G Gleichstellung

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10.34663/9783945561126-08

Citation

Kolboske, Birgit (2016). G Gleichstellung. In: Wissen Macht Geschlecht: Ein ABC der transnationalen Zeitgeschichte. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Wen interessierte schon das Liebesleben des Che? Mit solchen Kleinigkeiten hielt die Geschichte sich nicht auf. Die Geschichte interessierte sich nicht für das Privatleben ihrer Helden. Denn sie wurde ja immer von Männern geschrieben.

Gioconda Belli, Die bewohnte Frau

Gender, Guerilleras und die Max-Planck-Gesellschaft

Was haben die lateinamerikanischen Guerillabewegungen mit der Max-Planck- bzw. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gemein? Beide verfügen über einen verschwindend geringen Frauenanteil in Leitungspositionen, sei es als comandantes en jefe oder als Direktorinnen. Ein nahezu identischer Topos fungiert als Exklusionskriterium sowohl für Wissenschaftlerinnen als auch Guerilleras: die Pflicht, das Leben ganz in den Dienst der Wissenschaft bzw. der Revolution zu stellen. Das Postulat einer Lebensform, die willkürlich und absolut das Soziale vom Epistemischen bzw. Revolutionären trennt, wird so zum Argument, um Frauen, die mutmaßlich dazu nicht fähig oder bereit sind, von den oberen Hierarchieebenen auszuschließen.

Die Wissenschaftlerinnen

Als 1948 in Göttingen die Max-Planck-Gesellschaft gegründet wurde, befanden sich noch drei der einst 13 KWG-Abteilungsleiterinnen in Berlin und ermöglichten so den Transfer ihrer dort verbliebenen Restabteilungen in die Max-Planck-Gesellschaft: die beiden 1946 an die wiedereröffnete Berliner Universität berufenen Professorinnen Elisabeth Schiemann und Else Knake sowie Luise Holzapfel. Schiemann kommentierte schon Weihnachten 1946 lakonisch in einem Brief an ihre Freundin Lise Meitner: „Ordinariate kommen wohl auch weiterhin für Frauen nicht in Betracht“ (Scheich 2002, 278). Else Knake übernahm 1953 die Abteilung für Gewebeforschung an Hans Nachtsheims Dahlemer MPI für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie. Zwischen 1953 und 1961 scheiterten alle Versuche sie zum Wissenschaftlichen Mitglied zu berufen an Nachtsheims Veto. Dass sich in der Max-Planck-Gesellschaft in den folgenden Jahrzehnten zunächst nur wenig an dieser Situation geändert hat, verdeutlicht die Bilanz von insgesamt nur dreizehn weiblichen gegenüber 678 männlichen Wissenschaftlichen Mitgliedern in den ersten fünfzig Jahren ihres Bestehens. Die mangelnde oder nicht ausreichende Beteiligung von Frauen setzte sich in der Max-Planck-Gesellschaft auf allen Qualifikations- und Hierarchiestufen fort.

Eine Anfrage der Bund-Länder-Kommission nach Frauenanteilen 1988 zwang die Max-Planck-Gesellschaft erstmals ihre Personalstatistiken geschlechtsspezifisch auszuweisen. Daraufhin veranlassten der Gesamtbetriebsrat der Max-Planck-Gesellschaft und sein Frauenausschuss eine interne empirische Untersuchung zur Beschäftigungssituation von Männern und Frauen. Das Fazit der 1993 veröffentlichten Studie war, dass sich trotz der „bestausgebildeten Frauengeneration, die die Bunderepublik je hatte“ (Munz 1993) über alle Beschäftigungsgruppen hinweg ein Verteilungsmuster erkennen ließ, das Männer in den gut bezahlten, sicheren und einflussreicheren Arbeitsplätze zeigte, während die Repräsentanz von Frauen in dem Maße abnahm, wie Status, Gratifikation und Stabilität der Positionen zunahmen.

