Z Zusammenarbeit

Mitchell G. Ash

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DOI

10.34663/9783945561126-27

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Ash, Mitchell G. (2016). Z Zusammenarbeit. In: Wissen Macht Geschlecht: Ein ABC der transnationalen Zeitgeschichte. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Das Thema „Kooperation und Konkurrenz“ ist nicht nur in der Wissenschaftsgeschichte ein Dauerbrenner (vgl. Nickelsen 2014). Und nicht erst seit der deutschen „Exzellenzinitiative“ ist das Spannungsverhältnis zwischen Zusammenarbeit und Konkurrenz in der Wissenschaft wie auch in der Wissenschaftspolitik als Herausforderung erkannt worden. Das Spannungsverhältnis auf institutioneller Ebene setzt sich allseits wahrnehmbar im Missverhältnis der Wissenschaftler_innen selbst fort, zwischen Wahrung des Anscheins von Kollegialität einerseits und dem Dauerkampf der einzelnen Forscher_innen und Forschungsgruppen um Reputation und Fördermittel andererseits. Infolge zunehmender Forderungen nach scheinbarer Effizienz – im Managerjargon: „Optimierung des Mitteleinsatzes“ – steigen die Anreize zur Kooperation stetig an, was einen Zwang zur Interdisziplinarität sowie zur Bildung von Forschungsverbünden – von einigen Wissenschaftsmanagern spöttisch „Beutegemeinschaften“ genannt – wahrnehmen lässt (vgl. BBAW 2012).

In der folgenden Glosse soll von einer vielfältigen Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen unterhalb der großen Forschungsverbünde die Rede sein, die zwar nicht ganz reibungslos, aber schlussendlich doch mit erfreulichen Ergebnissen von statten gegangen ist. Gemeint ist eigentlich zweierlei: (1) die kollegiale Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsphilosophie an der Universität Wien, die zwar bereits vor der Ankunft Carola Sachses in Wien begann, von ihr aber wesentliche Impulse und Ergänzungen erhalten hat; (2) die Zusammenarbeit in der Lehre zwischen Carola Sachse und dem Autor dieser Zeilen, die zwar hauptsächlich im Bereich der Wissenschaftsgeschichte, aber darüber hinaus auf anderen Themen der allgemeinen Zeit- und Kulturgeschichte angesiedelt ist, sowie die weitere Zusammenarbeit von uns beiden mit anderen Kolleg_innen aus der Wissenschaftsphilosophie. In den folgenden beiden Abschnitten des Beitrags geht es vor allem darum, diese Zusammenarbeit zu dokumentieren. Am Schluss werden einige Faktoren besprochen, die für den langjährigen Erfolg dieser Kooperation verantwortlich zu machen sein mögen.

Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsphilosophie an der Universität Wien

Eine Besonderheit der Wissenschaftsgeschichte an der Alma Mater Rudolphina ist es, dass diese sowohl im Rahmen der Geschichtswissenschaft, vor allem am Institut für Geschichte und am Institut für Zeitgeschichte und teilweise auch am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, als auch im Rahmen der Philosophie, neuerdings als Integrated History and Philosophy of Science angesiedelt ist. Begonnen hat das mit der Gründung des (damals noch außeruniversitären) Instituts Wiener Kreis durch Friedrich Stadler 1991, sowie mit der Gründung der Arbeitsgruppe Wissenschaftsgeschichte am Institut für Geschichte 1992. Eine neue Akzentuierung erhielt das Themenfeld in Wien durch meinen Dienstantritt 1997. Neben der Übernahme der Leitung der eben genannten Arbeitsgruppe am Institut für Geschichte durfte ich das von Friedrich Stadler 1995 gegründete Diplomanden_innen- und Doktorand_innenseminar „Historische Wissenschaftsforschung“ fortan mit ihm gemeinsam leiten. Bereits zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich die universitäts- und wissenschaftshistorische Arbeit an der Universität Wien vom Mittelalter bis in die neueste Zeit hinein; das dürfte im deutschsprachigen Raum damals wie heute noch einmalig sein.

