 31 und La Hire 1695 (bzw. La Hire 1730) und La Hire 1731, wo Texte La Hires von 1712 publiziert werden; zu La Hire jüngst Becchi et.al. 2013.

Le Seur et.al. 1743; vgl. dazu Schlimme 2006c mit aller älteren Literatur und jüngst Capecchi and Tocci 2011, 47.