Der Wissenschaftliche Rat der Max-Planck-Gesellschaft hatte 1991 die Auffassung vertreten, dass „die berufliche Entwicklung von Frauen wie Männern inhaltlich, strukturell und sozial Bedingungen unterworfen ist, die historisch zu einer Diskriminierung von Frauen auch in der Wissenschaft geführt hat“ nicht länger tragbar sei. Grundlage seiner Empfehlungen bildete der Befund, dass im Hinblick auf die Zukunft der Wissenschaft die „rechtzeitige und volle Entfaltung aller Talente und Begabungen unverzichtbar“ sei. Dazu empfahl der Rat eine Reihe von Maßnahmen, die sich jedoch vor allem auf die bessere Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie konzentrierten, während eine Einflussnahme auf Personalentscheidungen, wie etwa eine Quotenregelung, „aus pragmatischen Gründen verworfen“ wurde. Die daraufhin von der Max-Planck-Gesellschaft initiierte Gleichstellungspolitik stützte sich im Wesentlichen auf drei Pfeiler: (1) einen Beschluss des MPG-Senats im März 1995 über die „Grundsätze zur Frauenförderung“, zu denen auch die Bestellung einer zentralen Gleichstellungsbeauftragten gehörte; (2) 1996 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Generalverwaltung zur „Gleichstellung von Frauen und Männern“ sowie (3) einen Frauenförder-Rahmenplan 1998.

Nachdem im September 1994 das Gesetz zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Frauenfördergesetz) in Kraft getreten war, konnte die Max-Planck-Gesellschaft Forderungen nach konkreter Umsetzung und entsprechenden Maßnahmen nicht länger außer Acht lassen, ohne empfindliche finanzielle Einbußen zu riskieren. Man kam zu dem Schluss, dass das Frauenfördergesetz seinem Wortlaut nach zwar nur für die Beschäftigten in den Verwaltungen des Bundes und einschlägiger Bundeseinrichtungen gälte und somit nicht unmittelbar für die Max-Planck-Gesellschaft. Da es aber auch Maßstäbe für künftige Erwartungen in Bezug auf frauenfördernde Maßnahmen bei Einrichtungen setzte, die – wie die Max-Planck-Gesellschaft – maßgeblich aus Bundesmitteln mitfinanziert wurden, herrschte prinzipiell Einvernehmen darüber, dass das Frauenfördergesetz als Grundlage für Maßnahmen in der Max-Planck-Gesellschaft gelten solle, dabei allerdings die Besonderheiten der Max-Planck-Gesellschaft berücksichtigt werden müssten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Anpassung an die MPG-Spezifika eine Entschärfung des Frauenfördergesetzes an entscheidenden Stellen bedeutete, sei es dass die Federführung bei der Umsetzung des Frauenförder-Rahmenplans nicht der Zentralen Gleichstellungsbeauftragten übertragen wurde (§ 4 Absatz 1) oder dass die Pflicht zur Erhöhung von Frauenanteilen nach Maßgabe der aufgestellten Pläne nicht für Berufungsverfahren galten (§ 7 Absatz 3), für die, wie Susanne Walther es formulierte, „lediglich eine Art frauenfreundlicher Gestaltungsauftrag formuliert wurde“ (1997, 33). Angesichts solch massiver Einschnitte in die Machtbefugnisse der Frauenbeauftragten insbesondere bei der Mitwirkung in Personalangelegenheiten überrascht nicht, dass Gleichstellungsbeauftragte und Gesamtbetriebsrat der Max-Planck-Gesellschaft unabhängig voneinander zu dem Ergebnis kamen, dass der Frauenförder-Rahmenplan ein viel zu schwaches Regelwerk sei, um den Frauenanteil auf allen Karrierestufen dem von Studierenden und Doktorandinnen anzugleichen.

Die Guerilleras

Im Herbst 1979 schien es, als habe die sandinistische Revolution nicht nur politisch, sondern auch in Bezug auf die Partizipation der Guerilleras/Frauen einen Präzedenzfall geschaffen. Nie zuvor hatten Frauen so offensichtlich, so spektakulär die politischen und militärischen Geschicke mitgelenkt wie im Fall der legendären nicaraguanischen Guerilleras, zu denen Dora María Téllez gehörten. Téllez befehligte, unterstützt von Edén Pastora und Hugo Torres, die Besetzung des Nationalpalastes in Managua im August 1978, die das Ende das Somoza-Regimes einleitete. Nach dem Sieg der Sandinist_innen gehörte sie bis Januar 1995 zur Nationalleitung der Sandinisten.