Wieder neue Akzente setzte dann die Berufung Carola Sachses 2004 auf eine neue Professur für Kultur- und Geschlechtergeschichte am Institut für Zeitgeschichte. Über ihre Expertise auf diesen beiden Gebieten hinaus brachte Carola Sachse zudem ihre Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Leitung der Präsidentenkommission zur „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“ mit nach Wien. Wir beide kannten uns bereits seit den 1990er Jahren aus Berlin. Somit ergab sich mit Fritz Stadler ein Dreiergespann, das sehr bald eine intensive Zusammenarbeit zu entfalten begann.

Mit dem UG 2002 und der neuen Satzung der Universität Wien, die auf dessen Grundlage erarbeitet wurde und 2004 in Kraft trat, wurden die institutionellen Rahmenbedingungen für eine nochmalige Verstärkung und Erweiterung dieser Zusammenarbeit geschaffen. Auf Initiative des damaligen Rektors Georg Winkler wurden mehrere Formate als Förderungsrahmen für fachübergreifende Kooperationen entwickelt, darunter die überfakultäre Forschungsplattformen und die Fakultätsschwerpunkte an den Fakultäten. Im letzteren Format wurde der Fakultätsschwerpunkt „Wissenschaftsgeschichte, Wissenskulturen, Wissensgesellschaften“ an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät 2008 eingerichtet.

Eine Initiative, die in der Folge der Neuorganisation der Universität Wien möglich wurde, war die Bildung von so genannten Initiativkollegs (im Folgenden: IKs) im Rahmen der strukturierten Doktoratsausbildung. Diese im deutschsprachigen Raum einmalige Initiative sah die Förderung von thematisch vernetzten Dissertationsprojekten durch die Anstellung der Doktorand_innen vor und wurde zur Gänze aus Mitteln der Universität finanziert. Die Auswahl der zu fördernden Kollegs wurde durch das Scientific Advisory Board der Universität vorgenommen, die internationale Begutachtung der Anträge wurde vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) organisiert. Wieder war das Dreiergespann dabei: Carola Sachse, Friedrich Stadler und ich bildeten gemeinsam mit Wolfgang L. Reiter, einem Honorarprofessor unserer Fakultät, den „historischen“ Teil eines der ersten dieser Kollegs mit dem Titel „Naturwissenschaften im historischen Kontext“. Von Anfang an war die multidisziplinäre Ausrichtung des Kollegs durch die gleichrangige Beteiligung von Philosoph_innen, Naturwissenschaftler_innen sowie eines Mathematikers. Alleinstellungsmerkmal des Kollegs wie auch der Folgeeinrichtungen war die interdisziplinäre Doppelbetreuung möglichst aller Dissertationen. Die erste Gruppe von Doktorand_innen begann ihre Arbeit im Wintersemester 2006, die Förderung dauerte bis 2010.

Zusammenarbeit in der Lehre – Team-Teaching von 2005 bis heute

Zum Konzept des Initiativkollegs und des aus ihm hervorgegangenen Doktoratskollegs „Naturwissenschaften im historischen, philosophischen und kulturellen Kontext“ (http://dk-sciences-contexts/univie.ac.at/) gehört eine intensive Zusammenarbeit der Faculty, die sich durch die gemeinsame Lehrtätigkeit im Kolloquium, Workshops und anderes mehr manifestiert. Carola Sachse hat mehrfach die Leitung des Kolloquiums mit anderen Faculty-Mitgliedern übernommen. Hinzu kommt die gemeinsame Lehre in den Seminaren des IK- und DK-Curriculums. Ein Beispiel davon ist das Seminar „Interpretation historischer naturwissenschaftlicher Quellentexte“, in dessen Rahmen die Kollegiat_innen und andere Beteiligte Quellenstücke aus ihren jeweiligen Dissertationsprojekten vorstellen und zur Diskussion stellen; Carola Sachse und der Lebenswissenschaftler Gerd Müller haben diese Lehrveranstaltung konzipiert und mittlerweile dreimal angeboten. Am Beginn des Curriculums stand jedoch seit dem Wintersemester 2006–2007 das von Carola Sache und mir gemeinsam geleitete Seminar „Ansätze der modernen (später: neueren und neuesten) Wissenschaftsgeschichtsschreibung“, das wie das „Quellenseminar“ dreimal angeboten worden ist; die letzten beiden Male (im Wintersemester 2010/2011 sowie 2014/2015) stand das Seminar auch im Lehrangebot des seit 2010 etablierten MA-Studiengangs History and Philosophy of Science (vgl. http://https://hps.univie.ac.at/home). Gegenstand dieses Methodenseminars sind mehrere Zugänge zur Wissenschaftsgeschichte, darunter der soziologische Ansatz Pierre Bourdieus, Betrachtungen der Beziehungsgeschichte von Wissenschaft und Politik, diskursgeschichtliche und bildtheoretische Analysen, sowie nicht zuletzt die historische Epistemologie im Sinne Hans-Jörg Rheinbergers, der Ansatz Ludwik Flecks und Bruno Latours actor-network theory. Ziel war es, den Beteiligten, darunter den Fellows des IK oder des DK, theoretische und methodische Werkzeuge in die Hand zu geben, aus denen sie eine für die eigenen Projekte geeignete Auswahl treffen können.

Unsere gemeinsame Lehrtätigkeit war aber nicht auf diese Ebene begrenzt. Am Beginn des MA-Studiengangs History and Philosophy of Science steht dessen Einführungskolloquium, das von Elisabeth Nemeth, Friedrich Stadler, Carola Sachse und mir gemeinsam entwickelt und in Abwechslung unter einander jedes Jahr im Herbst geleitet wurde. Hier ging es vor allem um Grundsatzfragen wie die Frage danach, was Wissenschaftsgeschichte oder Wissenschaftsphilosophie und was das Verhältnis der beiden zueinander sein mögen. Ergänzt und vertieft wurde die Besprechung dieser Fragen durch die Behandlung konkreter Themen wie etwa die Historisierung wissenschaftlicher „Objektivität“, Wissenschaft und Politik, Wissenschaft und Verantwortung oder Wissenschaft und Geschlecht, und zwar von historischen wie philosophischen Perspektiven zugleich.

Vielleicht am Intensivsten war unser beider Zusammenarbeit in Verbindung mit drei Ring-Vorlesungen mit den Titeln: „Wissen, Macht, Wissensmacht – Einführung in die historische Wissenschaftsforschung“; „Geschichte des Atomzeitalters“; und „Menschen und andere Tiere“, die im Rahmen des MA-Studiengangs Geschichte angeboten wurden. Die zuerst genannte Ring-Vorlesung wurde von uns mit mehreren weiteren Beteiligten aus der Universität Wien und auswärtigen Gastvortragenden als Einführung in das Themenfeld im Sommersemester 2007 angeboten.

Die Ring-Vorlesung „Geschichte des Atomzeitalters“ haben wir im Wintersemester 2005–2006 angeboten. Versucht wurde eine Verbindung von wissenschafts-, politik- und kulturgeschichtlichen Aspekten des Themas, die wir gemeinsam mit mehreren Gastvortragenden von innerhalb und außerhalb der Universität behandelten. Um diese Ring-Vorlesung herum gruppierten wir weitere Lehrveranstaltungen – Guided Reading-Kurse oder Seminare –, die wir meist getrennt anboten, um eine vertiefte Beschäftigung mit dem Thema zu ermöglichen, sowie auch ein gemeinsames Seminar zum Thema. Vor allem wegen des hohen Arbeitspensums, das nicht nur den Studierenden auferlegt wurde, erwies sich dieses Seminar als eine große Herausforderung. Diese Zusammenarbeit hat einen publizistischen Niederschlag gefunden, zum Beispiel in einem von Carola Sachse und Silke Fengler herausgegebenen Band zur Geschichte der Kernforschung in Österreich (2012), der wiederum der erste Band der von uns beiden gemeinsam herausgegebenen Reihe „Wissenschaft, Politik und Kultur in der modernen Geschichte“ war (http://www.boelau-verlag.com/Wissenschaft_Macht_und_Kultur_in_der_modernen_Geschichte.htm).