Die erste bekannte Guerillera Lateinamerikas war Haydee Tamara Bunke Bider, bekannt unter dem Namen „Tania“. Ihre Eltern flohen 1935 aus Nazideutschland nach Argentinien, wo sie geboren wurde und bis zur Rückkehr der Eltern Anfang der 1950er Jahre in die DDR aufwuchs. 1961 ging Tania nach Kuba, wo sie eine militärische und geheimdienstliche Ausbildung erhielt, bevor sie 1964 als Spezialagentin des kubanischen Geheimdienstes nach Bolivien entsandt wurde. Nach ihrer Enttarnung im März 1967 schloss sie sich als einzige Frau den sechzig unter Che Guevara kämpfenden Guerilleros an. Nur fünf Monate später starb sie bei einem Gefecht und wurde zum Mythos der lateinamerikanischen Guerilla. Eine nähere Betrachtung ihrer Aufgaben als Guerillera verdeutlicht jedoch, dass hier mitnichten traditionelle Rollenbilder durchbrochen wurden. Als sie zur Guerillatruppe stieß, war das erste, um das sie sich kümmern musste, die Wäsche der Genossen. Sie nähte ihnen die Knöpfe wieder an und widmete sich weiteren Dingen, „die eine Frau immer besser beherrscht als der Mann“ (Rojas und Rodriguez Calderón 1974, 117). Tania scheint damit keine Probleme gehabt zu haben. Als überzeugte Marxistin dieser Generation, war für sie die klassenlose Gesellschaft das oberste Ziel, das sie mit unerschütterlicher Disziplin und einer ideologischen Standfestigkeit verfolgte, in der kein Platz für „kleinbürgerlichen Feminismus“ war.

Abb. 1: Sandinistische Guerilleras 1979 an der frente sur in Nicaragua.(© Centro de Historia Militar, Managua, Nicaragua)

Abb. 1: Sandinistische Guerilleras 1979 an der frente sur in Nicaragua.(© Centro de Historia Militar, Managua, Nicaragua)

Angela Zago dagegen, von 1964 bis 1965 Guerillera in den venezolanischen Fuerzas Armadas de Liberación Nacional, erlebte derlei Diskrepanzen weitaus bewusster. Die Forderung, dass alle individuellen Bedürfnisse hinter der revolutionären Aufgabe zurückbleiben müssen, stellt sie in Frage: „Ein Revolutionär hat also kein Recht an seine eigenen Belange zu denken. Welch ein Widerspruch! Sind meine eigenen Belange etwa nicht Sache der Revolution? Wie ist es denn zu dieser Trennung gekommen? Hier die Revolution – und dort das Leben, später mal, wenn die Revolution mich nicht mehr braucht. Und wann soll das sein?“ (Zago 1972, 188). Dieses Dilemma, dass jede stärkere soziale Orientierung als Abweichung vom revolutionären Bewusstsein angesehen und damit kleinbürgerlicher Gefühlsduselei gleichgestellt wird, beklagen fast alle Guerilleras in ihren Testimonios.

Massive Kritik übt auch die ehemalige uruguayische Guerillera Ana María Araújo in ihrer Studie Tupamaras: Des femmes de I'Uruguay (1980), in der sie ihre eigenen Erfahrungen mit denen ihrer ehemaligen Weggefährtinnen verbindet. Die uruguayische Befreiungsfront der Tupamaros war die erste lateinamerikanische Befreiungsbewegung, die eine beträchtliche Anzahl an Guerilleras aufwies und Che Guevaras Konzept des hombre nuevo, des neuen Menschen/Mannes, grundsätzlich in Frage stellte: In seinen theoretischen Texten plädiere Guevara zwar für einen radikalen, gesamtgesellschaftlichen Umbruch, verträte selbst aber weiterhin ein stereotyp patriarchales Frauenbild – siehe Tania. Doch auch innerhalb der Tupamaros-Strukturen hielten sich alte Rollenbilder. Dass hier erstmals die Beteiligung von Guerilleras vergleichsweise hoch war, ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass die Tupamaros anders als die Guerillabewegungen in Guatemala, El Salvador oder Bolivien in erster Linie eine Stadtguerilla waren. Denn die Stadtguerillas kalkulierten mit dem Stereotyp der „friedfertigen Frau“ (Mitscherlich), um ihre urbanen Netze auszubauen. Araújo kritisiert, dass vorherrschende traditionelle Frauenbilder für revolutionäre Aktionen benutzt und damit tradiert wurden. Die Tupamaras mieteten beispielsweise konspirative Häuser an, arbeiteten als Sekretärinnen und wurden beauftragt, das männliche Wachpersonal der Banken zu betören, um es ungehindert überfallen zu können. Für Araújo sind solche Ablenkungsmanöver Ausgeburten des Männertraums von Heiliger und Hure. Dieses, dem Duktus des katholischen Patriarchats entstammende Bild, ist im Kontext lateinamerikanischer Revolutionsbewegungen umso perfider: Die Dichotomie von tugendhafter Frau und Hure entspricht einer realen Arbeitsteilung bei der ideologischen Reproduktion des Mannes in der Kolonialgesellschaft. Während die weiße Ehefrau die Ehre des Mannes gewährleistet und sein Heim hütet, mehren seine indianischen encomendadas und schwarzen Sklavinnen seinen Reichtum und werden so zum Spiegelbild männlicher Geltungsansprüche (Götz 1992).