Den ausdrucksstarken Titel der Ring-Vorlesung „Menschen und andere Tiere. Beziehungsgeschichten vom Altertum (später: von der Prähistorie) bis heute“ hat Carola Sachse erfunden. Unsere Beschäftigung mit diesem Themenfeld begann auf getrennten Wegen. In meinem Falle fing alles schon mit der Übernahme der Leitung einer Arbeitsgruppe zur Geschichte des Tiergartens Schönbrunn im Rahmen seiner 250-Jahrfeier 2002 an, aus der mehrere Drittmittelprojekte, Lehrveranstaltungen und Publikationen hervorgingen (Ash 2008; Ash, Mitchell G. und Lothar Dittrich 2002). Carola Sachse betrat das Themenfeld mit einem Aufsatz über Geschlechterstereotypen in der Tierschutzbewegung des deutschen Kaiserreichs (Sachse 2006). Die Ring-Vorlesung boten Carola Sachse und ich dann insgesamt zweimal an, und zwar im Wintersemester 2009–2010 und im Sommersemester 2013. In beiden Fällen war das Format dieser Ringvorlesung das gleiche, wie bei der Ring-Vorlesung zum „Atomzeitalter“, eine Verbindung mehrerer Einzelvorlesungen von uns mit Gastvorlesungen von innerhalb und außerhalb der Universität Wien. Thematisch handelte es sich um einen Ritt durch die Gezeiten, vom Altertum bzw. der Prähistorie bis zur Gegenwart.

Auch hier hat unsere Zusammenarbeit einen publizistischen Niederschlag gefunden, und zwar durch unsere getrennte Beteiligung an einem Band mit dem Titel „Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History“ (Krüger, Gesine, Aline Steinbrecher und Clemens Wischermann 2014). Der Band ist als Einführung ins Themenfeld gedacht, doch hat dessen Ansatz auch Innovationspotential; so wird in allen Kapiteln danach gefragt, wie bestimmte Grundkategorien der Geschichtswissenschaft, wie beispielsweise „Raum“, „Rasse“ oder „Gesellschaft“ aussehen, wenn man sie mit den Tieren statt ohne sie behandelt. Mit dieser Frage haben Carola Sachse und ich uns anhand der Kategorie „Geschlecht“ beziehungsweise „Wissenschaft“ auseinandergesetzt.

Faktoren der Zusammenarbeit

Ich denke, ich habe genug gesagt, um die thematische Bandbreite der Zusammenarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen, um die es hier geht, kenntlich werden zu lassen. Worauf ist diese gewiss ungewöhnliche Zusammenarbeit unter Kolleg_innen mit unterschiedlichen Forschungsinteressen zurückzuführen? Bestimmte Faktoren jenseits der persönlichen Konstellation scheinen mir zumindest erwähnenswert zu sein. Ich teile sie in zwei Dimensionen ein: strukturelle Faktoren einerseits, und Verhaltensweisen und Einstellungen andererseits.

Vorrangig unter den strukturellen Faktoren bzw. institutionellen Rahmenbedingungen, die unsere Zusammenarbeit begünstigt haben, ist die schon erwähnte Tatsache, dass die Wissenschaftsgeschichte an der Universität Wien im Rahmen der Geschichtswissenschaft angesiedelt ist. Dies ist wie gesagt bereits seit den 1980er Jahren der Fall, doch durch die Berufung von mir und dann von Carola Sachse und die kurz darauf folgende Berufung Friedrich Stadlers auf eine interfakultäre Professur für History and Philosophy of Science hat diese bereits bestehende Struktur eine völlig neue Dimension gewonnen. Die Berufung von Carola Sachse brachte hier ein ungeahntes Plus, welche die geschichtswissenschaftliche Seite dieser Dynamik verstärkte.