Innerhalb der Guerillastruktur herrscht eine klassische Machtverteilung: Die Männer sind für den organisatorisch-administrativen Bereich zuständig, die Frauen für die Aufrechterhaltung der dafür benötigten Infrastruktur. Es kommt insgesamt kaum vor, dass Guerilleras Führungspositionen innehalten, ungeachtet der Tatsache, dass sie, wie es die ehemalige kolumbianische comandante guerrillera und spätere Politikerin Vera Grabe ausdrückte, über „handfestere Führungskapazitäten“ verfügen als Männer (Beccassino 1989). Wie Zago problematisieren vor allem auch die Guerilleras des kolumbianischen Movimiento 19 de Abril und der Tupamaros die rigide Forderung nach Unterwerfung aller persönlichen Belange unter den revolutionären Prozess, insbesondere den hiermit verbundenen Verlust der Geschlechtsidentität: „Tu étais obligée d'adhérer aux valeurs masculines, de te déféminiser dans tous les domaines, de refouler les valeurs traditionnelles mais sans plus: sans créer sans chercher a partir de toi, de ton corps, de ton émotion, de ton sexe, des valeurs nouvelles.“ (Araújo 1980, 216 f.) Diese widersprüchlichen Komponenten – einmal wird das dezidiert weibliche Bild in den Dienst der Revolution gestellt, ein andermal muss die Guerillera, um der Revolution zweckdienlich zu sein, ihre Weiblichkeit ablegen oder gar verleugnen – sind Ausdruck androzentristischer Revolutionsmoral.

Minerva, die Guerillera?

Abb. 2: Büste der Minerva mit Helm über dem Eingang des Archivs der Max-Planck-Gesellschaft. (© Archiv der MPG, Berlin-Dahlem)

Abb. 2: Büste der Minerva mit Helm über dem Eingang des Archivs der Max-Planck-Gesellschaft. (© Archiv der MPG, Berlin-Dahlem)

Ihrem Artikel zur Frauenförderung in der Max-Planck-Gesellschaft stellte Susanne Walther 1997 die Frage voran: „Minerva, warum trägst Du so einen kriegerischen Helm?“ Und gab sich selbst die Antwort: „Weil ich noch so viel erkämpfen muss“ (Walther 1997, 35). Bislang ist für die Göttin der taktischen Kriegsführung und Hüterin des Wissens, die das Emblem der Max-Planck-Gesellschaft ziert, noch nicht der Zeitpunkt gekommen, ihn abzunehmen.

Die Brüche in den Nachkriegskarrieren von Schiemann und Knake weisen darauf hin, dass ihr Geschlecht bei Berufungsverfahren als Exklusionskriterium fungierte. Es ist zu vermuten, dass von Anfang an männerdominierte Auswahlgremien und intransparente Bewertungssysteme informelle Netzwerke in der Max-Planck-Gesellschaft stärkten, die Frauen in Führungspositionen tendenziell ausgeschlossen haben. Wie diese Old Boys Networks funktionieren, hat Carola Sachse exemplarisch in ihrem Artikel zur „Persilscheinkultur“ über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Max-Planck-Gesellschaft dargelegt (2002). Fälle wie die von Knake und Schiemann zeigen, dass man in der neugegründeten Max-Planck-Gesellschaft eher bereit war, mit Wissenschaftlern mit NS-Vergangenheit zusammenzuarbeiten als mit ihren politisch unbedenklichen Kolleginnen – ungeachtet ihrer gleichwertigen Qualifikation und durchaus größeren Berufserfahrung.

Die Erwartung, die revolutionären Bewegungen und Prozesse Lateinamerikas würden traditionelle Geschlechterrollen abschaffen, wurde enttäuscht. Stattdessen wurden in den Guerillastrukturen alte Genderstereotypen tradiert. Das Analyse-Konzept der triple oppression traf weitgehend auf Unverständnis und galt als kleinbürgerlich, also konterrevolutionär. Auch wenn der Kampf der Guerilleras um Partizipation und Emanzipation trotzdem gewisse Erfolge erzielt hat, fehlte den lateinamerikanischen Guerillabewegungen das Einbeziehen feministischer Konzeptionen in ihr revolutionäres Verständnis, um sich tatsächlich als die Avantgarde zu erweisen, die sie vorgaben zu sein.

Auch die erste Phase der Gleichstellungspolitik der Max-Planck-Gesellschaft ist wenig erfolgreich gewesen, was zum einen auf die bereits angesprochenen halbherzigen bzw. zu sehr auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie konzentrierten Maßnahmen zurückzuführen ist. Zum anderen hängt es mit den Mythen zusammen, denen die Max-Planck-Gesellschaft anhängt: Das Primat der herausragenden Grundlagenforschung, die ausschließlich hochqualifizierte Wissenschaftler im Sinne des Harnack-Prinzips verpflichtet, ist das grundlegende und immer wiederkehrende Argument dafür, dass der Gleichstellungsprozess in der Max-Planck-Gesellschaft zwangsläufig langwierig sein müsse – so er nicht der Wissenschaft schaden will. Die Max-Planck-Gesellschaft müsse sicherstellen, dass das Teilsystem Wissenschaft nicht der Tagespolitik geopfert würde (Baltes 1995, 4). Dieser Glaube, gepaart mit der offenbar unerschütterlichen Überzeugung, dass selbst in den 1990er Jahren gar nicht ausreichend qualifizierte Wissenschaftlerinnen vorhanden seien, ist entscheidend für viele Widerstände und Verzögerungstaktiken im Gleichstellungsprozess. 1998 führte Hubert Markl, der damalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, das Auseinanderklaffen des proklamierten Willens und der Berufungsrealität als eine Ursache dafür an, dass die Max-Planck-Gesellschaft mit ihrem eklatant niedrigen Frauenanteil das Schlusslicht in Deutschland bilde. Umso bemerkenswerter, dass an der Spitze des im darauffolgenden Jahr ins Leben gerufenen Forschungsprogramms zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus während der aktiven Forschungsphase ausschließlich Wissenschaftlerinnen standen, von denen eine Carola Sachse gewesen ist.

Literatur

Araújo, Ana María (1980). Tupamaras. Des femmes de l’Uruguay. Paris: Editions des femmes.

Baltes, Paul B. (1995). Förderung von Frauen in der Wissenschaft: Besser auf dem rechten Weg hinken als festen Schrittes abseits wandern. MPG-Spiegel 5:2–5.

Beccassino, Angel (1989). M-19: El heavy metal latinoamericano. Bogota: Fondo Editorial Santodomingo.

Götz, Helle (1992). Spiegelgeschichten. Frauenbilder in mestizischen Gesellschaften Lateinamerikas. In: ¡Basta! Frauen gegen Kolonialismus. Berlin: Edition ID-Archiv.

Munz, Sonja (1993). Zur Beschäftigungssituation von Männern und Frauen in der Max-Planck-Gesellschaft. Eine empirische Bestandsaufnahme. München: Studie im Auftrag der Generalverwaltung und des Gesamtbetriebsrates der MPG.

Rojas, Marta und Mirta Rodriguez Calderón (1974). Tania. La Guerillera. Buenos Aires: Distribuidora Baires.

Sachse, Carola (2002). Persilscheinkultur. Zum Umgang mir der NS-Vergangenheit in der Kaiser-Wilhelm/Max-Planck-Gesellschaft. In: Akademische Vergangenheitspolitik. Beiträge zur Wissenschaftskultur der Nachkriegszeit. Hrsg. von Bernd Weisbrod. Göttingen: Wallstein Verlag, 223–252.

Scheich, Elvira (2002). Elisabeth Schiemann (1881–1972): Patriotin im Zwiespalt. In: Autarkie und Ostexpansion. Pflanzenzucht und Agrarforschung im Nationalsozialismus. Hrsg. von Susanne Heim. Göttingen: Wallstein Verlag, 250–279.

Walther, Susanne (1997). Minerva, warum trägst Du so einen kriegerischen Helm? Frauenförderung in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Juristinnen im Wissenschaftsbetrieb – Feminisierung der Jurisprudenz? Hrsg. von Ursula Rust. Baden-Baden: Nomos, 30–35.

Zago, Angela (1972). Aquí no ha pasado nada. Venezuela: Síntesis Dosmil.