Abb. 1: Das Wiener Doktoratskolleg „Naturwissenschaft im historischen, philosophischen und kulturellen Kontext“ beim Verlängerungshearing am Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) in Wien, 7. Oktober 2013. Von links nach rechts hinten: Thomas Mayer, Martin Wieser, Florian Huber, Jakob Yngvasson, Karl Sigmund, Jérôme Ségal, Friedrich Stadler, Georg Kopsky, Gerd Müller, Björn Henning, Irene Lichtscheidl, Doris Krajnc Cerny; vorne: Anna Lindemann, Carola Sachse, Mitchell Ash, Elisabeth Nemeth, Birgit Nemec, Verena Halsmayer, Georg Kopsky, Daniel Kuby, Karolina Sigmund, Wolfgang Reiter. (© Privatfoto: Georg Kopsky)

Abb. 1: Das Wiener Doktoratskolleg „Naturwissenschaft im historischen, philosophischen und kulturellen Kontext“ beim Verlängerungshearing am Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) in Wien, 7. Oktober 2013. Von links nach rechts hinten: Thomas Mayer, Martin Wieser, Florian Huber, Jakob Yngvasson, Karl Sigmund, Jérôme Ségal, Friedrich Stadler, Georg Kopsky, Gerd Müller, Björn Henning, Irene Lichtscheidl, Doris Krajnc Cerny; vorne: Anna Lindemann, Carola Sachse, Mitchell Ash, Elisabeth Nemeth, Birgit Nemec, Verena Halsmayer, Georg Kopsky, Daniel Kuby, Karolina Sigmund, Wolfgang Reiter. (© Privatfoto: Georg Kopsky)

Ein zweiter struktureller Faktor stellt die oben genannte, nach dem UG 2002 beschlossene und 2004 in Kraft getretene neue Satzung der Universität Wien dar. Diese begünstigte inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Fakultäten und auch über diese hinaus auf mehreren Wegen. Seit 2006, also mittlerweile seit zehn Jahren, bieten das oben beschriebene Initiativ- sowie auch das Doktoratskolleg eine Chance für multidisziplinäre Zusammenarbeit, die bis dahin eher nur punktuell bestanden und dazu geführt hat, dass die Universität Wien nun auf die Landkarte der Spitzenforschungseinrichtungen auf dem Gebiet der History and Philosophy of Science wahrgenommen wird. An allen dieser Initiativen war Carola Sachse maßgeblich beteiligt. Leider ist nicht alles rosig in dieser Hinsicht, denn die neue Einteilung der Fakultäten seit 2004 hat auch zu einer zunehmenden Verfestigung derselben nach Innen im Bereich der Lehre und auch hinsichtlich der Zulassung zum Doktoratstudium geführt, welche die erwähnten und an sich geförderten Zusammenarbeit nicht unbedingt erleichtert hat.

Last, not least sei auf einen weiteren, diesmal sozialstrukturellen Faktor hingewiesen, nämlich die gemeinsame Generationenzugehörigkeit von vier der Beteiligten, das sind Nemeth, Sachse, Stadler und (mit drei Jahren Abstand) auch ich. Die damit gegebenen, gemeinsamen Erfahrungshorizonte sind kaum zu leugnen, auch wenn wir aus drei verschiedenen Ländern – Österreich, Deutschland und den USA – kommen. Die gemeinsame Textlektüre für die Lehre nach unserer Zusammenführung in Wien hat diese Horizonte zugleich erweitert und vertieft. Leider hat gerade dieser an sich sehr positive Aspekt unserer Erfolgsgeschichte eine Schattenseite, denn wir gehen doch alle gleichzeitig mit dem 1. Oktober 2016 in den Ruhestand; gerade das gefährdet den Bestand der neu geschaffenen Strukturen. Es wird sich weisen, ob und wie die Nachbesetzung der von uns bislang inne gehabten Professuren gelingt und welche neue Forschungsschwerpunkte und Prioritäten sich dadurch ergeben.

Eine der Verhaltensweisen, die einen nicht unwesentlichen Anteil an dieser Story haben mag, hat vielleicht mit der gemeinsamen Generationszugehörigkeit zu tun. Kurz gefasst heißt das: reden, reden, reden und auch reden lassen! Die langen Diskussionen im Rahmen der Gremienarbeit in den vielen unterschiedlichen Sitzungen erforderten Ausdauer. Und das nahezu ausschließliche Verschicken der E-Mailkorrespondenz mit cc an alle verlangt Ehrlichkeit im Formulieren der jeweils eigenen Auffassungen sowie der Fähigkeit und der Bereitschaft, auf die Auffassungen der anderen einzugehen, auf dass im Gedankenaustausch die jeweils eigene Ansichten klarer und Konsens unter uns erreichbar werden konnten. Gegenseitiger Respekt und Offenheit für die Ansichten und inhaltlichen wie stilistischen Herangehensweisen, wie auch der Redestile, Anderer, waren und sind für unsere Zusammenarbeit, wie sicherlich auch für Zusammenarbeit in der Wissenschaft überhaupt, unverzichtbar. So banal dies klingen mag, so schwierig zu verstetigen scheinen gerade solche Verhaltensweisen und Einstellungen vor allem in den Geisteswissenschaften zu sein. Zusammenarbeit und Konkurrenz scheinen hier im Sinne des Eigensinns und dessen Toleranz, also des gemeinsamen Aushaltens der anderen, offenbar tatsächlich nicht getrennt voneinander zu haben. Allerdings sei angemerkt, dass diese Ebene der Zusammenarbeit, so intensiv sie immer war, nicht terminlich fixiert wurde, sondern ergab sich meist aus der Notwendigkeit, gewisse Aufgaben in einem bestimmten Terminrahmen erledigen zu müssen.

Was unser beider Zusammenarbeit betrifft, sei zum Abschluss noch in aller Offenherzigkeit hinzugefügt: Carola Sachse hat einen eigenen Umgang mit Zeit, der die gemeinsame Lehrtätigkeit nicht immer erleichtert hat. Sie kann aber auch hart im Nehmen sein, und das war gerade in der Arbeit mit so jemand wie mir, der starke Meinungen hat und sie auch kundtut, wohl wichtig und nötig gewesen. Hart im Nehmen sein heißt jedoch und hat auch unter uns auch niemals geheißen, weichen Sinnes und leicht im Nachgeben zu sein! Mich selbst im Drang zur Meinungsäußerung zurück zu halten und erst später wenn überhaupt in die Diskussion einzusteigen, wollte mühsam gelernt sein. Gerade die Reibereien, zu denen es gelegentlich schon mal gekommen ist und die beim Team Teaching wohl unvermeidlich sind, haben unsere gemeinsame Arbeit letztendlich aber immer wieder vorangebracht. Für die Bereitschaft, das alles durchzustehen und für den intellektuellen und sonstigen Spaß, der daraus geworden ist, danke ich Dir, liebe Carola, vom ganzen Herzen.

Literatur

Ash, Mitchell G. (2008). Mensch, Tier und Zoo. Der Tiergarten Schönbrunn im internationalen Vergleich vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Wien: Böhlau Verlag.

Ash, Mitchell G. und Lothar Dittrich, Hrsg. (2002). Kaiserliche Menagerie. Zoo der Wiener. 250 Jahre Tiergarten Schönbrunn. Wien: Pichler-Verlag.

BBAW (2012). Forschungsverbünde in der Wissenschaft. Chance oder Zwang? Streitgespräch in der wissenschaftlichen Sitzung der Versammlung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 2. Dezember 2011. Hrsg. von Der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Debatte, Heft 11. Berlin: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

Fengler, Silke und Carola Sachse, Hrsg. (2012). Kernforschung in Österreich. Wandlungen eines interdisziplinären Forschungsfeldes, 1900–1978. Wissenschaft, Macht und Kultur in der modernen Geschichte 1. Wien: Böhlau Verlag.

Krüger, Gesine, Aline Steinbrecher und Clemens Wischermann, Hrsg. (2014). Tiere und Geschichte. Konturen einer „Animate History“. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

Nickelsen, Kärin (2014). Kooperation und Konkurrenz in den Naturwissenschaften. In: Konkurrenz in der Geschichte. Praktiken – Werte – Institutionalisierungen. Hrsg. von Ralph Jessen. Frankfurt am Main: Campus, 333–379.

Sachse, Carola (2006). Von Männern, Frauen und Hunden. Der Streit um die Vivisektion im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Feministische Studien 1:9–28.

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